Kitabı oku: «Optimierung des Menschen», sayfa 5
Eine philosophisch begründete Antwort
Jenseits dieser beiden Positionen hat Jürgen Habermas eine grundsätzliche Gegenposition formuliert, die auch jenseits theologischer Einwände liegt und die den Titel trägt „Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?“ (Habermas 2001).
Habermas geht von einem modernen Freiheitsverständnis aus, zu dem er aber einräumend feststellt, dass es auf einer „bisher unthematisch hingenommenen Unverfügbarkeit eines kontingenten Befruchtungsvorgangs mit der Folge einer unvorhergesehenen Kombination von zwei verschiedenen Chromosomensätzen beruhe“. Diese Erkenntnis sei erst heute angesichts der Möglichkeiten der genetischen Medizin insgesamt klar zutage getreten. Er räumt damit ein, dass er sich als Mensch, aber auch die Philosophie als Wissenschaft insgesamt relativ spät um die neuen Erkenntnisse der Biologie gekümmert und diese in sein Denken integriert habe. Die Kontingenz, das zufällige Zusammentreffen einer bestimmten Eizelle und einer bestimmten Samenzelle sei aber, so Habermas weiter, die notwendige Voraussetzung für das Selbst-Sein können und die egalitäre Natur unserer interpersonalen Beziehungen. Die Nicht-Programmierung durch andere Menschen sei die Voraussetzung dafür, „dass wir einmalig sind, von allen unterschiedlich und darin gleich“. Die ungeteilte Autorenschaft unserer Lebensgeschichte müsse bei uns selbst liegen. Nur das wäre die Basis einer gleichberechtigten Teilhabe am Diskurs und einer Teilhabe an der Gesellschaft.
Zwei Grundgedanken an dieser Argumentation sind hervorzuheben: Die Argumentation von Habermas hat gewollt oder ungewollt eine individualpsychologische Basis. Diese besteht in der Annahme, dass eine pränatale Merkmalsveränderung ein Eingriff in die „naturalen Voraussetzungen für Autonomie und Verantwortlichkeit“ sei und die Mitautorenschaft des Designers den betroffenen Personen die Möglichkeit nehme, für ihr Leben retrospektiv die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Die Bestimmungsmacht der vorangegangenen Generation würde dann verhindern, dass sich die betroffene Person als uneingeschränkt ebenbürtig ansehen kann. Die betroffene Person könne ihre Genzusammensetzung als Folge einer Handlung, die sie den Akteuren auch vorwerfen kann, begreifen. Auch pränatale Eingriffe in die Keimbahn zur Verhinderung schwerer Erkrankungen verwirft er, da die dafür oft herangezogene erwartete Zustimmung der später Geborenen nur kontrafaktisch angenommen werden könne. Die rechtsphilosophische Basis dieser Argumentation hat den Ausgleich zwischen den vertikalen und horizontalen Rechtsbeziehungen im Blick. In der liberalen Tradition gebe es die Wahlfreiheit der individuellen Rechtsperson gegen staatliche Eingriffe. Hier stünde die Abwehr der Gefährdung der vertikalen Beziehung im Hintergrund. Die Freiheitserweiterung durch die humangenetischen Fortschritte, beispielweise in Form eines erweiterten Elternrechts und dem Recht auf die genetische Gestaltung der Kinder, würden aber die Elternbeziehungen zu ihren Kindern vollständig verändern. Aus dieser ursprünglich horizontalen Rechtsbeziehung würde eine vertikale werden, gegen die – ähnlich wie bei staatlichen Eingriffen – die objektive Rechtsordnung das subjektive Recht des Kindes gegen die Eltern verteidigen müsste. Aus dieser einseitigen Verlagerung von horizontalen in vertikale Rechtsbeziehungen schließt Habermas auf das Recht des Einzelnen auf den genetischen Zufall und somit auch auf die Unvollkommenheit als Basis der Freiheit und des subjektiven Rechts des Einzelnen.
