Kitabı oku: «Literarische Mehrsprachigkeit im österreichischen und slowenischen Kontext», sayfa 8

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Institutionen, Akteure, Modelle: Das Kärntner zweisprachige literarische Feld als Anziehungspunkt für deutschsprachige Autor_innen

Erwin Köstler (Wien)

Abstract: Compared with the situation in the 1970s and 1980s, the preconditions for the production of literature in the bilingual field in Carinthia, in terms of repertoires and institutions, have so profoundly changed that the description of this field today has to take into account literary practices, that go by far beyond the frame of the literature of the Carinthian Slovenes. Not only do we see code-switching and an increasing orientation of Slovene authors towards the German literary scene and book market, but also German-writing authors from in- and outside the region who engage themselves in the bilingual sphere and make use of its literary institutions. The following contribution thus outlines the institutional basis for literary interaction in the bilingual field and gives some examples of participation by German-writing authors, concerning co-operation on the institutional level, occupation with the contemporary history and memory culture of the Carinthian Slovenes and selected cases of actual literary bi- or multilingualism on the level of texts.

Keywords: literary interaction, bilingual field, Carinthia, German-writing authors, institutions

Wenn wir von zwei- oder mehrsprachiger Literatur in Kärnten sprechen, meinen wir ein transkulturelles literarisches Feld, in dem von getrennten, „mehr oder minder isoliert nebeneinander bestehenden literarischen Milieus“ (Amann/Strutz 1998: 581) längst nicht mehr die Rede sein kann. Die Sprache, in der geschrieben wird, ist vielfach nicht mehr der identitätsbestimmende Faktor, den sie für die meisten der in der Vorkriegs-, Kriegs- oder frühen Nachkriegszeit geborenen Kärntner slowenischen Autor_innen noch darstellte. Dies gilt reziprok auch für primär Deutsch Schreibende. So erachtet die in Kärnten aufgewachsene Autorin Lydia MischkulnigMischkulnig, Lydia die Tatsache, dass ihr die Sozialisation in slowenischer Sprache vorenthalten worden sei, sowie die daraus resultierende Verstrickung mit dem „sprachrassistischen“ Kärnten sehr wohl als prägend für ihr Schreiben, weist aber jede identitätsbezogene Prägung ihrer Literatur von sich, denn, so erklärt die Autorin, seit sie den Unsinn einer Ursprungklärung erkannt habe, bringen sie „Identitätsfragen nur mehr zum Lachen“ (Fischer 2016).

Dieser Umstand hat weitreichende Auswirkungen auf die Konzeption des überregionalen literarischen Interaktionsraums, in den die Literatur von Kärntner Slowen_innen eingebettet ist,Leben, Andreas1 ist aber auch für das Zustandekommen literarischer Interaktionen, die wesentlich auf dem Transfer von Repertoires und Modellen beruhen, von größter praktischer Bedeutung. Wir sehen nämlich nicht nur eine zunehmende Orientierung Kärntner slowenischer Autor_innen in den deutschsprachigen Raum, sondern auch deutschsprachige Autor_innen, die Publikationsmöglichkeiten und andere Repertoireangebote im zweisprachigen Bereich nutzen. Es ist deshalb sinnvoll, die institutionelle Basis zu skizzieren, die das zweisprachige Feld als Ausgangspunkt und Ziel überregionaler literarischer Interaktion kennzeichnet, bevor wir uns am Beispiel des Theaters und der Erinnerungskultur einzelnen Formen literarischer Mehrsprachigkeit vor allem bei primär deutschsprachigen Autor_innen zuwenden.

