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Weltkirchliche Wegerfahrungen

Jean Paul Russeil

Ein Weg des Glaubens in der Sendung der Kirche: die örtlichen Gemeinden

[aus dem Französischen von Gabriele Viecens, Dipl.-Übers.]

„Damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10)

Einleitung

Zu berichten von einem Weg des Glaubens, dessen Grundlage eine klare pastorale Option für die Örtlichen Gemeinden in der Diözese Poitiers ist, das erfordert zuallererst einmal, den Kontext zu beschreiben. Und im zweiten werde ich dann auf die drei Fragen eingehen, die Sie mir im Vorfeld gestellt haben und dann noch kurz zusammenfassen.

I Im Kontext der Kirche in Frankreich
1. Der Brief der Bischöfe an die Katholiken in Frankreich (1996) ist Anruf an uns, zum Wesentlichen vorzudringen, was das Leben im Glauben ausmacht.

Für die Kirche Gottes in Frankreich ist der Brief der Bischöfe von 1996 an die Katholiken in Frankreich so etwas wie eine Zäsur: In der heutigen Gesellschaft den Glauben vorschlagen. Der Brief wendet sich an alle Getauften und geht von klaren Feststellungen aus:

„Wir können … die Augen nicht verschließen vor den besorgniserregenden Anzeichen eines Tiefstands religiöser Praxis, eines gewissen Verlustes der gemeinsamen christlichen Erinnerung, der Problematik der fehlenden nachfolgenden Generationen. Stellung und Zukunft des Glaubens selbst in unserer Gesellschaft sind in Frage gestellt.“

Der Brief präzisiert dann die pastorale und geistliche Haltung:

„Wir sind ohne Zögern bereit, uns als Katholiken in das kulturelle und institutionelle Gefüge der Gegenwart, das vor allem durch Individualismus und Laizismus gekennzeichnet ist, einzubringen. Wir lehnen jede Nostalgie nach vergangenen Epochen ab, in denen angeblich das Prinzip der Autorität unangefochten galt. Wir träumen nicht von einer unmöglichen Rückkehr zur so genannten Christentümlichkeit (chrétienté). (…) Kurz, wir meinen, dass die heutige Zeit für die Verkündigung des Evangeliums nicht weniger günstig ist als die vergangenen Zeiten unserer Geschichte.“ (I.1) „Selbst wenn die jetzige Situation zuweilen mühsam ist, so ist sie doch eine Chance, die wir nicht verpassen dürfen. Wir sind gehalten, gemeinsam zum Wesentlichen vorzudringen, zu dem, was unser Leben als Glaubende ausmacht und so noch entschlossener und radikaler Jünger und Zeugen des Gottes Jesus Christus zu werden.“

Die Kirche in Frankreich ist ganz klar eingeladen, den „Glauben vorzuschlagen“. Wenn wir aber den Glauben vorschlagen, so fordert uns das auch heraus, selber „an die Quellen unseres Glaubens“ zu gehen. Darin liegt auch die Herausforderung der beiden Synoden, die, in Einklang mit dem Kirchenrecht (CIC) seit 1983 stattgefunden haben.

2. Die Diözesansynoden sind Teil der Rezeption des Kirchenbildes des II. Vatikanischen Konzils in dem vom Kirchenrecht festgelegten Rahmen

Wir wissen, wie sich die Institution der Diözesansynoden im Kirchenrecht darstellt. Der CIC (Codex Iuris Canonici) von 1983 gibt den institutionellen Rahmen vor, wie Diözesansynoden abgehalten und gefeiert werden sollen (Kanon 460–468). So ist dieser Schritt der Diözese Poitiers – in Bezug auf die Weltkirche – im Einklang zu sehen mit dem Kirchenbild des II. Vatikanischen Konzils und seiner institutionellen Umsetzung gemäß den Normen des CIC von 1983. Es besteht aber genau so ein Einklang – in Bezug auf die Kirche in Frankreich – mit der Perspektive, die die Bischöfe in ihrem Brief „In der heutigen Gesellschaft den Glauben vorschlagen“ zum Ausdruck gebracht haben.

