Kitabı oku: «Optimierung des Menschen», sayfa 4
Michael Wunder
Ist der Mensch verbesserungswürdig?
Die alten und die neuen Träume der Genetiker
„Wird es in Zukunft als unmoralisch gelten, die Geburt von Kindern mit gravierenden genetischen Defekten zuzulassen und könnten diese Kinder später rechtlich gegen ihre Eltern vorgehen, weil diese nicht verhindert haben, dass ihre Kinder mit nur einer kleinen Chance auf ein Leben ohne körperliches und seelisches Leid auf die Welt kamen?“ (Watson 2000)
Diese Frage stellte James Watson im Jahre 2000 in einem Artikel mit dem Titel „Warum wir Gott nicht mehr die Zukunft des Menschen überlassen dürfen“. Die Möglichkeiten der Gendiagnostik und der Gentherapie verändern unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit, unseren Umgang damit und letztlich das Verständnis davon, was der Mensch ist, entscheidend. Sie stärken die Haltung, dass alles machbar ist und lähmen den kritischen Blick auf die Begrenztheit menschlichen Handelns und auf die sozialen und weiterreichenden Folgen einer ungezügelten Technikanwendung.
Der Diskurs zu dieser Thematik ist auf vielfältige Weise kompliziert – zunächst durch die Komplexität und Ambivalenz der Anwendungsmöglichkeiten. Unstrittiger medizinischer Fortschritt, die Möglichkeit maßgeschneiderter und damit wirksamerer medikamentöser Behandlung des einzelnen Patienten, die personalisierte Medizin, die durch den Fortschritt der genetischen Diagnostik erst ermöglicht wird, verführen dazu, dies allein schon für das unschlagbare Argument für ubiquitäre Anwendungen zu halten.
Bei aller Euphorie, mit der die personalisierte Medizin diskutiert wird, muss aber kritisch darauf verwiesen werden, dass damit auch die Vereinseitigung des Blicks auf die menschliche Gesundheit als somatische Frage verbunden ist. Die personalisierte Medizin sieht den Menschen gerade nicht als Person, als selbstbestimmungsfähiges Wesen, sondern als Zell- und Organverband und als Träger von Biomarkern. Psychomarker und Soziomarker werden vernachlässigt. Das Verständnis von Gesundheit und Krankheit droht wieder biologisiert zu werden. Kritiker müssen sich allerdings davor hüten, dies als Argument für eine komplette Ablehnung zu sehen, denn die Erfolge der personalisierten Medizin sind nicht zu leugnen.
Der aktuelle Diskurs zum genome editing durch Techniken wie CRISPR/Cas zeigt ein weiteres Problem – das Angebot immer neuer biotechnischer Lösungen, auch für letztendlich durch die Biotechnologie selbst ausgelöste oder zumindest verschärfte Probleme. So wurde in Deutschland gegen erheblichen Widerstand die Präimplantationsdiagnostik (PID) legalisiert, bei der Embryonen mit einem nicht unerwünschten Genom verworfen, also letztlich getötet werden. Jetzt werben Befürworter von CRISPR/Cas für die Erlaubnis, korrigierende Eingriffe beim Embryo in der Petrischale und damit Eingriffe in die Keimbahn zu machen, mit dem Argument, dies sei humaner als die Verwerfung – und die Gegner sehen sich genötigt, auf das Verbot der PID zu verweisen, die ausreichen würde, um einen Keimbahneingriff zu verhindern.
Die technische Realisierbarkeit von Keimbahneingriffen zur Verhinderung von Erbkrankheiten, aber auch solcher zur Optimierung menschlicher Eigenschaften scheint durch die Genschere CRISPR/Cas in greifbare Nähe gerückt. Solche Eingriffe in die Keimbahn zur Verhinderung von Erbkrankheiten seien Heileingriffe und keine Enhancement-Eingriffe (also Eingriffe zur Optimierung des Menschen), sagen die Befürworter. Aber wo sollen die Grenzen gezogen werden? Kann der Mensch wirklich zwischen genetischer Therapie und genetischer Verbesserung unterscheiden oder führt die Gleichsetzung des Keimbahneingriffs zur Verhinderung von Erbkrankheiten mit einem Heileingriff zur Verharmlosung und zur leichteren Durchsetzung der alten Vision der Optimierung des Menschen und der „Auto-Evolution“?
