Kitabı oku: «Lebendige Seelsorge 5/2014», sayfa 2

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FAZIT

So wird Humor doch noch zu einer nahezu göttlichen und doch zutiefst menschlichen Haltung, die ungeahnte Chancen birgt. In den vielen Szenen, die wir inzwischen zu seelsorglichen Situationen gespielt haben, wird vor allem deutlich, dass der Seelsorger sich selbst gegenüber humorvoll sein sollte. Die folgenden Aufforderungen mögen diese Haltung ebenso humorvoll aufspießen:

Steuern Sie direkt auf das Problem zu und suchen Sie genau da nach Lösendem! Es wird sich auch genau da finden.

Bleiben Sie in jedem Fall neugierig, auch sich selbst gegenüber.

Ein guter Kontakt zum anderen Menschen kann den Kontakt zu sich selbst nicht ersetzen.

Riskieren Sie mal eine ungewöhnliche Reaktion, einfach so und aus dem Bauch heraus.

Keine Angst vorm Scheitern, das macht uns erst so richtig menschlich. Nicht einmal unser Gott hat es vermieden.

Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, fällt Ihnen nichts mehr ein. Dann seufzen Sie eben und seien Sie gewiss, Gottes Geistkraft vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen (Röm 8,26). Gemeinsam seufzen wirkt besonders erleichternd.

Meist hat ihr Gegenüber, für dessen Seele Sie sich sorgen, selbst den besten Sinn für Humor. Lassen Sie sich davon anstecken (nur davon!) und lachen Sie kräftig oder zart mit.


LITERATUR

Matthiae, Gisela, Clownin Gott. Eine feministische Dekonstruktion des Göttlichen, Stuttgart 22001.

Matthiae, Gisela, Wo der Glaube ist, da ist auch Lachen. Mit Clownerie zur Glaubensfreude, Freiburg i.Br. 2013.

Pfandl-Waidgasser, Andrea, Spielerischer Ernst. Clowneske Interventionen in der Krankenhausseelsorge, Stuttgart 2011.

Sindermann, Thorsten, Über praktischen Humor. Oder eine Tugend epistemischer Selbstdistanz, Würzburg 2009.

Der Pfarrer hält beim Gottesdienst im Altenheim eine lange Pause nach: „Lasset uns beten“. Darauf ein Zwischenruf: Aber heute noch!

Gisela Matthiae

geb. 1959, Dr. theol., evang. Theologin und Clownin; schreibt, unterrichtet, spielt und bildet seit vielen Jahren im kirchlichen Umfeld Clowninnen und Clowns aus, auch für Besuche im Altenheim (www.clownin.de; www.kirchenclownerie.de).

Der Witz der Religion

Die Theologie braucht Humor. Denn Lachen beflügelt den Geist, entschärft Konflikte und wirkt antifundamentalistisch. Der Fundamentalismus versteht keinen Spaß. Damit ist nicht gesagt, dass man all das auf die leichte Schulter nehmen sollte, im Gegenteil: gerade der Fundamentalismus ist ein ernstes Problem. Er kann Menschen rekrutieren, die zum Töten bereit sind. Wo also hört der Spaß auf und wo fängt er an? Bernhard Fresacher


Zweifellos ist dort eine Grenze gezogen, wo man sich auf Kosten Anderer lustig macht und sie der Lächerlichkeit preisgibt, so dass ihr Ruf oder ihre Existenz zerstört wird. Guter Humor dient der Menschenwürde. Die Frage reicht aber viel weiter. Sie lässt sich einerseits auf den Sachverhalt hin beantworten, um den es geht, und andererseits auf die ästhetische Form hin, in der dieser behandelt wird: von welchem Standpunkt aus macht jemand Witze worüber? Über sich selbst oder über andere? Handelt es sich dabei um Komik, Slapstick, Scherz, Spott, Ironie, Parodie, Satire, Sarkasmus, Karikatur, Groteske, Fröhlichkeit, Heiterkeit, Narretei, Clownerie, Komödie, Kabarett oder Comedy? Wonach unterscheidet sich dabei gelungen von missglückt? Mit diesen Fragen ist ein Fass aufgemacht. Es mag Erinnerungen an Diogenes von Sinope und den Zynismus im ursprünglichen Sinn der kynischen Philosophie wecken: „Nachdenklich liegt in seiner Tonne, Diogenes hier an der Sonne“ (Wilhelm Busch). Schon möglich, dass der Theologie mehr von dieser Art Nachdenklichkeit gut täte – nicht nur bei der Erkundung des Fasses Humor. Auf eine solche Erkundung zielen die folgenden losen Gedanken, wie sie sich aufdrängen können, zwischen Hitze und Schatten.