Die erste Diözesansynode unter der Leitung von Bischof Rozier wurde 1983 gefeiert und verkündet mit dem Leitwort „Wege des Evangeliums“. Die zweite Synode wurde 2003 unter der Leitung von Bischof Rouet gefeiert und verkündet mit dem Leitwort: „Diener und Dienerinnen des Evangeliums“. Unsere Erfahrung im Blick auf diese beiden Diözesansynoden erlaubt uns wirklich zu sagen, dass eine Synode die tiefe Natur der Kirche als Ort der Versammlung zum Ausdruck bringt; sie stellt sicher, dass die Meinung von allen gehört werden kann, weil alle repräsentiert sind; sie garantiert den Status des apostolischen Dienstamtes: Der Bischof beruft die Synode ein, steht der Versammlung vor und verkündet die synodalen Beschlüsse. Er verortet die Diözesankirche im konkreten menschlichen und kulturellen Kontext. Er ermöglicht Initiativen im Blick auf die Sendung der Kirche, das Heil des Evangeliums zu verkünden. So können wir sagen, dass wir die beiden Synoden als spirituelles Ereignis gelebt haben, welches das missionarische Bewusstsein einer Diözese herausbildet und ihre pastorale Ausrichtung im Glauben verwurzelt.

II Die langsame und geduldige Arbeit im Blick auf den Glauben: 3 Fragen

Der Ausdruck „Örtliche Gemeinden“ ist im Dekret des II. Vatikanums über Dienst und Leben der Priester (Presbyterorum ordinis) zu finden:

„Die Einzelgemeinde (communitas localis) darf darum nicht nur die Sorge für die eigenen Gläubigen fördern, sondern muss, von missionarischem Eifer durchdrungen, allen Menschen den Weg zu Christus ebnen. Ihre besondere Sorge gelte jedoch den Katechumenen und Neugetauften; sie sind schrittweise zur Erkenntnis und Führung eines christlichen Lebens zu erziehen.“ (6)

Der zweifache Horizont einer jeden örtlichen christlichen Gemeinschaft wird hier beschrieben: Zum einen geht es um das missionarische Bewusstsein der Kirche, die gesandt ist, das Evangelium „auf Augenhöhe“ zu verkünden, aber auch darum, Ort zu sein, wo Erziehung im Glauben stattfindet. Derselbe Konzilstext bekräftigt auch den Sinn der cura pastoralis, wenn er sagt:

„Die Hirtenaufgabe beschränkt sich aber nicht auf die Sorge für die einzelnen Gläubigen, sondern umfasst auch wesentlich die Bildung einer echten christlichen Gemeinschaft.“

Das Herz, die Mitte der Örtlichen Gemeinden in der Diözese Poitiers sind Taufwürde und die Sakramente der christlichen Initiation. Hier offenbart sich der Zusammenklang von Spiritualität, Theologie und Pastoral – ein Zusammenklang, der Nahrung ist für unsere Diözese schon seit den Zeiten ihres ersten bekannten Bischofs: der heilige Hilarius, Kirchenvater und Kirchenlehrer. In der Tat ist es so, dass der Ausgangspunkt seiner theologischen Reflexion der Glaube an die Taufe ist. Diese Verwurzelung in der Geschichte des Glaubens im Poitou weist auf eine Priorität hin: nämlich Ausbildung. In diesem Kontext kommt in der zweiten Diözesansynode deutlich zum Ausdruck, woraufhin die Örtlichen Gemeinden ausgerichtet sind:

„Der Geist der örtlichen Gemeinden ist vor allem ‚missionarisch‘. Jede Aufgabe wird anvertraut auf der Grundlage der christlichen Initiationssakramente, um so für das Evangelium Zeugnis zu geben. Aber jede Aufgabe, die einer Person anvertraut wird, entbindet die anderen Mitglieder der örtlichen Gemeinde nicht von ihrer je eigenen Verantwortung. Darüber hinaus ist die gesamte Kirche eingeladen, allen Menschen zum Nächsten zu werden: denn da, wo eine christliche Gemeinschaft lebt, da ist Kirche, da ist Christus (Mt 18,20).“

Dieses Zitat aus den synodalen Dokumenten gibt ein Echo auf die oben erwähnten Konzilstexte. Als nächstes möchte ich auf die drei Fragen eingehen, die Sie mir gestellt haben:

Auf dem Weg zu neuen Pfarreien

Die ersten synodalen Dokumente aus dem Jahr 1993 weisen darauf hin, dass neue Pfarreien errichtet werden können, aber es ist „dafür Sorge zu tragen, dass lebendige Gemeinschaften erhalten bleiben.“ Im gleichen Paragraph der synodalen Dokumente findet sich auch der Ausdruck „örtliche Gemeinde“, ebenso wie das Wort „équipe d‘animation“, d. h. eine örtliche Equipe, die die Lebendigkeit der Gemeinde fördert. Einige Monate nach der Verkündung der synodalen Akte durch Mgr Rozier wurde Mgr Rouet zum Bischof-Koadjutor ernannt. Er nimmt diese Termini wieder auf um die zugrundeliegende pastorale Orientierung zu bekräftigen, und die Dokumente der Diözesansynode von 2003 bekräftigen diese Perspektive noch einmal: „eine Untersuchung (…), mit dem Ziel, welche Möglichkeiten gegeben sind, die Pastoralsektoren, die sich aus örtlichen Gemeinden zusammensetzen, kirchenrechtlich in neue Pfarreien zu entwickeln“

