Kitabı oku: «Milieusensible Pastoral», sayfa 5
II
Praxisfeld Militärseelsorge
Lothar Bendel/Frank-Peter Bitter/Marc Calmbach
Die Studie „Milieudifferenzierte Pastoral- und Bildungsangebote in der Militärseelsorge“ unter den Zeit- und Berufssoldaten der Bundeswehr (2011/2012)
Zentrale Ergebnisse und erste Konsequenzen
1 Selbstverständnis und Aufgaben der Militärseelsorge
In kirchlicher Perspektive ist der Seelsorgedienst in den Streitkräften ein Angebot, zu dem sie sich aufgrund der besonderen moralischen (als Subjekt von Gewalthandlungen), physischen (als Objekt von Gewalthandlungen) und – daraus resultierend – psychischen Gefährdungen verpflichtet weiß. Die apostolische Konstitution „Spirituali militum curae“ (1989) spricht von den besonderen Lebensbedingungen der Soldaten, die eine spezielle Form der Seelsorge notwendig machen.
Staatlicherseits gründet die Zulassung eines kirchlichen Seelsorgedienstes in den Streitkräften auf dem in Artikel 4 (2) GG verankerten Recht auf freie Religionsausübung, das durch den militärischen Dienst nicht eingeschränkt werden darf. Das Soldatengesetz (Artikel 36) gießt diese verfassungsrechtliche Vorgabe in die Form eines konkreten Petitums: „Der Soldat hat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung.“ Angesichts möglicher Beeinträchtigungen und Beschränkungen der Religionsfreiheit durch die Besonderheiten des Dienstes in den Streitkräften hat deshalb die staatliche Förderung der Militärseelsorge durch Finanzierung und Garantie einer organisatorischen Struktur (die über eine bloße Zulassung einer Militärseelsorge gemäß Artikel 140 GG) kompensatorischen Charakter.
Auf der Basis von verfassungsrechtlichen und einfach gesetzlichen Normen bestimmen vertragliche Regelungen zwischen Staat und Kirchen die Organisationsform der Militärseelsorge.
Die Militärseelsorge, die aus einem katholischen und evangelischen Zweig besteht, ist ein eigenständiger Organisationsbereich in der Bundeswehr (wie die Rechtspflege und die Bundeswehrverwaltung), aber nicht Teil der Streitkräfte. Die Militärseelsorger/-innen sind nicht in die militärische Hierarchie integriert und haben keinen Dienstgrad; sie sind vielmehr den militärischen Dienststellen zur Zusammenarbeit zugeordnet.
Als Teil der kirchlichen Gesamtseelsorge bietet die Militärseelsorge den Soldaten/Soldatinnen und deren Familien ein Angebot der Lebenshilfe durch Gottesdienst, Verkündigung und Bildungsveranstaltungen unterschiedlicher Formate. Sie begleitet die Soldaten in die Auslandseinsätze und berät Menschen in Krisensituationen und unter belastenden Lebensbedingungen.
Ein Aufgabenschwerpunkt der Militärseelsorge ist die Erteilung des Lebenskundlichen Unterrichts im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung. Dieser Unterricht ist für alle Soldaten und Soldatinnen verpflichtend und wird überkonfessionell erteilt. Er ist mithin kein Religionsunterricht, sondern eine berufsethische Qualifizierungsmaßnahme, die eine gemeinsame Wertebasis für das soldatische Handeln herstellen sowie die moralische Urteilskraft des Einzelnen ausbilden soll. Obwohl die Militärseelsorge diesen Unterricht im staatlichen Auftrag erteilt, ist dies keine staatliche Zumutung an die Kirchen; vielmehr setzen die Kirchen in diesem Handlungsfeld einen Grundvollzug ihres seelsorgerlichen Auftrags um: „Daher ist Gewissensberatung Dienst an der Würde des Menschen und Teil der Seelsorge. Zu den Kerngehalten solcher Gewissensberatung gehören Fragen der Konfliktbearbeitung, Wertevermittlung und Gewissensbildung.“1 Der Lebenskundliche Unterricht ist als Bildungsarbeit mit Erwachsenen eine Form „kultureller Diakonie“2, die auf die Ausbildung einer soldatischen „Lebenskönnerschaft“3 zielt, die diese durch die gemeinsame Festlegung von bedeutsamen Werten befähigt, die Herausforderungen des soldatischen Dienstes anzunehmen und mit diesen gekonnt umzugehen.
