Kitabı oku: «Neue Theorien des Rechts», sayfa 11

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C. Literaturhinweise

Bertram, Georg W., Die Sprache und das Ganze, Weilerswist 2006.

Brandom, Robert B., Making it Explicit. Reasoning, Representing, and Discursive Commitment, Cambridge, Mass. 1994 (= Expressive Vernunft. Begründung, Repräsentation und diskursive Festlegung, übers. v. Eva Gilmer und Hermann Vetter, Frankfurt am Main 2000).

ders., Between Saying and Doing: Towards an Analytic Pragmatism, Oxford 2008.

ders., Wiedererinnerter Idealismus, übers. v. Falk Hamann und Aaron Shoichet, Berlin 2015.

Davidson, Donald, Handlung und Ereignis, Frankfurt am Main 1985.

ders., Wahrheit und InterpretationInterpretation, Frankfurt am Main 1986.

ders., Subjektiv, intersubjektiv, objektiv, Frankfurt am Main 2004.

Detel, Wolfgang, Grundkurs Philosophie Bd. 3: Philosophie des Geistes und der Sprache, Stuttgart 2007.

Glüer, Kathrin, Donald Davidson zur Einführung, Hamburg 1993.

Knell, Sebastian, Propositionaler Gehalt und diskursive Kontoführung. Eine Untersuchung zur Begründung der Sprachabhängigkeit intentionaler Zustände bei Brandom, Berlin/New York 2004.

Lepore, Ernest (Hrsg.), Truth und InterpretationInterpretation. Perspectives on the Philosophy of Donald Davidson, New York 1986.

|103|Lepore, Ernest/Ludwig, Kirk (Hrsg.), A Companion to Donald Davidson, Oxford 2013.

Liptow, Jasper, Regel und InterpretationInterpretation. Eine Untersuchung zur sozialen Struktur sprachlicher Praxis, Weilerswist 2004.

ders., InterpretationInterpretation, Interaktion und die soziale Struktur sprachlicher Praxis, in: Bertram, Georg W./Liptow, Jasper (Hrsg.), HolismusHolismus in der Philosophie. Ein zentrales Motiv der Gegenwartsphilosophie, Weilerswist 2002, 129–146.

Müller, Friedrich/Christensen, Ralph, Juristische Methodik, 11. Aufl., Berlin 2013.

Malpas, Jeff (Hrsg.), Dialogues with Davidson. Acting, Interpreting, Understanding, Cambridge, Mass. 2011.

Picardi, Eva/Schulte, Joachim, Die Wahrheit der Interpretation. Beiträge zur Philosophie Donald Davidsons, Frankfurt am Main 1990.

Ramberg, Björn T., Donald Davidson’s Philosophy of Language. An Introduction, New York 1989.

Schulz, Lorenz, Recht und Pragmatismus, in: Brugger, Winfried/Neumann, Ulfrid/Kirste, Stephan (Hrsg.), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2008, 286–314.

Stekeler-Weithofer, Pirmin, Bedeutung und Weltbezug, Inferentielle Semantik bei Wittgenstein, Davidson und Brandom, in: Bertram, George W./Liptow, Jasper (Hrsg.), HolismusHolismus in der Philosophie. Ein zentrales Motiv der Gegenwartsphilosophie, Weilerswist 2002, 94–113.

|105|Neuer RechtsempirismusRechtsempirismus

Friedemann Vogel und Ralph Christensen

Das Recht hat dauernd mit der Wirklichkeit zu tun. Das würde kein/e Jurist/in bestreiten. Aber das betrifft nicht den Kern der Jurisprudenz, ihr eigenes, den normativen Kern. Dieser ist in der SpracheSprache des Gesetzes gespeichert und von diesem sicheren Lehnstuhl aus kann man das Vorbeiziehen der Wirklichkeit ruhig betrachten. Dieser Lehnstuhl aber ist in die Jahre gekommen.