Verlage

Die überregional sichtbarsten zweisprachigen Verlage in Kärnten, Drava, Mohorjeva/Hermagoras und Wieser, stellen seit Längerem auch attraktive Publikationsorte für deutschsprachige Autor_innen dar und sind heute (bei allen gegebenenfalls bestehenden juristischen Verflechtungen mit Minderheitenorganisationen) nicht mehr in erster Linie als Minderheitenverlage anzusehen.Leben, Andreas1 Sowohl Drava als auch der 1987 gegründete Wieser Verlag erwarben sich internationales Renommee gerade auch mit der systematischen Übersetzung slowenischer Literatur ins Deutsche2 und gingen mit ihren interkulturellen Programmen bald über den regionalen Rahmen hinaus. Über eine starke deutschsprachige Verlagsschiene mit einem relativ hohen Anteil an genuin deutschsprachiger Literatur verfügt auch der katholische Hermagoras Verlag/Mohorjeva, der von allen genannten noch am meisten in slowenischer Sprache produziert und damit am ehesten dem „Muttersprachendiskurs“ (Dembeck/Parr 2017: 54) verbunden erscheint, sich jüngst aber auch für experimentelle Literatur geöffnet hat. Im Windschatten der zweisprachigen Verlage agierte 1999–2016 der Klagenfurter Kitab Verlag als interkultureller Verlag mit einem starken Akzent auf slowenisch-deutschen Wechselbeziehungen in Kärnten. 2010 kam mit der Reihe Edition Meerauge des Verlags Heyn ein weiterer Klagenfurter Verlag hinzu, der sich ausdrücklich der literarischen Zweisprachigkeit in Kärnten annimmt und damit das Angebot an mehrsprachiger Literatur erweitert. Gerade eine Reihe wie die Edition Meerauge zeigt, dass die oben angedeutete Kompartimentierung der Kärntner literarischen Öffentlichkeit, die lange Zeit eine mehr oder weniger rigorose Abgrenzung zwischen den Strukturen der Mehrheit und der Minderheit bedeutete, ihre Gültigkeit verloren hat. Vielmehr ist Zweisprachigkeit auch in deutschsprachigen Verlagsprogrammen manifest.

Wissenschaftsinstitutionen, Kulturinitiativen, Vereine

Die regionalen Verlage nehmen Anteil an interinstitutionell vermittelten Kontakten auf regionaler wie überregionaler Ebene. Kooperationen sehen wir beispielsweise mit Verbänden (z.B. des Hermagoras-Verlags mit dem Kärntner Schriftstellerverband), Kulturinitiativen (z.B. des Drava Verlags mit dem Verein UNIKUM) oder auch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (z.B. des Wieser Verlags mit dem ORF). Viele produktive Kontakte kamen über Einrichtungen an der Universität Klagenfurt oder andere Wissenschaftsinstitutionen zustande und etablierten die zweisprachigen Verlage gewissermaßen auch als Fachbuchverlage. Bei Mohorjeva und Drava etwa sind eine Vielzahl von Monographien und Sammelbänden aus dem Bereich der Regional- und Sozialgeschichte der Kärntner Slowen_innen sowie der Literaturwissenschaft erschienen (z.T. in Übersetzung). Von großer Bedeutung war die wissenschaftliche Reihe Disertacije in razprave/Dissertationen und Abhandlungen, die 1979–1999 bei Drava erschien. Die 44 Bände umfassende Reihe wurde vom Slovenski znanstveni inštitut/Slowenischen wissenschaftlichen Institut (SZI) in Klagenfurt betreut und verankerte regionalspezifische zeithistorische, soziologische und sprachpolitische Themen im überregionalen Diskursfeld. Die Zusammenarbeit mit Wissenschaftsinstitutionen (z.B. SZI, Universität Klagenfurt) spielte auch bei der programmatischen Herausgabe von Erinnerungsliteratur von Kärntner Slowen_innen (in Original und Übersetzung) eine Rolle.

Auch das Universitätskulturzentrum Unikum/Kulturni center Univerze v Celovcu publizierte in erster Linie beim Drava Verlag.1 Zum Teil mehrere Auflagen erlebten die regionalen Wanderbücher von Wilhelm Berger und Gerhard PilgramPilgram, Gerhard, die mit programmatischen Titeln wie Kärnten unten durch (1998, 32001), Slowenien entgegen (2004), Die letzten Täler. Wandern und Einkehren in Friaul (2008) oder Tiefer gehen. Wandern und Einkehren im Karst und an der Küste (2011, 32013) auch den transnationalen Raum abstecken, in dem UNIKUM seine Kunstprojekte durchführt.Haderlap, MajaMischkulnig, LydiaPickl, Dietmar2 Ein interessantes literarisches UNIKUM-Projekt ist auch die bei Drava erschienene zweisprachige Anthologie nove večernice. Geschichten aus Kärnten/Koroška, 2005 herausgegeben von Emil KrištofKrištof, Emil, Doris MoserMoser, Doris und Helga RabensteinRabenstein, Helga, die spielerisch das historische Genre der „Večernica“ (der für die Publikationen der Mohorjeva typischen moralisch-belehrenden Erzählung) in den Buchtitel setzt.Ferk, JankoHaderlap, MajaHafner, FabjanKokot, AndrejMischkulnig, LydiaOswald, JaniSoria, CorinnaTruschner, PeterSrienc, Dominik3

