Kitabı oku: «Scheidung - Wiederheirat - von der Kirche verstoßen?», sayfa 2

Yazı tipi:

Warnung vor einem vertikalen Schisma

Walter Kardinal Kasper hat in seinem Buch „Katholische Kirche: Wesen – Wirklichkeit – Sendung“ diese Probleme noch einmal aufgegriffen. Seiner Meinung nach ist eine Pastoral dann von pastoraler Klugheit bestimmt, wenn sie der Logik und der Tugend der Klugheit entsprechend ein allgemein gültiges Gesetz nach den Regeln der praktischen Vernunft person- und situationsgerecht auf konkrete Situationen anwendet. Das ist dann keine Situationsethik, welche die Situation zum Schlüssel der Wahrheitserkenntnis macht, sondern eine seelsorgerliche Haltung, welche angesichts der objektiven Komplexität zu einer gewissenhaften Abwägung kommt. Er verweist darauf, dass dieses Konzept von pastoraler Klugheit im Hintergrund des zusammen mit dem damaligen Erzbischof Oskar Saier und dem damaligen Bischof und jetzigen Kardinal Lehmann im Jahr 1993 unternommenen Vorstoßes zur Pastoral der wiederverheirateten Geschiedenen gewesen sei. Dabei sei die Unauflöslichkeit der Ehe nicht in Frage gestellt worden, ganz im Gegenteil. Auch sollte keine generelle Lösung erzielt werden, sondern die Unterschiedlichkeit und Komplexität einzelner Situationen ernst genommen werden, welche eine Abwägung angemessen erscheinen lassen. Kardinal Kasper fährt fort: „Wenn statt solcher pastoraler Klugheit ein rein pragmatisches Verhalten oder umgekehrt ein wirklichkeitsfernes, letztlich gnadenloses und liebloses Prinzipiendenken vorherrscht, dann kann es zu einem vertikalen Schisma kommen, zwischen Prinzipien, welche oben festgehalten und eingeschärft werden, und der Praxis unten, die oft wild und ungeordnet ihre eigenen Wege geht. Wer die gegenwärtige Situation der Kirche realistisch betrachtet, kann die Gefahr einer solchen Entwicklung nicht übersehen; sie ist in vielen Bereichen der Moral und der Pastoral inzwischen Wirklichkeit geworden.“12

Neuer Lösungsvorschlag: Die Beiträge dieses Buches

Um dem von Kardinal Kasper angedeuteten vertikalen Schisma zu entgehen, aber auch der Situation der Betroffenen gerecht zu werden, muss sich die Praxis der Kirche gegenüber den wiederverheirateten Geschiedenen ändern. Die Vorschläge dazu sind in diesem Buch entfaltet. Die Beiträge reichen von den bitteren und bewegenden Erfahrungen von Betroffenen über die Praxis von Seelsorgern und die Einschätzung einer Psychotherapeutin bis hin zu den aktuellen Reflexionen aus verschiedenen theologischen Disziplinen.

Die Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin Roswitha Dockendorff geht aus der Perspektive ihrer Disziplin dem Phänomen des Scheiterns auf den Grund. Denn als solches wird das Ende einer Ehe von vielen erlebt. Scheitern ist endgültiger als bloßes Misslingen. Es gleicht sprichwörtlich einem Schiffbruch: Das Schiff selbst zerschellt, die Betroffenen geraten in existenzielle Bedrängnis, müssen sich meist völlig vom ursprünglichen Weg und Ziel entfernen – machen aber auch bedeutsame persönliche Erfahrungen. Diese Erfahrungen, so Dockendorff, können sich destruktiv oder konstruktiv für das weitere Leben auswirken – Letzteres insbesondere dann, wenn es gelingt, sich der eigenen Zerrissenheit zu stellen, umzudenken und „umzufühlen“ (Verena Kast). Die kirchliche Praxis nehme jedoch die emotionalen Prägungen und seelischen Verwundungen der Partner – und damit einen großen Teil der innerseelischen Realitäten, die zum Scheitern einer Ehe beitragen können – gar nicht wahr. So komme zum persönlichen Scheitern in einer Ehe noch der Schmerz hinzu, sich von der eigenen Kirche im Stich gelassen zu fühlen und vom Empfang der anderen Sakramente ausgeschlossen zu werden. Auch könne die religiöse Gesinnung und Praxis den Betroffenen häufig nicht helfen, die auf einer anderen, nämlich der unbewussten Ebene liegenden psychischen Prägungen und die daraus erwachsenden Konflikte zu bearbeiten. Erst in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Scheitern verberge sich eine Chance, zu mehr Sensibilität für sich und andere zu finden und in der eigenen Persönlichkeit zu reifen. Nicht zuletzt liege in diesem Reifungsprozess zu größerer Lebensfülle auch die Möglichkeit, näher zu Gott zu finden.

