Kitabı oku: «Wie heute predigen?», sayfa 2
3.Neue Ansätze in der Predigtausbildung
Frauen und Männer für den Dienst der Verkündigung vorzubereiten, erfordert angesichts der veränderten Predigtsituationen auch neue Formen der Ausbildung. In den letzten Jahren haben sich in den diversen Predigtwerkstätten spezifische Ansätze herausgebildet, von denen exemplarisch zwei im Folgenden kurz dargestellt werden.
3.1.„Werkstatt Wortverkündigung“
Die über viele Jahre unter der Federführung von Rolf Zerfaß äußerst erfolgreich konzipierten und durchgeführten „Predigtseminare“5 sind seit etlichen Jahren in unseren eigenen Lehrstätten unter dem Titel „Werkstatt Wortverkündigung“ adaptiert und zum Teil neu entwickelt worden.6 Das Konzept von Zerfaß verfolgte eine kreative und interaktive Methode, welche die Arbeit in Kleingruppen unter der Begleitung von Tutores, sowie konkrete Praxisauftritte (Predigt in Gottesdiensten) forcierte.
Die „Werkstatt Wortverkündigung“ stellt den ersten Teil eines Gesamtkonzeptes von verkündigungsorientierter Redeausbildung bzw. -weiterbildung dar und erfährt nach dem Studium eine Fortsetzung in der Predigtausbildung im Rahmen des „Pastoralpraktikums“ sowie im Rahmen eines fünfjährigen Weiterbildungsprogramms der Diözese Graz-Seckau für kirchliche MitarbeiterInnen.
Somit hat diese Werkstatt nicht mehr nur bzw. primär die Predigt im Gottesdienst als Ziel, sondern will einen Raum kreativen Übens schaffen, in dem Studierende ihre personalen Rede- und Verkündigungskompetenzen erfahren und selbstständig praktizieren können. Im Wechselspiel von Theorie- und Praxissequenzen erproben sie das Konzipieren und Praktizieren einer Rede und lernen kontextbezogenes und situationsgemäßes Sprechen zu analysieren.
Diese Form des Lernens erfordert sowohl die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen theologischen Fächern (z.B. Bibelwissenschaften, Liturgiewissenschaft, Pastoralpsychologie etc.) als auch den überfakultären Austausch mit anderen pädagogischen bzw. kommunikationswissenschaftlichen Fächern.
Gemäß ihres „Werkstattcharakters“ gibt es unterschiedliche Formen, wie diese Lehrveranstaltung durchgeführt wird. Von der Form sind Teamteachings (beispielsweise zwei Lehrende, oder Studierende als Tutores), aber auch Kleingruppen, Übungen zu zweit oder Einzelwahrnehmungsübungen möglich. Theorieeinheiten schließen sich an konkrete Praxiserfahrungen an (kleine Redeeinheiten, wie zum Beispiel das Erzählen einer Geschichte, Spiralgespräche, Spontanrede aufgrund eines gezogenen Begriffes etc., freies Sprechen in der Gruppe, Rede / Predigt im öffentlichen Raum bzw. in einem Gottesdienst). Um die biblischen Texte existentiell zu erschließen, können unterschiedliche kreative Zugänge zum Tragen kommen, wie beispielsweise Bibliodrama, Bibliolog, unterschiedliche Formen von Raumwahrnehmungsübungen, Impulse aus den Bereichen der Theaterpädagogik etc. Die Arbeit an der Präsenz (öffentliches Auftreten, Stimme, Haltung, Gestik und Mimik) wird ein zunehmend wichtiger Teil in der Predigtausbildung. Stimmtrainings, Arbeit mit TheaterpädagogInnen, Arbeit an der Bühnenpräsenz u.v.a.m. kann ein wichtiger Bestandteil im Rahmen eines Lehrveranstaltungsprozesses werden. Auch die Arbeit mit Videoaufnahmen ist eine gute Möglichkeit, die Selbst- und Fremdwahrnehmung zu schulen.
