Kitabı oku: «Kontakt als erste Wirklichkeit», sayfa 8

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1. Von der »freien Dissoziation« zur Konzentration

»Es ist alles recht, was einer grösseren Konzentration förderlich ist und sie erleichtert« (Horney 1990, 33).

Freuds Einführung der »Grundregel«, der freien Assoziation, hatte den Sinn, dem Patienten eine unzensierte Ausdrucksmöglichkeit zu ermöglichen. Im Freiraum des Therapiezimmers sollten alle sozialen Tabus in Bezug auf das Fühlen, Fantasieren, Denken und Sprechen (und zu Freuds Zeiten gab es davon enorm viele) nach und nach aufgehoben werden. Möglichst alles sollte mitteilbar und alles, auch die scheinbar unverständlichste und unmoralischste Regung, ernst genommen und verstanden werden. Der Zweck war unter anderem, das »innere Ausland«, wie Freud es einmal nannte, zu erkunden, einen Sinn für das eigene Erleben und Verhalten zu finden sowie den Bewegungsspielraum der eigenen Person innen wie außen zu erweitern.20 Zudem war der junge Freud noch daran interessiert, da wo möglich auch die kulturellen Bedingungen zu verändern, die für das neurotische Leiden mitverantwortlich waren (vgl. Freud 1972). Natürlich war es den Menschen auf der Couch nicht möglich, die Grundregel problemlos zu befolgen und »frei« mit ihrem eigenen Inneren und dem Analytiker zu kommunizieren, was die psychoanalytische Diskussion schon sehr früh dazu brachte, sich mit den Themen Widerstand und Übertragung zu beschäftigen.

Zum Zeitpunkt, als Perls seine Ausbildung Mitte der Zwanziger-Jahre am psychoanalytischen Institut in Berlin begann, dominierte allerdings bereits so etwas wie die »passive Technik«, die sich in den meisten Fällen beziehungsabstinent auf die mal mehr oder weniger häufige Deutung verbal geäußerter Kindheitserinnerungen konzentrierte. Für Fritz Perls wie auch für Erich Fromm waren die als weitgehend nutzlos erlebten vielen Stunden auf der Couch (und auch später hinter der Couch) während ihrer »passiven« oder »abstinenten« Analysen bei Harnik bzw. Sachs am Ende der Zwanziger-Jahre einer der wichtigsten Gründe, einen eigenen Weg zur Veränderung der analytischen Praxis zu suchen. Fromm erinnerte sich, dass seine Lehrer am Berliner Institut manchmal ein kurzes Schläfchen hielten und wie er selbst in seinen Stunden als Analytiker hinter dem Patienten saß und sich »das eintönige Gemurmel anhören musste, ohne mich einmischen zu dürfen. Tatsächlich war es diese Langeweile, die mir die Situation so unerträglich machte, dass ich daranging, meine Technik zu ändern« (Fromm 1989, 291).

Ich möchte nun kurz auf Perls’ Beitrag zur Diskussion eingehen, die Ferenczi und Rank 1924 mit ihrer Arbeit »Entwicklungsziele der Psychoanalyse« angestoßen hatten. Ferenczi und Rank hatten versucht, die analytische Praxis weiterzuentwickeln und wieder effektiver zu machen, indem sie dem affektiven Erleben während der aktuellen Situation im Behandlungszimmer und insbesondere in Bezug auf die Beziehung zwischen Patient und Analytiker wieder stärkeres Gewicht gaben und dabei die Themen Übertragung und Widerstand mehr ins Blickfeld rückten.

