Kitabı oku: «Spenglers Nachleben», sayfa 2

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Die folgenden Beiträge sind mit einer Ausnahme im Zusammenhang unserer Tagung entstanden und wollen Spengler im Sinne Adornos standhalten.52 Sie sind einem Pathos des Durcharbeitens verpflichtet, das zum Postulat einer ›Überwindung‹ Spenglers im Gegensatz steht, und zielen darauf, das plötzliche ›Vergessenwerden‹ Spenglers in Verbindung mit einer eigentümlichen, untergründigen Wirkungsgeschichte zu analysieren, die sich in sehr unterschiedlichen, dezidiert nachmodernen Denktradition bewusst – und oft genug unbewusst – fortschreibt. Sie stellen Fallstudien dar, die Spengler auf drei Ebenen als Resonanzphänomen in den Blick nehmen. Erstens als Resonanzkörper in seiner Zeit, als einen Autor also, in dessen Werk sich intellektuelle Tendenzen der Zwischenkriegszeit auf spezifische Weise verdichteten. Zweitens sollen Resonanzen auf Spengler in seiner Zeit thematisiert werden, um so dessen zunächst enorm weitreichende Rezeption in Erinnerung zu rufen, vor deren Hintergrund das ›Vergessenwerden‹ überhaupt erst zum Symptom einer historischen Zäsur wird. Drittens sollen Resonanzen Spenglers in der postmodernen Theoriebildung untersucht und diskutiert werden, Resonanzen also innerhalb einer Tradition, die für die kulturwissenschaftlichen Fächer heute noch aktuell, wenn nicht gar diskursbegründend erscheint. Architektur-, kunst-, literatur-, wissenschafts- und philosophiegeschichtliche Aspekte wurden dabei ebenso berücksichtigt wie theoretische und insbesondere geschichtstheoretische Fragestellungen, denn über Spengler nachzudenken bedeutet nach wie vor in erster Linie, über Geschichte nachzudenken.

Wir danken den Autorinnen und Autoren, deren Beiträge auf je eigene Weise deutlich machen, wie vielschichtig und facettenreich sich die (verdeckte) Wirkungsgeschichte Spenglers gestaltet, deren Schatten noch auf den jüngsten kulturwissenschaftlichen Debatten lastet. Besonders froh sind wir zudem, dass wir in den Band einen im Nachlass Oswald Spenglers aufgefundenen Zeitungstext aufnehmen konnten53 sowie ein unveröffentlichtes Manuskript Heinz Dieter Kittsteiners, das ein frühes Zeugnis für seine eigentümliche und inspirierende Spengler-Faszination darstellt.54 Für die Genehmigung zum Abdruck danken wir Bibliothek und Archiv der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt an der Oder. Danken möchten wir auch Norman Bos für seine Mitarbeit bei der Redaktion der Texte. Unser besonderer Dank gilt schließlich Claus Pias, Professor für Medientheorie und Mediengeschichte am Institut für die Kultur und Ästhetik digitaler Medien (ICAM) der Leuphana Universität Lüneburg, ohne dessen großzügige Unterstützung dieses Buch nicht möglich gewesen wäre, sowie Erich Hörl, Professor für Medienkultur ebenfalls am ICAM, der unsere Suche nach einer verdeckten Wirkungsgeschichte Oswald Spenglers im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Faszinationsgeschichte von Nicht-Modernität von Anfang an und auf allen Ebenen mit großem Engagement unterstützt und gefördert hat.

1 Adorno, Theodor W.: Spengler nach dem Untergang, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10.1, hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schulz, Frankfurt a. M. 1977 ff., 47–71, 69.