Zentral ist für diese Form des Lernens tatsächlich der „Werkstattcharakter“. „Werkstatt“ heißt, dass nichts fertig ist, dass Ungewisses geprobt, Neues ausprobiert, Altes verworfen werden kann. Ein solcher Zugang erfordert ein hohes Maß an Empathie und Wertschätzung, insofern stellt das Einüben einer respektvollen Feedbackkultur das Zentrum dieser Art und Weise des gemeinsamen Lernens und Übens dar. Durch konsequentes wertschätzendes Feedback und Sharing lernen die TeilnehmerInnen voneinander. Sie entdecken ihre ungeahnten Stärken und lernen mit ihren Schwächen umzugehen; sie erfahren, dass ihr theologisches Wissen auf dem Prüfstand steht und sie sind mit der Frage konfrontiert, wovon sie eigentlich selber leben. Die Werkstatt steht im Spannungsfeld von Theorie und Praxis und ist am Ende des Studiums bzw. am Übergang zur beruflichen Tätigkeit angesiedelt. Sie erfährt eine Weiterführung im „Pastoralpraktikum“ (in Form von Begleitung und Supervision der rhetorischen Aufgaben im pastoralen Alltag); ebenso stellt der Bereich der Predigt bzw. der öffentlichen Verkündigungs-Rede einen wichtigen Teil im fünfjährigen Weiterbildungskonzept der Diözese für ihre kirchlichen MitarbeiterInnen dar. Der Praxisbezug innerhalb der Werkstatt selbst ergibt sich durch das Einüben in die eigene Redepraxis, die Analyse exemplarischer Predigten bzw. anderer öffentlicher Reden, den Besuch von relevanten Orten öffentlicher Rede sowie das Hospitieren der Predigten/Reden von Teilnehmenden der Werkstatt.
Durch den Werkstattcharakter der Lehrveranstaltung ist es auch leicht möglich, sowohl in der aktuellen Werkstatt auf konkrete Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen, als auch durch kontinuierliche Evaluierung Adaptierungen am Konzept vorzunehmen.
3.2.Predigtausbildung für Ständige Diakone 7
Das II. Vatikanum hat eine Veränderung innerhalb der Ämterstruktur der Kirche gebracht. Vor allem die Einführung eines eigenständigen Diakonats, das nicht nur eine Durchgangsstufe zur Priesterweihe darstellt, hat die Landschaft des kirchlichen Amtes verändert.
Eine der zentralen Aufgaben der Ständigen Diakone stellt die Verkündigung des Evangeliums dar, wozu sie in der Weiheliturgie explizit beauftragt werden. Die Herausforderung in der Ausbildung der Ständigen Diakone besteht darin, dass hier Männer mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen und Lebenswegen teilnehmen, im Alter von Anfang 30 bis fast 70 Jahren. Bei der Ausbildung nehmen in den genannten Diözesen nicht nur die kommenden Ständigen Diakone, sondern großteils auch ihre Ehefrauen teil.
Eine homiletische Ausbildung für diese Gruppe hat somit ein Mehrfaches zu beachten: Einerseits die unterschiedliche theologische Ausbildung der Bewerber (zwischen Fachtheologen und theologischem Fernkurs), dann die unterschiedlichen Berufe, in denen sie beschäftigt sind (da nur ein Teil im Hauptberuf in einer pastoralen Tätigkeit ist), und schließlich die verschiedenen Situationen, in denen die Diakone eingesetzt werden. Dazu kommt die sehr divergierende Erfahrung mit Rede und Sprechen im öffentlichen Raum – zwischen Lehrern und Bauern, zwischen Akademikern und Polizisten.
Das homiletische Konzept geht zunächst von den je persönlichen Vorstellungen und Erfahrungen der Verkündigung des Evangeliums aus – und traut den Bewerbern zu, über ihren Glauben auch öffentlich reden zu können. Neben den grundsätzlichen Zugängen zur „Rede von Gott in moderner Zeit“ und zur Frage einer schriftgemäßen Predigt, sowie den formalen Fragen von Predigterstellung und Predigtaufbau geht es um die ganz konkrete Arbeit an eigenen Predigten: Die Vorbereitung und das Halten einer Predigt (sowohl Schriftpredigten wie auch Kasualpredigten) sowie die Analyse einzelner gehaltener Predigten in Plenum und Kleingruppen stellen einen wesentlichen Teil der Ausbildung dar. Dabei wird vor allem versucht, die unterschiedlichen Predigtsituationen in den Blick zu nehmen, in denen die Diakone den Verkündigungsauftrag wahrnehmen werden.
4.Wortlos glücklich…? Desiderata
Im Rahmen der Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen nehmen HomiletikerInnen auch wahr, wo es im Hinblick auf die Predigt und die Predigtausbildung noch Verbesserungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten gibt. Diese Wünsche sind stark gekoppelt mit den gegenwärtigen Herausforderungen, denen all jene gegenüberstehen, die sich in den Dienst der Verkündigung genommen wissen. VerkündigerInnen haben nie „ausgelernt“ – jedes Mal, wenn sie vor den Ambo treten und ihre Stimme erheben, setzen sie sich aus. Von Gott reden heißt, eine Schwelle zu betreten, die eine große Unsicherheit mit sich bringt. Die Rede von Gott darf weder banal und lau noch drohend und herrschsüchtig sein, sie ist immer ein Versuch, der gelingen oder auch scheitern kann.