Ob die Position von Habermas dem zunehmenden Trend der Legitimierung keimbahnverändernder Eingriffe nachhaltig etwas entgegensetzen kann, muss sich noch im Diskurs erweisen. Sie ist zwar die einzige Position, die sich wohltuend von Technikgläubigkeit, theologisch begründeter Fundamentalopposition und pragmatisch sich ständig anpassenden Regulierungsvorstellungen abhebt, auf der anderen Seite an bestimmten Stellen aber unklar oder zumindest offen bleibt. So geht Habermas nicht weiter auf die Frage der Forschungsfreiheit ein. Wenn diese aber weiterhin uneingeschränkt gilt – wovon gerade bei und mit Habermas auszugehen ist – dann läuft dies bei einer Ablehnung der merkmalsverändernden genetischen Keimbahneingriffe irgendwann auf weitreichende Anwendungsverbote hinaus, deren große Probleme der Abgrenzung und der Kontrolle er aber nicht weiter thematisiert.
Schlussfolgerungen
Jenseits einer deregulierenden, vorbehaltlos bejahenden Position zu den biotechnologischen Entwicklungen und einer fundamental oppositionellen Position eines Neins zu jeder Entwicklung lassen sich zwei Positionen kennzeichnen.
Position 1 – Gestaltungs- und Verantwortungsübernahme
Diese Position, wie sie beispielhaft von Fukuyama umrissen, aber auch von vielen Realpolitikern in Zukunft vertreten werden wird, differenziert zwischen gewollten therapeutischen und damit vernünftigen und mehrheitsfähigen, von der Bevölkerung gewünschten Eingriffen in die Keimbahn und verbessernden, jeweils den Zeitgeschmack oder der jeweiligen Mehrheitsmeinung nachgebenden Innovationen oder Verbesserungen des Menschen. Ernst zu nehmen ist diese Position deshalb, weil fundamentale Einwände gegen die Verhinderung einer genetisch bedingten Erkrankung dann an Boden verlieren werden, wenn die Treffsicherheit des Eingriffs erreicht und das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen minimiert wäre. Dass dies bisher noch nicht der Fall ist, wie die Diskussion der Off-Target-Effekte von CRISPR/Cas zeigt, kann nicht beruhigen. Die technologische Weiterentwicklung wird solche Risiken wahrscheinlich minimieren können. Einwände oder Grenzziehungen mit dem Argument der noch nicht ausreichend ausgereiften Technologie oder zu hohen Risiken können deshalb immer nur vorübergehende, aufschiebende Wirkung haben.
Die Position der Gestaltungs- und Verantwortungsübernahme birgt allerdings die Gefahr in sich, Ethik und Gesetzgebung laufend der biotechnologischen Entwicklung folgend nachzubessern und anzupassen. Die Grenzziehung zwischen therapeutischen und verbessernden Eingriffen kann, soweit alle bisherigen Diskussionen zeigen, nicht klar gezogen werden. Hinzukommen bei einer solchen häufig bremsenden, aber letztendlich gewährenden Rechtspraxis die sich zuspitzenden Fragen der Gleichheit und der Fairness. So wird die Gesetzgebung beantworten müssen, wie der Zugang zu diesen sich stets weiterentwickelnden Methoden für alle in gleicher Weise gesichert werden soll.