Der Münchner Neutestamentler Gerd Häfner fragt nach der ursprünglichen Fassung des Jesuswortes von Ehescheidung und Wiederheirat, das er in Mt 5,32 am ehesten bewahrt sieht. In seiner exegetischen Analyse arbeitet er heraus, dass Jesus in der Tradition der Evangelisten zwar die Ehescheidung verwirft, mit dem überlieferten Satz allerdings keine Regelung formuliert, die die Gemeinschaft seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger in allen denkbaren Fällen rechtlich verpflichten wolle. Es wird vielmehr klar, welche Bedeutung Jesu Worten zur Ehescheidung im Kontext seiner Reich-Gottes-Botschaft zukommt. So kann die Ehe – analog zum Sabbat – als eine vom Schöpfer gestiftete Einrichtung zum Wohl des Menschen verstanden werden. In diesem theologischen Horizont wird es schließlich möglich, in der Pastoral mit wiederverheirateten Geschiedenen Wege zu suchen, die der ganzen Vielfalt des Lebens auch heute gerecht werden können. Das Scheidungsverbot Jesu sollte also menschenfreundlich interpretiert werden. Man soll es nicht aushöhlen, wie es etwa die Kirche mit dem jesuanischen Eidverbot handhabt.

Der Dortmunder Dogmatiker Thomas Ruster arbeitet in seiner rechts- und dogmengeschichtlichen Untersuchung ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche heraus: die Ehe als Sakrament. Genau dies sei der kostbare Schatz, der heute angesichts differenzierter Formen partnerschaftlichen Zusammenlebens und vor dem Hintergrund veränderter (kirchen-)rechtlicher Normen zum Leuchten gebracht werden könne. Dafür bedürfe es jedoch eines zentralen Schrittes: der Entkoppelung der sakramentalen Ehe von der Ehe als Vertragsgemeinschaft einerseits und von der normativen Vorstellung der Naturehe andererseits. In diesem markanten Schritt liegt nach Ruster die unerlässliche Voraussetzung dafür, in der festgefahrenen Frage nach dem Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen Lösungen zu finden. Auf diese Weise werde nämlich ein Zweifaches möglich: Zum einen könne es in der Kirche gültige Ehen geben, die kein Sakrament sind. Zum anderen könne die Kirche ihre Lehrhoheit über nichtsakramentale Formen des Zusammenlebens von Mann und Frau aufgeben. Sie müsse diese nicht mehr an der Norm des Naturrechts messen und könne die vielen neuen Formen von Partnerschaft einfach das sein lassen, was sie sind: tastende, teils unausgegorene, teils schon bewährte Versuche, die Institution der Ehe den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen.

Otto Hermann Pesch, der eine katholische Dogmatik aus ökumenischer Erfahrung vorgelegt hat – seine 25-jährige Lehrtätigkeit an der Evangelischen Fakultät der Universität Hamburg prädestiniert ihn gerade dazu –, plädiert ebenfalls für die Unscheidbarkeit der Ehe, allerdings nur dann, wenn die Ehe wirklich eine Ehe ist. Die Unscheidbarkeit kann freilich kein rechtlicher Grundsatz sein, der erzwingbar ist. Insofern spricht Pesch sich für die Praxis der Ostkirche aus, die von der katholischen Kirche nie verurteilt wurde. Bei einer heillosen Zerrüttung der Ehe sollte ein Neuanfang in der Kirche möglich sein. Die Ostkirche beweist, dass dies möglich ist unter ausdrücklicher Anerkennung der Ehe als Sakrament.