4.1.Predigtnachgespräch, Reflexion und Resonanzen
Während in der Predigtausbildung das Gespräch über die Predigt (sowohl auf inhaltlicher wie auch formaler Ebene) einen zentralen Platz einnimmt (und auch von den meisten TeilnehmerInnen als äußerst hilfreich erfahren wird), gibt es kaum eine Praxis des Predigtnachgesprächs.8 Dabei würden solche Gespräche sowohl für die HörerInnen wie auch für die PredigerInnen große Chancen bieten.
Das Gespräch – jenes davor und danach – zeigt, dass wir im Grunde nicht alleine verkündigen, sondern alle gemeinsam auf einem Weg sind. Gespräch heißt in Auseinandersetzung gehen und bleiben, heißt beidseitig sprechen und hören, bedeutet Fremdes zulassen und Vertrautes loslassen. Das Predigtnachgespräch kann für die PredigerInnen relativierend und entlastend sein, aber auch erneut herausfordern. Wenn es den wertschätzenden Charakter wahrt vermag es die Menschen in Kontakt zu halten und ihnen ein Weitersuchen und -gehen zu ermöglichen. Im gegenseitigen Austausch wird nicht nur die Predigt fortgesetzt, sondern auch das Wort Gottes „weitergeschrieben“.
Was die Art und Weise von Predigtnachgesprächen betrifft, sind Phantasie und Kreativität keine Grenzen gesetzt. Die Einladung zum Verweilen, Betrachten, eine sprachliche Reaktion zu ermöglichen ist das eine. Es könnten aber auch Resonanzen ganz anderer Art erfolgen: improvisierte Musikeinlagen, ein Tanz, eine kleine Schreibmeditation, eine Kabaretteinlage, ein Gebärdenreigen u.v.a.m.
4.2.Predigt-Weiterbildungen nach mehreren Dienstjahren
Während die Predigt-Ausbildung von allen Diözesen zumindest für die Priesteramtskandidaten, zumeist aber auch für alle TheologInnen, die in einen pastoralen Dienst treten wollen, vorgeschrieben ist, gibt es für die Weiterbildung kaum Konzepte. In einigen Fällen gibt es im Rahmen des Triennal- oder Quinquennalkurses, also in den ersten drei bis fünf Dienstjahren, kleine homiletische Schwerpunkte. Gerade für einen so zentralen Dienst wie die Verkündigung sehen die HomiletikerInnen es als wichtig an, dass es regelmäßige Angebote zur Weiterbildung gibt.
Die Formen der Weiterbildung im Bereich der Predigt können und sollen sich bunt und vielfältig gestalten. Sie sollten von den diözesan dafür Zuständigen personell und strukturell forciert werden, wenn sie ein attraktives Angebot darstellen sollen. Zentral für homiletische Weiterbildungskonzepte sind aus unserer Sicht in erster Linie das Ernstnehmen der biblischen Texte und ihre Erschließungskraft, aber auch die Liebe zu den Menschen und die möglichst gute Kenntnis der Situationen, in denen die Menschen leben, zu denen man spricht.
4.3.Leidenschaftliche Wortverkündigung
Die antiken RabbinerInnen haben davon gesprochen, dass die biblischen Texte im so genannten „schwarzen und weißen Feuer“ geschrieben sind.9 Die Texte sind im „schwarzen Feuer“ festgeschrieben – es handelt sich um tradierte, jahrhundertelang gedeutete Sätze und Wörter, die Geschichten erzählen: von Leben und Tod, Liebe und Hass, Krankheit und Heil, Gericht und Gnade. Das „weiße Feuer“ bewegt sich „zwischen den Zeilen“ – nach rabbinischer Tradition umspielt es die Buchstaben des Textes. Es handelt sich dabei um jene Gedanken, Gefühle, inneren Bilder und Assoziationen, die die Lektüre meist unbewusst begleiten und unsere Deutungen beeinflussen.
Die Rabbiner haben nicht umsonst das Bild des Feuers im Zusammenhang mit den Texten der Heiligen Schrift verwendet. Das Feuer brennt nicht von selbst, es muss entzündet werden. Seine Flammen können so klein werden, dass sie zu erlöschen drohen, oder aber so heftig lodern, dass sie alles zerstören. Brennendes Feuer wärmt, reinigt, belebt, vernichtet.