2 Bense, Max: Vom Wesen Deutscher Denker. Oder zwischen Kritik und Imperativ, München/Berlin 1938, 160.

3 Ebd., 166.

4 Ebd., 172 f.

5 Bense: Wesen Deutscher Denker, 172. – Spengler, der wie viele Autoren aus dem Milieu der sogenannten konservativen Revolution in seinen politischen Ansichten eher am italienischen Faschismus als dem Nationalsozialismus orientiert war, scheute die öffentliche Kritik der nationalsozialistischen Bewegung nicht. So schrieb er über die ›Machtergreifung‹, sie habe »sich in einem Wirbel von Stärke und Schwäche vollzogen«, weshalb es bedenklich sei, »daß sie täglich mit so viel Lärm gefeiert« werde. Unter den Nationalsozialisten sah er »Elemente« am Werk, »welche den Genuß der Macht als Ergebnis betrachten und den Zustand verewigen möchten«, und Adolf Hitler wertete er in der privaten Korrespondenz wiederholt als durchaus »nicht bedeutend«. Diese Kritik des nationalsozialistischen Projekts von rechts wurde von Teilen der Bewegung als besonders bedrohlich empfunden und entschieden bekämpft. Spengler, so ließe sich sagen, fand sich also nicht trotz seiner faschistischen Weltanschauung zusehends in die Isolation gedrängt, sondern gerade wegen ihr. Vgl. Koktanek, Anton Mirko: Oswald Spengler in seiner Zeit, München 1968, 410–463 (hier auch die angeführten Zitate) sowie Felken, Detlef: Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur, München 1988, 184–237.

6 Bense: Wesen Deutscher Denker, 173.

7 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 48.

8 Das Zitat entstammt der Diskussion eines Vortrags, den der an Heidegger geschulte Theologe und ehemals begeisterte Nationalsozialist Friedrich Karl Schumann 1957 vor der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen hielt. Schumann, Friedrich Karl: Mythos und Technik, Köln 1958, 43.

9 Bemerkenswerte Ausnahmen von dieser Regel finden sich etwa bei Arnold Gehlen, dessen Essay Die Seele im technischen Zeitalter (1957) sich explizit und durchaus affirmativ auf Spengler bezieht; bei Adorno, von dessen einschlägigen Texten noch ausführlich zu sprechen sein wird, bei Gotthard Günther, dessen kultur- und techniktheoretische Schriften sich bis in die 1980er Jahre hinein intensiv mit Spengler auseinandersetzen, in Hans Sedlmayrs Verlust der Mitte (1948) sowie bei Max Bense und Gottfried Benn, die sich auch nach dem Krieg, wie Hermann Rotermund in diesem Band zeigt, an Spenglers Untergang abarbeiteten. Vgl: Gehlen, Arnold: Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft [1957], Frankfurt a. M. 2007, passim.; Adorno: Spengler nach dem Untergang; Günther, Gotthard: Beiträge zu einer operationsfähigen Dialektik III. Philosophie der Geschichte und der Technik. Wille, Schöpfung, Arbeit, Hamburg 2013, insbes. 211–235; dazu auch: Klagenfurt, Kurt: Technologische Zivilisation und transklassische Logik. Eine Einführung in die Philosophie Gotthard Günthers, Frankfurt a. M. 1995.

10 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 63.

11 Falko Schmieder in diesem Band.

12 Neben Spengler nach dem Untergang hat sich Adorno in der Rezension Spenglers Mensch und Technik (1932) sowie in dem kurzen Text Wird Spengler recht behalten? (1955) explizit mit Spengler auseinandergesetzt. Beide in: Adorno, Gesammelte Schriften, a. a. O., Bd. 20.1, 140–148, bzw. 197–199. Mit großer Verve, allerdings wesentlich weniger differenziert als Adorno, ging auch Georg Lukács mit Spengler ins Gericht. Vgl. Lukács, Georg: Die Zerstörung der Vernunft, Bd. II. Irrationalismus und Imperialismus, Neuwied 1962, insbes. 138–152. Hinweise auf eine geschichtstheoretische Auseinandersetzung mit Spengler innerhalb der kritischen Theorie lassen sich weiterhin bei Max Horkheimer, Herbert Marcuse, Walter Benjamin und Ernst Bloch finden. Vgl. dazu Schmidt, Burghart: Postmoderne – Strategien des Vergessens, Frankfurt a. M. 1994, 72–96. Aus dem Umfeld des Frankfurter Instituts für Sozialforschung wären schließlich Karl August Wittfogel und Franz Borkenau zu nennen, die sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Institut Spenglerschen Geschichtskonzeptionen annäherten. So führt eine direkte Rezeptionsgeschichte von Wittfogels Wirtschaft und Gesellschaft Chinas (1931) zu Samuel Huntingtons Clash of Civilisations (1996), und Borkenaus ausgreifende Studie Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild (1934) lässt bereits eine latente Spengler-Faszination erkennen, die dann in seinem nachgelassenen Spätwerk Ende und Anfang virulent wird. Vgl. Wittfogel, Karl August: Wirtschaft und Gesellschaft Chinas. Versuch der wissenschaftlichen Analyse einer grossen asiatischen Agrargesellschaft, Leipzig 1931; sowie Borkenau, Franz: Ende und Anfang: Von den Generationen der Hochkulturen und von der Entstehung des Abendlandes, hg. v. Richard Löwenthal, Stuttgart 1984.