2 Warum eine Sinus-Milieu-Studie für die Militärseelsorge?
Nach der Veröffentlichung der Sinus-Milieu-Kirchenstudie, die durch die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben wurde,4 folgten zahlreiche Anschlussstudien zu spezifizierten Zielgruppen und Themen,5 sodass die Frage erlaubt scheint, ob die Katholische Militärseelsorge nur einem modischen Kirchentrend folgt, wenn sie selbst eine Milieu-Studie in Auftrag gibt, zumal im innerkirchlichen Diskurs kritisch-ablehnende Stimmen zur Bedeutung von in Marketingstrategien begründeten Milieuuntersuchungen für die Pastoral unüberhörbar sind: „Salvatore hatte Ende des zwanzigsten Jahrhunderts Theologie studiert. Was unweigerlich zum Ende des Glaubens geführt hatte. Allein die Sehnsucht blieb, wie du und ich. Doch mit seiner Sehnsucht konnte Salvatore in der Kirche, in einem Unternehmen, das sein Heil bei Unternehmensberatern suchte, nichts werden.“ 6 Stadlers bitterer Sarkasmus spiegelt eine in der Kirche verbreitete Einstellung wider, die Situation der Kirche als eines Anbieters unter vielen auf dem Markt religiöser und nichtreligiöser Orientierungsangebote7 als realitätsfremd zu negieren. In unserer säkularen Gesellschaft indes ist der Ort der Kirche der Marktplatz religiöser und nichtreligiöser Sinnanbieter. Kirche gehorcht deshalb keiner ihr wesensfremden ökonomischen Logik, wenn sie empirische Sozialforschung in Auftrag gibt, um die (sub)kulturellen Logiken unterschiedlicher gesellschaftlicher Milieus hinsichtlich Werten, Stilistik, Sprache und Ästhetik zu verstehen, sondern will ihre Kommunikationsfähigkeit und -sensibilität verbessern.
Damit werden auch die leitenden Fragestellungen und das Erkenntnisinteresse der katholischen Militärseelsorge an einer Sinus-Milieu-Studie für den Bereich der Bundeswehr deutlich. Die Studie soll Hilfen und Anregungen für ein differenziertes und milieuorientiertes Pastoral- und Bildungsangebot in der Militärseelsorge geben. Gefragt wurde deshalb:
– Wie ist die Milieuverteilung – differenziert nach Dienstgradgruppen – in den Streitkräften?
– Wie ist die Einstellung zur Militärseelsorge in den jeweiligen Milieus? Welche Bedeutung hat die Militärseelsorge für die Streitkräfte als Ganze und den/die einzelne/-n Soldaten/Soldatin im Besonderen?
– Im Rahmen der seelsorgerlichen Begleitung der Soldatinnen und Soldaten lädt die Militärseelsorge regelmäßig zur Feier von Gottesdiensten ein und bietet vielfältige Veranstaltungen an, wie z.B. Exerzitien/Einkehrtage, Werkwochen und Wochenenden für Soldaten und Soldatenfamilien, Wallfahrten, Akademieveranstaltungen und vieles mehr. Von wem werden diese Angebote wahrgenommen? Wie bekannt sind sie? Wie informieren sich die Soldatinnen und Soldaten über diese Angebote? Welche Bedürfnisse, welche Erwartungen an die Militärseelsorge werden formuliert?
– Wie bekannt sind die Publikationen der Katholischen Militärseelsorge und in welchen Milieus finden sie Leser?
– Die Militärseelsorger/-innen erteilen einen für alle Soldatinnen und Soldaten verpflichtenden Lebenskundlichen Unterricht, der ihrer berufsethischen Qualifizierung dient. Grundsätzlich sollte hier die Einstellung der Soldatinnen und Soldaten zum Ethikunterricht erfragt werden. Welche Überzeugungen, welche Meinungsbilder bestimmen die Einstellung zur ethischen Bildung in den unterschiedlichen Milieus?8
3 Zentrale Ergebnisse der Befragung9
Im Auftrag des Katholischen Militärbischofsamts hat das SINUS-Institut die überkonfessionelle Studie „Milieudifferenzierte Pastoral- und Bildungsangebote in der Militärseelsorge“ durchgeführt und 2012 abgeschlossen.
Um Antworten auf die genannten forschungsleitenden Fragen geben zu können, wurden 150 einstündige Einzelinterviews mit Soldatinnen und Soldaten aus allen militärischen Organisationsbereichen und Dienstgradgruppen durchgeführt, zudem wurden repräsentativ 2000 Zeitsoldatinnen und Zeitsoldaten sowie 3800 Berufssoldatinnen und Berufssoldaten schriftlich befragt.