Der Umgang mit dem Wort Gottes ist nichts Harmloses. Es ist den Menschen geschenkt und anvertraut, um es zum Leben zu erwecken. Es ist zu kostbar, um es lieblos zu behandeln, zu fremd, um es zu schnell zu verstehen, zu radikal, um es leicht zu nehmen. Das Wort fordert und tröstet, verwirrt und verdeutlicht, es macht uns eng und weit zugleich.
Wer glaubt, es ganz erfasst und verstanden zu haben, ist schon auf dem Irrweg. Aber es zahlt sich aus, es immer wieder erneut zu versuchen.
Literatur
Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, 24. November 2013 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 194), Bonn 2013.
Roelofsen, Abraham, Das Predigtnachgespräch in der Gemeinde als Element der Gemeindebildung. Eine empirische Untersuchung zur kommunikativen und theologischen Kompetenz in der Gemeinde (Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 43), Würzburg 2000.
Verkündigung und neue Evangelisierung in der Welt von heute, hg. v. der Österreichischen Bischofskonferenz, Wien 2012.
Walser, Martin, Halbzeit, Frankfurt/M. 1960.
Zerfaß, Rolf, Spruchpredigt. Grundkurs Predigt 1, Düsseldorf 41995.
Zerfaß, Rolf, Textpredigt. Grundkurs Predigt 2, Düsseldorf 21997.
Wort im Kontext
Die Freude der Verkündigung
Predigt und Emotion
Johann Pock
„Wie beim Schauspieler mischt sich bei den Theologen der Verstand mit dem Gefühl, die Vernunft mit der Sinnlichkeit.“ 10
Freuen Sie sich auf die Predigt? Freuen Sie sich als Predigerin oder Prediger darauf, etwas vom eigenen Glauben einer Gemeinde weitergeben zu können? Freuen Sie sich auf erwartungsvolle Gesichter und eine lebendige Gottesdienstgemeinde? Oder leiden Sie eher daran, eine schwierige Bibelstelle auslegen zu müssen, die zündende Idee zu finden – und das Ganze für eine kleiner werdende Zuhörerschaft?
Oder von der anderen Seite her gefragt: Freuen Sie sich als GottesdienstteilnehmerIn auf die Predigt, die Sie hören werden? Oder erleben Sie auch eher dieses „Loch in der Mitte“11, dass Sie vom Gedankengang des Predigers nicht mitgenommen werden und aussteigen? Oder dass Sie sich ärgern und eigentlich widersprechen möchten? Ulrich Nembach spricht explizit davon, dass HörerInnen und PredigerInnen „Leid und Freud mit der Predigt teilen“12.
Predigen, Verkündigen, mit Freude zu verbinden, ist nicht üblich – und doch legt es ja gerade der Verkündigungsauftrag nahe: Es geht ja um nicht mehr und nicht weniger als um die Verkündigung der „frohen Botschaft“. Und es gilt allen VerkündigerInnen der paulinische Auftrag, „fröhlich mit den Fröhlichen“ und „traurig mit den Traurigen“ zu sein (vgl. Röm 12,15 und Phil 4,4).
Ich gehe in meinem Beitrag nicht auf die Vielfalt der Verkündigungssituationen ein (wie z.B. den Religionsunterricht, oder die Verkündigung durch die helfende Tat), sondern habe explizit die Wort-Verkündigung im Rahmen einer Predigt im Blick.
Eine Predigt bzw. eine Homilie dient primär dazu, den Menschen das Wort Gottes zu verkündigen bzw. auszulegen.13 Dies geschieht sowohl durch das persönliche Zeugnis der PredigerInnen, als auch durch das Vermitteln von Erkenntnissen und Überzeugungen. Auch Wort-Verkündigung geschieht dabei ganzheitlich – und deshalb sind nicht nur bei den HörerInnen Verstand, Wille und Gefühl anzusprechen, sondern auch bei den Predigenden selbst hat die Ebene des Gefühls, der Emotionen, der persönlichen Betroffenheit und Leidenschaft eine zentrale Bedeutung für die Verkündigung.
Im Folgenden soll diesem häufig missachteten Aspekt der Emotionen im Umfeld der Predigt nachgespürt werden – beginnend bei der klassischen Rhetorik bis hin zu aktuellen Konzepten für RednerInnen und PredigerInnen. Und hier ist es nicht zuletzt der Enthusiasmus des Papstes und die emotionalen Reaktionen, die gerade durch seine Predigten weltweit hervorgerufen werden, die hier anhand seines Lehrschreibens „Evangelii gaudium“ in den Blick genommen werden.