Perls’ Ausgangspunkt bei der Revision der Freud’schen Grundtechnik ist der Folgende: »Mit seiner Ansicht, der Kontakt mit der Gegenwart sei wesentlich, hat Freud die richtige Intuition gehabt. Er fordert freischwebende Aufmerksamkeit, was ein Gewahrsein aller Gefühle und Erfahrungen bedeutet« (Perls 1991, 101). Die Praxis der »orthodoxen« Analyse, wie sie Perls insbesondere in den Berliner Jahren auf der Couch bei Harnik erlebt hat, fördert beim Klienten das Wahrnehmen von Gedanken und Fantasien, aber die »subtileren Ausdrücke der Körpersprache, auf deren Bedeutung W. Reich und G. Groddeck hingewiesen haben« (Perls 1991, 80) werden eher vernachlässigt. Was aufgrund der Erfahrung von Perls geschieht, ist, »dass Patient und Analytiker langsam aber sicher auf zwei Dinge konditioniert werden: auf die Technik des freien Assoziierens, der Gedankenflucht, und auf einen Zustand, in dem Analytiker und Patient gleichsam zu einem nach Erinnerung fischenden Zweckverband werden, wobei die freischwebende Aufmerksamkeit davonschwebt« (Perls 1991, 101).

Aufgrund seiner Kenntnis der »abstinenten« Technik wie der Charakteranalyse nimmt Perls Veränderungen an der Grundregel vor: »Sie führen … zu einem Wechsel von der Technik des freien Assoziierens zu einer Konzentrationstherapie, wie sie W. Reich eingeführt hat und die ich systematisch weiterzuentwickeln versuche« (ebd., 87).

In der sogenannten orthodoxen Methode sieht Perls Technik und Setting sich ergänzen. Der Kontakt mit dem Symptom, dem Oberflächenausdruck des Konfliktes im Hintergrund, geht verloren, »die Technik der freie Assoziation wird zu einem Training der freien Dissoziation. Mit dem Therapeuten wird Karussell gefahren« (PHG 1987, 71). Es erscheint notwendig, »dass der Therapeut einen bestimmten Kontext findet und dann, sich immer in diesem Kontext haltend, ein freieres Wechselspiel zwischen Figur und Grund erlaubt – wobei sowohl das Anstarren der Widerstände als auch das ziellose Umherschweifen … vermieden werden«. (ebd.) Statt der Übertragung wird »die Experimentalsituation der Therapiesitzung« sowie die »Gegenwart« in einem allgemeineren Sinne, die »Situation an diesem Tag, mit ihren Erfordernissen und Zielrichtungen« (ebd.), als Kontext vorgeschlagen, mit dem in »Gefühlskontakt« (ebd.) gegangen wird.

Für Perls liefert die von ihm zu Beginn sogenannte »Konzentrationstherapie … einen kürzeren und besseren Weg zur ›emotionalen Wiederbelebung‹ als das gewöhnliche Gespräch einerseits und die Technik der freien Assoziation andererseits« (Perls 1991, 220). Seine erläuternden Beispiele liegen auf der Linie von Ferenczis Arbeit mit »forcierten Fantasien« im Rahmen der Assoziationsarbeit:21 »Ein Mann z. B., der recht geringschätzig von seinem Vater spricht, wird, wenn man ihn auffordert, sich seinen Vater vorzustellen und sich im einzelnen auf seine Erscheinung zu konzentrieren, vielleicht plötzlich in Tränen ausbrechen« (Perls 1991, 220).

Perls arbeitet dabei mit der genauen Beschreibung der Einzelheiten, sowohl der sinnlichen Empfindungen als auch dessen, was in der Fantasie wahrgenommen wird. Rudimentäre Körperimpulse werden stimuliert, innere Bilder dürfen sich entfalten und Handlungsimpulse werden weiterfantasiert (vgl. ebd., 275). Um die inneren Bilder und Fantasien lebendig und plastisch werden zu lassen, müssen alle Sinne aktiviert werden, muss, laut Perls, der »in der Vorstellung hergestellte Kontakt so vollständig wie möglich sein; … Wenn Sie sich eine Landschaft bildlich vorstellen, können Sie alle Einzelheiten beschreiben. Geben Sie jedem Impuls freien Spielraum, vor allem denen, die (…) Sie in der Realität verlegen machen würden, die aber in ihrer Phantasie durchaus vorkommen« (Perls ebd., 220).