Eine zentrale Erkenntnis der Studie lautet: In der Bundeswehr sind alle sozialen Milieus vertreten. Sie ist somit ein Abbild der soziokulturell vielfältigen Gesellschaft in Deutschland. Die verbreitete Annahme, die Bundeswehr sei ein geschlossener Sozialraum oder gar ein „Milieu für sich“, trifft also keineswegs zu.
Die folgenden Abbildungen zeigen die soziale Lage und Grundorientierung der zehn Sinus-Milieus in der deutschen Wohnbevölkerung und die Milieuverteilung in den Streitkräften unterschieden nach Zeit- und Berufssoldaten:
Die Sinus-Milieus® in Deutschaland 2012
Soziale Lage und Grundorientierung
Abb. 01: Sinus-Milieus® in Deutschland 2012
Die Sinus-Milieus® in Deutschaland 2012
Soziale Lage und Grundorientierung von Zeit- und Berufssoldaten
Abb. 02: Soziale Lage und Grundorientierung von Zeit- und Berufssoldaten
Berufssoldaten repräsentieren die traditionelle und die gemäßigtmoderne Bildungselite in Deutschland, die Zeitsoldaten hingegen die Mitte der Gesellschaft
Die Milieustruktur der Berufssoldaten unterscheidet sich deutlich von der Milieustruktur der Zeitsoldatinnen und Zeitsoldaten. Die Gruppe der Berufssoldaten hat ihren Schwerpunkt im traditionellen Segment und im gehobenen Bildungsbürgertum: 24% der Berufssoldaten finden sich im Konservativ-etablierten Milieu und 12% im Traditionellen Milieu. Bei den Zeitsoldaten sind es nur 10% bzw. 5%. 20% der Berufssoldaten zählen zum postmateriellen Segment (Liberal-intellektuelles und Sozialökologisches Milieu), bei den Zeitsoldaten hingegen nur 14%. Bei den Zeitsoldaten sind hingegen die sozial benachteiligten und hedonistisch geprägten Milieus mit 13% stärker vertreten als bei den Berufssoldaten (4%). Hinsichtlich der Konfessionszugehörigkeit unterschieden sich Zeit- und Berufssoldaten deutlich: 45% der Zeitsoldaten sind ohne Konfessionszugehörigkeit, 23% sind katholisch, 30% evangelisch und 2% haben eine andere Religion. Bei den Berufssoldaten hingegen, die in der Regel deutlich lebensälter als die Zeitsoldaten sind, gehören 32% der katholischen Kirche an, 36% der evangelischen und „nur“ 32% sind konfessionslos.
Der Lebenskundliche Unterricht genießt sowohl bei den Zeitsoldaten als auch bei den Berufssoldaten hohe Akzeptanz. Gut 75% der Zeitsoldaten sind mit dem Lebenskundlichen Unterricht zufrieden oder sehr zufrieden, bei den Berufssoldaten ist die Zufriedenheit noch höher. Die meiste Kritik am Lebenskundlichen Unterricht kommt aus dem prekären Milieu.
Die Milieustruktur der (wenigen) weiblichen Berufssoldaten unterscheidet sich ganz erheblich von der Milieustruktur der männlichen Berufssoldaten. Frauen unter den Berufssoldaten gehören nur selten dem Konservativ-etablierten Milieu an, das den Berufsstand prägt, sondern stammen überdurchschnittlich häufig aus dem Adaptiv-pragmatischen und dem Sozialökologischen Milieu.
Berufssoldaten haben aufgrund des höheren Lebens- und Dienstalters deutlich mehr Erfahrungen mit den Angeboten der Militärseelsorge als Zeitsoldaten
Die Angebote der Militärseelsorge sind sehr umfangreich und vielfältig. Rund 90% der Berufssoldaten und 75% der Zeitsoldaten haben zumindest eines der Angebote schon einmal genutzt. Ebenso wie bei Zeitsoldaten steht auch bei Berufssoldaten die Seelsorge im Auslandseinsatz an erster Stelle, wenn es um die Zufriedenheit mit den genutzten Angeboten und um das grundsätzliche Interesse an Angeboten der Militärseelsorge geht. So äußern 40% der Zeitsoldaten sowie 44% der Berufssoldaten ein generelles Interesse gegenüber diesem Angebot, und 58% der Zeitsoldaten bzw. 63% der Berufssoldaten sind sehr zufrieden mit der Seelsorge im Auslandseinsatz. Darüber hinaus sind Berufssoldaten wesentlich häufiger als Zeitsoldaten an „geistlichen Bildungsveranstaltungen“, wie z. B. Besinnungstagen, Werkwochen, Rüstzeiten, Exerzitien, interessiert. Sie kennen und nutzen solche Veranstaltungen wesentlich häufiger als Zeitsoldaten und sind damit außerordentlich zufrieden. 46% der Berufssoldaten kennen dieses Angebot und 59% sind sehr zufrieden. Nur 15% der Zeitsoldaten kennen „geistliche Bildungsveranstaltungen“, 52% dieser Gruppe sind zufrieden damit.