Ist die Eugenik ein Tabu?
Der Begriff Eugenik wird von Francis Galton, dem Vetter von Charles Darwin, 1883 erstmals mit seiner Schrift „Inquiries into Human Faculty and its Development“ eingeführt. Er definiert Eugenik als „the study of agencies under social control, that may improve or impair the racial qualities of future generations either physically or mentally”. Am Inhalt dieser Definition hat sich über 100 Jahre nichts geändert. Auch Daniel Kevles, der US-amerikanische Historiker und Wissenschaftsjournalist, definiert Eugenik als die „Gesamtheit der Ideen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Qualität der menschlichen Rasse durch die Manipulation des biologischen Erbguts zu verbessern“ (Kevles 1985).
Eugenik war stets mehr als die Anwendung biologischen Wissens auf das Erbgut oder seine Manipulation, Eugenik stand stets auch für die Vision, mit dieser Methode gesellschaftliche und soziale Ziele zu erreichen. Hauptakteure dabei waren immer wieder Wissenschaftler, insbesondere Mediziner. Deshalb ist es auch interessant, dass die Eugenik in der Debatte der deutschen Ärzteschaft durch die zwar lange beschwiegenen, aber durchaus bekannten Medizinverbrechen im Nationalsozialismus über Jahrzehnte vollständig tabuisiert wurde, und dieses Tabu auch für die Ablehnung gentechnischer Verfahren in der Medizin in Dienst genommen wurde. Dabei ist mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Nationalsozialismus und dem Nürnberger Ärzteprozess eine Auflösung dieses Tabus sowie eine Annäherung an eine Position, die die genetische Verbesserung des Menschen ethisch nicht mehr prinzipiell ausschließt, festzustellen.
Interessant ist, dass in der Geschichtsforschung eine fast gegenläufige Entwicklung zu beobachten ist: Das Isolationsparadigma, das die Einmaligkeit der NS-Eugenik betont, diese als Irrweg der ansonsten seriösen internationalen Eugenik-Bewegung sieht und damit einer vollständigen Tabuisierung der gentechnischen Veränderung des Menschen eher entgegensteht, wird zunehmend von einem Kontinuitätsparadigma abgelöst, mit dem eine kritische Bestandsaufnahme des Weiterlebens gedanklicher Grundlagen der Menschenzüchtung und -verbesserung verbunden ist. Einer Annäherung an den Einsatz von keimbahnverändernden Eingriffen steht dieses Paradigma eher entgegen.
Zu den Anfängen der Vision vom optimierten Menschen1
Schon Charles Darwin legt in seinem Werk „The Descent of Man“ 1871 die Grundlage für eine Unterscheidung zwischen einer positiven Selektion durch die Natur selbst und der Außerkraftsetzung dieser positiven Selektion und die Verbreitung der negativen Selektion durch die Kultur und Zivilisation. Charles Darwin ist aber, den Thesen Lamarcks folgend, noch der Ansicht, dass auch erworbene Fähigkeiten des Menschen vererbt und somit die negativen Selektionseffekte der Kultur und der Zivilisation wieder ausgeglichen werden können. Erst sein Vetter Francis Galton widerspricht dem und setzt dagegen, dass sich der Erbanlagenfaktor auf jeden Fall durchsetze. Mit eigenen Familienuntersuchungen und Zwillingsforschungen kommt er zu dem Schluss, dass sich die „Erbminderwertigen“ schneller, die „Erbhochwertigen“ dagegen langsamer vermehren würden. Damit ist der Grundstein für die Eugenik gelegt, und auch für ihr frühes Paradigma, dass die Gesellschaft durch Kultur und Zivilisation degenerieren würde, wenn nicht gegensteuernde eugenische Maßnahmen zur Verbesserung des menschlichen Erbguts unternommen würden. Auch wenn Galton als einer der Stichwortgeber für die nun folgende, sich internationalisierende Eugenik-Debatte gelten kann, sind seine eigenen Vorschläge zur eugenischen Programmatik vage und enden in Eheberatung, Ehebeschränkung für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung sowie der Absonderung von „Gewohnheitsverbrechern“.