A. Gibt es eine empirische Wende der Jurisprudenz?

In der juristischen Forschung zeichnet sich seit einigen Jahren – ausgehend von der US-amerikanischen Rechtswissenschaft – eine Entwicklung ab, die pointiert als »empirische Wende« beschrieben wurde[413]. Empirische Methoden erobern ganz neue Forschungsfelder in der Rechtswissenschaft und Rechtsanwendung; sie dringen als »Empirical Legal Studies«, »New Legal Realism« oder allgemein als »Neuer rechtlicher Empirismus« bis in die Kernbereiche der Jurisprudenz vor[414]. Durch neuere Hand- und Lehrbücher[415] ist ihr Einfluss auf den anglo-amerikanischen Rechtsdiskurs sowohl dokumentiert, als auch künftig gesichert. Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich im deutschen Rechtsdiskurs. Nach dem Scheitern der frühen Rechtssoziologie plädieren namhafte Rechtswissenschaftler/innen inzwischen wieder für ein Verständnis der »Rechtswissenschaft als angewandte Sozialwissenschaft«[416] oder »Rechtswissenschaft als Realwissenschaft«[417], Weck- und Kampfrufe, die ihren produktiven Widerhall in neueren Monographien[418], Qualifikationsarbeiten[419] und Lehrbüchern[420] finden. Sie sind als Vorboten eines neuen juristischen Methodenverständnisses zu verstehen, das mit einer |106|Anleihe aus der medizinischen Forschung als »evidenz-basierte Jurisprudenz« bezeichnet werden kann[421]. Teil dieser neuen Evidenz-Basierung ist das schon immer präsente, aber kaum explizierte Bewusstsein, dass das wichtigste juristische Arbeitsmittel – die SpracheSprache – kein metaphysisches Abstraktum ist, sondern eine ganz reale Erscheinungsform der sozialen Interaktion. Dementsprechend kann sich auch die juristische Bedeutungsfindung nicht im hermeneutischen Elfenbeinturm vollziehen, sondern bedarf der Unterstützung und Reflexion durch interdisziplinär koordinierte empirische Untersuchungen[422] (Abschnitt C).

Welchen Stellenwert hat empirisches Wissen für die Rechtswissenschaft? Diese Frage wurde schon in den 70er Jahren gestellt, als die SozialwissenschaftenSozialwissenschaften vor den Toren der Jurisprudenz standen[423]. Der optimistische Vorschlag, »Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft« zu betreiben[424], wurde im Fach als Versuch zur feindlichen Übernahme gewertet: »Deutsche Juristen behandeln Rechtsprobleme, nicht gesellschaftliche Probleme«[425]. Das Fach hat seinen Identitätskern als Falllösungstechnik verteidigt: »Juristen ist es gelungen, einen Teil des sozialwissenschaftlichen Wissens in ihren sozialen Kontext zu integrieren, d.h. ihren Bedürfnissen, Interessen evtl. auch Machtinteressen anzupassen«[426]. Aber immerhin gibt es seitdem Pfade der SozialwissenschaftenSozialwissenschaften ins Recht[427].

Diese Pfade sind, wenn man die verschiedenen Säulen[428] des Rechts betrachtet, verschieden[429]: Das Strafrecht hat eine traditionelle Nähe zur Psychologie, das Zivilrecht zu den Wirtschaftswissenschaften[430] und das Öffentliche Recht zu den Sozial- oder Kulturwissenschaften. Die Sprachwissenschaften wurden bisher noch nicht thematisiert. Angesichts der Entwicklung der Sprachwissenschaften hin zu empirischen Überprüfungstechniken soll hier die Frage gestellt werden, ob durch ihre Integration der Identitätskern des Faches Rechtswissenschaft gefährdet würde.