Zu den wichtigsten „Indikationen“ für eine Inanspruchnahme der Militärseelsorge zählen der Auslandseinsatz und seine möglichen Folgen (Tod, Verwundung), aber auch der Tod eines nahen Familienangehörigen
Belastungssituationen, die mit dem Berufsalltag der Soldatinnen und Soldaten verbunden sind, liefern meistens den Anlass dafür, sich an die Militärseelsorge zu wenden: Auslandseinsätze, Tod oder Verwundung, aber auch Tod eines nahen Familienangehörigen oder die mehrmonatige Trennung von der Familie. Aufgrund des höheren Lebensalters und der längeren Berufserfahrung sind Berufssoldaten von fast allen Ereignissen deutlich häufiger betroffen gewesen als Zeitsoldaten. Trennung oder Scheidung sowie Verwundung im Dienst haben beide Berufsgruppen annähernd gleich häufig erlebt. Die Schwerpunkte der Militärseelsorge-Arbeit mit Berufssoldaten sind allerdings etwas anders gelagert als in der Arbeit mit Zeitsoldaten. Der Tod eines Kameraden/einer Kameradin oder eines nahen Familienangehörigen sind die Hauptgründe für Berufssoldaten, Militärseelsorge in Anspruch zu nehmen (78 % bzw. 61 % der Berufssoldaten würden dies tun). Die Absolvierung eines Auslandseinsatzes oder eine mehrmonatige Trennung von der Familie sind im Lebenslauf von Berufssoldaten hingegen offenbar so „selbstverständlich“, dass sie nicht in jedem Fall eine Unterstützung durch die Militärseelsorge erfordern (nur für 59 % bzw. 43 % der Berufssoldaten wäre dies wichtig). Im Gegensatz dazu stellen für Zeitsoldaten der Auslandseinsatz und die damit verbundenen Erfahrungen, z. B. nach dem Tod eines Kameraden/einer Kameradin, den wichtigsten Beweggrund dar, die Militärseelsorge aufzusuchen (beim Tod eines Kameraden/einer Kameradin würden dies 68 % und beim Auslandseinsatz 66 % der Zeitsoldaten tun).
4 Konsequenzen und Herausforderungen
Eine für die Pastoral der Militärseelsorge innovatorische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Sinus-Milieu-Untersuchung steht noch aus. Dass freilich Milieukompetenz in der Weiterqualifizierung der Militärseelsorge zukünftig ein wichtiges Themenfeld sein wird, ist unbestritten. Geplant ist deshalb, zeitnah für alle Militärseelsorger/-innen eine verpflichtende Fortbildung zum sachgerechten Gebrauch der Studie für eine missionarische Pastoral der Militärseelsorge durchzuführen.
Die Militärseelsorge kann sich nämlich nur um den Preis einer Selbstmarginalisierung durch Beschränkung ihrer Zuständigkeit auf die explizit katholischen Soldaten und deren Familien oder durch eine therapeutische Engführung des Seelsorgebegriffes der Forderung nach missionarischer Pastoral entziehen.
Freilich ist der Missionsbegriff in zweifacher Rücksicht problematisch und deshalb klärungsbedürftig: Zum einen (miss)versteht die säkulare Gesellschaft Mission allzu gerne als intolerante Indoktrination, zum Zweiten erscheint vielen (auch in den Streitkräften) eine missionarische Praxis durch die staatlich alimentierte Militärseelsorge als Verletzung der Neutralitätspflicht des Staates.