Auf die Zusammenarbeit mit den zweisprachigen Verlagen setzte auch das Robert-Musil-Institut für Literaturforschung/Kärntner Literaturarchiv. Insbesondere bei Drava erschienen: Editionen (Robert Musil: Klagenfurter Ausgabe, DVD mit Begleitheft, 2009), Sammelbände (Krieg, Widerstand, Befreiung, 2013), Lesebücher (Werner KoflerKofler, Gerhard: In meinem Gefängnis bin ich selbst der Direktor, 2009), Anthologien (Kärnten literarisch, 2002); bei Wieser der Text- und Materialienband LipušLipuš, Florjan lesen (2000). Als Literaturhaus, Archiv und Forschungsstelle ist das Musil-Institut von Anfang an der Erschließung und Erforschung von Quellen zur Literatur- und Kulturgeschichte Kärntens und des Alpen-Adria-Raums verpflichtet.4 Mit Fabjan HafnerHafner, Fabjan (1998–2016) und Dominik SriencSrienc, Dominik (ab 2016) zählt das Institut praktisch seit seiner Gründung auch stets einen Kärntner Slowenen zu seinen Mitarbeitern. Am Musilhaus fand von 1998 bis 2016 die Verleihung der Österreichischen Staatspreise für literarische Übersetzer im Rahmen der Tage der deutschsprachigen Literatur statt.

Literaturwettbewerbe und Preise

Auch bei der Vergabe des Bachmann-Preises ist in den letzten drei Jahrzehnten eine transkulturelle Öffnung festzustellen.Özdamar, Emine SevgiZaimoglu, FeridunStanišić, Saša1 Mit der Zuerkennung des Preises an Maja HaderlapHaderlap, Maja für ihren auf Deutsch geschriebenen Roman Engel des Vergessens (2011) richtete sich die internationale Aufmerksamkeit auf Themen, die die halbvergangene Geschichte und Lebenswelt der slowenischen Volksgruppe in Kärnten betreffen. 2018 wurde mit Florjan LipušLipuš, Florjan ein ausschließlich auf Slowenisch schreibender Kärntner Autor mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur gewürdigt. Der in Kooperation des Literarischen Colloquiums Berlin, des Goethe-Instituts in Ljubljana und des Musil-Instituts in Klagenfurt gestiftete und 2017 erstmals vergebene Fabjan-Hafner-Preis für literarische Übersetzer ist als Beispiel für eine überregionale interinstitutionelle Zusammenarbeit besonders hervorzuheben.

Auf regionaler Ebene haben sich zweisprachige Literaturwettbewerbe etabliert, so der Kärntner Lyrikpreis der Stadtwerke Klagenfurt, der Bleiburger Literaturwettbewerb Koroška v besedi – Kärnten wortwörtlich, der auch überregional ausstrahlt, oder der 2011–2014 ausgerichtete Literaturwettbewerb der Klagenfurter Gruppe. Der Villacher Literaturpreis richtet sich zwar an deutschsprachige Autor_innen, zwei der Initiatoren des ausrichtenden Vereins Wort-Werk, Simone SchönettSchönett, Simone und Harald SchwingerSchwinger, Harald, sind jedoch im zweisprachigen Feld verankert.Schönett, SimoneVennemann, Kevin2

Schließlich können auch Schriftstellerresidenzen zum Aufbau produktiver Kontakte im zweisprachigen Bereich führen, so bei Karsten KrampitzKrampitz, Karsten und Peter WawerzinekWawerzinek, Peter, die 2010 bzw. 2011 (als Gewinner des Publikumspreises beim Bachmann-Wettbewerb) in der Landeshauptstadt als Stadtschreiber residierten und sich mit dem literarischen Briefwechsel Crashkurs Klagenfurt (Heyn 2012) für ihren Aufenthalt revanchierten. Wawerzinek sollte drei Jahre später in seiner Klagenfurter Rede zur Literatur (Heyn 2015) seine besondere Beziehung zu Österreich als literarischem „Geburtshelfer“ erläutern. KrampitzKrampitz, Karsten, der während seines Aufenthalts u.a. das Gästebuch zur Jörg-HaiderHaider, Jörg-Ausstellung im Bergbaumuseum Klagenfurt rezensierte und 2011 auf einem Kneipenabend der Emanzipatorischen Linken in Berlin aus Jörg HaidersHaider, Jörg Stasi-Akte las, war zuletzt Herausgeber der Anthologie Drei Wege zum See oder Eine andere Stadt (Drava 2018), die auch slowenische Texte enthält.