Weiter geht Alfred Ploetz, der in seinen „Grundlinien einer Rassen-Hygiene“ 1895 eine Gesellschaft entwirft, in der das Existenzrecht des Einzelnen dem Maßstab seiner rassischen Erbwertigkeit unterworfen wird (Ploetz 1895). Nur „rassisch hochwertige“ Paare sollten eine staatliche Lizenz erhalten, sich zu vermehren, sogenannte Erbminderwertige sollten von der Fortpflanzung durch Sterilisation ausgeschlossen werden. Schwächliche Neugeborene sollten „ausgejätet“ werden. Dies alles, so Ploetz fast hellseherisch, bis die Genetik die Verlagerung der Selektion auf die Keimzellen ermöglichen würde.
Ab Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts kann man von einer internationalen Eugenik-Bewegung sprechen. 1896 erlässt der Bundesstaat Connecticut das erste Heiratsverbotsgesetz für Menschen mit Epilepsie, geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung. 1907 wird im Bundesstaat Indiana das erste Gesetz zur Zwangssterilisation aus eugenischen Gründen eingeführt, 1911 der erste Lehrstuhl für Eugenik in London besetzt.
1923 entwirft der britische Genetiker John Burdon Sanderson Haldane in seinem Buch „Daedalus or Science and the Future“ das Bild einer biologischen Revolution, in der die genetische Wissenschaft die Herrschaft über die Reproduktion des Menschen übernimmt und indem er visionär die In-vitro-Fertilisation und die Ektogenese, also die künstliche Gebärmutter, bereits vorhersagt. 1925 legte der spätere Nobelpreisträger Hermann Joseph Muller erstmals sein später immer wieder überarbeitetes Manifest „Out of the Night – a Biologist’s View of the Future“ vor, das eine gerechtere Gesellschaftsordnung durch den Einsatz wissenschaftlich gelenkter Reproduktion fordert.
Die deutschen rassenhygienisch argumentierenden Populationsgenetiker, wie Alfred Ploetz, Ernst Rüdin und andere, auf deren Arbeiten aufbauend die Nationalsozialisten 1933 beispielsweise das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und die nachfolgenden Nürnberger Rassegesetze erließen, waren bis Ende der dreißiger Jahre integraler Bestandteil dieser internationalen Debatte der Genetiker.
Eine Distanzierung der weltweit führenden Genetiker von der deutschen Rassenhygiene erfolgte erst im August 1939 kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen, anlässlich eines Treffens in Edinburgh, bei dem ein Manifest unter dem Titel „Social Biology and Population Improvement“ vorgelegt wurde. In diesem Manifest wird die Vision einer zukünftigen Weltgesellschaft gezeichnet, die Krieg, Hass und den Kampf um elementare Subsistenzmittel überwunden hat und sich deshalb ohne staatlichen Zwang, nur aufgrund von Einsicht und Freiwilligkeit einem biologischen Programm zur genetischen Verbesserung unterwirft, wobei betont wird, dass die Menschheit gegenwärtig dazu noch nicht bereit sei. Die nationalsozialistische Eugenik wird als Rückfall in die Unwissenschaftlichkeit zurückgewiesen.
Dieses Manifest kann heute als der Schlüssel für die Antwort gewertet werden, warum die Idee der Eugenik, den Menschen genetisch zu optimieren, so unangefochten überdauern konnte. Die darin enthaltene Gedankenfigur, die Eugenik der NS-Zeit als Rückfall in die Unwissenschaftlichkeit abzutun, ohne die Grundidee der genetischen Verbesserung des Menschen aufzugeben, wurde nach 1945 immer wieder bemüht.
Mit der von James D. Watson und Francis H. C. Crick erstmals 1953 beschriebenen molekularen Struktur der DNA und der damit begründeten Epoche der molekularen Genetik erhielten die sozialutopischen Visionen der Genetiker einen erneuten Aufschwung. 1962 diskutierten die führenden Humangenetiker auf dem sogenannten Ciba-Symposium in London, wie die Folgen von Bevölkerungsexplosion, Hungersnöten und der durch die atomare Strahlung noch verschärfte genetic load durch genetische Eingriffe abgewehrt werden könnte. Human betterment war das Stichwort, das Hermann Joseph Muller in die Runde warf. Er verstand darunter die kontrollierte Zeugung des Menschen durch Verwendung ausgesuchter Keimzellen. Der spätere Nobelpreisträger Joshua Lederberg bezeichnete diese Methode als „erbärmlich plumpe Methode der Tierzucht“ und forderte den mit der Molekulargenetik in Realisierungsnähe gerückten, direkten selektiven Eingriff in die Gensequenzen der Keimzellen. Lederberg leitete damit frühzeitig die Ablösung des Begriffs des human betterment durch den heute eingeführten Begriff des genetic enhancement engineering ein.