Ein sachgerechtes Missionsverständnis muss die Bedingungen der Christwerdung in der säkularen Gesellschaft respektieren. Schon 1935 notierte J. Pieper10: „(…) daß die öffentliche Gesamtatmosphäre ihren zwingend christlichen Charakter eingebüßt hat, daß also der Einzelne nicht erst eine besondere Energie des sich selbst isolierenden und abhebenden Widerstandes gegen ein verbindlich normierendes Gemeinbewußtsein aufzubringen braucht, um Nicht-Christ sein zu können. Im gleichen Maß aber, wie diese Möglichkeit („guten Gewissens“ Nicht-Christ zu sein) sich aus diesen Gründen steigert, im gleichen Maße konstituiert sich echte ‚Missionssituation‘ (…).“ In einer säkularen Gesellschaft wird die Weitergabe des Glaubens nicht durch eine starke sozial-kulturelle Erwartungshaltung gestützt und getragen. Religiöse Sinngenerierung durch den christlichen Glauben vollzieht sich in den Horizonten von Mortalität, Verletzlichkeit und Unrechtserfahrungen als reflektierte und autonome Entscheidung des Einzelnen. Missionarische Pastoral hat in dieser Situation die Form des Gespräches.11 Kirchen und Religionsgemeinschaften stehen zudem unter missionarischem Dauerdruck, da deren Existenz grundsätzlich prekär ist, denn die nachfolgende Generation muss immer wieder neu rekrutiert, aber auch die vorhandenen Mitglieder müssen gegen rivalisierende Deutungen immunisiert werden.
Die Sinus-Studie zeigt, dass für die meisten Soldaten Belastungserfahrungen, die oft in den Risiken des soldatischen Dienstes gründen, den Anlass bilden, Kontakt mit der Militärseelsorge aufzunehmen. Offensichtlich ist das Heilsversprechen der Religion angesichts unaufhebbarer Daseinsrisiken weiterhin bedeutsam.12 Eine missionarische Pastoral der Militärseelsorge wird ihre kommunikativen Kompetenzen durch die „Milieubrille“ zu verbessern suchen, um über den christlichen Glauben mit den Soldatinnen und Soldaten Lebensbedeutungsdiskurse führen zu können.
Im Kontext des 2011 begonnenen Strategieprozesses der Katholischen Militärseelsorge werden deshalb erste Überlegungen zur Bedeutung der Milieuuntersuchung für eine Militärseelsorge, die sich den Soldaten und Soldatinnen, die keinen Zugang zum Glauben haben oder ihn verloren haben, zuwenden will, vorgestellt. Erste Produkte und Projekte für kirchlich distanzierte Soldaten bzw. religiöse „Neueinsteiger“ werden gegenwärtig entwickelt.
Es gehört zu den Besonderheiten des Dienstes in den Streitkräften, dass die Militärseelsorge im gottesdienstlichen Rahmen Kontakt zu Menschen hat, die außerhalb der militärischen Organisation in der Regel an Gottesdiensten nicht teilnehmen. Die Militärseelsorge kann dies als Möglichkeit ergreifen, die Gestaltung ihrer Gottesdienste immer wieder am apistos auszurichten.13 Ferdinand Hahns klassische Studie zum urchristlichen Gottesdienst, die dessen wesensmäßig missionarischen Charakter herausarbeitet, der offen war für alle, die nicht glauben, muss heute als Herausforderung gelesen werden, eine Vielfalt gottesdienstlicher Formen zu entwickeln, damit bestimmte Lebenswelten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Hier ist ein konzeptionelles Modelldenken verlangt, das den soziokulturellen Logiken der unterschiedlichen Lebenswelten gerecht wird.14
Einer in den Lebenswelten der Soldaten präsenten Militärseelsorge bieten sich Chancen einer missionierenden Pastoral, die in anderen pastoralen Handlungsfeldern so nicht gegeben sind.
Literatur
Deutsche Kommission IUSTITIA ET PAX, Kirchliches Verständnis vom Dienst am Frieden – Dienst für den Frieden, Schriftenreihe Gerechtigkeit und Frieden 103/2008.
Marc Calmbach, Die Bundeswehr – soziokulturell so vielfältig wie unsere Gesellschaft/Die Sinus-Milieus® in der Bundeswehr, in: Kompass 2012, Heft 9, 4–7.
Ferdinand Hahn, Der urchristliche Gottesdienst. Stuttgarter Bibelstudien 41, Stuttgart 1970.
Hans-Joachim Höhn, Fremde Heimat Kirche. Glauben in der Welt von heute, Freiburg/Basel/Wien 2012.
Michael Nüchtern, Kirche in Konkurrenz. Herausforderungen und Chancen der religiösen Landschaft, Stuttgart 1997.