Theater

In Kärnten gibt es kein ständiges slowenisches Theater, dafür aber eine sehr lebendige und umfassend dokumentierte zweisprachige Theaterszene, an der sich auch überregional tätige Autor_innen beteiligten.Leben, Andreas1 Das Theater ist für die Kärntner Slowen_innen seit der Nachkriegszeit ein wichtiger Ort der Selbstbehauptung, durch Einübung und Verwendung der slowenischen Sprache oder durch Einsatz von Narrativen aus der Zeit der Verfolgung und des Widerstands.Handke, Peter2 Eine grundsätzlich widerständige (antifaschistische) Haltung kennzeichnet auch einige hier exemplarisch genannte Theaterproduktionen, an denen deutschsprachige Autor_innen mitgewirkt haben und denen gegebenenfalls Bedeutung bei der überregionalen Etablierung von Erinnerungsorten der Kärntner Slowenen zukommt.

Die Kontakte der Autorin, Regisseurin und Filmemacherin Tina LeischLeisch, Tina zu Kärnten datieren von den Widerstandstagen gegen die erste schwarz-blaue Regierung, an denen Leisch sich im Jahr 2000 zusammen mit dem von ihr gegründeten Volxtheater Favoriten (Wien) beteiligte. LeischLeisch, Tina blieb anschließend in Kärnten, wurde 2001 Mitbegründerin des Peršman-Vereins zur Neugestaltung des seit 1982 am Peršmanhof nahe Eisenkappel/Železna Kapla – dem Ort eines am 25. April 1945 begangenen Massakers an Zivilisten – bestehenden Museums, war bis 2004 Obfrau des Vereins und zwischenzeitlich Kustodin des Museums. Auf Grundlage der 2002 zugänglich gewordenen Gerichtsakten zum (1949 eingestellten) Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßlich beteiligten Polizisten erarbeitete LeischLeisch, Tina das „Dokumentartheater“ Elf Seelen für einen Ochsen – Enajst duš za enega vola, das 2003 im Rahmen des oberösterreichischen Festivals der Regionen in Linz uraufgeführt wurde und Aufführungen an verschiedenen Spielstätten in Oberösterreich erlebte, bevor es auch in Kärnten gezeigt wurde. Die hier inszenierte Verhandlungssituation hat hohe symbolische Bedeutung, weil das Massaker bis heute Gegenstand schuldumkehrender Darstellungen ist. LeischLeisch, Tina berichtet, dass es bis zur Gründung des Peršmanvereins praktisch keine allgemein zugänglichen Informationen über das Massaker gab und dass der Ort sogar österreichischen Historikern unbekannt war (Leisch 2004). Die Autorin weist auf die Bedeutung der Erinnerungsliteratur von Kärntner Slowen_innen (v.a. Prušnik, Gemsen auf der Lawine, 1974) und von Oral history (Jelka, 1984,Busch, ThomasWindhab, BrigitteKuchar, Helena3 Spurensuche, 1990) als Quelle für ihr Stück hin und streicht neben der Zusammenarbeit mit engagierten Zeithistorikern in Kärnten insbesondere die Rolle Zdravko HaderlapsHaderlap, Zdravko (s.u.) als Informationsgeber und Bahner von Kontakten hervor (Interview vom 11.07.2017).4