Die Vision lebt fort
Damit sind wir in der heutigen Debatte zum genome editing und dem Einsatz von CRISPR/Cas angekommen. Das Nadelöhr für sämtliche eugenetische Strategien ist dabei die Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin. John Campbell, US-amerikanischer Bioethiker unserer Tage, vertritt die Position, dass Eltern für ihre Kinder immer das jeweils beste genetische Schicksal bestimmen sollten – eine moderne Variante der positiven Eugenik. „Eltern wollen voraussichtlich ihr Kind immer mit den neuesten und besten Fähigkeiten und Verbesserungen ausstatten, die möglich sind, statt sich auf die Chromosomen zu verlassen, die dieser Person über Generationen mitgegeben wurden.“ (Stock 2000)
Aber auch die negative Eugenik hat in den aktuellen Diskussionen ihre Nachfolger. James Watson beantwortet seine oben zitierte Frage so, dass Erbkrankheiten im Leben vieler Menschen erschütternde Tragödien anrichten würden, und begründet damit, dass in den nächsten Jahrzehnten ein immer stärkerer Konsens darüber entstehen werde, dass Menschen zu Recht dem Leben erbgeschädigter Föten ein Ende setzen. Damit ist die Abfolge der Entwicklung der Vision von der Verbesserung des Menschen durch die Gentechnik sichtbar: von der Selektion der Erzeuger, wie beispielsweise in den Eheschließungs- und den Zwangssterilisationsgesetzen, über die Selektion der Keimzellen, wie sie im Konzept des human betterment noch gefordert wird, zur Selektion der befruchteten Eizellen und dann zum Eingriff in die Gensequenzen der Keimzellen, wie sie 1962 bereits von Joshua Lederberg angedacht wurde. Auch ist die Entwicklung von der Durchsetzung des Programms durch staatliche Verordnung zur individuellen Entscheidung deutlich. In der heutigen Debatte werden genetische Verbesserungen mit Glücksoptimierung und Chancenverbesserung für die Kinder gleichgesetzt und damit für den Einzelnen zustimmungsfähig. Die Individualität der jeweiligen Entscheidungen, also Entscheidungen auf der Basis der selbstbestimmten Subjekte einer Gesellschaft, können aber durchaus überindividuelle, kollektive gesellschaftliche Folgen haben, die denen der kollektiven Planungen früherer eugenischer Phasen nicht nur ähnlich, sondern vom Ergebnis her sogar überlegen sind. Dies zeigt sich beispielsweise in der Abnahme der Zahl der Neugeborenen mit Down-Syndrom infolge der hohen Rate von Schwangerschaftsabbrüchen nach Pränataldiagnostik heute schon.
Können wir aus der Geschichte lernen?
Anton Leist, der langjährige Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie in Zürich, bejaht diese Frage – natürlich könnten wir aus der Geschichte lernen.2 Die Medizin habe aber ihre Lektion gelernt. Heute würde die Selbstbestimmung der Patienten geachtet und es bestünden keine rassistischen Ressentiments mehr in der Medizin. Das Problem der Medizin sei heute ein anderes: „Die Medizin kann den Menschen mit Hilfe der Genetik und der modernen Neurologie verändern, bei zunehmender Ungewissheit, was den Menschen eigentlich ausmacht.“ Ob dies wirklich eine Frage ist, die unabhängig von der Geschichte zu beantworten ist, sei dahingestellt.
Eine ganz andere Antwort gibt Richard Schröder, emeritierter Philosoph und Theologe der Humboldt-Universität. Er sagt, das „einfache Lernen“ aus der Geschichte sei nicht möglich, eine einfache Wiederholung gebe es nicht. Wer sich zu sehr auf die vorige Geschichte konzentriere, bemerke die nächste Geschichte womöglich zu spät. Von ihm stammt im Hinblick auf die Aufarbeitung von Faschismus und DDR-Sozialismus auch der Gedanke, dass es nicht um Gleiches geht, sondern vielmehr um Ungleiches, um Unterschiedlichkeiten, die wir zwischen gestern und heute erfassen sollten, um Fragen zu stellen, um etwas zu verstehen, und um Schlussfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen. Schröder wirbt damit für eine Sorgfalt in der Beachtung der Geschichte – erst, wenn man die Geschichte genau kenne, könne man die Unterschiedlichkeit und damit auch die Gefahr der Wiederholung von Risiken erkennen. Nimmt man die derzeitige Entwicklung der neo-eugenischen Debatte in den Blick, fallen gleichermaßen Ungleichheit wie Gleichheit, besser Ähnlichkeit, mit den früheren Debatten und ihrem Verlauf auf.