13 Dubiel, Helmut: Die Aktualität der Gesellschaftstheorie Adornos, in: Friedeburg, Ludwig u. Habermas, Jürgen (Hrsg.), Adorno-Konferenz 1983, Frankfurt a. M. 1983, 293–313, 299.

14 Hitler, Adolf: Rede gehalten am 4. Januar 1933 in Detmold anlässlich der Eröffnung des Landtagswahlkampfs in Lippe, zit. n. Bruppacher, Paul (Hrsg.), Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP. Eine Chronik, Teil 1 1889–1937, o. O. 2014, 300.

15 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 48.

16 Ebd., 69.

17 Vgl.: Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, in: Ders., Gesammelte Schriften, a. a. O., Bd. 6, 9–113, 15.

18 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 47.

19 Bouveresse, Jacques: Spenglers Rache, in: Peter Sloterdijks ›Kritik der zynischen Vernunft‹, Frankfurt a. M. 1987, 356–388, 382.

20 Ebd., 386.

21 Ebd., 382 f. – Gegen diese Annahme wäre einzuwenden, dass Canguilhem ausgerechnet Spenglers Theorie einer »Maschinenentwicklung als ›Lebenstaktik‹« als Vorbild der von ihm geforderten »Organologie« und damit einer Auffassung des Technischen benannte, von der sich spätere Konzepte etwa Gilbert Simondons oder Bruno Latours wesentlich beeinflusst zeigen. Georges Canguilhem: Maschine und Organismus [1952], in: Gugerli, David; Hagner, Michael u. a. (Hrsg.), Nach Feierabend. Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte 3, Zürich/Berlin 2007, 185–212, 203. Auch was die Arbeiten von Deleuze und Guattari betrifft, fällt es schwer, ausgerechnet die organizistische und biologistische Sprache Spenglers als Differenzkriterium heranzuziehen, sind deren Begrifflichkeit und Metaphorik doch durchweg organizistisch grundiert.

22 Frank, Manfred: Der kommende Gott. Vorlesungen über die Neue Mythologie, Frankfurt a. M. 1982, 33.

23 Winthrop-Young, Geoffrey: Translator’s Introduction, in: Kittler, Friedrich, Grammophon, Film, Typewriter (1986), hg. und in das Amerikanische übers. v. Geoffrey Winthrop-Young und Michael Wutz, Tedwood City, CA 1999, XI-XXXVIII, XII und XVI.

24 Kittler, Friedrich: Aufschreibesysteme 1800/1900 [1985], München 2003, 272.

25 Zu Winthrop-Youngs Einordnung des »Theoriephänomens« German media theory, die für uns eine wichtige Inspiration gewesen ist, vgl. seinen Beitrag in diesem Band, sowie Ders.: Von gelobten und verfluchten Medienländern. Kanadischer Gesprächsvorschlag zu einem deutschen Theoriephänomen, in: Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2, Bielefeld 2008, 113–127; vgl. auch die Repliken von Friedrich Balke, Rüdiger Campe, Helmut Lethen und K. Ludwig Pfeiffer (ebd., 129–145).

26 Ferry, Luc u. Renaut, Alain: Antihumanistisches Denken. Gegen die französischen Meisterphilosophen [1985], München/Wien 1987, 35.

27 Bouveresse: Spenglers Rache, 386.

28 Zu den (scheinbaren) Ähnlichkeiten zwischen postmodernen Positionen und denen Spenglers, sowie den grundsätzlichen Scheidelinien zwischen ihnen, vgl. den Beitrag von Gilbert Merlio in diesem Band; in Bezug auf das Kausalitätsprinzip und die (postmoderne) Wissenschaftstheorie vgl. die Beiträge von Christina Wessely und Christine Blättler.

29 Schmidt warf dem Strukturalismus und Poststrukturalismus insbes. Louis Althussers in mehreren Arbeiten einen ›ontologischen Rückfall‹ vor, in dessen Folge Geschichte – ähnlich wie bei Spengler – als streng immanente Funktion einer objektiven Systementwicklung erscheine. Vgl. Schmidt, Alfred: Geschichte und Struktur. Fragen einer marxistischen Historik, München/Wien 1977.