|107|B. Die Ausblendung fremden Wissens

In der neueren Methodendiskussion werden in einem eigenen Abschnitt zur »Interdisziplinarität« Bezüge zu anderen Disziplinen dargestellt[431]. Geschichte, Wirtschaftswissenschaft, SozialwissenschaftenSozialwissenschaften und Naturwissenschaft finden einen eigenen Abschnitt. Es gibt auch einen Abschnitt über kulturwissenschaftliche Bezüge[432]. Aber eine Wissenschaft fehlt: die Sprachwissenschaft. Obwohl diese mit der Rechtslinguistik eine eigene Unterdisziplin für die juristischen Probleme ausgebildet hat, mit regen Publikationstätigkeiten und vielen Tagungen[433].

Wieso ist ausgerechnet die SpracheSprache ein blinder Fleck der juristischen Reflexion? Die Sprache wird von Juristen/innen mit Hilfe der Gesetzesbindung aus der Untersuchung ausgeklammert. Ein Text, der sich durchaus an vorderster Front der MethodikMethodik bewegt und Fragen stellt, auf die die Methodik nicht nur keine Antwort hat, sondern die sie noch gar nicht gestellt hat, zeigt diese Einschränkung exemplarisch: »Stellt man die strukturelle Offenheit von Sprache in Rechnung, ist Rechtsanwendung durch Auslegung sprachlich gefasster Normen nie nur Erkenntnisakt, sondern hat stets auch konstitutiven Charakter. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive ist die Rechtswissenschaft – auch Falllösungswissenschaft am Maßstab des Rechts – daher nie nur eine anwendungsbezogene Interpretationswissenschaft, sondern stets auch eine rechtssetzende Handlungs- und Entscheidungswissenschaft«[434]. Damit führt uns die sprachliche Reflexion genau zu dem Punkt, an dem die heutigen Probleme liegen. Jetzt wird aber die Sprache wieder aus dem Fokus genommen. Zunächst wird zugegeben, »dass die Rechtswissenschaft eine implizit bleibende eigene juristische Sprachtheorie pflegt, die Ergebnisse der sprachwissenschaftlichen Fachdiskussion zu einem guten Teil verleugnet«[435]. Nun könnte man daran denken, mit Hilfe der von der neueren Methodenlehre entwickelten Erweiterungen des juristischen Fokus diese implizite Sprachtheorie zu überwinden. Es geschieht aber das Gegenteil: »Offenbar darf die Rechtswissenschaft als Falllösungswissenschaft am Maßstab des Rechts die Grundannahme nicht in Frage stellen, dass eine solche Bindung über das Medium der Sprache möglich ist – genauso wie sie (unabhängig vom jeweiligen Stand des Determinismus-Indeterminismus-Streites) nicht in Frage stellen kann, dass Normadressaten durch normative Vorgaben überhaupt determiniert werden können. Ohne diese Grundannahme wäre Recht als normatives |108|Konzept weitgehend hinfällig«[436]. Damit ist das Problem der Sprache in den Bereich der Metaphysik abgeschoben und für die weitere Analyse nicht mehr zu berücksichtigen. Der ganze Vorgang der Exklusion vollzieht sich natürlich in einer Fußnote.

Dieser Ausschluss hat einen systematischen Grund: Juristen/innen betrachten die SpracheSprache als ihr Eigenes. Das erstaunt, weil doch immerhin viele Menschen sprechen können, wenn auch nicht ganz so gut wie die Juristen/innen. Warum also diese Selbstermächtigung?

Hier wird eine Gefahr abgewehrt. Juristen/innen sehen sich durch die Integration von Fremdwissen gefährdet: »Wenn Juristen dogmatisch arbeiten, dann bedienen sie sich der hermeneutischen Methode. Sie wollen den Sinn des Gesetzestextes verstehen«[437].