Der neue Erzbischof von Poitiers – Mgr Pascal Wintzer – hat vor kurzem ein Dekret erlassen sowie einen Hirtenbrief geschrieben, in denen er noch einmal den Unterschied zwischen Pfarrei und örtlicher Gemeinde präzisiert. Die Pfarreien sind zu verstehen als „Gemeinschaft von örtlichen Gemeinden“. Die Zielrichtung wird von ihm ganz klar benannt: „Pfarreien für die Evangelisierung“. Die Schritte, die momentan unternommen werden, um Bezugspunkte und Wegmarken zur Vorbereitung dieser neuen Pfarreien herauszukristallisieren, die Art und Weise der Beratungen und die Art, wie Meinungen eingeholt werden – all dies ist klar synodaler Natur. So kann man sagen, dass der Horizont für die neuen Pfarreien schon seit 20 Jahren präsent ist, aber es brauchte vor allem auch noch den geduldigen Weg der örtlichen Gemeinden und ganz besonders das immer tiefere Verständnis der Taufgnade. Heute ist es möglich geworden, dass – im Rahmen der neuen Pfarreien – sowohl das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen und das pastorale Dienstamt der Priester zum Ausdruck gebracht wird vor dem Hintergrund der Sendung, die die Kirche allen anvertraut hat. Ich möchte das gern noch etwas präzisieren: Die Pfarreien sind weder der einzige Ort noch die einzige Weise, wo oder in der das Evangelium verkündet werden kann. Sie ist ein Ort „in der Vielfalt der Mission der Kirche“. Es gibt ja auch noch die apostolischen Verbände, geistliche Gemeinschaften, spirituelle Gruppen, Orte, wo Ausbildung und Erziehung stattfindet, Nächstenliebe geübt wird und noch weitere, verschiedenste Einrichtungen, die an der Sendung der Kirche teilhaben.

Gemeinsames Priestertum der Gläubigen und Dienstamt der Priester

Sie haben die Frage nach der Beziehung zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und dem priesterlichen Dienstamt gestellt. Die Dokumente der Synode von 2003 (Diener und Dienerinnen des Evangeliums, Abs. 3211) zitieren zu diesem Punkt die dogmatische Konzilskonstitution Lumen Gentium 10:

„Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christiteil.“

In den synodalen Dokumenten heißt es dann weiter:

„Die grundlegendsten Glaubensartikel bringen immer dieselben wesentlichen Elemente zum Ausdruck: Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Gott ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Daher bekennen wir einen einzigen Herrn, Jesus Christus, einen einzigen Gott. (…) Die Verwendung der Konjunktion ‚und‘ lädt uns dazu ein, die Sakramente der christlichen Initiation und das Sakrament des Ordo nicht als alternative oder entgegengesetzte Sakramente anzusehen, sondern als einander zugeordnet.“

Unser Ansatz verortet konkret dieses Zitats aus Lumen Gentium 10 im Bekenntnis des trinitarischen und christologischen Glaubens. In der Tat kann man sagen, dass das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das Priestertum des Dienstes „teilhaben am Priestertum Christi“. Dennoch gibt es einen Unterschied, der in der Quelle der Sakramente des Glaubens begründet ist: Einerseits qualifizieren die Sakramente der christlichen Initiation die örtlichen Gemeinden für die ihnen anvertraute Sendung; andererseits bevollmächtigt das Sakrament des Ordo zur cura pastoralis. Hier findet das chalzedonsiche Prinzip seine Anwendung: Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das Priestertum des Dienstes sollen empfangen und gelebt werden, „ohne das eine mit dem anderen zu vermischen oder voneinander zu trennen.“ Das eine ist nicht das andere, aber das eine ist auch nicht ohne das andere: Der heilige Augustinus hat das sehr bemerkenswert formuliert:

Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ. Jenes bezeichnet das Amt, dieses die Gnade, jenes die Gefahr, dieses das Heil.“

Das II. Vatikanische Konzil bezeichnet die Beziehung zwischen den Laien und den Hirten mit dem Adjektiv „vertraut“ – wie in einer Familie.