DEN WITZ VERSTEHEN

Religion und Glauben haben nicht nur Regeln, sondern auch einen Witz, kann man in Abwandlung des Wittgenstein-Aphorismus sagen (vgl. Wittgenstein, § 564 und § 567). Um zu verstehen, muss man nicht nur auf, sondern auch zwischen den Zeilen lesen können. Darin besteht die Kunst der Kommunikation (vgl. Fresacher 2006). Sie lebt von Anspielungen und Leerstellen. Sinn und Bedeutungen stecken nicht im Text, sondern erschließen sich im Kontext, in dem der Text Imaginationen hervorruft – und möglicherweise ein unverhofftes Lachen (s. die Karikatur). In diesem semantischen Spannungsfeld lässt sich jede Äußerung wiederum auf ihre Form hin interpretieren – und auf die Frage hin: was steckt dahinter?

Deshalb ist es kein Versehen oder Unvermögen, dass die Bibel Theologie in Erzählungen und Gleichnissen betreibt. Uns Heutigen fehlt vielfach der kulturelle Background von damals, um über die Pointen sofort lachen zu können. Zugleich können wir heute zu Assoziationen finden, auf die die Damaligen niemals gekommen wären. Die Geschichte von der Dämonenaustreibung in Gerasa (Mk 5,1-20) beispielsweise ist eigentlich ein Schenkelklopfer. Sie macht sich nicht nur über die bösen Geister lustig, sondern zieht nebenbei noch eine römische Legion (X Fretensis, die unter anderem das Emblem eines Ebers trug) durch den Kakao: „Lass uns doch in die[se] Schweine hineinfahren!“ (12). Das ist Satire der direktesten Art, zwischen politischem Kabarett und unterhaltsamer Comedy. Ohne diesen Kontext aber schütteln wir nur verwundert den Kopf und stellen uns zweitausend Schweine vor, die sich besessen in den See stürzen.

GEWOLLT ODER UNGEWOLLT KOMISCH

Von außen betrachtet erwecken religiöse Praktiken unmittelbar den Eindruck des Komischen, von der außergewöhnlichen Kleidung angefangen bis hin zu den eigenartigen Verhaltensweisen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten noch nie in Ihrem Leben an einem Gottesdienst teilgenommen oder noch nie von einem solchen gehört, Sie würden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Beim zweiten Eindruck würden Sie vielleicht die Lächerlichkeit des Ganzen empfinden, das da von den Beteiligten mit größter Ernsthaftigkeit vollzogen wird. Kirchen legen schon beim Betreten einen besonderen Habitus der ernsten Andacht nahe. Sie scheinen kein Gelächter zu vertragen. Ironische Betrachtungsweisen finden sich schnell dem Verdacht der Blasphemie ausgesetzt. Darum dreht sich zum Beispiel Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose/Il nome della rosa“. Er bezieht sich auf die Benediktsregel über die Demut: „Der Mönch ist nicht leicht und schnell zum Lachen bereit, steht doch geschrieben: ‚Der Tor bricht in schallendes Gelächter aus’ (Sir 21,20).“ Gottesfürchtige lachen nicht. Ihr Geist verliert nicht die Kontrolle über den Körper. In dieser ganzen Ambivalenz findet sich im Christentum – mit anderen Religionen zusammen, allen voran dem Judentum – von den biblischen Schriften angefangen, bis in die Praktiken und Äußerungen über die Jahrhunderte hin, eine reiche Tradition des Humors.

Das Buch Jona zum Beispiel, aus dem hebräischen Tanach, präsentiert sich in der literarischen Form der ironischen Selbstkritik: Jona, der auf das Wort Gottes hört, ist um keinen Ausweg und kein Argument verlegen, sich durch dieses Wort gerade nicht von seinen Glaubensüberzeugungen abbringen zu lassen. Doch die göttliche Phantasie schlägt seiner Trägheit jedes Mal ein Schnippchen. Schließlich zieht sich Jona beleidigt in den Schatten eines Laubdachs zurück, das er sich gebaut hat, um abzuwarten, was er sich schon immer gedacht hat: die Stadt Ninive wird vom Zorn Gottes verschont bleiben, weil Gott wieder einmal weich geworden ist. „Da ließ Gott, der Herr, einen Rizinusstrauch über Jona emporwachsen, der seinem Kopf Schatten geben und seinen Ärger vertreiben sollte. Jona freute sich sehr über den Rizinusstrauch. Als aber am nächsten Tag die Morgenröte heraufzog, schickte Gott einen Wurm, der den Rizinusstrauch annagte, sodass er verdorrte“ (Jona 4,6f.) und Jona der prallen Sonne aussetzte. Diogenes lässt grüßen.