Position 2 – Das Prinzip der Menschenwürde schützt vor genetischen Entscheidungen Dritter
Die Menschenwürde umfasst das Recht auf So-Sein als Basis unserer Freiheit und damit das Recht auf den genetischen Zufall. Es gibt ein Grundrecht, nicht zu einem Zweck ausgesucht oder zusammengestellt worden zu sein. Zugrunde liegt dieser Position die Anerkennung der Diversität als Wesensmerkmal und Stärke des Menschen und als das, worauf menschliche Geschichte und menschliche Weiterentwicklung aufbaut. Diese Position birgt die Gefahr der unkontrollierten Anwendung des genetic enhancements beispielsweise durch ökonomisch privilegierte Schichten in reichen Ländern oder autoritäre, diktatorische Regierungen in sich. Gerade die offizielle Ächtung dieser Methodik könnte zur exklusiven Anwendung in bestimmten Ländern oder gesellschaftlichen Gruppen führen. Dennoch scheint diese auf Habermas fußende Position eine konsistente Begründung gegen nicht rückholbare Eingriffe in den menschlichen Genpool und für die Selbstbeschränkung medizinischen Handelns (nicht alles zu machen, was machbar ist), zu bieten. Dringend erforderlich für diese Position ist aber eine klare Trennung zwischen Erkenntnisgenerierung im Sinne einer nicht restriktiv handhabbaren Forschungsfreiheit der Wissenschaft und der instrumentellen Verwertung in der Genetik. Ob diese Trennung auf Dauer möglich sein wird, wenn der gesellschaftliche Trend zur Verbesserung des Genpools noch stärker wird, ist offen.
Literatur:
Fukuyama, Francis (2002): Our Posthuman Future. Consequences of the Biotechnology Revolution. London, New York: Farrar, Straus & Giroux. Deutsch: (2004 [2002]): Das Ende des Menschen (2. Aufl.). München: DTV.
Galton, Francis (1883): Inquiries into Human Faculty and its Development. London: Macmillan.
Habermas, Jürgen (2001): Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Kevles, Daniel (1985): In the Name of Eugenics: genetics und the use of human heredity. New York: Knopf.
Ploetz, Alfred (1895): Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen. Ein Versuch über Rassen-Hygiene und ihr Verhältnis zu den humanen Idealen, besonders zum Socialismus. Grundlinien einer Rassen-Hygiene Bd. 1. Berlin: Fischer.
Stock, Gregory/Campbell, John (2000): Engineering the Human Germline. An Exploration of the Science and Ethics of Altering the Genes We Pass to Our Children. Oxford, New York: Oxford University Press.
Stock, Gregory (2002): Redesigning Humans. Our Inevitable Genetic Future. Boston, New York: Houghton Mifflin Harcourt.
Watson, James (2000): Die Ethik des Genoms. Warum wir Gott nicht mehr die Zukunft des Menschen überlassen dürfen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.09.2000.
Weß, Ludger (Hg.) (1989): Die Träume der Genetik. Gentechnische Utopien von sozialem Fortschritt. Nördlingen: Greno.
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1 Die folgende historische Darstellung basiert auf: Weß, Ludger (Hg.) (1989): Die Träume der Genetik. Gentechnische Utopien von sozialem Fortschritt. Nördlingen: Greno.
2 Aus einer persönlichen Antwort von Anton Leist an den Autor in einem Brief vom 4.12.2010.
Benjamin Gregg
Vom Nutzen und Nachteil der Biotechnik:
Zur normativen Einschätzung der Humangenmanipulation
Wie könnte eine politische Gemeinschaft, ausgehend von einem auf Prinzipien beruhenden Standpunkt, die Humangenmanipulation (HGM) evaluieren und möglicherweise regulieren? Wenn überhaupt werden nur wenige Prinzipien universell akzeptiert – es gibt kein einziges moralisches Weltbild, das global angenommen wird. Diese Frage befasst sich mit dem, was die Naturwissenschaft nicht bieten kann: Hilfe in Bezug darauf, wie Menschen sich prinzipiengemäß verhalten sollten. Zum moralischen Status der Menschen hat die Naturwissenschaft nichts zu sagen. Die Frage nach HGM lässt sich nur anhand einer sozialen Konstruktion von Leitnormen und einer entsprechenden Vorstellung der menschlichen Natur beantworten.
