Kitabı oku: «Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens», sayfa 3
Daniel 4, teilweise als Ich-Bericht des Nebukadnezar stilisiert, zeigt Daniel wiederum als den obersten Zeichendeuter des babylonischen Reiches: Nebukadnezar träumt erneut und allein Daniel kann diesen Traum deuten. Hier bezeichnet ein abgeschlagener Baum den König selbst, der für eine Zeitlang dem Wahnsinn verfällt, bis er dann quasi als Konvertit Gott, den Höchsten, lobt. Auch diese Episode hat – außer der Annahme, dass der historische Nebukadnezar Experten zur Traumdeutung beschäftigte – keinen geschichtlichen Anhaltspunkt; eine Periode des Wahnsinns ist aus der Regentschaft Nebukadnezars nicht bekannt. Die griechische Überlieferung der Bibel datiert übrigens den Beginn des Wahnsinns Nebukadnezars in dessen 19. Regierungsjahr, dem Jahr der Zerstörung Jerusalems. In Daniel 4 geht es insgesamt nicht um historische Tatsachen, sondern vielmehr wiederum um das Themenfeld von Hybris, Fall und Läuterung, das so zum festen Bestandteil des durch die Bibel überlieferten Bildes des babylonischen Großkönigs wird.
Die drei skizzierten Kapitel zeichnen ein Bild des arroganten orientalischen Despoten, dessen Ideen und Einfälle jederzeit das Judentum in seiner Identität, ja seinem Fortbestand beschädigen könnten. Es ist längst erkannt worden, dass die Hofgeschichten des Danielbuches nicht in der erzählten Zeit entstanden sind, sondern sehr viel später. Doch Nebukadnezar markiert den Beginn der Diaspora und der Fremdherrschaft, eine Situation, die von den Judäern neue Strategien des religiösen und ethnischen Überlebens erforderte. Insofern kann der babylonische König als Prototyp des hybris-geleiteten Fremdherrschers dienen, an dessen Hof nun einerseits die möglichen Fallen für observante Juden, wie unreine Speisen oder Bilderverehrung, andererseits die Überlegenheit Gottes typisierend aufgearbeitet werden können.
Die vielfache Erwähnung seines Namens und die farbigen Hofgeschichten um seine Person haben dafür gesorgt, dass Nebukadnezar bzw. dessen biblisches Bild ein Fortleben führte, das auf sehr unterschiedliche Weise bis in die Gegenwart reicht.
Nabouchodonosor: Die Moderne
Ikonographisch erscheint Nebukadnezar in der bildenden Kunst, besonders der christlichen Malerei und dem Barock, als vom Wahnsinn geschlagenes Wesen, das verwahrlost, nackt und bärtig auf allen vieren durch die Wüste kriecht. Die bekannteste Ausformung dieses Motivs findet sich in einer Darstellung des 1757 geborenen englischen Poeten und Künstlers William Blake, die den Wahnsinn des Königs, wie er im Buch Daniel beschrieben wird, zeigt (Abb. 4).
Abb. 4: William Blake, Nebuchadnezzar.
Als Vorlage bediente sich Blake wahrscheinlich Albrecht Dürers um 1496 entstandenen Kupferstichs »Die Buße des heiligen Chrysostomos«. Dies ist vom Thema her insofern auch zutreffend, als dass sich der biblische Nebukadnezar nach seinem Wahnsinn, der ihn auch in die Einsiedelei treibt, nun bußfertig und geläutert zeigt.