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff macht aus theologisch-ethischer Perspektive die Notwendigkeit eines veränderten Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen deutlich. Kritisch beurteilt er in diesem Zusammenhang drei Punkte, die er für die große Distanz zwischen der gegenwärtigen kirchenrechtlichen Regelung und der Lebenserfahrung einer großen Zahl der betroffenen Männer und Frauen verantwortlich macht. So sei erstens der kanonistische Ehebegriff selbst problematisch, dessen einseitige Fixierung auf den sexuellen Vollzug der Ehe ein Relikt ihrer durch das Konzil überwundenen, vertragsrechtlichen Sichtweise darstelle. Als ein zweites Problem identifiziert Schockenhoff das unzureichende Sakramentenverständnis, das der Identifikation von Ehevertrag und Sakrament zugrundeliegt. Eine dritte Schwäche der Argumentation, nach der wiederverheiratete Geschiedene wegen des objektiven Widerspruchs, in dem sie zur kirchlichen Lebensordnung stehen, von den Sakramenten ausgeschlossen werden müssen, sieht er in der reduzierten Rolle des Gewissens. Dessen Funktion beschränke sich nämlich letztlich darauf, die Verletzung der vertraglichen Pflichten anzuerkennen, die sich aus dem fortbestehenden Rechtsverhältnis der ersten Ehe ergeben. Genau hier setzt Schockenhoff an, wenn er sich für eine Anerkennung der unhintergehbaren Kompetenz des Gewissens als letzter Beurteilungsinstanz ausspricht. Schließlich lasse das einfache Faktum einer nochmaligen Heirat keinen generellen Rückschluss auf das Vorliegen schwerer Schuld zu. Denn diese besitze neben dem objektiven Tatbestand eines Vergehens oder Fehlverhaltens immer auch einen subjektiven Aspekt, der nicht von außen zu beurteilen ist. In diesem Zusammenhang könne die gegenwärtige kirchenrechtliche Regelung jedoch der vom Lehramt in Familiaris consortio selbst erhobenen Forderung nicht gerecht werden, verschiedene Situationen gut zu unterscheiden und differenziert zu beurteilen.

Geradezu im Stil einer Streitschrift räumt der Münsteraner Kirchenrechtslehrer Thomas Schüller mit Vorurteilen und Schuldzuweisungen an seine Disziplin auf und mahnt den Dialog über die elementaren theologischen Fragen im Kontext von Ehe, Scheidung und Wiederheirat an. Vieles sei eben kein Problem des Kirchenrechts, das als „geronnene Dogmatik“ nur den lehramtlichen Status quo repräsentiere. Schließlich bringe der neue Kodex das neue, personale Eheverständnis aus Gaudium et spes bereits in seinem Eingangskanon präzise auf den Punkt. Freilich komme aber neben anderen theologischen Disziplinen auch dem Kirchenrecht die Aufgabe zu, dem Lehramt zu Einsichten in die eigene Tradition zu verhelfen. Vor diesem Hintergrund identifiziert Schüller Fragwürdigkeiten der gegenwärtigen Rechtslage. Insbesondere geht er auf die Wirkmächtigkeit der naturrechtlich verkürzten Identifikation von christlicher Ehe mit vertraglich zugesichertem Geschlechtsverkehr ein sowie auf die Inkongruenzen in der Annullierungs- und Auflösungspraxis bestehender Ehen, die sich im Laufe der Rechtsgeschichte entwickelt haben. Abschließend präsentiert er zwei mögliche Lösungsansätze, die dazu beitragen könnten, die kirchliche Lehre und die Lebenssituation der Betroffenen wieder in Einklang zu bringen. Zum einen könnte der zuständige Pfarrer als Rechtsanwender in Abwägung der theologischen und rechtlichen Güter nach einer Gewissensprüfung der Gläubigen eine zweite Ehe als sittliche Größe im Namen der Kirche akzeptieren oder zumindest dulden – und damit den Zugang zu den Sakramenten öffnen. Zum anderen würde sich, wie Markus Güttler herausgearbeitet hat, durch einen Dispens nach dem moralischen „Tod“ der ersten Ehe eine Perspektive für das Eingehen einer zweiten Ehe eröffnen. Was allerdings die Frage nach der Kommunionspendung an wiederverheiratete Geschiedene angeht, betont Schüller mit Verweis auf Klaus Lüdicke, dass dies gerade kein Zeichen von Barmherzigkeit sei – sondern nicht weniger als die ordentliche Erfüllung des kirchlichen Dienstes.