Konzentration, Inter-esse, Aufmerksamkeit (ebd., 199) und Faszination (ebd., 201) sind die Begriffe, mit denen Perls 1942 versucht, sich dem zu nähern, was er in seiner Arbeit für nützlich hält. (ebd., 199) Eine in seinem Sinne positive Konzentration ist kein absichtliches Bemühen, sondern »ein harmonischer Prozess, bei dem Bewusstes und Unbewusstes in Übereinstimmung sind.« (ebd. 200) Als Beispiel nennt er das Kind, das während es spielt in seinem Tun und seiner Umgebung aufgeht (ebd., 201).22

Bei all dem geht es meiner Meinung nach um einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der interaktiven Tradition. Perls führt insbesondere Ferenczis Versuche fort, Fantasien zu »forcieren«, allerdings nicht mit dem Mittel der Gebote oder Verbote, wie Ferenczi dies phasenweise getan hat, sondern auf eine dialogischere Art. Sicherlich sind dabei auch Perls’ intensive Erfahrungen am Theater Max Reinhards in seinen Berliner Jugendjahren mit eingeflossen (vgl. Bocian 2007, 75 f.).

Was Freud im Rahmen der Triebtheorie als Wiederholungszwang bezeichnet hat, ist für die Gestalttherapie, in Anlehnung an Erkenntnisse der Berliner Gestaltpsychologie, das Bedürfnis des Organismus, Unerledigtes zu einem befriedigenden Ende zu bringen, die unvollendete Gestalt zu schließen. Hier waren Gestaltpsychologie und Psychoanalyse kompatibel23 und Perls und Goodman halten es für eine »geniale Leistung der Psychoanalyse« (PHG 1991, 118), dass sie gezeigt hat, dass die freien Assoziationen nicht Stück für Stück wie bei einer Kette ans Tageslicht treten, sondern die Tendenz haben, »sich zu sinnvollen Ganzheiten oder Bündeln zu vereinigen. (…) Der Patient brachte in Wahrheit den Assoziationsfluß nicht ›mechanisch‹ hervor, sondern gab, wenn auch unbewusst, bestimmten Neigungen Ausdruck, ging immer wieder im Kreise zu bestimmten emotionalen Bedürfnissen zurück und versuchte eine unfertige Gestalt zu ergänzen« (PHG ebd., 118).

Perls und Goodman erkennen durchaus an, dass die freie Assoziation in der Lage ist, das eingefrorene Verhältnis von Figur und Grund aufzuschmelzen und Unerledigtes und Unbewusstes in den Vordergrund treten zu lassen (vgl. PHG 1991, 120), etwa »die verborgenen Triebe (die Reizfülle des Grundes) usw.« (PHG 1987, 71). Aufgrund der eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten innerhalb des lange dominanten sogenannten »Standardverfahrens« (Eisler) besteht aber die Gefahr, dass die Assoziationen »davonschweben« (Perls), dass es zur Ideenflucht, zum Vorbeireden und eben zum »Ausweichen vor peinlichen sinnvollen Zusammenhängen« (Ferenczi 1982, 170) kommt.

Der Konflikt äußert sich in allen Lebensbewegungen und auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen (verbal, nonverbal, szenisch). Der interaktive Therapeut muss den Klienten in der Wahrnehmung der Oberflächensignale unterstützen und ihm bei der Fokussierung helfen, um Kontakt zum sich in diesen Phänomenen abzeichnenden Hintergrund zu bekommen. In der Tradition der Berliner Charakteranalytiker beschreibt Perls seinen Ansatz zusammenfassend:

Wir dürfen den Faden nicht verlieren, der vom Symptom zur verborgenen Gestalt führt. Die Methode des freien Assoziierens ist unzureichend und bietet sich leicht für alle Arten des Vermeidens an. Indem wir uns auf das Symptom konzentrieren, bleiben wir im Feld (wenn auch an der Peripherie) der verdrängten Gestalt. Wenn wir auf einer derartigen Konzentration beharren, arbeiten wir uns allmählich zum Zentrum des Feldes oder »Komplexes« durch; im Verlauf dieses Prozesses begegnen wir den spezifischen Vermeidungen, z. B. den Widerständen, und reorganisieren sie (Perls 1991).