„Aus diesem vertrauten Umgang zwischen Laien und Hirten kann man viel Gutes für die Kirche erwarten. In den Laien wird so der Sinn für eigene Verantwortung gestärkt, die Bereitwilligkeit gefördert. Die Kraft der Laien verbindet sich leichter mit dem Werk der Hirten. Sie können mit Hilfe der Erfahrung der Laien in geistlichen wie in weltlichen Dingen genauer und besser urteilen. So mag die ganze Kirche, durch alle ihre Glieder gestärkt, ihre Sendung für das Leben der Welt wirksamer erfüllen.“ (Lumen Gentium 37)

Und im Blick auf die unterschiedlichen Realitäten in der Pastoral:

„(Das wirkt sich auf die Beziehung aus, die in der Kirche zwischen dem allgemeinen Priestertum und dem Amtspriestertum besteht.) Der Umstand, daß sie, obgleich sie sich dem Wesen nach unterscheiden, einander zugeordnet sind, schafft eine Wechselseitigkeit, die zum harmonischen Aufbau des Lebens der Kirche als Ort des geschichtlichen Vollzugs des von Christus gewirkten Heils beiträgt.“ (Pastores gregis 10)

Und im Blick auf die Priester:

„Schließlich stehen die Priester in einer positiven und anregenden Beziehung zu den Laien, denn ihre Gestalt und ihre Aufgabe in der Kirche ersetzen ja nicht das auf die Taufe zurückgehende gemeinsame Priestertum des ganzen Volkes Gottes, sondern fördern es, indem sie es zu seiner vollen kirchlichen Verwirklichung führen.“ (Pastores dabo vobis 17)

Eine solche Haltung erfordert ganz klar den Willen zu geschwisterlichem Dialog und pastoraler Unterscheidung im Hören auf das Wort Gottes; sie erfordert, das Wirken des Hl. Geistes zu erkennen und aufzunehmen, sich für die Vergebung Gottes und seine Barmherzigkeit gegenüber unseren menschlichen Schwächen zu öffnen; ein lebendiges Bewusstsein der Sendung der Kirche in unserer heutigen Welt, den Wunsch und Willen, das Evangelium zu verkünden. Ebenso erfordert es auch institutionelle Regelungen, um in der richtigen Weise die Grundlage für eine gesunde und fruchtbare Zusammenarbeit zu schaffen. Wenn wir die Würde der Laien hervorheben, die ihnen durch die Taufgnade geschenkt ist, qualifiziert das die Priester nicht ab, ganz im Gegenteil. Es gilt aber auch umgekehrt: wenn der Sinn und die Schönheit der pastoralen Verantwortung des priesterlichen Dienstamtes zum Ausdruck gebracht wird, qualifiziert dies die Laien nicht ab. In keiner Weise kann der Wert des einen den Wert des anderen mindern. Dass das eine zum anderen in einer rechten Beziehung steht, gründet nicht nur auf gesellschaftlicher Anerkennung oder der Aufgabenverteilung, entscheidend erscheint uns die Lehre von der Kirche als Communio. Die kirchliche Gemeinschaft setzt Gemeinschaft im Glauben voraus, und die Gemeinschaft in den Sakramenten des Glaubens. Dies kommt zum Ausdruck in der verschiedenartigen Teilhabe (participatio) an der einen Mission der Kirche. Eine solche Perspektive erfordert einen echten Weg der Umkehr (metanoia): Wir können das Gewicht unserer Gewohnheiten, unsere Zögerlichkeit, den eigenen Willen, unsere Widerständlichkeit gegenüber Veränderungen, die doch notwendig sind in einer Welt, die sich in einer tiefergreifenden Veränderungsphase befindet, nicht einfach ignorieren. Es geht um die Nachfolge Christi (sequela Christi) und um ein lebendiges Bewusstsein im Blick auf die empfangene Sendung. Der Dienst der Diözese am spirituellen Leben, die Begleitung der örtlichen Gemeinden, das Verfassen von Texten über die großen spirituellen und pastoralen Persönlichkeiten unserer Diözese tragen dazu bei, diesen Weg zu gehen.