30 Schmidt: Postmoderne, 62 f.

31 Spengler selbst hatte festgestellt, dass die Archäologie »ja selbst ein Ausdruck des Gefühls« sei, »daß Geschichte sich wiederholt« (Spengler, Oswald: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, München 2006, 4), und wäre von daher vielleicht gar nicht überrascht gewesen, dass Schmidt 1994 eine »Nähe zwischen Foucault und Spengler« konstatieren kann, die er folgendermaßen beschrieb: »Es dreht sich um das vehemente Ablehnen der Finalität oder Teleologie; beide greifen damit den teleologischen Gesamtzusammenhang der ›Weltgeschichte‹ an, freilich nicht um einer anderen stringenten Zusammenhangsart willen – ein großes Zerfallen geht los. Indem das Zerfallen jedoch Geschichte keineswegs überhaupt preisgibt, ist man zum Rückzug auf eine relativierte Finalität genötigt, der man das ›oberfaule‹ Evolutionäre genommen hat zugunsten der prothetischen Funktionalismen, zugunsten einer äußersten Engführung von Diachronie und Synchronie in Uchronie. Totalisierte Finalität soll gebrochen werden, um gleichsam einer zweit-›wilden‹ Finalität Platz zu schaffen, die man ein Auflösen in Kleinstfinalitäten nennen mag mit Selbsterhaltungssinn. Bei Spengler schlägt sich das nieder in der fensterlosen Monadie der Gestalthaftigkeit von Kulturkreisen und im Paradigma der Pflanze, bei Foucault in der Strukturalität der Struktur und dem Paradigma des Diskurses.« Schmidt: Postmoderne, 93.

32 Ebd., 64 f.

33 Ebd., 86.

34 Raulet, Gérard: Gehemmte Zukunft. Zur gegenwärtigen Krise der Emanzipation, Darmstadt/Neuwied 1986, 9.

35 Adorno, Theodor W.: Musikalische Aphorismen, in: Ders.: Gesammelte Schriften, a. a. O., Bd. 18, 21.

36 Schmidt: Postmoderne, 59.

37 Ebd.

38 Spengler: Untergang, XI.

39 Die neoreaktionäre Theoriebildung, die seit 2013 vor allem in Form von Blogs vorangetrieben wird, zielt darauf, eine Verbindung von politischem Autoritarismus und technologischem Fortschritt als (einzig) zukunftsfähige Gesellschaftsordnung zu entwerfen, und steht damit in direkter und eingestandener Tradition des reactionary modernism (Jeffrey Herf) etwa Ernst Jüngers oder Oswald Spenglers. Sie trägt durchweg biologistische, teilweise offen rassistische Züge und propagiert einen autoritären Antiliberalismus auf hochtechnisierter Produktivkraftbasis. Für eine gute Darstellung der Geschichte und Theorie dieses Syndroms in den USA, die insbesondere dem Einfluss der tragischen deutschen Geschichtsphilosophie in der Nachfolge Hegels (dabei auch und gerade der Spenglers) nachspürt, vgl. Hui, Yuk: On the Unhappy Consciousness of Neoreactionaries, in: e-flux, journal, #81 (http://www.e-flux.com/journal/81/125815/on-the-unhappy-consciousness-of-neoreactionaries/, zuletzt abgerufen am 14. Februar 2018). Die neoreaktionäre Theoriebildung wird heute vielfach als intellektueller Vorläufer einer größeren neurechten Sammelbewegung namens alt-right (alternative right) beschrieben, die insbesondere in Zusammenhang mit dem Wahlkampf Donald Trumps an das Licht einer breiteren Öffentlichkeit getreten ist. So verfassten Milo Yiannopoulos und Allum Bokhari, die selbst zum Umfeld der altright gezählt werden müssen, 2016 ein wohlwollendes und breit rezipiertes Porträt der damals noch weitgehend unbekannten Bewegung für die Nachrichtenplattform Breitbart.com, in dem sie deren Genese beschrieben und feststellten: »The origins of the alternative right can be found in thinkers as diverse as Oswald Spengler, H. L. Mencken, Julius Evola, Sam Francis, and the paleoconservative movement that rallied around the presidential campaigns of Pat Buchanan.« (http://www.breitbart.com/tech/2016/03/29/an-establishment-conservatives-guide-to-the-alt-right/, zuletzt abgerufen am 14. Februar 2018). Vgl. den Beitrag Christoph Asendorfs in diesem Band, der sich u. a. mit Rezeptionen Spenglers in den Vereinigten Staaten, und damit der Vorgeschichte zu seiner heutigen Wiederentdeckung beschäftigt.