Franz Weber, Pfarrer und emeritierter Innsbrucker Pastoraltheologe, plädiert in seinem Beitrag für eine Pastoral der Wahrnehmung, Anerkennung und Begleitung von wiederverheirateten Geschiedenen, die er dezidiert gegen die Praxis der Exklusion von betroffenen Männern und Frauen stellt. Schließlich sei es eine Grundhaltung von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Menschen in ihrer je eigenen Lebenssituation wahrzunehmen und ihnen gerade in der Erfahrung des Scheiterns nahe zu sein. Wenn aber eine Ehe scheitert, würden sich viele Betroffene als von den zentralen Lebensvollzügen ausgeschlossen und von der Kirche abgeschrieben erfahren. Sie nehmen zur Bewältigung ihrer Lebenssituation professionelle Hilfe außerhalb einer Kirche in Anspruch. Die Glaubwürdigkeit von Kirche geht dadurch sowohl bei den Betroffenen wie in der Öffentlichkeit weiter verloren. Seelsorgerinnen und Seelsorger, die sich einer anderen Praxis verpflichten – propter homines, also um der Menschen willen –, fühlen sich im Stich gelassen. Weber will sich nicht damit abfinden, dass der Wunsch nach Seelsorge als – wie ein Betroffener sagt – „die letzte Instanz zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit“ zu oft unerfüllt bleibt. Daher plädiert er dafür, die Sehnsüchte nach Vergebung und Versöhnung, nach einem wieder gelingenden Leben, nach dem Segen Gottes für die neue Partnerschaft und nach einer neuen Beheimatung in der Kirche nicht länger als Orte der Sünde zu brandmarken, sondern als Orte von Gnade und heilender Gottesbegegnung zu würdigen. Nicht nur aus Gründen der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit dürfe man die wiederverheirateten Geschiedenen nicht aus der Kirche und den Gemeinden ausziehen lassen, sondern auch weil sie theologisch und spirituell etwas sehr Wesentliches über die Schöpfungswirklichkeit Mensch, über Fragmentarität und Scheitern und über die tiefe Sehnsucht nach Heil und Heiligung zu sagen haben.

Kardinal Woelki von Berlin hat unlängst Papst Benedikt XVI. verteidigt, der dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der geschieden und wieder verheiratet ist, die Kommunion gereicht hat. Der Papst habe nur so gehandelt, wie jeder Seelsorger handeln würde, der niemanden abweisen wolle. Und der Kardinal weiter: Menschen könnten oft in ihrer zweiten Beziehung das verwirklichen, woran sie in ihrer Ehe gescheitert sind. Es ist zu hoffen, dass diese Auffassung eines Kardinals bald allgemeine kirchliche Praxis wird. Es wäre ein Segen für alle.

Anmerkungen

1 Walter Kasper, Zur Theologie der christlichen Ehe, Mainz 1977, 73 f.

2 Ebd., 81.

3 In: Theodor Schneider (Hg.), Geschieden – Wiederverheiratet – Abgewiesen? Antworten der Theologie, Freiburg i. Br. 1995, 374.

4 Ebd. 375.

5 Matthäus Kaiser, Geschieden und wiederverheiratet. Beurteilung der Ehen von Geschiedenen, die wieder heiraten, Regensburg 1983.