Eine sicherlich noch populärere Rezeption Nebukadnezars findet sich in Giuseppe Verdis 1842 uraufgeführter Oper Nabucco. Auch hier kommt der König am Ende durch die Barmherzigkeit Gottes wieder zur Vernunft und entlässt die Judäer aus der babylonischen Gefangenschaft. Versucht man etwas über die Hintergründe der Entstehung von Nabucco herauszufinden, so stellt man fest: Giuseppe Verdi schwieg sich nicht nur aus. Wie Klaus Ley es formulierte, könnte es scheinen, der Komponist litt in dieser Hinsicht an kompletter Amnesie. Nur im sog. racconto autobiografico von 1789 nimmt er dazu mit der Attitüde eines Inspirierten Stellung: Sein Genie sei erwacht, so berichtet er, bei der Lektüre des Verses »Va pensiero sull‘ali dorate«, der ihm in Temistocle Soleras Libretto ins Auge gesprungen sei (Klaus Ley, Latentes Agitieren: »Nabucco« 1816 – 1842, Heidelberg 2010, S. 1). Davon ist freilich kein Wort zu glauben. Ebenfalls als ins Mythische ragend ist die Auslegung zu werten, nach der das Werk einer politischen Intention folge. Dieser Interpretation zufolge wurde und wird z. T. noch heute der Gefangenenchor zur Ikone des Risorgimento stilisiert: Die unterdrückten Hebräer stehen für das italienische Volk des 19. Jhs., welches die Einigung seines Reiches anstrebte. Hierbei handelt es sich jedoch nachweislich um eine Überhöhung der Verdi-Biographen, die den damals noch jungen Komponisten visionär die italiensche Einheit beschwören ließen.
Bis in die Mitte des 19. Jhs. hinein konnte sich die frühmoderne Rezeption des babylonischen Herrschers Nebukadnezar nur zeitlich weit entfernter Dokumente ohne Kenntnis von Primärquellen bedienen. Denn bis in diese Zeit hinein war noch nichts über das alte Mesopotamien bekannt. Erst als im Jahre 1848 der Brite Austen Henry Layard die ersten Exponate aus Mesopotamien in das British Museum brachte, bekam man in Europa eine Vorstellung von Assyrien und Babylonien. Von nun an standen nicht allein die legendären Geschichten anderer Kulturen als Material für die Rekonstruktion von Bildern babylonischer Könige zur Verfügung, sondern auch die keilschriftlichen Primärquellen und materiellen Hinterlassenschaften. Die mit diesen sensationellen Entdeckungen einhergehende Orientbegeisterung und -rezeption in Kunst und Literatur wirkte sich allerdings, und das ist erstaunlich genug, in keiner Weise auf die Gestalt Nebukadnezars aus, sodass sich die Referenzen bis heute weiterhin auf die griechischrömischen, jüdischen, christlichen und islamischen Traditionen beschränken.
Die Flasche
Wie eingangs bemerkt, lebt die Figur des Nebukadnezar nun auch in Form einer überdimensionalen Wein- bzw. Champagnerflasche bis in die Gegenwart hinein fort. Es handelt sich hierbei um ein ebenso interessantes wie rätselhaftes Wiedersehen mit dem babylonischen Herrscher.
Es ist in der Branche üblich, Flaschen ab der Größe »Doppelmagnum« mit in der Bibel überlieferten Königen zu benennen (Abb. 5): Jerobeam (3 l.); Rehabeam (4,5 l.); Methusalem (6 l.), Salmanassar (9 l.); Balthasar (12 l.); Nebukadnezar (15 l.).
Abb. 5: Flaschengrößen: eine Auswahl an Weinflaschen von 0,75 bis 15 l. Fassungsvermögen.
Eine sichere Auskunft über den Ursprung dieser Benennungen ist jedoch kaum zu erlangen. So findet man in der französischen Fachliteratur etwa Folgendes: Die Tradition, für übergroße Flaschen biblische Namen zu wählen, sei gegenwärtig nicht erklärbar. Für die Herkunft wird jedoch häufig auf den französischen Dichter Eustache Deschamps hingewiesen, der bereits um 1370 in einer Ballade die Namen Jerobeam, Rehabeam und Balthasar gemeinsam erwähnt. So heißt es über Balthasar:
Roy Balthazar qui fist les grans atrays
D’or et d’argent que sur subgiez pourchace,
Fut prins dedenz en Babiloine, mais
Daire et Cyrus, quant ils prindrent la place,
Destruierent tous.