Aber jede soziale Konstruktion gibt eine Perspektive wieder und ist in Bezug auf Moral relativistisch. Das Beste, was wir tun können – und hier müssen wir uns leider mit einem unbefriedigenden Status begnügen – ist, an die innerhalb einer politischen Gemeinschaft geteilten Normen zu appellieren. Somit befinde ich mich bei der Behandlung der gestellten Frage nicht auf der Ebene von Wahrheit oder universaler Geltung, sondern auf der bescheideneren Ebene ihrer inneren Kohärenz für eine bestimmte politische Gemeinschaft. Die gestellte Frage lässt sich nicht unabhängig von der politischen Gemeinschaft, in der HGM praktiziert würde, beantworten.1 Hier befasse ich mich ausschließlich mit der liberalen säkularen Demokratie. Andere Formen politischer Gemeinschaften würden auf die gleiche Frage andere Antworten finden.
Um aus der aktuellen normativen Sackgasse herauszukommen, in der sich Forschung wie auch öffentliche Politik hinsichtlich der gesellschaftlichen Implikationen möglicher Humangenmanipulation (HGM) gegenwärtig befinden, entwickle ich im Folgenden vier Thesen:
(1) Unter Umständen kann die HGM zur gesellschaftlichen Gleichheit in einer politischen Gemeinschaft beitragen, indem sie die Verteilungsgerechtigkeit vorantreibt.
(2) Die HGM soll nur dort zur Anwendung kommen, wo konventionelle Methoden einer Gerechtigkeitspolitik unzureichend sind.
(3) Ich begründe diesen Vorschlag mit der Vorstellung einer bestimmten gesellschaftlichen Gestaltung der menschlichen Natur, nämlich einer, die von einem Gefühl der Gerechtigkeit und einer Fähigkeit zum Guten geleitet ist.
(4) Diese gesellschaftliche Gestaltung der menschlichen Natur ist nur unter Wahrung der individuellen Freiheit akzeptabel.
1. Der Einsatz der HGM zur Förderung der Gleichheit durch Verteilungsgerechtigkeit
Alle politischen Gemeinschaften sind durch verschiedene Arten von Ungleichheit gekennzeichnet, und zwar nicht nur in der sozialen Verteilung von Reichtum und Chancen, sondern auch bezüglich der natürlichen Ausstattung von Individuen. Letztere kann „das wirtschaftliche Wohlergehen, die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden der Individuen tiefgreifend beeinflussen“ (Resnik 1997: 427).2 Ein Prinzip der liberalen demokratischen Gemeinschaft ist ein gewisses Maß an Gleichheit im Sinne von Verteilungsgerechtigkeit. Durch die Gestaltung sozialer Institutionen kann die Gemeinschaft die Gerechtigkeit befördern. Gerechtigkeit könnte aber auch durch verschiedene Formen der menschlichen Gentechnik herbeigeführt werden. Durch die Schaffung von Bedingungen der „Chancengleichheit“ könnte sie versuchen, „die natürlichen Unterschiede an Talenten und Fähigkeiten“ zu kompensieren (Resnik 1997: 427).
Nehmen wir an, ein zentrales Ziel einer liberalen demokratischen Gemeinschaft sei die Gerechtigkeit. Bei dieser Annahme arbeite ich mit dem einflussreichen Begriff der Verteilungsgerechtigkeit. John Rawls zufolge erfordert die gerechte Verteilung von sozialen Gütern eine Vorstellung von dem, was „sich jede mit Vernunft ausgestattete Person wünscht“ (Resnik 1997: 429, Fn. 18). Einige dieser primären Güter sind sozialer Natur, wie etwa „Rechte und Freiheiten, Mächte und Möglichkeiten, Einkommen und Vermögen sowie die gesellschaftliche Basis der Selbstachtung”. Andere Güter sind natürlicher Art, zum Beispiel „Gesundheit und Vitalität, Intelligenz und Phantasie“ (Resnik 1997: 429). Rawls formuliert zwei Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit. Erstens: „Jede Person hat das gleiche Recht auf die weitestgehende Grundfreiheit, die mit einer ähnlichen Freiheit für andere vereinbar ist“ (Resnik 1997: 429, Fn. 20). Das heißt, eine gerechte Chancengleichheit erfordert eine Gleichheit von Freiheiten, also Freiheit von ungerechtfertigten, gesellschaftlich auferlegten Zwängen (Resnik 1997: 429, Fn. 21). Sein zweiter Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit lautet: „Soziale und ökonomische Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass man vernünftigerweise erwarten darf, dass beide für jede Person von Vorteil sind,” und dass sie an „Positionen und Ämter, die für alle offen sind, gebunden sind“ (Resnik 1997: 429, Fn. 20). Mit anderen Worten: Eine ungleiche Verteilung von Primärgütern ist solange gerechtfertigt, „wie Ungleichheiten denjenigen Mitgliedern der Gemeinschaft zu Gute kommen, die am schlechtesten situiert sind”, und solange sie an „Positionen und Ämter gebunden sind, die für alle offenstehen“ (Resnik 1997: 430).