Auch der aus Griffen/Grebinj stammende Autor und Regisseur Bernd Liepold-MosserLiepold-Mosser, Bernd widmet sich der slowenischen Widerstandsthematik aus einer allgemein widerständigen Haltung heraus, die er als Grundlage seiner Arbeit bezeichnet (Interview vom 31.05.2017). Zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Slowenischen Kulturverband (SPZ) schrieb Liepold-MosserLiepold-Mosser, Bernd Stücke mit „slowenischer“ Thematik. Die Produktion Das Dorf an der Grenze (Klagenfurter Stadttheater 2003) bestand zu etwa einem Viertel aus Textpassagen in slowenischer Sprache und gastierte auch am Slowenischen Nationaltheater in Ljubljana. Die dreisprachige (deutsch-slowenisch-englische) Produktion Romeo & Julija ging im slowenischen Kulturzentrum in St. Johann im Rosental/Šentjanž v Rožu über die Bühne (k&k 2007). Auf dem Plakat zur Uraufführung ist das ursprünglich in Völkermarkt stehende Partisanendenkmal abgebildet, das 1953 von unbekannten Tätern gesprengt und dreißig Jahre später vor dem Peršmanhof wiedererrichtet worden war. Das Stationendrama Partizan (artecielo 2008) war eine zweisprachige Theaterproduktion in Zusammenarbeit mit dem SPZ und dem ORF Kärnten und wurde auch als Buch mit beiliegender DVD produziert; die slowenische Übersetzung stammt von Theaterregisseur Marjan ŠtikarŠtikar, Marjan. Der Autor zitiert darin ausgiebig Quellen aus dem Bereich der Oral history (z.B. Spurensuche, oder Rettl/Obid: Partisanenkinder, 2006), die im Buch allerdings ungenannt bleiben. Liepold-MosserLiepold-Mosser, Bernd erarbeitete für die neuebühnevillach auch eine stark gekürzte Bühnenfassung von Peter HandkesHandke, Peter Stück Immer noch Sturm, die am 20. September 2012 zum zehnjährigen Bestehen des Theaters im Villacher Stadtkinosaal uraufgeführt wurde.Handke, PeterHaderlap, Maja5

Das Theaterstück Zala von Simone SchönettSchönett, Simone und Harald SchwingerSchwinger, Harald entstand für das teatr trotamora und wurde als Beitrag zum 90. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung in Auftrag gegeben, die Uraufführung fand 2010 im Kulturzentrum k&k in St. Johann/Šentjanž statt. Das Stück nimmt einen der bekanntesten kollektiven Mythen der Kärntner Slowen_innen auf, der seit der Dramatisierung durch Jaka ŠpicarŠpicar, Jaka (1909) fester Repertoirebestandteil des slowenischen Theaters in Kärnten ist, spätestens mit der Bearbeitung durch Janko MessnerMessner, Janko und Peter MilitarovMilitarov, Peter 1987 aber auch zum Gegenstand ideologischer Kontroversen innerhalb der slowenischen Volksgruppe wurde.6 Sprachwechsel und Mehrsprachigkeit sind konstitutiv für den Text von SchönettSchönett, Simone und SchwingerSchwinger, Harald, der in der Theateraufführung synchron in slowenischer bzw. deutscher Sprache projiziert wurde (Schönett/Schwinger 2011: 138). Das Slowenische wird auch dadurch sichtbar, dass Zala im Lauf des Stückes slowenische Wörter in den Rücken „tätowiert“ werden. Da sich die Inszenierung als ungeahnt erfolgreich erwies, tourte sie im Frühjahr 2011 durch Slowenien; es gab auch – angeblich durch Vermittlung Peter Turrinis – ein Gastspiel am Klagenfurter Stadttheater (Schönett/Schwinger 2011: 130). Die in der Edition Meerauge bei Heyn erschienene Buchausgabe ist ebenfalls durchgehend zweisprachig gehalten: links der (vorwiegend) deutsche, rechts der (vorwiegend) slowenische Text – in welchem slowenische Textelemente im Original reziprok ins Slowenische übersetzt werden; die Übersetzung ins Slowenische stammt von Marjan ŠtikarŠtikar, Marjan, der das Stück auch inszenierte (Schönett/Schwinger 2011: 130–139).