Eine Vielfalt an Berufungen und Diensten

Sowohl das aufeinander Bezogensein und als auch die Abgrenzung der Laienberufungen und des priesterlichen Dienstamtes rufen nach neuen kirchlichen Lehrentwicklungen. Diese Herausforderung ist auch dogmatischer Natur, sie ist Konsequenz des II. Vatikanischen Konzils, aber auch Konsequenz des neuen kulturellen Kontextes, in dem Glaubensverkündigung heute stattfindet. Von daher gilt es auch wahrzunehmen, was die Wiedereinführung des ständigen Diakonats als eigener Grad des Sakraments des Ordo bedeutet (im Bistum Poitiers haben wir 40 Diakone und weitere 10 in der Ausbildung). Ebenso sind wir auch herausgefordert, die „anerkannten Laiendienstämter“ (Laien, die einen kirchlichen Sendungsauftrag haben) in den Blick zu nehmen, im Moment sind dies 75 Personen. Wenn wir die Pluralität der Berufungen in der Kirche anerkennen, so bedeutet das: Wir bezeugen, dass das Evangelium in jeder Kultur, in jeder menschlichen Situation, verkündet werden muss – als pfingstliches Ereignis, wo jeder die Botschaft in seiner eigenen Sprache hören konnte. Denn:

„Es besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung.“ (Apostolicam Actuositatem 2)

Was es braucht, sind tatsächlich neue kirchliche Lehrentwicklungen. Der Glaube ist weder eine Frage der Hierarchie von Privilegien, noch geht es darum, dass wir immer alles und für alle Zeiten genau so weitermachen müssten. Der Glaube ist vielmehr ein Weg, ein Risiko, das es einzugehen gilt: die Nachfolge Christi und ein Leben aus dem Evangelium. In der Kirche von Frankreich, und also auch in der Diözese Poitiers, müssen wir bei jeder Auswahl, die wir treffen, sehr genau die Konsequenzen bedenken, besonders auch aufgrund unserer geringen Mittel. In der französischen Gesellschaft, wo die Kirche kein offiziell anerkanntes Organ ist aufgrund der Trennung von Kirche und Staat, können wir nur handeln durch Menschen, die sich senden lassen. Dem widmen wir unsere ganze Kraft. Es geht darum, dass Menschen als Jünger, in der Nachfolge Christi ans Licht kommen und sein Evangelium bezeugen. Wesentliche Faktoren hierfür sind Katechese für alle Altersgruppen und der Katechumenat. So haben wir z. B. beschlossen, den Erwachsenen alljährlich die Möglichkeit der Firmung vorzuschlagen, wichtig ist auch die Pfingstvigil, denn all das betont unseren Wunsch, die Gaben des Heiligen Geistes, der das Volk Gottes lebendig macht, immer mehr ins Licht zu rücken. Im Blick auf die unterschiedlichen Gaben des Heiligen Geistes, lesen wir die Schriftstelle aus dem zweiten Briefes an Timotheus:

„Aus diesem Grund ermahne ich dich: entfache von neuem die Gnadengabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände.“ (2 Tim 1,6)

Indem wir uns durch den Geist Christi – wie von einem Feuer – ergreifen lassen, kann die Frohe Botschaft mutig verkündet werden in den Gegebenheiten der französischen Gesellschaft von heute. Es geht in der Tat um eine Form von Verzicht – Verzicht darauf, der Vergangenheit hinterherzutrauern, sich von der Gegenwart entmutigen zu lassen oder defätistisch in die Zukunft zu blicken. Nur so können wir das österliche Geheimnis Christi und die Gaben des Heiligen Geistes nach dem Plan Gottes des Vaters bekennen.

Schlussbemerkung: „Damit sie das Leben haben“ (Joh 10,10)

Wir kennen die Wege der Zukunft nicht im Voraus. Erst wenn wir sie gehen, können sich Wege für unsere Zeit eröffnen. Die örtlichen Gemeinden sind Teil dieser pastoralen Option. Ihre Bedeutung ist verwurzelt in der langen Glaubenstradition unserer Diözese und ihr Daseinsgrund zeigt sich in den Früchten, die sie bringen. Sie sind wie Worte der Frohen Botschaft, die sich demütig, aber sehr real so nahe wie möglich in das Leben der Menschen heute übersetzen. Sie sind auch so etwas wie ein Vorgeschmack auf eine Zukunft, die möglich ist. Sie regen Initiativen an, sie erwecken die Freude des Glaubens und des Hoffens und lassen sie wachsen. Sie sind wirklich Teil der Mission der Kirche und möchten Christus Jünger und Jüngerinnen schenken, die sein Evangelium in der Zeit von heute bezeugen.

Jean Paul Russeil ist Generalvikar des Erzbistum Poitiers. Er war Bischofsvikar und theologischer Berater von Erzbischof Rouet und gilt als einer der theologischen Architekten der pastoralen Entwicklung im Erzbistum Poitiers.

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