(Eustache Deschamps, Œuvres complètes de Eustache Deschamps, publiées d’après le manuscrit de la Bibliothèque nationale, vol. 6, hg. v. Q. de Saint Hilaire/G. Raynaud, Paris
(Firmin-Didot) 1889, 263 f.)
Die Übersetzung lautet etwa: »König Belsazar (Balthasar), der große Mengen an Gold und Silber angehäuft hatte, (die er von seinen Untertanen eingetrieben hatte,) war Herrscher in Babylon; aber Darius und Kyros, als sie die Stadt einnahmen, zerstörten alles« (für die Hilfe bei der Übersetzung bedanken wir uns herzlich beim Herrn Kollegen A. Gipper).
Dieser Verweis auf Eustache Deschamps ist jedoch nur teilweise sinnvoll; denn der entsprechende Zusammenhang, in dem die Könige erwähnt werden, handelt gar nicht vom Wein und dessen Genuss, sondern es liegt eine »Balade morale« vor, in der anhand von Beispielen fehlgeschlagener Regentschaften ein negativer Fürstenspiegel entworfen wird. Die fehlgehenden Könige stehen dabei in keinem Zusammenhang mit Weingenuss, wenngleich das untugendhafte Verhalten wie im Fall des »Balthazar« als Maßlosigkeit beschrieben wird. Insofern ist es dennoch bezeichnend, dass gerade die in der biblisch-christlichen Tradition als maßlos oder untugendhaft geltenden Herrscher wie Jerobeam, Balthasar oder auch Nebukadnezar Paten für die großen Flaschen wurden. Möglicherweise liegt in der Maßlosigkeit auch der entscheidende Vergleichspunkt, was den Verweis auf Eustache Deschamps doch rechtfertigt: Auch hier ist die Verbindung von Macht, Korruption und Niedergang am Beispiel dreier Könige aufgezeigt. Gleichwohl kann eine direkte Entlehnung ausgeschlossen werden. Denn in den Tagen des Eustache Deschamps wurde Wein noch gar nicht in Flaschen gefüllt (erst seit dem späten 16. Jh.), sondern in Schläuchen und Fässern aufbewahrt – von Flaschen mit einem übergroßen Fassungsvermögen ganz zu schweigen.
François Bonal, ein Kenner der Materie, vermutet die Herkunft übergroßer Flaschen im Bordelais:
»Les Bordelais utilisent le vocable jéroboam depuis 1725. Adopté en Champagne, il est probable que la désignation des autres bouteilles y a simplement été faite par analogie avec la première de la série. Jéroboam était le fondateur et premier souverain (…) du royaume d’Israël. Quant à l’explication de l’adoption du mot jéroboam par les Bordelais, peut-être faut-il la chercher dans la Bible, qui précise que Jéroboam était un homme de grand valeur; un jéroboam de Château Latour est incontestablement une bouteille de grand valeur!«. (Bonal, 1984, S. 197).
Für die Benennung der großen Flasche mit »Jerobeam« sei also die Bibel verantwortlich, die diesen ersten König des Reiches Israels als einen Mann von »großer Wertschätzung/großem Wert«, bezeichne – was ebenso für die Flasche mit ihrem Inhalt gelte. Diese Deutung ist aber nicht unproblematisch, weil unklar bleibt, ob die Übersetzung ins Französische (»grand valeur« – »großer Wert«/»große Wertschätzung«), zu der es in verschiedenen französischen Bibelausgaben durchaus Alternativen gibt (z. B. »fort et vaillant« – »stark und tapfer«), den damaligen Schöpfern der Bezeichnung »Jerobeam« überhaupt vorlag. Weiterhin ist die eingangs zitierte Valmai Hankel der abweichenden Auffassung, dass die Bezeichnung »Jerobeam« für die Doppelmagnumflasche erst viel später, nämlich im Jahre 1889, nachweisbar sei. Die Benennung wäre damit vor einem ganz anderen historischen Zusammenhang, dem ausgehenden 19. Jh., entstanden.