Eine gerechte Verteilung würde auch einen gleichberechtigten Zugang zu Biotechnologien bedeuten, einen Zugang, der nicht durch sozioökonomische Klasse, Geschlecht oder ethnische Herkunft untergraben wird. Eine solche Verteilung würde bedeuten, „solche Interventionen den Benachteiligten in einer Weise zur Verfügung zu stellen, die die soziale Ungleichheit verringert und nicht verschärft“ (Panofsky 2015: 44). Und sie würde auch bedeuten, die Freiheit der individuellen Entscheidung mit sozialen Bedenken über mögliche Risiken einiger Entscheidungen auszugleichen, also die Frage zu beantworten: „Wie viel Freiheit sollte für Sicherheit und Gesundheit geopfert werden?” (Clark 1993: 235) HGM ist demnach umso gerechter, je größer die Gleichheit hinsichtlich des Zugangs zu ihr innerhalb der Bevölkerung ist. Sie ist ungerecht, wenn sie neue gesellschaftliche Spaltungen erzeugt oder bestehende soziale Ungleichheiten verschärft. Positionsgüter bieten ein Beispiel an: Ihr Wert für diejenigen, die sie besitzen, hängt von anderen ab, die sie nicht besitzen. Ein ganz anderes Beispiel betrifft die „Kluft zwischen kognitiv begabten und kognitiv benachteiligten“ Menschen.3
Die Regulierung der HGM sollte der HGM umso förderlicher gesonnen sein, je mehr die Sozialpolitik (und der Markt) in Richtung eines „universellen Zugangs zu Interventionen, die die kognitiven Leistungen verbessern”, geht — in Analogie zum universellen Zugang zu „öffentlichen Bibliotheken und einer grundlegenden Bildung”.
2. Formierung der Menschen durch konventionelle Methoden
Wie kann die HGM mit einer gerechten politischen Gemeinschaft nach Rawls im oben ausgeführten Sinne kompatibel sein.
(a) Versucht die HGM, Probleme zu lösen, die schon mit gesellschaftlichen Mitteln gelöst werden können (also frei von jenen Problemen, die mit der HGM verknüpft sind)? Wenn dem so ist, wäre es dann nicht „besser, Menschen mit genetischen Benachteiligungen mehr Bildung oder Ausbildung zukommen zu lassen, um ihnen gerechte Chancengleichheit und Gleichheit der Freiheit zu vermitteln? Oder vielleicht könnten wir sogar unsere Institutionen umgestalten, um es den genetisch Benachteiligten zu ermöglichen, jedes soziale Amt oder jede Position zu bekleiden (auf theoretischer Ebene)” (Resnik 1997: 442). Das Argument für die Anwendung von HGM ist am stärksten, wenn konventionelle soziale Alternativen zumindest in einigen wichtigen Fällen deutlich weniger leisten können als die HGM. Das Argument für die HGM ist auch stärker, wenn wir argumentieren können, dass soziale Institutionen nicht leisten können, was eine „sichere, effektive und kostengünstige“ HGM leisten könnte. Durch die HGM werden biologische Ressourcen zu gesellschaftlichen Ressourcen. Hier geht es um die genetischen Grundlagen von Gesundheit und Fähigkeiten, die die Chancen und die Lebensperspektiven künftiger Generationen erheblich beeinträchtigen könnten (Resnik 1997: 427). Und das Argument für HGM ist stark, wenn es Fälle gibt, in denen „kein Ausmaß an Bildung oder Ausbildung“ Ungleichheiten in der genetischen Ausstattung wettmachen könnte (Resnik 1997: 442), wo „keine soziale Intervention oder Wiedergutmachung Chancengleichheit sicherstellen könnte, sobald die Gemeinschaft große Ungleichheiten in der genetischen Ausstattung zulässt“ (Resnik 1997: 428).