Das für das klagenfurter ensemble geschriebene Stück Loibl-Saga des Wiener Autors Erwin RiessRiess, Erwin wurde in einer zweisprachigen Gemeinschaftsproduktion mit teatr trotamora und teatr zora am 2. Dezember 2015 in der Theaterhalle 11 in Klagenfurt uraufgeführt (Regie: Marjan ŠtikarŠtikar, Marjan). Die geschilderten Ereignisse im Zwangsarbeitslager am Loibl, eines Außenlagers des KZ Mauthausen, reichen bis zur Verlegung der Häftlinge in das Lager Süd im April 1945. Im Hintergrund ständig präsent ist Janko TišlerTišler, Janko, der als Vermessungstechniker beim Loibl-Tunnel eingesetzt war und als Fluchthelfer mit den Partisanen zusammenarbeitete. TišlerTišler, Janko zählt als Autor einer 1995 bei Drava erschienenen Dokumentation (Tišler/Rovšek 1995) auch zu den wesentlichen Referenzen zum KZ am Loibl.Tišler, JankoKuehs, WilhelmMessner, Janko7 Eine treibende Kraft des Projekts war der Gründer des Mauthausen Komitees Kärnten/Koroška Peter GstettnerGstettner, Peter, der mehrere Anhänge zur Buchausgabe (Kitab 2015) schrieb und auf dem Titelblatt als Coautor des Buches genannt ist. Das Titelwort „Saga“ bezieht sich somit nicht nur auf das Stück, sondern auf den Gesamtkontext aus Verdrängung und Leugnung, der die Etablierung des Loibls als Erinnerungs- und Gedenkort in Österreich so lange verunmöglicht hat.

Die erwähnten Theaterproduktionen repräsentieren nicht annähernd das zweisprachige Theater in Kärnten. Als prominentere Produktionen der letzten fünfzehn Jahre, an denen deutschsprachige Autor_innen beteiligt waren, zeigen sie jedoch exemplarisch die Bedeutung von Erinnerungsliteratur und Oral history als literarische Quelle.

Erinnungskulturelles Repertoire als Modellfall für literarischen Transfer

Grundsätzlich ist der erinnerungsliterarische Bereich bei den Kärntner Slowen_innen bei aller institutionellen Fundierung als relativ stabiler Bereich anzusehen. Nach den Erinnerungen von Karel Prušnik–GašperPrušnik–Gašper, Karel Gamsi na plazu/Gemsen auf der Lawine (sln. 1958, dt. erstmals 1974 bei Drava, mehrfach aufgelegt, zuletzt neu aufgelegt 2015 bei Wieser) und insbesondere nach der Dokumentation Spurensuche. Erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen (ÖBV 1990), die Interviews mit mehr als fünfzig Zeitzeugen umfasst, wurde v.a. beim Drava-Verlag mit der systematischen Veröffentlichung von Erinnerungsbüchern von Kärntner Slowen_innen in Original und Übersetzung begonnen. Die Bedeutung dieser Bücher für die überregionale (internationale) Rezeption der Themen Vertreibung und Widerstand im Zweiten Weltkrieg kann kaum überschätzt werden, mit ihnen gewinnt ein spezifisches literarisches Genre auch Bedeutung für die Außenwahrnehmung der Kärntner Slowen_innen und ihrer Literatur. Eva SchörkhuberSchörkhuber, Eva weist anhand von Maja HaderlapsHaderlap, Maja Roman Engel des Vergessens zu Recht auf die genremäßige Verbindung zur Erinnerungsliteratur der Kärntner Slowen_innen hin, die aus einer oberflächlichen Rezensentenperspektive als Ausdruck einer minoritären Befindlichkeit abgetan werden mag,Schörkhuber, Eva1 die in Wahrheit aber eine kontextualisierte Lektüre über das Autobiographische hinaus erforderlich mache (Schörkhuber 2017: 114–127).

Referenzen auf Verfolgung und Widerstand sowie auf Erinnerungsorte der Kärntner Slowen_innen sind relativ zahlreich und natürlich auch in der deutschsprachigen Erinnerungsliteratur, soweit sie sich auf Kärnten bezieht, zu finden.2 Das Zwangsarbeitslager auf der Kärntner Seite des Loibl wurde in Österreich erst Mitte der 1990er Jahre öffentlich thematisiert. Die überregional wohl bekannteste (und eigentlich frühe) literarische Referenz auf das Lager ist Alois HotschnigsHotschnig, Alois Roman Ludwigs Zimmer (Kiepenheuer & Witsch 2000), jedoch bemängelt Vinko OšlakOšlak, Vinko im Nachwort zu seiner 2002 bei Mohorjeva/Hermagoras erschienenen slowenischen Übersetzung, dass der Autor, der sonst jeden Baum und jeden Vogel benenne, die Kärntner Slowenen mit keinem Wort erwähne, obwohl am bewaffneten Widerstand in Kärnten (den HotschnigHotschnig, Alois sehr wohl erwähne) nur Slowenen mitgewirkt haben können (Hotschnig 2002: 118). Das Beispiel zeigt, dass auch durch das Fehlen signifikanter Referenzen auf das zweisprachige Feld eine Relevanz im Sinne der literarischen Interaktion gegeben sein kann.