SPÖTTISCHE KRITIK AN ÜBERZOGENER FRÖMMIGKEIT

Das Psychogramm eines Gottesfürchtigen, das hier in einer pointenreichen Odyssee-Geschichte erzählt wird, ist entlarvend und voller Spott. Es deckt die gar nicht so frommen Motive hinter der Frömmigkeit schonungslos auf. Das Buch Kohelet aus der gleichen Epoche wie das Buch Jona bietet ähnliche Kritik in aphoristischer Form, deren Ironie sich für uns nicht immer sofort erschließt, zum Beispiel: „Besser sich ärgern als lachen; denn bei einem vergrämten Gesicht wird das Herz heiter“ (Koh 7,3). Ernst kommt hier daher, was in Wirklichkeit spöttische Kritik am frommen Gehabe ist.

In beiden biblischen Büchern findet sich vorweggenommen, was in Nietzsches Religionskritik Jahrtausende später unter neuzeitlichen und modernen Voraussetzungen entfaltet ist. Ebenfalls in der ästhetischen Form der ironischen Übertreibung zeichnet sie den frommen Typus bis zur Kenntlichkeit. Er münze den Geist des Ressentiments, das heißt den uneingestandenen Zorn der Unterlegenen, der auf Rache und Vergeltung sinne, in ein Gefühl der moralischen Überlegenheit um. Er sei „weder aufrichtig, noch naiv, noch mit sich selber ehrlich und geradezu. Seine Seele schielt; sein Geist liebt Schlupfwinkel, Schleichwege und Hinterthüren, alles Versteckte muthet ihn an als seine Welt, seine Sicherheit, seine Labsal; er versteht sich auf das Schweigen, das Nicht-Vergessen, das Warten, das vorläufige Sich-verkleinern, Sich-demüthigen“ (Nietzsche, Nr. 10; vgl. Nr. 13).

STULTITIA, LEVIATHAN UND RISUS PASCHALIS

Das Christentum war – ebenso wie andere Religionen – von Anfang an dem Spott ausgesetzt, wie die auf dem Palatin in Rom entdeckte älteste Karikatur eines gekreuzigten Esels aus dem 2. Jahrhundert belegt: „Alexamenos sebete theon“ – „Alexamenos betet Gott an.“ Zugleich greift die christliche Theologie selbst auf die Form der Ironie zurück, und zwar keineswegs nur am Rand, sondern am Puls des Glaubens. Drei Motive mögen an dieser Stelle als Beispiele genügen: (1) die Torheit des Kreuzes (stultitia), (2) die Überlistung des Teufels (Leviathan) und (3) das Ostergelächter (risus paschalis).

(1) Die Narretei, auf die die Esels-Karikatur anspielt, wird bei Paulus als Logik des Kreuzes verkündet. Demnach verkörpert diese närrische Torheit eine Weisheit, die die Weisheit der Welt in ihrer Torheit entlarvt (vgl. 1 Kor 1,18-31). Diese Logik provozierte in der Antike nicht nur religionskritische Äußerungen eines Celsus zum Beispiel (vgl. Fresacher 2010), sondern auch asketische Figuren, die sich zum Narren um Christi willen machten und bis heute beispielsweise in den Bettelorden ihren Nachklang finden, oder in der Renaissance eine Liebe zur satirischen Kirchenkritik, wie sie im „Lob der Torheit“ des Erasmus von Rotterdam in die derbe Rede der Närrin Stultitia gekleidet ist – immer am schmalen Grat zwischen Beifall und Verurteilung (vgl. Greenblatt): wer glaubt, macht sich zum Narren.