V. Unbewusstes und Verdrängung

Die orthodoxe Analyse unterschätzt die Kraft des schöpferischen Selbst, das Perls und Goodman als eine dialektische Einheit sehen, die zugleich Individuum und Teil des umgebenden Natur- und Sozialkörpers ist. Freud, der in seiner Praxis den Klienten weitgehend auf eine Sprachpersönlichkeit reduziert unter Ausschaltung von Umwelt und Körper, konstruiert ersatzweise einen Raum, das Unbewusste, aus dem heraus die Impulse und das spontane Denken kommen (vgl. Perls et al. 1951/1991, 179 u. 239).

Fritz Perls wendet sich gegen die Verdinglichung dieser Persönlichkeitsspaltung:

Freud hat gesagt (dies ist nicht seine Formulierung, sondern mein Verständnis von dem, was er gemeint hat), dass in einer Neurose ein Teil unserer Persönlichkeit oder unseres Potenzials nicht zugänglich ist. Aber er hat dies auf eine merkwürdige Art und Weise gesagt; er sagte, »er ist im Unbewussten«, als ob es ein solches Ding wie das Unbewusste gäbe und nicht einfach Verhaltensweisen oder Emotionen, die unbekannt oder nicht zugänglich sind. Auch Freud sah die Grundlage für die Gestaltbildung, und zwar in dem, was er das »Vorbewusste« nannte. Wir nennen es den »Hintergrund«, aus dem die Figur hervortritt (1980, 92).

Für Freud erfolgt Verdrängung innerhalb seiner räumlichen Vorstellung von der menschlichen Psyche durch Abstoßung von oben durch das Ich und durch Anziehung von unten durch das Unbewusste. Die beiden Perls’ und Goodman schreiben die Verdrängung unerlaubter Impulse, Wünsche, Fantasien etc. ausschließlich dem aktiv handelnden Ich bzw. Selbst zu. Hier eine Kurzfassung der gestalttherapeutischen Theorie der Verdrängung:

Verdrängung ist Vergessen einer absichtsvollen Hemmung, die zur Gewohnheit geworden ist. Wegen weiterer aggressiver, gegen das Selbst gekehrter Reaktionsbildungen wird die vergessene Gewohnheit der Erinnerung unzugänglich. Nicht vergessen wird … der Trieb oder das Verlangen selbst; er besteht jedoch, da unerfüllt und ausgesperrt, nur als ein Schmerzensgrund fort. (Dies ist die »Affektverwandlung«) (Perls et al. 1951/1991, 229 f.)

Die Triebregungen können nicht verdrängt werden, aber ihre Bedeutung und der mit ihnen verknüpfte Wunsch können vergessen werden, aus dem Gewahrsein geraten. Die unverdrängbare Triebregung bzw. die Erregung des unterdrückten Bedürfnisses durchtränkt Denken und Verhalten des Klienten, macht das Ansetzen im Hier und Jetzt erst möglich. Entsprechend wird im Alltagsleben des »normalen« Erwachsenen auch die allgemein vorhandene unterschwellige unverdrängte Unlust sichtbar:

Für Freud sind die abgestumpfte Wahrnehmung, die absichtlichen Bewegungen und die beherrschten Gefühle im Leben des normalen Erwachsenen nicht »unlustvoll«, sondern neutral. (…) Sie sind nicht neutral, denn sie sind eindeutig gekennzeichnet von Rastlosigkeit, Müdigkeit, Unzufriedenheit, Resignation und einem Gefühl, unerfüllt zu sein. (…) Es ist bekannt, wie düster Freud die Aussichten auf menschliches Glück einschätzte, aber er ist bei weitem nicht pessimistisch genug in bezug auf die Gegenwart menschlichen Lebens. (a.a.O., 233)