40 Das Konzept der Agentur LifeCourse Associates, die 1999 von Strauss und Howe gegründet wurde und bis heute geleitet wird, basiert auf einer explizit an den Untergang des Abendlandes angelehnten, zyklisch verfassten Geschichtstheorie, die sie in ihrem Buch The Fourth Turning: An American Prophecy – What the Cycles of History Tell Us About America’s Next Rendezvous with Destiny, New York 1997 vorlegten. Unter dem Motto »put what we know to work for you« bieten die beiden geschichtsphilosophisch grundiertes Strategie-Consulting für Unternehmen, Politik und Militär an und versprechen, ihre ›Einblicke‹ in den Lauf der Geschichte umstandslos als Wettbewerbsvorteil geltend machen zu können. Denn: »Sound strategic planning cannot ignore the key lessons of history.« Vgl.: http://www.lifecourse.com., zuletzt abgerufen am 21. November 2017.

41 Vgl. Gasimov, Zaur: Spengler im heutigen Russland. Zur Neu-Eurasischen Rezeption der Kulturmorphologie, in: Merlio, Gilbert u. Meyer, Daniel (Hrsg.), Spengler ohne Ende. Ein Rezeptionsphänomen im internationalen Kontext, Frankfurt a. M. u. a. 2014, 243–255.

42 Der ›Parteiphilosoph‹ der Alternative für Deutschland, Marc Jongen, langjähriger akademischer Mitarbeiter Peter Sloterdijks an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung, bezieht sich in seinen Vorträgen regelmäßig auf Spengler, den er neben Nietzsche, Heidegger und eben Sloterdijk zum philosophischen Gewährsmann eines ›Avantgarde-Konservatismus‹ stilisiert, in dessen Zentrum eine auf Mobilisierung zielenden Theorie des Wutbürgers (Thymostheorie) steht. Sein im Januar 2016 angekündigtes ›Manifest‹ für die AfD liegt zwar bislang noch nicht vor, Jongens Unterfangen, Spengler parteiphilosophisch zu rehabilitieren, stieß im rechten Parteispektrum allerdings durchaus auf Resonanz, so etwa, als Björn Höcke in direkter Anspielung auf Spenglers letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch das Jahr 2016 zum ›Jahr der Entscheidung‹ ausrief.

43 Vgl. Nagle, Angela: Kill all Normies. Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right, Winchester/Washington 2017.

44 Auf Einladung von Erich Hörl, Professor für Medienkultur am Institut für die Kultur und Ästhetik digitaler Medien in Lüneburg, und uns fand die Tagung vom 27.-29. Januar 2016 in Räumen der Leuphana-Universität unter dem Titel Resonanzen. Oswald Spengler und die Postmoderne statt.

45 Vgl. Spengler, Oswald: Pessimismus?, in: Ders., Reden und Aufsätze, München 1938, 63–79.

46 Schmidt: Postmoderne, 90.

47 Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Frankfurt a. M. 2016.

48 Görlich, Christoph: Welt-Bilder und Weltmodelle. Resonanz als Metapherntechnik und Technikmetapher, in: Peters, Christian Helge u. Schulz, Peter (Hrsg.), Resonanzen und Dissonanzen. Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion, Bielefeld 2017, 271–291, 278.

49 Bense: Wesen Deutscher Denker, 162 f.

50 Rosa: Resonanz, 298.

51 Mattenklott, Gert: Blindgänger. Physiognomische Essays, Frankfurt a. M. 1986, 13 f.

52 Der geplante Beitrag Arno Bammés zu unserer Diskussion, der eine Brücke von Oswald Spengler zu Peter Sloterdijk schlägt, wurde indessen »unter der Hand so umfangreich, dass er unmöglich in das vorgesehene Buchkonzept integriert werden konnte.« Er liegt mittlerweile als Monographie vor, auf die wir gerne verweisen: Bammé, Arno: Die Apokalypse denken, um den Ernstfall zu verhindern. Unheilsprophetie von Spengler bis Sloterdijk, Marburg 2017, 11.