Frau Hankels Vermutung passt zu dem Eintrag »Jéroboam« im »Trésor de la langue française«, wo sich dieses Datum ebenfalls findet und wo weiterhin auf einen Eintrag im »New English Dictionary« von 1816 verwiesen wird, in dem sich unter dem Stichwort »Jeroboam« auch die Bezeichnung »großer Kelch«. (»large bowl/goblet«) findet. Insofern wäre die Herkunft der Bezeichnung geographisch nach England zu verorten. Die größeren Flaschen seien dann v.a. erst im 20. Jh. mit dem Fortschritt der Glasherstellung in Mode gekommen. So deutet alles darauf hin, dass wir es mit einer relativ späten Idee zu tun haben, die wohl im England des 19. Jhs. aufkam und dann ein Fortleben entwickelte. Von Bonals oben wiedergegebenen Ausführungen bliebe damit nur noch die nachvollziehbare These bestehen, nach der die größeren Flaschen ihre biblischen Namen in Analogie zu der ersten, mit Jerobeam bezeichneten, erhalten hätten.
So bleibt, vor dem Hintergrund der altorientalischen und biblischen Überlieferung nochmals nach den einzelnen Paten zu fragen und nach dem, was zu ihrer Patenschaft inspiriert haben könnte.
Jerobeam (3 l.): Der keilschriftlich nicht bezeugte König Jerobeam (I.) steht neben seiner oben erwähnten Tüchtigkeit in der Bibel noch mehr für die Sünden, zu denen er Israel verführte: »Er wird Israel preisgeben wegen der Sünden, die Jerobeam begangen und zu denen er Israel verführt hat«. (1 Kön 14,16). So geht Jerobeam I. als derjenige König in die biblische Geschichte ein, der letztlich den späteren Untergang des Königreichs zu verantworten hatte.
Salmanassar (6 l.): Bei den assyrischen Königen mit dem Namen Šulmānu-ašarēd »([Gott] Šulmanu ist der vorderste«) lassen sich fünf unterschiedliche Herrscher anführen. Da, wie hinlänglich gezeigt werden konnte, die biblische Überlieferung der Benennung der übergroßen Flaschen zugrundelag, dürfte der Bezug bei dem letzten Träger des Namens, Salmanassar V., liegen. Denn eben dieser Herrscher bereitete dem (sündigen) Königreich Israel im Jahre 722 v. Chr. sein politisches Ende.
Balthasar (9 l.): Nach den babylonischen Quellen war Bēl-šarra-uṣur (»Herr, beschütze den König!«) nur ein kurzer Auftritt in der altorientalischen Geschichte vergönnt. Als Sohn des reichlich extravaganten Königs Nabû-nā’id (»[Gott] Nabû, der erhaben ist« = Nabonid) vertrat er während des zehnjährigen Aufenthaltes seines Vaters in der Wüste den Thron, allerdings ohne ihn jemals als König zu besteigen. Biblisch ist er als Sohn des Nebukadnezar für sein Gelage mit den heiligen Gefäßen des Tempels berüchtigt (Daniel 5). Die dabei an der Wand erscheinende Menetekel-Inschrift befindet ihn als zu »leicht« für die Ausübung der Herrschaft – was wiederum durchaus zu den historischen Gegebenheiten passt (Abb. 6).
Abb. 6: Rembrandt, Das Gastmahl des Belsazar.
Letztendlich bleiben alle Theorien über die Entstehung der Namenvergabe im Bereich des Spekulativen und es kann lediglich konstatiert werden, dass die Namenspatrone einzig auf die biblische Überlieferung und deren Deutung und nicht etwa die altorientalischen Primärquellen zurückzuführen sind. Es sei denn ob dieser Schleierhaftigkeit der Etikettierungen gestattet, einige hypothetische Überlegungen an den Schluss unseres Beitrages zu stellen.