Für Freud können das Es und die Triebe nicht Gegenstand des Bewusstseins werden und sind auch im aufdeckbaren Unbewussten nur durch »Repräsentanzen«, durch »Triebabkömmlinge« (Träume, Fantasien etc.) vertreten. Freuds Unbewusstes ist letztlich etwas Konstituiertes, durch Verdrängung und Zensur geschaffenes, ein Verdrängungs-Unbewusstes. Durch die Auseinandersetzung mit Jung und die Diskussionen mit Groddeck über das Es gesteht Freud aber durchaus so etwas wie einen überindividuellen, phylogenetischen Kern des Unbewussten zu (»Urfantasien«). Hier geht es um zwei Strömungen der deutschen Aufklärung, die innerhalb der Psychoanalyse durch Freud und Groddeck (bzw. Jung) als dialektische Ergänzungen repräsentiert werden. Freud verengt die Vorstellung von einem organismisch Unbewussten, das das Individuum mit dem lebendig-naturhaften und damit auch körpernahen verbindet. Er konzentriert sich aufgrund seines besonderen »Talents zur fragmentarischen Genügsamkeit« (Freud/Groddeck, 1988, 38) auf das mehr in der Kant-Tradition stehende Bewusstseins-Unbewusste, das durch Verdrängung und Ausblendung entsteht (vgl. Kaus/Heinrichs 1989). Er bleibt Zeit seines Lebens jeder Entgrenzung und jedem das Ich transzendierenden »ozeanischen Gefühl« gegenüber skeptisch. Bei Groddeck findet sich die Vorstellung eines organisch-seelischen Unbewussten, das seine Wurzeln in der romantischen Unbewusstheitsphilosophie hat, auf deren Traditionslinie Schelling, Carus, Hartman, Goethe, Klages, Schopenhauer und Nietzsche liegen. Diese ganzheitlicheren Vorstellungen haben Eingang gefunden in das schöpferische »Es« Groddecks, Ferenczis »Orpha«, in die »Selbstregulation« des Lebendigen bei Wilhelm Reich und in die Vorstellung der beiden Perls’ von der »Weisheit des Organismus«.

Es gibt in Bezug auf die Vorstellung vom Unbewussten Ansätze bei Fritz und Lore Perls, auf die innerhalb der Gestalttherapie bisher nicht zurückgegriffen worden ist. Die Perls’ berücksichtigen sowohl das organisch-naturhafte Unbewusste als auch das Verdrängungs-Unbewusste, das Ich-Qualitäten hat und direkt bewusstseinsfähig ist. Der organismisch-seelisch orientierte Begriff des Unbewussten war zur Zeit Freuds sehr bekannt durch das dreibändige Werk »Die Philosophie des Unbewussten« (1869) von Eduard von Hartman, das zu Freuds Lebzeiten zwölf Auflagen erlebte. Hartmans Arbeit geht auf Carus und letztlich auf Schelling zurück. Die Perls’ unterscheiden:

… das biologische Unbewusste (im Sinne des Philosophen Hartmann) und das psychoanalytische Unbewusste, das aus ehemals bewussten Elementen besteht. Wir können also schließen: Das Ich wird aus dem biologischen Unbewussten heraus differenziert; in der Folge jedoch sind bestimmte Ichaspekte verdrängt worden und bilden nun das psychoanalytische »Unbewusste« (F. Perls 1942/1991, 149).