53 Vgl. den Text Oswald Spenglers in diesem Band sowie zur Einordnung den Beitrag Fabian Mauchs.

54 Vgl. den Text Heinz Dieter Kittsteiners in diesem Band sowie zur Einordnung den Kommentar von Jannis Wagner.

Geoffrey Winthrop-Young
Kälte, Krieg und Katastrophen
Martial-historiografische Anmerkungen
zu Spengler und Kittler

Dreißig kalte Parallelen

Vor zwanzig Jahren haben Michael Wutz und ich im Vorwort unserer Übersetzung von Friedrich Kittlers Grammophon Film Typewriter den Versuch unternommen, amerikanische Leser in die Mysterien der neuen deutschen Medienwissenschaften einzuführen. Ganz im Geiste jener französisch orientierten Theoriezeiten ging es uns in erster Linie um Pariser Anschlüsse: also um die Art, in der Kittler Michel Foucault lacanisierte, Jacques Lacan foucaultisierte und beide wiederum mit Anleihen bei der Medientheorie Marshall McLuhans und der Informationstheorie Claude Shannons anreicherte, was zur Folge hatte, dass Foucault und Lacan von ihren diskursanalytischen bzw. psychokybernetischen Köpfen auf ihre medientechnischen Füße gestellt wurden und die – damals noch nicht so genannte – German media theory sich als Erbe des – damals noch so genannten – französischen Poststrukturalismus in Szene setzen konnte.1 Dank Kittler gab es jetzt auf dem Umweg über Deutschland in Nordamerika French theory up to date.

Natürlich kann man weiter ausholen. War Kittlers Manöver nicht Teil eines deutsch-französischen Theorieschlagabtauschs, der in strukturalistische, existenzialistische und phänomenologische Vorzeiten zurückreichte? War es nicht eine selbstbewusste Umkehrung des bilateralen Theorie-Praxis-Gegensatzes, den Heinrich Heine einst an der funktionalen Äquivalenz von Kant und Robespierre festgemacht hatte? Jener räsonierte, dieser guillotinierte, aber beide über den Rhein hinweg auf analoge Weise. Was Deutschland, so das betagte Klischee, in den abgehobenen Domänen von Philosophie und Musik leistet, inszeniert Frankreich in praxisorientierter Barrikadenöffentlichkeit. Jetzt aber wurde in Deutschland der Anspruch erhoben, die esoterischen linksrheinischen Komplexitäten von Dekonstruktion und Diskursanalyse in den Klartext informationstechnischer Positivitäten zu überführen. Es war eine Form theoretischer Erdung, in der von Ferne der Erlösungsgestus aufblitzte, mit dem ein Jahrzehnt später amerikanische Hypertext-Theoretiker Roland Barthes und Jacques Derrida als etwas linkische Vorwegnahme digitaler Textverarbeitungspraktiken anpriesen.2 Kittlers Theorie, so schien es, verschrieb sich dem Motto von Heinrich Manns Untertan Diederich Heßling: »Sachlich sein, heißt deutsch sein.« Und war das nicht Teil des Untergangs der Theorie im Abendland? Der textzentrierten Kultur der französischen maître penseurs folgt die technikzentrierte zivilisatorische Spätphase in Gestalt deutscher Medienwissenschaftler.

Das war unterhaltsam, teilweise sogar schlüssig, aber nicht sonderlich originell. Nicht dass man dies bei Kittler hätte nachlesen können (er hielt geistesgeschichtliche Überblicke dieser Art für akademisches Boulevardtheater), da waren die Bücher von Norbert Bolz um einiges ergiebiger. Sehr viel interessanter erschien es uns, auf verborgene, wenn nicht gar verschwiegene Verbindungen Kittlers zu binnenländischen Theorietraditionen hinzuweisen. Die Nähe zu Martin Heidegger war offensichtlich, doch gab es nicht auch Bezüge zu anderen Größen der konservativen Revolution wie Ernst Jünger und Oswald Spengler? Wir haben das damals nur kurz angedeutet, und es ist dementsprechend überlesen worden. Hier folgt der Versuch, dieser Frage im Falle Spenglers noch einmal nachzugehen.