(2) Die Darstellung des geköderten Leviathan in Text und Bild untermalte – trotz antiker Bedenken – die gängige Erlösungsvorstellung des Mittelalters (vgl. Zellinger). Sie wirkt bis heute in der frommen Alltagstheologie nach. Darin geht der Teufel dem Gottessohn in Menschengestalt auf den Leim. Er verschlingt im Tod am Kreuz mit dessen menschlicher Natur auch die göttliche. Damit begeht er einen folgenschweren Fehler: die Rettung der Menschen. Denn aufgrund der Gottheit kann er die Menschheit nicht behalten. Er muss den Gottessohn wieder ausspeien und mit ihm die ganze Menschheit von den biblischen Patriarchen angefangen. Auf diese Weise entreißt Christus dem Teufel und mit ihm dem Tod alle Menschen. An der rettenden Angelschnur werden sie aus dem Rachen des Leviathan nach oben gezogen. So – paradox – geht Erlösung. Daran hängt der mächtige Gnadenapparat der Kirche. Am Kreuz treibt Gott seinen Schabernack mit seinem Gegenspieler. Er führt den Siegessicheren in seiner Dämlichkeit vor. Sein Stolz ist sein Fall. Dankbare Demut und Bescheidenheit sind stattdessen als Tugend angesagt. Dieses Motiv von der Überlistung des Teufels findet sich in mittelalterlichen Mysterienspielen wieder und von dort Eingang in die Kunst – vom Märchen „Der Schmidt und der Teufel“ bis hin zu Hofmannsthals „Jedermann“: am Kreuz macht sich der Stolze lächerlich.

(3) Dass die Freude der Auferstehung auch körperlich über die Stränge schlägt, kommt in dem mittelalterlich weit verbreiteten Brauch des risus paschalis, des Ostergelächters, zum Ausdruck (vgl. Jacobelli und Kemper). Dabei brachte der Prediger zu Ostern in der Kirche mit Gesten und Worten die Anwesenden zum Lachen. Die vielfach anzüglichen Anspielungen sprachen insbesondere sexuelle Phantasien an – bis hin zu Darstellungen pornografischer Art. In der Neuzeit lag darin der Grund, diesen Brauch zu verbieten oder stark einzuschränken. Dagegen konnte ihm Ratzingers Kommentar dazu aus den 1980er Jahren sehr viel mehr abgewinnen: „Zur barocken Liturgie gehörte einst der risus paschalis, das österliche Lachen. Die Osterpredigt musste eine Geschichte enthalten, die zum Lachen reizte, so dass die Kirche von fröhlichem Gelächter widerhallte. Das mag eine etwas oberflächliche und vordergründige Form christlicher Freude sein. Aber ist es nicht eigentlich etwas Schönes oder Angemessenes, dass das Lachen zum liturgischen Symbol geworden war?“ (Ratzinger, 100). Diese Interpretation folgt weitgehend der scholastischen Unterscheidung des gaudium spirituale (der glückseligen, dem Geistlichen hingegebenen Heiterkeit) von der laetitia saecularis (dem körperlichen, dem Irdischen hingegebenen Lachen). In manchen Osterpredigten wird die Tradition des risus paschalis auf dem Hintergrund dieser Unterscheidung heute wieder aufgegriffen: Ostern macht Spaß.

KOGNITIVE DISSONANZEN

Im Deutschen gebrauchen wir das Wort „Witz“ in mindestens drei verschiedenen Bedeutungsvarianten: 1) als etwas, das Vergnügen bereitet, lustvoll und unterhaltsam („einen Witz machen“, englisch: joke), 2) als etwas, in dem das Wesentliche zum Ausdruck kommt, spezifisch und pointiert („der Witz einer Sache“, englisch: wit), und 3) als etwas, das eine Wahrheit enthält, die nicht restlos beschreibbar und in Regeln zu fassen ist („ein Witz, den man erklärt, geht verloren“, im Sinn von Wittgenstein). Der Witz ist das, was in allen Beschreibungen unbeschreibbar bleibt und dennoch notwendig ist, um das Beschriebene zu verstehen. Wer den Witz nicht versteht, dem helfen auch keine Regeln. Man kann dieses Verhältnis auf Religion und Glauben übertragen: sie sind mehr als das, was sich in Geschichten, Formeln und Lehren beschreiben lässt. Wer den Witz dessen, was eine Religion oder was den Glauben ausmacht, nicht versteht, kann auch mit deren Geschichten, Formeln und Lehren nichts anfangen.