Innerhalb dieses gedanklichen Kontextes will die Gestalttherapie einerseits den Kontakt zur Kraft des organisch-naturhaften »biologischen« Unbewussten fördern, und sie für die schöpferische Arbeit des Selbst erschließen. Sie sieht die körpernahen Es-Triebe nicht wie Freud als gefährlich »brodelnder Kessel«, sondern als die zumeist verleugnete Natur in uns, als vital-animalischen Bereich, der mit großem Gewinn in das sich erweiternde Selbst integriert werden kann (vgl. übereinstimmend M. Eagle 1988, 262 f.). Hier gibt es Verwandtschaft mit Groddecks schöpferischem Es, das das kleine Ich mit umfasst (vgl. Will 1987). Andererseits soll in der Gestaltanalyse die aus dem Gewahrsein geratene absichtliche Verdrängung bewusst werden und das »Unbewusste Vordergrund werden, sodass seine Struktur erfahrbar wird« (Perls et al. 1951/1991, 33). Therapie ist ein Prozess experimenteller Lebenssituationen, die das »Dunkle und Abgespaltene erkundet« (a. a. O., 51), das gleichzeitig auch in einem geschützten Rahmen erprobt werden kann.

Menschliches Handeln geschieht vor dem Hintergrund eines Netzwerkes von Bedeutungen, das die moderne Psychoanalyse das Unbewusste nennt (vgl. W. Mertens 1997, 62 f.). Im therapeutischen Prozess geht es entsprechend auch darum, gemeinsam herauszuarbeiten, wie der Klient Erfahrungen von sich selbst und der Welt aktiv konstruiert, wie er »generalisierte Interaktionsrepräsentanzen« (D. Stern) gebildet hat und bildet, die ihn bei der Eröffnung neuer Wege behindern.

Die schöpferische Leistung des Selbst als Funktion des Organismus-Umwelt-Feldes hat Freud (Perls nannte ihn einmal einen »Platzanweiser«) meist nur dem Unbewussten zugeschrieben, das von einem ganzheitlichen Standpunkt aus für Perls und Goodman als Begriff formal nicht notwendig ist (vgl. Perls et al. 1951/1991, 40 f., 179). Das spontane Entstehen von sinnvollen Ganzheiten in der Wahrnehmung oder beim Verhalten findet auch »unabhängig vom Bewusstsein« (a. a. O., 42) statt, gehört zum menschlichen Lebens- und Wachstumsprozess, der Biologisches, Psychologisches und Soziales untrennbar im Selbst vereint. Es ist der »spontane Eros, der alles Schaffen ermöglicht« (a. a. O., 157), der sich in den sinnvollen Gestaltbildungen ausdrückt. Unbewusst im eigentlichen Sinne bleibt letztlich der größte Teil des Gesamtfeldes in dem wir leben. Unser Gewahrsein vermag nur Teile der großen Lebensgestalt zu erfassen, die biologisch, kulturell und politisch auf uns einwirkt (vgl. Beaumont 1991, 19 f.).

VI. Deuten, Widerstand und Kontakt

Die Gestalttherapie hat die aktive Tradition der Psychoanalyse in Bezug auf das Deuten und den Umgang mit Widerständen um ein dialogisches Element bereichert. In der Psychoanalyse, auch in ihren modernen Ausprägungen, ist es immer noch der Analytiker, der sich »auf den Assoziationsfluss konzentriert und ganze Figuren darin schafft (indem er sie vorfindet und erzeugt)« (Perls et al. 1951/1991, 118). Der Analytiker erahnt, erschließt etwas, was für den Klienten außerhalb des Gewahrseins liegt, er deutet das Verhältnis der Figur zum Grund und regt so einen Gestaltschluss an. Perls und Goodman kritisieren hier, da für sie das Ziel der Therapie ist, dass vor allem der Klient seiner selbst gewahr wird, dass Deuten auf diese Art ein »Wissen-über« erzeugt, und der Klient das »Wissen einer Autorität introjiziert« (a. a. O., 119).