1.Theologie mit Gefühl? 14
Die Emotionalität ins Spiel zu bringen, ist auf dem Feld der Homiletik (wie überhaupt in der Theologie) nicht selbstverständlich. So findet sich das Stichwort „Gefühl“ in der 3. Auflage des LThK überhaupt nicht mehr. In der 2. Auflage war zumindest noch das Stichwort angegeben – mit dem Verweis auf Affekt und Gefühl. Unter dem Stichwort „Gefühl“15 wird darauf verwiesen, dass im allgemeinen Sprachgebrauch Gefühl, Affekt und Emotion synonym verwendet werden, wobei der Mensch im Unterschied zum Denken, das eine Form der Vergewisserung darstellt, im Gefühl etwas in Bezug auf sich selbst lernt. Und während ethisch das Denken als Ort des Meinens und Urteilens und das Wollen als Ort der Handlungsausführung gesehen werden, betrachtet man das Gefühl als jene Kraft, die es braucht, damit letztlich das objektiv Gute eine Herrschaft über den Willen gewinnt. Gott erspürt man nämlich leichter mit dem Herzen als mit der Vernunft.16
Diese Gefühlsebene ist es nun aber, die für unser gegenseitiges Verstehen zentral ist. Psychologisch spricht man hier von der sogenannten „Verstehenspyramide“:17
Abb. 118
Hiermit wird deutlich, dass ein Großteil des Verstehens im Unterbewusstsein geschieht, wo unser Gefühl, unsere Wünsche und Interessen bzw. auch unsere Grundantriebskräfte (Selbsterhaltung, Selbstentfaltung, Selbstbestimmung) liegen.19
Auch andere Rhetorikhandbücher verweisen auf die Bedeutung der Gefühlsebene für die Überzeugungskraft einer Rede:
„Die Wirksamkeit von Argumentations-Ketten, in denen nicht nur Verstand und Wille, sondern auch das Gefühl angesprochen werden, ist unbestritten.“20
Wenn ein Hauptziel der Verkündigung darin besteht, Menschen in ihrer Erfahrungswelt zu erreichen und ihnen Horizonte des Reiches Gottes darinnen zu zeigen oder zu eröffnen, so darf dabei die Ebene der Emotionen nicht missachtet werden. Engemann beklagt zu Beginn seiner Einführung in die Homiletik zu recht, dass „die Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit der Hörer einen auffallend spärlichen Raum“21 einnimmt in den landläufigen Predigten – und dies nicht nur in den stärker biblisch ausgerichteten Predigten der protestantischen PredigerInnen. Die Bedeutung der Gefühle greift Engemann unter der Überschrift der „psychologischen und soziologischen Probleme“ auf: „Der Predigt eignet wie jeder sprachlichen Äußerung das Vermögen, sowohl Empfindungen (des Redenden) anzuzeigen als auch auf Seiten der Hörer auszulösen.“22
Er sieht aber die Problematik der Differenz zwischen den Gefühlen des Predigers, seinen Intentionen – und dem, was er tatsächlich im Hörer auslöst. Als Missstand benennt er zu Recht, dass häufig von der Kanzel her bestimmte Befindlichkeiten anempfohlen und unvermittelt aus der eigenen Rede abgeleitet werden. Dies aber setzt das Missverständnis voraus, dass eine Predigt schon in der Form der Aussage bzw. der Aufforderung auch auf der emotiven Ebene das herbeiführen könnte, wovon sie spricht. Nur weil ich von etwas Tröstlichem spreche, müssen die ZuhörerInnen noch nicht getröstet aus dem Gottesdienst gehen. Es gibt aber sehr wohl Ansätze, die diesen Aspekt der Emotionalität positiv und kreativ aufgreifen. Einer davon ist jener von Harald Schroeter-Wittke,23 der unter dem Aspekt der „Unterhaltung“ versucht, Predigten so zu gestalten, dass die Menschen nicht nur auf der Verstandesebene, sondern auch auf der emotionalen Ebene erreicht werden, ohne aber dabei die Gefahr zu übersehen, zur billigen Unterhaltung zu werden.
Für eine Theologie, die weitergegeben, verkündigt werden will, ist somit das Beachten der emotionalen Ebene unumgänglich. Einer Wort-Verkündigung stehen dazu vor allem rhetorische Mittel zur Verfügung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Emotionalität bereits in der klassischen Rhetorik eine wichtige Rolle spielte.