Denken wir zum Beispiel an genetisch ‚behinderte‘ Personen wie diejenigen mit Down-Syndrom. Das Argument für HGM ist stark, wenn die „genetisch Benachteiligten für viele gesellschaftliche Ämter und Positionen“ nicht ‚qualifiziert‘ sind, und es unfair wäre, „die Qualifikationen für verschiedene Ämter und Positionen zu ändern, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, Ämter und Positionen zu bekleiden, wofür sie sonst unfähig oder unqualifiziert sind“ (Resnik 1997: 442). Dieses Argument unterstützt Therapie, im Unterschied zur genetischen Verbesserung oder Enhancement. Mit genetischer Therapie meine ich die Behandlung von medizinisch indizierten Zuständen in Bezug auf eine Diagnose von Krankheit oder Behinderung und besonders in Bezug auf Bedingungen, die weithin als eine ernsthafte Bedrohung für das Leben oder die Lebensqualität angesehen werden. Einige Krankheiten, wie Parkinson oder Alzheimer, sind weithin als Geißel anerkannt. Schon diese Einschätzung allein spricht für eine Regelung, die eine entsprechend gezielte Gentherapie erlauben würde. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die pränatale genetische Veränderung die Anfälligkeit für Krankheiten verringert, angeborene Behinderungen beseitigt oder eine allzu kurze Lebensdauer verlängert.
Das genetische Enhancement ist der Vollzug von kulturellen Präferenzen jenseits von allen Bedenken hinsichtlich Gesundheit oder Normalität. Julian Savulescu bietet eine bestimmte Vision der Verbesserung in diesem Sinne: „Im Prinzip könnten Menschen biologisch modifiziert werden, um wesentlich größere kognitive Kräfte zu haben”, „das Belohnungszentrum im Gehirn verändern um faule Affen in Workaholics zu verwandeln”, oder „ein Gen aus der monogamen männlichen Präriewühlmaus – ein Nagetier, das mit einer Partnerin eine lebenslange Bindung eingeht – in das Gehirn der eng verwandten aber polygamen Wiesenwühlmaus einführen”. Damit würden genetisch veränderte Wiesenwühlmäuse monogam und sich wie Präriewühlmäuse verhalten (Savulescu 2009: 213). Aber bezieht sich die genetische Therapie auf die Behandlung einer Krankheit oder Behinderung, während sich genetisches Enhancement auf Personen bezieht, die nicht krank oder behindert sind, dann ist die Verabreichung eines Wachstumshormons an jemanden mit einem genetischen Mangel eine Therapie, für jemanden ohne einen solchen Mangel aber ein Enhancement. Wie Peter Singer anmerkt, gibt es „keine klare Linie zwischen Selektion gegen Behinderungen und Selektion für positive Eigenschaften. Von einer Selektion gegen die Huntington-Krankheit ist es kein großer Schritt zur Selektion jener Gene, die ein signifikant erhöhtes Risiko für Brust- oder Dickdarmkrebs tragen, und von hier aus ist es ein kleiner Schritt, um dem eigenen Kind ein besseres als bloß ein durchschnittliches genetisches Gesundheitsprofil zu ermöglichen“. (Singer 2009: 278).