Es soll eine neue »Superego-Intropression« (Ferenczi 1985, 294) im Sinne Ferenczis vermieden werden, nach dessen von Perls geteilter Ansicht die Therapie versuchen sollte, mit jedem Über-Ich im Sinne einer von außen eingedrungenen oder aufgezwungenen Instanz »aufzuräumen«. Hinzu kommt, dass die Assoziationen des Patienten nicht wirklich »frei« sind. In einem Kontext, in dem potenziell von Seiten des Analytikers »Deutungsmacht« (Pohlen et al. 1995) ausgeübt werden kann, richten sich die »freien Einfälle« des Klienten auch an den unausgesprochenen Erwartungen seines Gegenüber aus (vgl. Bauriedl 1994, 74 f.).

Für Perls und Goodman ist der Klient im orthodoxen Setting zu passiv und »sein Tun (besteht) nur im Hervorbringen eines Stroms sinnloser Worte« (Perls et al. 1951/1991, 119). »Der Therapeut, der Erwachsene, weiß alles, und man selber wird das Geheimnis nie erfahren, es sei denn, er sagt es einem.« (a. a. O., 121) Perls und Goodman wollen Deutungsmacht verhindern und den Klienten als »aktiv experimentierenden Partner« (a. a. O., 33) einbeziehen, für sie ist »Psychotherapie eine Humanwissenschaft, eine Entwicklung der Sokratischen Dialektik« (a. a. O., 32) und hier gilt: »natura sanat non medicus, nur das eigene Selbst kann sich (in seinem Umweltfeld) selbst heilen« (a. a. O.). Entsprechend plädieren sie für einen anderen Umgang mit dem durchaus nützlichen Deuten:

Etwas, das er nicht als sein eigen kennt, kommt aus dem Dunkel auf ihn zu und ist doch sinnvoll; dadurch wird vielleicht nun auch er ermutigt, sein Unbewusstes zu erforschen, es als eine terra incognita zu betrachten, nicht als ein Chaos. Aus diesem Interesse heraus muss er natürlich zum Partner beim Deuten gemacht werden (a. a. O., 120).

Im Rahmen des gemeinsamen Erforschens der Hintergründe und Zusammenhänge, des Experimentierens mit unabgeschlossenen Situationen und neuen Verhaltens- und Denkmöglichkeiten gibt es Angst, Zurückschrecken, Scham und den Versuch, die Situation zu kontrollieren, kurzum: Widerstand gegen Störungen des selbstgeschaffenen »neurotischen Gleichgewichts« (W. Reich). Mit Bezug auf Freuds Gedanken zum Widerstand, in denen oft Kriegsmetaphern auftauchen und mit Bezug auf die Widerstands- und Charakteranalyse Reichs, deren grundlegende Vorgehensweise beibehalten wird, wendet Perls sich gegen ein zu betont konfrontatives Vorgehen, gegen das »Angreifen« der Widerstände. »Wir können unseren Patienten nicht gerecht werde, solange wir die Dialektik des Widerstandes nicht erkennen. Das dialektische Gegenteil des Widerstandes ist Beistand« (F. Perls 1942/1991, 165). Auch der späte Perls24 hält (unter Bezugnahme auf Otto Ranks Begriff »negativer Wille«) an dieser Sichtweise fest: »Der Patient … erlebt seinen Widerstand nicht als Widerstand; in der Regel erfährt er ihn als Beistand. Er will helfen« (1979, 67).

Es gibt einen Hinweis von Perls, den dialektischen Umgang mit Widerstandphänomenen betreffend, der sowohl auf ein Problem der orthodoxen Psychoanalyse verweist, wie auch auf das Ergebnis schlechter, frustrierendkonfrontativer Gestalttherapie. Perls zitiert aus Rogets Thesaurus: »›Angriff‹ und ›Verteidigung‹ sind einander wechselseitig bedingende Ausdrücke, ebenso wie ›Angriff‹ und ›Widerstand‹. Zu dem Begriff ›Widerstand‹ gehört als Korrelat wiederum ›Unterwerfung‹« (Roget in F. Perls 1942/1991, 19). Perls und Goodman plädieren für die Verwandlung der klinischen in eine experimentelle Situation:

Statt ausdrücklich oder stillschweigende Forderungen an den Patienten zu richten – Nimm dich zusammen, oder: Du musst dich entspannen, oder: Keine Zensur! oder: Du Schlimmer, du hast Widerstände, oder: Was bist du leblos! – sehen wir ein, dass solche Forderungen seine Schwierigkeiten nur vergrößern und ihn noch neurotischer machen würden, ihn vielleicht gar verzweifeln ließen. Wir schlagen abgestuft Experimente vor, die – und dies ist von allergrößter Bedeutung – keine Aufgaben sind, die als solche erfüllt werden müssten. Wir fragen ausdrücklich: Was geschieht, wenn du mehrmals dies oder das probierst? Mit dieser Methode bringen wir die Schwierigkeiten des Patienten an die Oberfläche. Nicht die Aufgabe, sondern das, was ihre erfolgreiche Ausführung behindert, tritt in den Mittelpunkt unseres Interesses. In Freud’schen Begriffen, wir analysieren die Widerstände und arbeiten sie durch (Perls et al. 1951/1987, 16).

An dieser Stelle einige Bemerkungen zum Verhältnis von Kontakt und Widerstand: Gordon Wheelers Auffassung, Perls würde Kontakt überbewerten und jedes Vermeiden von Kontakt als zu beseitigenden Widerstand betrachten, kann ich nicht zustimmen. Meiner Ansicht nach betreibt Wheeler (1993) mit dem Kontaktbegriff, den er bei Perls herausliest und anscheinend als überwiegend aktiv vorwärtsdrängend versteht, Begriffsverwirrung. Perls denkt differenzierter als Wheeler es angibt. So schreibt er über das Verhältnis von Kontakt und Rückzug/Regression (vgl. auch F. Perls 1981, 133) beispielsweise im Jahre 1969:

Im Zeitalter der Psychoanalyse neigt man dazu, den Rückzug für ein neurotisches Symptom zu halten. Das aber ist ein Missverständnis des Phänomens (F. Perls 1979, 39). (…) Kontakt und Rückzug sind dialektische Gegensätze. Sie sind Ausdruck unserer Art und Weise, mit psychischen Ereignissen umzugehen, sie stellen unsere Möglichkeiten dar, an der Kontaktgrenze Objekte des Feldes zu behandeln (a. a. O., 40).

Widerstand und Kontakt sind für Perls und auch für Goodman erst einmal keine Gegensätze, wie Wheeler annimmt, sondern unterschiedliche Möglichkeiten der Kontaktnahme, ein Gedanke, den Wheeler mit dem bei Lore Perls entlehnten Begriff »Kontaktstil« neu in die Gestalttherapie einzuführen glaubt. Perls und Goodman:

Wir wollen Kontaktnahme, das heißt Gewahrsein und motorische Reaktion, im weitesten Sinne verstehen: also Verlangen und Zurückweisen, Annähern und Vermeiden, Empfinden, Fühlen, Nutzbarmachen, Einschätzen, Kommunizieren, Kämpfen und so weiter – als jede Art lebendiger Beziehung, die sich an der Grenze in der Interaktion von Organismus und Umwelt ereignet Jede Kontaktnahme dieser Art ist Untersuchungsgegenstand der Psychologie (Perls et al. 1951/1991, 11 f.).

Wann ein Verhalten als Widerstand oder Beistand bewertet wird, hängt vom Kontext ab. Nur das gemeinsame Erforschen kann klären, ob ein Verhalten etwa sinnvoller Rückzug für den Klienten bedeutet oder Verhinderung von (insgeheim gewünschtem) Wachstum. Letzteres wäre meiner Meinung nach das, was Perls und Goodman als neurotische Kontaktvermeidung und als Widerstand bezeichnen, den es durchzuarbeiten und zu »reorganisieren« (F. Perls) gilt.

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