Der Peršmanhof darf heute als überregional bekannter Erinnerungsort der Kärntner Slowen_innen betrachtet werden.3 Allein in den letzten fünfzehn Jahren finden wir die Ereignisse vom 25. April 1945 mindestens in folgenden Texten thematisiert: Tina LeischLeisch, Tina: Elf Seelen für einen Ochsen (2003, s.o.), Marie-Thérèse KerschbaumerKerschbaumer, Marie-Thérèse: Briefe einer Gefangenen an die Mit- und Nachwelt (Eichborn 2004)Kerschbaumer, Marie-Thérèse4, Gertrude HaderlapHaderlap, Gertrude: Die manipulierte Generation (der wolf verlag 2004), Kevin VennemannVennemann, Kevin: Mara Kogoj (Suhrkamp 2007),5 Bernd Liepold-MosserLiepold-Mosser, Bernd: Partizan (Wieser 2008), Ferdinand SkukSkuk, Ferdinand: Chefinspektor Meissner und der Kranmörder (Hermagoras 2009) sowie Die Kopfjäger (Hermagoras 2011), Maja HaderlapHaderlap, Maja: Engel des Vergessens (Wallstein 2011), Erwin RiessRiess, Erwin: Loibl-Saga (Kitab 2015), Lydia MischkulnigMischkulnig, Lydia: Die Paradiesmaschine (Haymon 2016), Bertram SchacherSchacher, Bertram: Das Jakoberhaus (Verlag Ph. C. W. Schmidt 2017), Evelyn SteinthalerSteinthaler, Evelyn: Peršmanhof. 25. April 1945 (bahoe 2018) – Letzteres ein Peršman-Comic! Bei Wallstein in Göttingen erschien 2014 in erster Auflage der Sammelband Peršman, herausgegeben von Lisa RettlRettl, Lisa und Gudrun BlohbergerBlohberger, Gudrun, der auch eine Dokumentation der Ausstellung des Peršman-Museums enthält.

Der aus dem Münsterland stammende und heute in den USA lebende Kevin VennemannVennemann, Kevin hielt sich im Zuge seiner Recherchen am Roman Mara Kogoj mehrmals am Peršmanhof auf und wurde so mit Zdravko HaderlapHaderlap, Zdravko bekannt, der den nahegelegenen Vinkl-Hof als Begegnungs- und Kulturstätte betreibt (Interview mit Zdravko HaderlapHaderlap, Zdravko vom 21.02.2017). Der Kampf um die Erinnerung (der ein Machtkampf ist) ist hier als Interview inszeniert, das zwei Kärntner Slowenen mit einem rechtsextremen Zyniker führen, welcher das Massaker am Peršmanhof als Werk der Partisanen (und die SS als zu spät gekommene Retter) darstellt. Die „hochgradig kulturelle Kodierung des historischen Chronotopos“ (Previšič 2014a: 111) setzt für das Verständnis des geschilderten Konflikts immerhin ein gewisses Verständnis des Gesamtkontexts (die Verdrängung historischer Verantwortung als Grundlage für die Diskriminierung der slowenischen Minderheit in Kärnten) voraus. VennemannVennemann, Kevin reichte für seine Teilnahme am Bachmann-Wettbewerb 2006 einen Ausschnitt aus Mara Kogoj ein.

In genremäßiger Hinsicht besonders interessant ist der „Roman“ Das Jakoberhaus von Bertram SchacherSchacher, Bertram. Der 1957 in Fürth geborene und in Hagenbüchach aufgewachsene Autor begann sich als Erwachsener für das ehemalige „Aussiedlerlager“ in Hagenbüchach zu interessieren und kam so auf die Erinnerungen von Franc Resman (Rod pod Jepo 1971; deutsch: Familienchronik des Franc Resman vulgo Tratnik aus Ledenitzen, 2005), die er in seinem Buch mehr oder weniger nacherzählt, wobei er noch weitere Texte aus dem erinnerungsliterarischen Bereich (Briefe, Zeitzeugenberichte usw.) montiert (Schacher 2017: 243). Es handelt sich um ein instruktives Beispiel für die direkte Übernahme eines Modells (Erinnerungsliteratur) in einen literarischen Text.

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