6 Joseph Ratzinger, Zur Frage nach der Unauflöslichkeit der Ehe. Bemerkungen zum dogmengeschichtlichen Befund und zu seiner gegenwärtigen Bedeutung in: Franz Henrich und Volker Eid (Hg.), Ehe und Ehescheidung. Diskussion unter Christen, München 1972, 35–56, hier 54.

7 Schneider (vgl. Fußnote 3), 378.

8 Ebd. 394.

9 Ebd.

10 Ebd. 404.

11 Ebd. 408.

12 Walter Kardinal Kasper, Katholische Kirche. Wesen – Wirklichkeit – Sendung, Freiburg 2011, 41.

Erfahrungsberichte von Betroffenen

Birgit Bauer*
Den Amtsträgern lege ich ans Herz …
Erfahrungen einer betroffenen Seelsorgerin

Ich bin 59 Jahre alt und lebe seit meiner Scheidung vor sieben Jahren allein. Meine Kinder sind erwachsen und selbständig. Als Wirtschaftsleiterin in einem kirchlichen Unternehmen erfahre ich diesen Arbeitsplatz als ein Stück gelebte Kirche. Ich habe einen wunderbaren Freundeskreis, in dem ich mich gut aufgehoben fühle und wo ich mein Leben mit anderen teilen kann. Seit vielen Jahren engagiere ich mich in der Krisenintervention und Notfallseelsorge. Dort begleite ich auch Sterbende und ihre Angehörigen und auch Frauen in schwierigen Scheidungssituationen. Nach einer Pause von fünf Jahren (in dieser Zeit habe ich mein Studium abgeschlossen) übernehme ich auch wieder Verantwortung im Pfarrgemeinderat.

Aufgewachsen bin ich in einem traditionell katholischen Elternhaus in bäuerlicher Umgebung. Wie das Leben einer „guten“ Frau zu verlaufen hat, wurde mir gewissermaßen schon in die Wiege gelegt. Um diesem Frauenbild zu entsprechen, bedarf es keiner speziellen Bildung. Von diesem Frauentyp wurde nur erwartet, dass man heiratet und natürlich imstande ist, den Haushalt zu führen, den Ehemann zu versorgen und zu unterstützen und Kinder großzuziehen. Zur großen Enttäuschung meiner Eltern habe ich diesem Bild nie richtig entsprochen und wurde auch deshalb in meinem familiären Umfeld selten als „vollwertige“ Frau gesehen. Die Enttäuschung meiner Angehörigen erreichte einen Höhepunkt, als ich mich in sehr jungen Jahren (mit knapp 17) entschloss, in die Großstadt zu ziehen, um neben meiner beruflichen Tätigkeit zu studieren.

Ehe mit einem geschiedenen Mann

Während meines Studiums lernte ich meinen Mann kennen. Er war geschieden und bereit, mit mir eine Familie zu gründen. Auf diesen Karren bin ich begeistert aufgesprungen, gab es doch in mir immer wieder – und mit zunehmendem Alter intensiver werdend – den Wunsch nach Familie, nach Kindern, nach Partnerschaft. Mit 28 Jahren habe ich geheiratet und danach zwei Kinder geboren. Meine Eltern waren einerseits erleichtert, dass die „so ganz andere Tochter“ endlich einen Mann gefunden hatte. Nun brauchten sie sich mit mir nicht mehr zu schämen. Sie waren aber andererseits nicht besonders glücklich darüber, dass dieser Mann bereits verheiratet gewesen war. Meine Geschwister konnten diese Tatsache aber gut akzeptieren. Aus „Liebe“ zu meinem Mann und meiner jungen Familie habe ich meinen Job, mein Studium und meine Wohnung aufgegeben und mich ausschließlich der Familie gewidmet. Später – nach der Scheidung – hat mich diese Entscheidung schwer getroffen.