Begründet wird dies damit, dass bei Verwendung fremden Wissens die normativen Standards, soweit sie bindungsfähig sind, eingehalten werden müssen. Vor allem aber müssen die rechtsstaatlichen Standards eingehalten werden[438]. Das ist vollkommen richtig und zentral. Aber es zwingt die Jurisprudenz nicht, die Macht über die SpracheSprache zu übernehmen. Zugrunde gelegt ist dabei die Vorstellung, dass das Gesetz über die Anwendung seiner Sprache bindet. Wir gelangen hier zur Kernaufgabe der Jurisprudenz: den Übergang zur Entscheidung zu ermöglichen[439]. Die Rechtswissenschaft hat also die Aufgabe »den Übergang zwischen Text und Praxis zu bewerkstelligen, das ›law in the books‹ in soziale Praxis zu übersetzen oder umgekehrt«[440]. Die Lösung dieser Aufgabe würde ein Weiterdenken der »Juristischen MethodikMethodik«, wie sie der staatsrechtliche Positivismus entwickelt hat, verlangen[441]. Man müsste sich also lösen vom »gesetzessolipsistischen Ideal«[442] und die Rechtserzeugung in den Blick nehmen. Zu überwinden wäre also die Vorstellung, dass das Eigene der Jurisprudenz in der Definition gesetzlicher Begriffe liegt und deren logischer Verknüpfung.

Wenn die Sprachwissenschaft eine Sachdiskussion empirisch untersucht, findet sie Folgendes: Die zentralen Begriffe wie Verantwortung und Demokratie werden etwa in einer Diskussion über das Flüchtlingsproblem nicht einfach angewendet, sondern in Abgrenzung zur Position des Gegners allmählich |109|verändert[443]. So ist es auch in einem Rechtsstreit. Die meisten Begriffe können einfach routinemäßig angewendet werden. Man merkt das daran, dass im Verfahren kein Streit entsteht. Die zentralen oder streitigen Begriffe unterliegen dagegen einem Aushandlungsprozess. Die Semantik wird über Argumente und Gegenargumente erst hergestellt. Die Logik hat dabei eine begleitende Rolle als Bühne für die semantische Entwicklung[444]. Dass wir uns dabei auf Vorbildfälle beziehen, entspricht dem nicht nur im Recht, sondern auch generell dem im alltäglichen Sprachgebrauch vorhandenen Bedürfnis, eine Begriffsentwicklung in die Kontinuität der bisherigen Verwendung zu stellen. Dabei stützen die Folgerungen in derselben Weise die Prämissen, wie diese die Konklusionen stützen. Dieser wechselseitige Einfluss gibt der juristischen Argumentation eine retroreflexive Struktur. Die dabei vorausgesetzten Zusammenhänge sind für logische Schlüsse oder harte theoretische Aussagen nicht stabil genug. Durch ein Zusammenspiel von Argumenten erreicht man aber trotzdem eine gewisse Festigkeit, welche durch selbstbezügliche Argumentation die eigenen Voraussetzungen verstärkt. Die Beteiligten müssen ihre Thesen durch Aufbieten von Gründen und Ausräumen von Einwänden als gültig erweisen. Ihre Positionen werden vom jeweiligen Verfahrensgegner zerpflückt, der ihre Übergänge durch Einwände wieder auseinandernimmt. Jetzt muss der betreffende Verfahrensbeteiligte diese Einwände entkräften, indem er die Möglichkeit des Übergangs wieder neu zusammensetzt. Dieser Vorgang der Argumentation findet sozusagen auf der Bühne statt. Aber in den Kulissen wirken die logischen Strukturen. Alle sachlichen Repliken sind nicht durch eine Ausbildung in Logik oder Argumentationstheorie zu gewinnen. Dazu braucht man vielmehr eine juristische Ausbildung und ein außergewöhnliches Maß an Phantasie. Die logischen Strukturen bleiben demgegenüber in besonderer Weise stabil gegen die Inhaltsmodellierung des Argumentierens. Die Logik brauchen wir also wie Atemluft beim Reden als festen Dreh- und Angelpunkt für eine Theorie im Fluss. Entscheidend ist die semantische Ausarbeitung der Begriffe. Und genau dies taucht in der »Juristischen MethodikMethodik« nicht auf. Erst am Ende, wenn die Begriffe feststehen, kann man rechnen und den so genannten Syllogismus anwenden. Die alte »Juristische Methodik« hat den ganzen Prozess der Erzeugung der Semantik streitiger Begriffe unsichtbar gemacht. Diese Invisibilisierung ist noch nicht rückgängig gemacht.