Was Heidegger betrifft, sind Einflüsse und Anschlüsse, Schulden und Verbindlichkeiten hinlänglich bekannt.3 Verdanken wir einem bekannten Frankfurter Wort zufolge Hans-Georg Gadamer die Urbanisierung der Heideggerschen Provinz, so bietet uns Kittler deren Mathematisierung. Freilich hatte dieses technisch aufgerüstete seinsgeschichtliche Andockmanöver ein Schrumpfen der vormals so prominenten französischen Verbindung zur Folge. Der hohen Wertschätzung Foucaults, die Kittler in seinem schönen Nachruf Ein Verwaiser bis ins Erotische steigerte, folgte zwei Jahrzehnte später der Bescheid, Foucault habe eigentlich immer nur an, mit und von Heidegger her gedacht. Was bleibt dann noch von Foucault? Nichts als die »lebenslange Umschreibung eines Heideggerwortes: Seinsgeschichte.«4 Damit kehrte Kittler konsequent zu den Fußnoten seiner frühesten Aufsätze zurück, in denen die Diskursanalyse von Les mots et les choses als Epiphänomen seinsgeschichtlicher Erkundungen erscheint. Kurzum, die French connection entpuppt sich als recht innerbadische Affäre. Paris liegt auf dem Feldweg von Freiburg nach Meßkirch, denn bei rechtem Licht besehen ist Paris immer schon eine Art Meßkirch-sur-Seine.

Der Fall Spengler liegt anders. Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass trotz oder gerade aufgrund des großen Abstandes Vergleiche zwischen Kittler und Spengler auf den ersten Blick so leicht fallen. Derart viele Analogien und Ähnlichkeiten drängen sich auf, dass man ohne große Mühe dreißig von ihnen Revue passieren lassen kann: Sowohl Kittler als auch Spengler bieten (1.) mitteleuropäisch zentrierte Übergangs- und Umbruchsdiagnosen, denen zufolge eine vornehmlich durch kulturelle Produktion gekennzeichnete Phase von einer verstärkt technisch determinierten abgelöst wird. Während (2.) in jener Goethe symbolhaft überhöht im Mittelpunkt steht, zeichnet sich (3.) diese durch die Vorrangstellung eines bestimmten Berufsstandes aus, nämlich des Ingenieurs. Entscheidend ist (4.) die gleichermaßen programmatische wie polemische Entkoppelung von technischer Entwicklung und sozialem Fortschritt (eine von beiden Theoretikern zum Abschuss freigegebene Vokabel), die Jeffrey Herf in seiner gleichnamigen Studie als Kernstück des reactionary modernism beschrieben hat.5 Wer glaubt, dass es ab dem 19. Jahrhundert vornehmlich deshalb liberaler, demokratischer oder friedlicher zugeht, weil es wissenschaftlicher und technischer zugeht, läuft mit Scheuklappen durch die Welt. Diese irreversible Abfolge wird (5.) mit starker Zäsur-Emphase beschrieben, welche sich (6.) in beiden Fällen einer theorieprägenden Kontinuitätsphobie verdankt. Letztere ist (7.) eng verzahnt mit einem für beide kennzeichnenden Unbehagen am Fetisch der Kommunikation. Dass Spenglers Kulturen so wenig miteinander kommunizieren können wie Kittlers Aufschreibesysteme, hängt maßgeblich von ihrem historischen diskreten Status ab, woraus (8.) hervorgeht, dass die Ergründung dieser Gebilde bei ihren je eigenen ›seelischen‹ bzw. informationstechnischen Ermöglichungsbedingungen ansetzen muss. Was in einer Spenglerschen Großkultur bzw. einem Kittlerschen Aufschreibesystem gedacht und gesagt, besungen und berechnet werden kann, verdankt sich der Entfaltung seelischer Existenz- bzw. technischer Einschreibungsgestelle. Wichtig ist, dass diese Gebilde (9.) relativ plötzlich entstehen und (10.) ihre Evolution bestimmten Eigengesetzlichkeiten unterliegt (wir kommen darauf zurück).

Dies führt (11.) in beiden Fällen zur pikierten Rückfrage, die auch in Kittlers berüchtigten Habilitationsgutachten anklingt, was diesen Kulturpathologen das Recht gebe, sich so selbstbewusst über soziale Großgebilde zu äußern, von denen es heißt, dass man sie als Außenstehender nicht richtig verstehen könne. In beiden Fällen wird die Frage (12.) mit einer quasi Herderschen Volte beantwortet. Die suspekte Mischung aus Differenz und Gleichheit zwischen Kulturen oder Aufschreibesystemen wird nämlich von den Diskursgesetzen und Erkenntnisstrukturen derjenigen Gebilde festgelegt, in denen sich die Autoren bewegen, von denen aber (13.) vorausgesetzt wird, dass sie einen privilegierten Zugang zu Fragen dieser Art ermöglichen. Alle Kulturen Spenglers sind gleich, mit Ausnahme derjenigen, welche die Kriterien dieser Gleichheit bereitstellt, nämlich der eigenen faustischen. Die Abendländer sind, wie George Orwells Schweine, ein bisschen gleicher. Der Status der faustischen Kultur als primus inter pares entspricht dem Status des global erweiterten technisch zentrierten digitalen Aufschreibesystems Kittlers, was (14.) mit der Auffassung zusammenhängt, dass die faustische Kultur und deren kittlerianisches Pendant sich als erste und bislang einzige planetarisch ausgebreitet haben. Dadurch wird (15.) die Möglichkeit nicht nur eines Endes der Geschichte angedeutet, sondern auch (16.) das Ende jeglichen historischen Bewusstseins.