Gehen wir davon aus, dass die meisten, wenn nicht alle Formen der Gentechnik sich zunächst als Therapieformen im Zusammenhang mit der Verhinderung von Gesundheitsproblemen oder der Behandlung bereits vorhandener Probleme entwickeln, so würde eine entsprechende Norm die Anwendung von moralisch oder rechtlich inakzeptablen Formen des genetischen Enhancements verhindern – inakzeptabel, weil gefährlich, ungerecht oder sonst wie schädlich (Mehlman 1999). Moralisch oder rechtlich nicht akzeptable Formen des genetischen Enhancements müssen eine Vielzahl von Kriterien aus einer Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Ein Kriterium ist die Verteilungsgerechtigkeit, wo immer Enhancements die Empfänger mit vertretbaren Vorteilen gegenüber nicht-enhancten Personen ausstatten. Aber manche Enhancements könnten auch nicht vertretbare Vorteile darstellen, allerdings nicht für alle Personen unter allen Umständen. Vielleicht bevorteilen sie eine dem Enhancement unterzogene Person in mancher Hinsicht, aber benachteiligen sie zur gleichen Zeit in anderer Hinsicht. Ein verbessertes Gedächtnis zum Beispiel könnte Leiden verursachen, eine längere Lebensdauer längere Gebrechlichkeit erzeugen, größerer Altruismus das eigene Überleben in der Gesellschaft gefährden etc. (Shickle 2000). Unterscheidbare Verwendungen könnten also unterschiedliche ethische Antworten rechtfertigen. Und weiter: Die Unterscheidung zwischen genetischer Therapie und genetischer Verbesserung könnte eventuell ein Entscheidungskriterium dafür sein, ob ein bestimmtes Verfahren zugelassen werden sollte, und wenn ja, unter welchen Umständen, unter welchen Bedingungen. Zum Beispiel könnten Ärzte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe möglicherweise verpflichtet werden, Therapie aber nicht Enhancement anzubieten (Miller et. al. 2000). Gesundheitsvorsorgende Organisationen und soziale Krankenkassensysteme könnten eventuell verpflichtet werden, für Therapie aber nicht für Enhancement zu bezahlen (Daniels/Sabin 1994). Forschung könnte ihre Priorität auf Therapie statt auf Enhancement legen (Mehlman et. al. 2011). Entsprechend könnte ein Patient ein Recht auf Gentherapie, aber nicht auf eine genetische Verbesserung haben.
(b) Sollte man angesichts der Risiken von unvorhergesehenen Folgen und anderen Problemen darauf verzichten, die Lotterie der Natur zu manipulieren? Einerseits bringt jede Technologie Risiken mit sich – umso wirkungsvoller die Technologie, desto größer die Risiken. Andererseits ist das Versprechen, Chancengleichheit durch HGM herzustellen (vor allem eine Gleichheit, die konventionelle Methoden nicht oder weniger effizient ermöglichen als die HGM) selbst ein Grund zur Anwendung der HGM. Eine Ablehnung von HGM wäre zu vergleichen mit einer Absage an „andere medizinische Technologien wie neue chirurgische Verfahren, Medikamente, medizinische Prüfgeräte, die Schäden an Menschen verhindern könnten, oder Menschen enorm helfen könnten“ (Resnik 1997: 443). Darüber hinaus werden manche Eltern stark motiviert, mit welchen Mitteln auch immer, Gentechnik zum Vorteil ihrer Kinder zu implementieren; genauso werden mächtige wirtschaftliche Interessen motiviert, die kommerziellen Gewinne von HGM zu erzielen.4