Die v.a. von französischen Autoren favorisierte Datierung der Flaschengröße »Jerobeam« ins frühe 17. Jh. könnte auf christliche Klöster als Aspiranten für den Brauch der spezifischen Namensgebung hindeuten, gehören Klöster doch in Europa zu den ältesten und bedeutendsten Weinproduzenten. So verdankt ein bekannter Champagner seinen Namen dem Benediktiner Pierre (Dom) Perignon. In diesen Kreisen dürften die biblischen Könige geläufig gewesen sein.
Folgt man indes den Hinweisen auf die ältesten Belege der Lexeme (siehe oben), so dürfte hingegen in wohlhabenden britischen Kreisen des 19. Jhs. der Humor eine Triebfeder für die Verbindung von Wein und Gebinde mit der Bibel gewesen sein. Die Namensgebung wäre dann aus der Perspektive der Konsumenten in gewisser Weise selbstironisch und nicht, wie für den angelsächsischen Raum durchaus anzunehmen, im Sinne einer calvinistischen Frömmigkeit verwerflich.
Dass eine einzelne Sekt- oder Weinkellerei sich aus werbestrategischen Gründen die Herstellung und Benennung übergroßer Flaschen in der ersten Hälfte des 20. Jhs. zu eigen gemacht hat, kann man wohl ob eines definitiv nicht eingeforderten Urheberrechts getrost ausschließen.
Literatur
F. Bonal, Le livre d’or du Champagne, Lausanne 1984.
J.-F. Gauthier, Le vin, idées reçues, Paris 2001.
V. Hankel, From Magnum to Nebuchadnezzar, in: The Australian and New Zealand Wine Industry Journal 18/5, 2003, S. 64f.
Weinanbaugebiete in biblischer Zeit
Wolfgang Zwickel
Üblicherweise hat jede Landschaft Schwerpunkte in der landwirtschaftlichen Produktion. Nicht überall wird alles in gleichem Umfang hergestellt. Es gibt ökonomische Schwerpunkte, die ihre Grundlagen in den Bodenbedingungen, den klimatischen Verhältnissen und anderen Gründen haben. Wie verhielt es sich diesbezüglich mit dem Weinanbau in alttestamentlicher Zeit? Dieser Frage soll mithilfe unterschiedlicher Perspektiven nachgegangen werden. Solche ökonomischen Schwerpunkte zu erfassen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Wirtschaftsgeschichte der biblischen Zeiten, die bislang noch nicht ausreichend erforscht ist.
Bedeutung des Weins in biblischer Zeit
Das Land der Bibel ist ein altes Weinland. Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird der angeblich älteste Winzer der Welt genannt: Noah (Genesis 9,20). Wein war ein zentrales Getränk in der südlichen Levante, zu der die heutigen Länder Israel, Jordanien und Palästina/Westbank gehören. Wer auf den Feldern in der Sommerhitze arbeitet, sollte 4 – 5 l Flüssigkeit pro Tag trinken. Sicherlich tranken viele Menschen damals Wasser. Aber in weiten Teilen des Landes ist das Quellwasser salzhaltig oder brackig und daher nicht unbedingt ideal als Getränk. Eine biblische Geschichte erwähnt sogar, dass das Wasser der Quelle von Jericho zu Fehlgeburten führe. Erst ein Wunder des Propheten Elias machte das Wasser wieder trinkbar (2 Könige 2,19 – 22). Ähnliche Nachrichten von Krankheiten, verursacht durch untrinkbares Wasser, gibt es auch in der arabischen Überlieferung.