An dieser Stelle müssen wir nachhaken, denn hier kommen folgenreiche Ängste des 19. Jahrhunderts zur Sprache. Immer wieder findet sich bei Spengler die Vorstellung, dass Geschichte ihre Energie aus dem Abarbeiten von Differenzen bezieht. Gibt es keine solche Differenzen, Gefälle oder Spannungen mehr, fehlt es der Geschichte am nötigen Treibsto ff. Das ist der thermodynamisch inspirierte Hintergrund der oben erwähnten Kommunikationsskepsis. Entspannung, Annäherung, gegenseitige Durchdringung und Angleichung, die gleichmäßige Verteilung von Informationen über vormals getrennte Systeme hinweg, also alles, was in der Hoffnung auf Frieden und Verständigung positiv bewertet wird, erscheint als entropisches Endzeitsymptom. Wo endet die vom Konflikt der Schulen und Orthodoxien vorangetriebene Philosophie? In Spenglers Morphologie. Und was ist das Endstadium dieser Morphologie? »[D]ie Auflösung des gesamten Wissens in ein ungeheures System morphologischer Verwandtschaften«,6 also eine aus kulturellen Endmoränen zusammengesetzte enzyklopädische Klaviatur, die an Hermann Hesses Glasperlenspiel erinnert. Gleiches geschieht auf politischer Ebene, wenn Völker und Nationen – vormals die »Kampfeinheiten im Strom der Geschichte«7 – in einem planetarischen Brei bis zur Ununterscheidbarkeit miteinander verschmelzen. Was Spengler über das Ende der apollinischen Antike schreibt, trifft auch auf unseren bevorstehenden abendländischen Abgang oder Abgesang zu:

In der römischen Kaiserzeit beginnt man sich allenthalben zu verstehen, aber eben deshalb gibt es nichts mehr, was in antiken Städten zu verstehen sich noch lohnte. Mit dem Sichverstehen-können hatte diese Menschheit aufgehört, in Nationen zu leben; damit hat sie aufgehört, historisch zu sein.8

Wenn alle miteinander reden können, hat man sich nichts mehr zu sagen. Die Wut des Verstehens erschafft eine Öde allgemeiner Verständigung. Freilich waren die »dummen Römer« – eine vom späten Kittler häufig benutzte Formel, die ihre Herkunft aus einem bekannten gallischen Dorf wohl kaum verleugnen kann – nicht in der Lage, ihr Abgleiten in die Geschichtslosigkeit zu verstehen, weil sie im Gegensatz zu uns Abendländern erst gar nicht dazu befähigt waren, ihre eigene Geschichtlichkeit zu erfassen.

Eben dieses Muster prägt bei Kittler die historischen Medienverhältnisse. Über allen Hardwarefetischismus hinaus war seine Medientheorie, wie die von Harold Innis, eine historisch organisierte Intermedialitätstheorie. Was ein Medium ist, was es leistet und bewirkt, kann letztlich immer nur in Bezug auf andere Medien bestimmt werden. Nur so kann erklärt werden, warum bei Kittler, als sei’s ein Stück von Walter Benjamin, ein neues Medium als technische Realisierung der von alten Medien geweckten Bedürfnisse erscheinen kann. Vor allem lassen sich nur so (und wiederum ganz wie bei Innis) die strategischen, wenn nicht gar martialischen Eskalationen erfassen, in der Medien einander zu übertrumpfen suchen, bis alle Differenzen in der Digitalität aufgehoben werden. Ab dem Zeitpunkt gibt es ja bei Kittler keine Medien mehr, so wie es bei Spengler im Zeitalter der abschließenden Morphologie keine autonomen Wissensformen mehr gibt:

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
372 s. 4 illüstrasyon
ISBN:
9783866747197
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