|110|C. Ein Hubble-Teleskop für Juristen: Die KorpuslinguistikKorpuslinguistik

Mit der pragmatischen Wende in der Sprachwissenschaft, spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hat sich einerseits die theoretische Einsicht in die Kontextabhängigkeit sprachlicher Bedeutungsgenese durchgesetzt, andererseits und konsequenter Weise wurden neue Methoden der Sprachgebrauchsanalyse entwickelt und forciert. Neben neuen Ansätzen einer im weitesten Sinne empirischen sprachbezogenen Ethnographie hat sich auch die korpuslinguistische Sprachdatenanalyse entwickelt.

I. Computergestützte Sprachgebrauchsanalyse

Im angelsächsischen Raum sind korpuslinguistische Verfahren schon seit einigen Jahrzehnten fester Bestandteil des Methodenspektrums. Im deutschsprachigen Raum dagegen hat sie sich erst in den letzten 15 Jahren popularisiert und zahlreiche Forschungsfelder erreicht: Lexikographie (Wörterbucherstellung), Phraseologie (Analyse von Mehrworteinheiten), Grammatik, Sozio- und Varietätenlinguistik, Diskurs- und Imageanalyse, Fachkommunikationsforschung, sowie auch über die linguistischen Fachgrenzen hinaus in SoziologieSoziologie, Psychologie, Politikwissenschaft u.a. Doch auch wenn mittlerweile zahlreiche Handbücher und Einführungswerke vorliegen[445], bezeichnet man mit dem Ausdruck »KorpuslinguistikKorpuslinguistik« weniger eine geschlossene Theorie oder Disziplin, sondern verwendet ihn eher als Label für verschiedene, aber miteinander zusammenhängende Grundannahmen.

KorpuslinguistikKorpuslinguistik steht zunächst für ein Gegenstandsverständnis von SpracheSprache als empirisches Datum. Reflektiert wird dabei das Verhältnis von sprachlichem Untersuchungsobjekt (ein Ausschnitt an Regeln, nach denen sprachliche Kommunikation verläuft und funktioniert), verfügbarer Sprachdatengrundlage und linguistischer Theoriebildung (wie kann von einem Datenausschnitt auf Regeln des Sprachgebrauchs angemessen zurückgeschlossen werden). Korpuslinguisten/innen betonen dabei von Anfang an eine Theorie- und Hypothesenbildung, die auf »authentische« Sprachdaten, d.h. auf sprachliche Belege der sozialen, beobachtbaren Erfahrungswelt zurückgreift. Das damit zuweilen verbundene Pathos hat seinen historischen Ursprung in der Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Ansätzen wie der Generativen Grammatik (Noam Chomskys) oder der Formalen Logik, in der (oft erdachte) Sprachbeispiele auf Basis individueller Sprachintuition (introspektiv) analysiert und beurteilt werden[446]. Mit der Betonung empirischer Sprachanalyse einher geht in der Regel auch ein pragmatisches Sprachverständnis, das einzelne sprachliche Phänomene nicht isoliert, sondern |111|im – wiederum beobachtbaren – weiteren sprachlichen und nicht-sprachlichen Kontext eingebettet untersucht und seinen Niederschlag etwa in der Bezeichnung der »Korpuspragmatik« findet[447]. In diesem Zusammenhang wird auch das Verhältnis von akkumulierten Sprachdaten, lokaler Handlungsebene und globaler Diskursstrukturebene untersucht; man bemüht sich um Standardisierung von Korpora (Textsammlungen) und reflektiert die Folgen von Digitalisierung und Verdatung von sprachlicher Kommunikation für Forschung und Alltag[448].