Different zur früheren Entwicklung ist sicherlich die enorme Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung, der ethische Entscheidungen halb zustimmend, halb abbremsend, quasi hinterherhinken. Dabei erscheint die ethische Debatte oft hilflos, lediglich nachformulierend oder nachjustierend. Gute Beispiele hierzu sind der Verlauf der Debatte über den Embryonenschutz in Deutschland oder die Ausweitung pränataler und präimplantiver Diagnostik.
Eine Ähnlichkeit zur früheren Entwicklung besteht in einer zumindest insinuierten Teleologie der Entwicklung. War es früher die kulturpessimistisch eingefärbte Ansicht, dass die Menschheit nur durch eugenische Eingriffe vor Degeneration bewahrt werden und überleben könne, so ist es heute die Ansicht, dass der Mensch durch Optimierung noch mehr Glück erleben und mehr leisten und – auch diese Ansicht greift zunehmend Raum – gegen die neuen Umweltgefahren besser geschützt werden könnte.
Unausweichlich oder regulierbar?
Vor dem Hintergrund der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit und der zumindest so wahrgenommenen zielgerichteten Weiterentwicklung der Technologie stellt sich die Frage, ob es sich um jeweils unausweichliche Entwicklungen handelt, oder um Entwicklungen, die durch bestimmte öffentliche Aktivitäten – insbesondere gesetzgeberische Eingriffe – verändert werden können. Beide Positionen stehen sich in der US-amerikanischen Debatte gegenüber.
Gregory Stock hat sein wegweisendes Buch über die Zukunft der Biomedizin „Redesigning Humans. Our Inevitable Genetic Future“ (Stock 2002) genannt. Wie der Titel schon nahelegt, hält er die biotechnologische Entwicklung nicht nur für unaufhaltsam, sondern die Verbesserung und Optimierung der Menschen durch genetische Methoden für erstrebenswert. Wie andere Befürworter der Optimierung der Menschen durch genetische Methoden geht er davon aus, dass ein hoher Anteil der Menschen weltweit einem genetischen Eingriff in die Keimbahn zustimmen würde, sollte dies der Verbesserung der mentalen und psychischen Gesundheit ihres Kindes dienen. Den Anteil derer, die zur Verhinderung feststellbarer genetischer Schäden wie beispielsweise der Disposition zur Mukoviszidose oder anderer schwerer Erkrankungen durch eine genetische Keimbahntherapie zustimmen würden, schätzt er auf 62 bis 81% weltweit. Stock bezeichnet das Stadium, in dem wir derzeit Reproduktionsentscheidungen treffen, als das Stadium der germinal choice technology, der Wegwahl-/Auswahlentscheidungen. Dieses Stadium bezeichnet er als diffus und ungeplant, da damit Ungerechtigkeiten entstehen und für bestimmte Menschen die Möglichkeit der Weiterentwicklung verhindert würde. Anzustreben sei die Überwindung dieses Stadiums durch die Keimbahnintervention, in der weiterzugebende Merkmale in das Erbgut eingebracht, ungewollte Merkmale ausgelöscht würden. Dies sei das Stadium der inheritable genetic modification, das Stadium der Auto-Evolution des Menschen mit der Chance, die menschliche Gattung weiter zu entwickeln.