Josef Pieper, Über die Missionssituation der Kirche in Deutschland, in: ders., Religionsphilosophische Schriften. Werke Band 7, Hamburg 2000, 1–9.
Martin Riesebrodt, Cultus und Heilsversprechen. Eine Theorie der Religionen, München 2009.
Helmut Schelsky, Ist die Dauerreflexion institutionalisierbar? Zum Thema einer modernen Religionssoziologie, in: ders.: Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze zur Soziologie der Bundesrepublik, München 1979, 268–297.
Arnold Stadler, Salvatore, Frankfurt 2008.
Carsten Wippermann/Isabel de Magalhaes, Zielgruppen-Handbuch. Religiöse und Kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus® 2005. Eine qualitative Studie des Instituts Sinus Socio-vision zur Unterstützung der publizistischen und pastoralen Arbeit der Katholischen Kirche in Deutschland im Auftrag der Medien-Dienstleistung GmbH und der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle, Heidelberg 2006.
Carsten Wippermann/Marc Calmbach, Wie ticken Jugendliche? Sinus-Milieustudie U27, hrsg. v. Bund der Deutschen Katholiken Jugend & Misereor, Düsseldorf/Aachen 2008.
1 Deutsche Kommission IUSTITIA ET PAX, Kirchliches Verständnis vom Dienst am Frieden – Dienst für den Frieden, Schriftenreihe Gerechtigkeit und Frieden 103/2008, 33.
2 Zum Begriff der „kulturellen Diakonie“ vgl. H.-J. Höhn, Fremde Heimat Kirche. Glauben in der Welt von heute, Freiburg/Basel/Wien 2012, 80 ff.
3 Ebd. 124
4 C. Wippermann/I. de Magalhaes, Zielgruppen-Handbuch. Religiöse und Kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus® 2005. Eine qualitative Studie des Instituts Sinus Sociovision zur Unterstützung der publizistischen und pastoralen Arbeit der Katholischen Kirche in Deutschland im Auftrag der Medien-Dienstleistung GmbH und der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle, Heidelberg 2006.
5 Als Beispiel sei nur genannt C. Wippermann/M. Calmbach, Wie ticken Jugendliche? Sinus-Milieustudie U27, hrsg. v. Bund der Deutschen Katholiken Jugend & Misereor, Düsseldorf/Aachen 2008.
6 A. Stadler, Salvatore, Frankfurt 2008, 22.
7 Vgl. etwa M. Nüchtern, Kirche in Konkurrenz. Herausforderungen und Chancen der religiösen Landschaft, Stuttgart 1997.
8 Der mit dem Bundesministerium der Verteidigung abgestimmte Fragebogen enthielt in seiner letzten Fassung keine Fragen, die über eine generelle Zustimmung oder Ablehnung des Lebenskundlichen Unterrichts hinausgingen.
9 Kapitel 3 ist wesentlich dem folgenden Artikel entnommen: M. Calmbach, Die Bundeswehr – soziokulturell so vielfältig wie unsere Gesellschaft/Die Sinus-Milieus® in der Bundeswehr, in: Kompass 2012, Heft 9, 4–7.
10 J. Pieper, Über die Missionssituation der Kirche in Deutschland, in: ders., Religionsphilosophische Schriften. Werke Band 7, Hamburg 2000, 5.
11 Vgl. H. Schelsky, Ist die Dauerreflexion institutionalisierbar? Zum Thema einer modernen Religionssoziologie, in: ders.: Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze zur Soziologie der Bundesrepublik, München 1979, 268–297. In diesem 1957 erstmals publizierten Aufsatz entwickelt Schelsky die These, dass das „Gesprächsprinzip“ allen modernen Versuchen zur Sicherung einer religiösen Existenz zugrunde liege (289 ).
12 Vgl. den Religionsbegriff bei M. Riesebrodt, Cultus und Heilsversprechen. Eine Theorie der Religionen, München 2009.
13 W. Nagel zit. nach F. Hahn, Der urchristliche Gottesdienst. Stuttgarter Bibelstudien 41, Stuttgart 1970.
14 An der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt verfasst Christopher Tschorn gegenwärtig seine Magisterarbeit im Fach Liturgiewissenschaften zum Thema: „Gottesdienstliche Feiern mit Soldaten. Eine liturgiewissenschaftliche Umschau unter Berücksichtigung der Sinus-Studie der Bundeswehr“ (Arbeitstitel).
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