Auch wenn die Satire bis in ihre derbsten Formen hinein beliebt war, wurde dem Witz bis in die Neuzeit keine eigene Erkenntniskompetenz zugesprochen. Deshalb liegt die Nähe zwischen Religion und Witz, zwischen Glauben und Humor bis heute nicht sofort auf der Hand. Mit der Romantik (Jean Paul) änderte sich diese Sicht, und die ästhetischen Formen des Humors gewannen sowohl an heuristischem als auch an epistemologischem Wert. Aus diesem Geist heraus und in Auseinandersetzung mit der antiken Philosophie Platons beschrieb Søren Kierkegaard den Humor als Vorstufe zum Glauben („Religion inkognito“), die den Sprung von der ethischen zur religiösen Ebene ermögliche: „Der Humorist setzt beständig […] die Gottesvorstellung mit anderen zusammen und bringt den Widerspruch heraus – aber er verhält sich nicht selbst in religiöser Leidenschaft […] zu Gott, er verwandelt sich selbst in eine scherzende und doch tiefsinnige Durchgangsstelle für alle diese Umsatzgeschäfte… Der Religiöse tut dasselbe, er setzt die Gottesvorstellung mit allem zusammen und sieht den Widerspruch, aber in seinem Innersten verhält er sich zu Gott…“ (Kierkegaard, 214f.) Im Sinn der sokratischen Maieutik öffnet demnach der Humor den Blick für eine andere Welt. Er führt uns durch das Widersprüchliche, Ungereimte und Absurde dieser Welt hindurch zu einer anderen Sichtweise. So ist es auch mit dem Glauben. Dieser stürzt – so Kierkegaard – aber nicht in Verzweiflung, sondern weckt Hoffnung daraus: „Credo quia absurdum/Ich glaube, weil es absurd ist“ (Tertullian).

ÜBERRASCHENDE PARADOXIEN

Diese Parallelisierung von Religion und Humor lenkt die Aufmerksamkeit auf das Inkongruente, Ambivalente und Fragmentarische, in dem sich ebenfalls Wahrheit offenbart. Die religiöse Form wird mit der komischen Form in Bezug auf diese Erkenntnis- und Wissenslage verglichen. Insofern erklärt sich „ein heimliches Konkurrieren“ (Luhmann, 47) zwischen diesen beiden Formen. Beide Male geht es um ein Aufeinandertreffen des Verschiedenen beziehungsweise des Gegensätzlichen (zum Beispiel im Motiv der rettenden Angel). Der Humor entfacht sich am überraschend Paradoxen einer Aussage oder Geschichte. Die Theologie greift auf paradoxe Formeln zurück, um im selben Atemzug Greifbarkeit und Entzogenheit (similitudo und dissimilitudo) für die Gottesrede festzuhalten: ein Wesen in drei Personen, zwei Wesen in einer Person (vgl. Fresacher 2013). Solche kognitiven Dissonanzen halten den Glaubenssinn wach, ähnlich wie sie den Körper zum Lachen bringen. In beiden Fällen handelt es sich um einen performativen Vorgang der ungewöhnlichen Verschiebung, des Wechsels und der Relativierung der Sichtweise und mit ihr der Realität (vgl. auch Berger). Insofern überrascht der starke Hang zum Metaphorischen nicht, das sowohl der religiösen Gottesrede als auch der komischen Überzeichnung eine ihrer grundlegenden ästhetischen Formen verleiht.

DER WITZ ALS LOCUS THEOLOGICUS

Der Witz jongliert mit seiner Mehrdeutigkeit (s. die Karikatur). Er lässt sich nicht in eine einzige Bedeutung zwingen. Er zündet im Moment des Verstehens. Es geht also um die Spezifik einer Wahrheit, die einer adäquaten ästhetischen Form bedarf, um sie zu verstehen, und die nicht ohne Verlust in eine andere Form zu übersetzen ist. In diesem Sinn finden Religion und Glauben unter anderem in Humor und Ironie – als locus theologicus – zu ihrer Wahrheit. Zu deren üppigster Fundgrube gehört sicherlich der jüdische Witz, zum Beispiel:

„Joine, du warst doch auf der Jeschiwe. Kannst du mir erklären, was das ist: Talmud?“

„Ich will es dir an einem Beispiel erklären, Schmul. Ich will dir stellen eine talmudische Kasche: Zwei fallen durch den Schlot. Einer verschmiert sich mit Ruß, der andere bleibt sauber…Welcher wird sich waschen?“

„Der Schmutzige natürlich!“

„Falsch! Der Schmutzige sieht den Reinen – also denkt er, er ist auch sauber. Der Reine aber sieht den Beschmierten und denkt, er ist auch beschmiert; also wird er sich waschen. – Ich will dir stellen eine zweite Kasche: Die beiden fallen noch einmal durch den Schlot – wer wird sich waschen?“