Interessant ist an dieser bereits am Anfang des neuen Jahrtausends veröffentlichten Position, dass sie die Hinzufügung gewünschter Merkmale und die Inaktivierung unerwünschter Merkmale durch Keimbahneingriffe gleichsetzt, somit also zwischen den heute diskutierten so genannten therapeutischen und den verbessernden Eingriffen in die Keimbahn keinen prinzipiellen Unterschied macht. Auffallend ist des Weiteren, dass die heutige Diskussion über CRISPR/Cas seine Argumentation der Ungerechtigkeit für Menschen, die auf Grund unerwünschter genetischer Merkmale gar nicht geboren würden, aufgreift. Ihre Befürworter betonen, dass damit die Wegwahlentscheidungen in Gestalt des Schwangerschaftsabbruchs nicht mehr nötig seien – Keimbahninterventionen zur Vermeidung der Weitergabe unerwünschter Merkmale würden diese überflüssig machen. Die Möglichkeit der Hinzufügung weiterer Merkmale, also der Enhancement-Eingriffe am Embryo, wird derzeit von den Befürwortern kaum in die Argumentation einbezogen, obwohl sie natürlich nach einer Legalisierung nicht nur möglich, sondern auch naheliegend wären. Stock reiht sich mit dieser Argumentation in die Reihe der früheren Vordenker der Humangenetik und Eugenik ein, auch wenn er diese Tradition für sich verneint und betont, als Bioethiker des enhancement weit von einer Ethik des „breeding“, also der Züchtung entfernt zu sein. Er geht aber, ebenso wie seine historischen Vorbilder, nicht nur von der Verbesserungsfähigkeit, sondern von der Verbesserungswürdigkeit des Menschen bezüglich seiner genetischen Ausstattung aus. Unausgesprochen setzt er damit auch die Determiniertheit des Menschen durch seine genetischen Eigenschaften voraus, und geht davon aus, dass genetische Eingriffe gezielt zur Verbesserung von Merkmalen wie Charakter und Leistung eingesetzt werden können. Die Distanzierung vom Begriff des „breeding“ ist somit reine Rhetorik.
Als einer der Vertreter der Gegenposition sei Francis Fukuyama genannt, ehemaliges Mitglied des Beraterstabes des amerikanischen Präsidenten. Er teilt die Ansicht Stocks, dass die wissenschaftliche Entwicklung und damit die Verfügbarkeit über genetische Zugriffsmethoden auf den Embryo in Zukunft unabwendbar sein werden. Anders als Stock fordert er aber die Regulierung der Anwendung des wissenschaftlichen Fortschritts durch Gesetze und glaubt nicht daran, dass wissenschaftliche Forschung in jedem Falle auch zur Anwendung kommen muss (Fukuyama 2002). Insofern vertritt er eine Position, die auch viele Bioethiker in Deutschland vertreten, die eine Regulierung wollen, die gewünschte von unerwünschten Anwendungen per Gesetz definieren und regulieren soll. Das von Fukuyama umrissene politische Programm zur Regulierung ist wenig befriedigend. Er fordert zwar das Verbot des reproduktiven Klonens, für alle anderen Interventionen in die Keimbahn aber eine ständige, nachgehende Diskussion der Öffentlichkeit und demokratische Entscheidungen durch das Parlament. Er betont die Unterscheidung zwischen sogenannten therapeutischen Interventionen, mit denen die Weitergabe von erblichen Erkrankungen und Belastungen gemeint ist (dies wäre das Beispiel der Inaktivierung des Mukoviszidose-Gens im Embryo) und reinen Enhancement-Interventionen, wie beispielsweise die Implementierung der Fähigkeit zur größeren Lustempfindung, zum Längenwachstum oder zu besonderen Begabungen. Fukuyama ist sich über die Schwierigkeiten einer Grenzziehung zwischen beiden Bereichen zwar durchaus bewusst, er vertraut aber auf den jeweiligen demokratischen Entscheidungsprozess und fordert, dass die Ver- und Gebotsregelungen jeweils demokratisch durch die entsprechenden Gremien entschieden werden.
Diese Position hat Francis Fukuyama in den USA eine erhebliche Kritik eingebracht, insbesondere aus dem konservativen Lager. Ihm wurde vorgeworfen, ein staatlich verordnetes Eugenikprogramm zu vertreten. Dagegen ließe sich einwenden, dass Fukuyama versucht, eine Entwicklung, von der er wie viele seiner Zeitgenossen annimmt, dass sie letztendlich nicht aufzuhalten sein wird, mit legalen Mitteln einzugrenzen und eine pragmatische, wenn auch flexible Form der jeweiligen Begrenzung durchzusetzen. Insofern kann man sein Konzept auch als den Versuch eines verantwortungsgestützten Umgehens mit den Fortschritten der Biotechnologie bezeichnen, mit der aber prinzipiell eingeräumt wird, dass Eingriffe in das menschliche Genom unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht werden können.