In beiden Fällen wäre aber eine Regulierung realistischer und effektiver als ein Verbot. Natürlich könnte man einwenden: „Wenn wir die Menschen nicht davon abhalten können, genverändernde Technologien zu nutzen, warum sollten wir überhaupt versuchen, die HGM zu kontrollieren? Ist dies nicht alles unnütz?” (Resnik 1997: 443) Aber hier gilt: „Auch wenn ein Verbot von Alkohol nicht funktioniert, so hat der völlig unregulierte Alkoholkonsum auch seine eigenen Nachteile. Am besten lässt man den Alkoholkonsum zu, aber reguliert und kontrolliert ihn. Die gleiche Politik könnte auch für HGM gelten“. (Resnik 1997: 443) Diese Politik lehnt einen „genetischen Markt“ von rechtlich unregulierten Enhancements ab (Engelhardt 1990). Enhancements dieser Art würden die bestehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheiten noch verschärfen und möglicherweise zu einem „genetischen Wettrüsten“ führen (vorausgesetzt, die Enhancements führen zu Positionsvorteilen gegenüber den nicht-enhancten und den weniger-enhancten Personen). Diese Politik würde Verbesserungen ermöglichen, die äußerst schädlich für die verbesserte Person oder für deren Umwelt sein können. Sie bevorzugt den einzelnen Verbraucher auf Kosten von Interessen der Gemeinschaft (Bostrom 2003, Kitcher 1997).
(c) Greift die Regulierung der HGM zwangsläufig und in unberechtigter Weise in die Privatsphäre von Individuen ein? Betrachtet man beispielsweise die Rechte von Individuen in Hinblick auf Fortpflanzung und die Bildung ihrer Nachkommen, könnten diese Rechte dann bis hin zur genetischen Manipulation ihrer Embryonen reichen – weil die Eltern ja bereits jetzt schon das Recht haben, ihre Kinder in konventioneller Weise (Bildung, religiöser Glaube ...) zu formen? Abgesehen von der Überzeugung, dass man überhaupt jede Regierungseinmischung ausschließen möchte, lassen sich Ausmaß und Grad der Beteiligung variieren. Der Staat könnte lediglich jenen spezifischen Einsatz von HGM verhindern, der ein genetisches Kastensystem erzeugen würde. Nur der Staat könnte privaten Interessen adäquat entgegenwirken, seien es nun kommerzielle Interessen oder jene von Eltern, und keiner sollte eine uneingeschränkte freie Wahl haben, weil beide im Gegensatz zu einem gerechten Staat wahrscheinlich selbstbezogen und höchstens unzureichend auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind. Alle Freiheiten müssen mit dem Wohlergehen anderer Mitglieder der Gemeinschaft ins Verhältnis gesetzt werden. „Auch wenn HGM nicht direkt schadet, entstehen durch die HGM unbeabsichtigte Aggregateffekte“ (Resnik 1997: 444). Ein in diesem Sinne gerechter Staat ist allerdings nicht immer gegeben. So hätten die „großen Ungerechtigkeiten, die im Namen der Eugenik gefährdeten Menschen angetan wurden – Einweisung in Anstalten, sexuelle Segregation, Sterilisation, und, in Deutschland, Massenmord – [...] nicht ohne die Zuständigkeit des Staates geschehen können. In England, wo die Rolle des Staates minimal war, mochte die Eugenik zwar offensiv sein, aber sie verletzte die Individualrechte nicht.“ (Wikler 1999: 189) „Dennoch würden viele die Behauptung ablehnen, dass der Staat der Hauptfeind sei. Kritiker der gegenwärtigen Praxis in der klinischen Genetik behaupten, dass Berater und Ärzte häufig, ja sogar routinemäßig, über einige Klienten bestimmen und dass dieser subtile Zwang ohne die ausdrückliche Unterstützung des Staates andauert.“ (Wikler 1999: 189) „Durch die kumulative Wirkung zahlreicher privater Entscheidungen seitens der Arbeitgeber, der Versicherer und der künftigen Eltern“ kann auch Schaden an den „genetisch Benachteiligten“ angerichtet werden (Wikler 1999: 189).
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