„Na, ich weiß jetzt schon: der Saubere.“

„Falsch. Der Saubere hat beim Waschen gemerkt, dass er sauber war; der Schmutzige dagegen hat begriffen, weshalb der Saubere sich gewaschen hat – und also wäscht sich jetzt der Richtige. – Ich stelle dir die dritte Kasche: Die beiden fallen ein drittes Mal durch den Schlot. Wer wird sich waschen?“

„Von jetzt an natürlich immer der Schmutzige.“

„Wieder falsch! Hast du je erlebt, dass zwei Männer durch den gleichen Schlot fallen – und einer ist sauber und der andere schmutzig?! Siehst du: das ist Talmud.“ (Lachmann, 98f.)


LITERATUR

Berger, Peter L., Redeeming Laughter. The Comic Dimension of Human Experience, Berlin/New York 1997 (dt.: Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung, Berlin/New York 1998).

Fresacher, Bernhard, Kommunikation. Verheißungen und Grenzen eines theologischen Leitbegriffs, Freiburg i.Br. 2006.

Fresacher, Bernhard, Wer glaubt, hört auf zu denken!? Religion nach der Aufklärung und die Aufgaben der christlichen Theologie heute, in: ders. (Hg.), Neue Sprachen für Gott. Aufbrüche in Medien, Literatur und Wissenschaft, Ostfildern 2010, 67–97.

Fresacher, Bernhard, Einheit und Unterschied. Christologische Reminiszenzen zur kommunikativen Rationalität des christlichen Glaubens in der modernen Weltgesellschaft, in: Theologie und Glaube 103 (2013) 318–341.

Greenblatt, Stephen, The Swerve. How the world became modern, New York 2011 (dt.: Die Wende. Wie die Renaissance begann, München 2012).

Jacobelli, Maria Caterina, Ostergelächter. Sexualität und Lust im Raum des Heiligen, Regensburg 1992.

Kemper, Tobias A., Iesus Christus risus noster. Bemerkungen zur Bewertung des Lachens im Mittelalter, in: Grebe, Anja / Staubach, Nikolaus (Hg.), Komik und Sakralität. Aspekte einer ästhetischen Paradoxie in Mittelalter und früher Neuzeit, Frankfurt a.M. 2005, 16–31.

Kierkegaard, Søren, Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken (Gesammelte Werke, übers. u. hg. v. Emanuel Hirsch, Hayo Gerdes und Hans-Martin Junghans, Gütersloh 21986–1995, Bd. 16).

Lachmann, Salcia, Der jüdische Witz, Ostfildern 152011.

Luhmann, Niklas, Funktion der Religion, Frankfurt a.M. 1977.

Nietzsche, Friedrich, Zur Genealogie der Moral, Erste Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“.

Ratzinger, Joseph, Schauen auf den Durchbohrten. Versuche zu einer spirituellen Christologie, Einsiedeln 1984.

Selby, Phil, Church Mice. Cartoon 2007 (http://bigeyedeer.wordpress.com).

Wittgenstein, Ludwig, Philosophische Untersuchungen.

Zellinger, Johannes, Der geköderte Leviathan im Hortus deliciarum der Herrad von Landsperg, in: Historisches Jahrbuch im Auftrag der GörresGesellschaft 45 (1925) 161–176.

Im Buchladen spricht eine Kundin die Verkäuferin an: „Wie ist das mit Gebetswürfeln? Man würfelt und liest dann den Spruch oben?“ – „Ja, genau.“ – „Würden Sie dann vorher noch ein Gebet sprechen, ich meine wegen der bösen Geister? Würfelspiel ist ja Teufelszeug.“

Vorschau auf das nächste Heft:

Taufe als Motor von Identitätsund Kirchenentwicklung

In vielen diözesanen Papieren wird das Taufsakrament als neue Ressource von vitaler christlicher Identität und Kirchenentwicklung neu entdeckt und betont. Wenn man so will: nach einer jahrzehntelangen Routine, Kirche faktisch und planerisch nur aus dem Weihesakrament heraus zu entwickeln, tritt mit dem zunehmenden Zurücktreten der Hauptamtlichen eine neue Situation ein. Den verschiedenen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, wird die „Lebendige Seelsorge“ in der nächsten Ausgabe nachgehen.

Bernhard Fresacher

seit Sommer 2014 am Katholischen Büro Mainz; Lehre und Forschung in Systematischer und Praktischer Theologie an der Universität Luzern und an anderen Hochschulen (www.fresacher.net).

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