Zur Auswertung von sprachlichen Massendaten entwickelt die KorpuslinguistikKorpuslinguistik sowie die ihr verwandte Computerlinguistik[449] computergestützte Methoden, Algorithmen sowie Anwendungssoftware für die sprach- oder kommunikationswissenschaftliche Praxis. Der Funktionsumfang umfasst mittlerweile ein großes Set an maschinellen Textverarbeitungsroutinen von der Sprachdatenerfassung über ihre Auszeichnung mit Zusatzinformationen (Annotation) bis hin zu Auswertungsverfahren. Die verschiedenen Auswertungsverfahren haben gemein, dass sie ausdrucksseitige Sprach(gebrauchs)muster unterschiedlicher Komplexität ermitteln, quantifizieren und der qualitativen Interpretation zugänglich machen. Zu den wichtigsten Algorithmen bzw. Textverarbeitungsroutinen zählen[450]:

 Suchalgorithmen zur effektiven Recherche in lokalen Datenbeständen, die Aufbereitung von Suchergebnissen in einer zeilenweisen Darstellung (Konkordanzen) sowie Möglichkeiten, die Ergebnisse nach Metadaten zu filtern oder alphabetisch zu sortieren.

 Für die Erstellung von Wort- und Mehrwort-Frequenzlisten werden sämtliche Texte in kleine, diskrete Einheiten (einzelne Wörter oder auch Kombinationen aus Wörtern: Zweiworteinheiten, Dreiworteinheiten usw.) zerteilt und diese Einheiten in Form einer Liste ausgezählt.

 Der Keyword-Algorithmus vergleicht zwei Korpora bzw. Wort- oder Mehrwort-Frequenzlisten mit Hilfe von statistischen Signifikanztests auf Unterschiede hin und filtert jene sprachlichen Einheiten heraus, die typisch (d.h. überzufällig häufig) in dem einen Korpus und zugleich untypisch für das andere Korpus sind.

 Kookkurrenzen sind Wörter, die in einem bestimmten Intervall (zum Beispiel fünf Wörter davor bis fünf Wörter danach) signifikant häufig mit einem anderen Wort gemeinsam in einem Korpus vorkommen. Das Kookkurrenzprofil eines Wortes kann insofern als sein Kontext- oder Verwendungsprofil betrachtet werden. Im Grunde erlaubt die dahinterstehende |112|Kookkurrenzanalyse auf diese Weise eine computertechnische Operationalisierung des Wittgensteinischen Paradigmas, die Bedeutung (oder Funktion) eines Wortes liege in seinem regelhaften Gebrauch in der SpracheSprache (lies: Gebrauch mit anderen Wörtern).

In der Praxis hat die korpuslinguistische Forschung zum Aufbau mittlerweile großer, für Forschungszwecke auch gut zugänglicher Textkorpora beigetragen. Während das (erste) Brown-Corpus in den 60er Jahren gerade einmal eine Millionen Wortformen enthielt, umfasst das Deutsche Referenzkorpus (DeReko) am Institut für Deutsche SpracheSprache in Mannheim (IDS) als weltweit größtes Korpus zur deutschen Sprache mittlerweile über 40 Milliarden Wortformen, die (mit Einschränkungen) über die hauseigene Analyseplattform Cosmas II über das Internet leicht verfügbar sind.

Im Kontext der SpracheSprache- und Recht-Forschung finden korpuslinguistische Verfahren Anwendung bei der Erforschung von Rechtstatsachen (Abschnitt II.), zur Optimierung der juristischen MethodikMethodik und Auslegungslehre (Abschnitt III.) sowie in der forensischen Linguistik[451].

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