Ich habe mich nicht als eine Frau in wilder Ehe erfahren

Die Tatsache, dass mein Mann geschieden war, hat mich am Anfang unserer Ehe nicht besonders beeinträchtigt. Es war mir wichtig, eine Ehe nach christlichen Werten zu führen, in Treue und Verantwortung bis ans Ende unserer Tage. Auch die Kinder sollten in diesem Sinne erzogen werden. Im Innersten habe ich mich niemals als eine Frau erfahren, die in „ungeordneten“ Verhältnissen oder in „wilder Ehe“ lebt. Als großen Segen habe ich unseren damaligen Pfarrer erlebt, der mich in meiner Haltung ermutigt und bestätigt hat. Ich habe mich als „vollwertiges“ Mitglied der Kirche gesehen, habe mich selbstverständlich in der Pfarre engagiert und im Bewusstsein der barmherzigen Liebe Gottes und in der Sehnsucht danach in der Überzeugung gelebt, dass Gott mit mir und meiner Familie ist. Ich war und bin noch immer zutiefst davon überzeugt, dass er mein Ringen um eine christliche Ehe und meine Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit ernst genommen und gewürdigt hat und dass er mich durch seine Gegenwart und durch sein Sich-an-mich-Verschenken auf diesem Weg bestärkt hat. Aus dieser Gewissheit heraus empfing ich auch die Sakramente.

In späteren Jahren, als es in meiner Ehe nach und nach durch eine gegensätzliche Entwicklung unserer Persönlichkeiten schwieriger wurde und die daraus resultierenden Interessen und die Lebenseinstellungen sehr verschieden geworden waren, kam ich auch mit der ablehnenden Seite der Kirche in Berührung. Bei meiner Suche nach Unterstützung und Rat bei „erfahrenen und frommen“ Ehefrauen war ich mit Unverständnis, Ablehnung und Verurteilung konfrontiert. Besonders gekränkt hat mich der Umstand, dass Menschen, die mich seit vielen Jahren als eine um ihre Ehe ringende Frau erlebt hatten, mir zu verstehen gaben, dass jemand, der wie ich in „wilder Ehe“ lebt, für eine dauerhafte Beziehung unfähig sei, weil eine solche Ehe nicht in Gott gründet, sondern auf einer Sünde aufgebaut sei. Unserem Pfarrer, der den bedürftigen Menschen und die barmherzige Liebe Gottes über die Gesetze stellte, warf man Missachtung der Lehre der Kirche vor und beschuldigte ihn, in seiner Haltung dem Zeitgeist verfallen zu sein.

Wie man in der Kirche auf das Scheitern einer Ehe reagiert

Nach 23 Jahren wurde meine Ehe geschieden und ich kehrte nach langer Abwesenheit wieder ins Berufsleben zurück. Mein familiäres Umfeld reagierte mit Erleichterung und hielt zu mir, da man um die Aussichtslosigkeit unserer Ehe und um das Leid, das ich durchlitt, wusste. Die Reaktionen aus kirchlichen Kreisen waren unterschiedlich. Es gab die Gruppe, die mich auf allen Ebenen unterstützte und zu mir stand. Es gab eine andere Gruppe, die mich abfällig in die Reihe der Geschiedenen einordnete und mir unterstellte, ich hätte mich meinem Mann offensichtlich zu wenig untergeordnet. Andere hatten es immer schon gewusst, dass diese Ehe keine Zukunft haben würde.

Ein junger Priester – noch keine 40 Jahre alt – machte mir in einem Beichtgespräch deutlich, dass ich bis ans Ende meines Lebens verheiratet bleiben werde und keinen Mann mehr haben dürfe. Nachdem ich ihm andeutete, nicht kirchlich verheiratet gewesen zu sein, erwiderte er: „Na dann ist eh alles ‚wurscht‘.“ Oft habe ich mir die Frage gestellt, ob sich so ein Priester überhaupt bewusst ist, was er mit einer solchen Aussage anrichtet, was er mit dieser Haltung in einem Menschen auslöst und was er damit verkündet. Ich selbst war so betroffen, dass ich kein Wort sagen konnte.