Wasser ist in der südlichen Levante nicht während des ganzen Jahres leicht verfügbar. Es regnet nur in den Wintermonaten, im Sommer fällt kein einziger Tropfen. Die Anlage von Zisternen zum Aufbewahren von Wasser war höchst aufwändig und konnte nur in felsigen Regionen durchgeführt werden. An größeren Orten errichtete man komplizierte Tunnelsysteme, um ans Grundwasser zu kommen. Dieser enorme Arbeitsaufwand war für die kleinen Ortschaften im Land mit rund 200 – 300 Einwohnern aber unmöglich zu leisten. Flüsse, die das ganze Jahr hindurch Wasser führten, gab es nur wenige, und sie reichten nicht für die Wasserversorgung aller Menschen aus. Lediglich das Wasser des Sees Gennesaret im Norden des Landes hätte verwendet werden können, war aber weit entfernt von vielen Ortschaften. Wein als Getränk war auch unter hygienischen Aspekten sicherer. Verunreinigtes Wasser barg zudem die Gefahr von Infektionskrankheiten (s.o.).
Daher waren für viele Menschen alkoholhaltige Getränke von großer Bedeutung. Unter ihnen spielte Wein die wichtigste Rolle. Dies zeigen schon die Belegzahlen in der Bibel. Die häufigste Bezeichnung im Alten Testament für Wein ist jajin – ein Wort, das sprachlich mit lat. vinum und deutsch »Wein« zusammenhängt. Möglicherweise liegt der sprachliche Ursprung für diese in vielen Sprachen ähnlich lautende Wurzel im kleinasiatischen Raum. Dieses Wort findet sich im Alten Testament immerhin 141mal. Hinzu kommen einige weitere Begriffe: Sobä’ (wahrscheinlich »Wein«, es könnte sich dabei aber auch um eine Bierart handeln) findet sich zweimal, chämär meint wohl das »gärende Getränk« oder den »neuen Wein« und ist sechsmal belegt. Tirosch schließlich bedeutet zumindest an einigen Stellen »Most«, »Traubensaft« oder »junger Wein«. (»Heuriger«) und findet sich 38-mal. Daneben gibt es auch noch eine Vielzahl von inschriftlichen Belegen für Wein, z. T. als Inhaltsangabe auf Krügen. In der untergaliläischen Ortschaft Ras ez-Zetun wurde eine ins 10. Jh. v. Chr. datierende Inschrift entdeckt, die »fermentierten« Wein nennt; eine ähnliche Inschrift mit wohl gleicher Bedeutung, aber einem anderen verwendeten Lexem wurde in Lachisch gefunden (7. Jh. v. Chr.). Zu den alttestamentlichen Texten kommen diejenigen des Neuen Testaments, wo der griechische Begriff oinos – sprachgeschichtlich basierend auf derselben semitischen Wurzel jajin – 26-mal belegt ist. Der hebräische Begriff schäqär für Bier, das einzige andere alkoholische Getränk der damaligen Zeit, findet sich dagegen nur 23mal im Alten Testament.
Schon die Zahlen machen deutlich, wie wichtig Wein in Palästina war. Archäologische Funde unterstreichen dies in besonderer Weise: Gefäße zur Bierherstellung finden sich in den meisten Bereichen Palästinas nur sehr selten. In der Regel entdeckt man nur ein bis zwei derartige Gefäße pro Ort. Dagegen findet man überall Schalen zum Trinken von Wein, große Amphoren und andere für Wein gebräuchliche Gefäße. Wein war in biblischer Zeit schlichtweg das normale Getränk im Heiligen Land. Allerdings wird der Wein damals nur rund 10 % vol. Alkohol enthalten haben.
Eine Ausnahme bildeten nur die Orte an der südlichen Küstenebene zwischen den heutigen Städten Gaza und Tel Aviv sowie im Norden in Bet Schean. In diesen Gebieten lebte seit dem 2. Jt. v. Chr. ein beträchtlicher Teil der ägyptischen Bevölkerung. In Ägypten wurde zwar auch Wein angebaut, beschränkte sich jedoch auf die Oasen und das Nil-Delta. Um den Bedarf an Getränken stillen zu können, wurde dort viel mehr Bier hergestellt. Dieser Brauch wurde von den Ägyptern in der südlichen Levante weitergepflegt, die wiederum die dortige Trinkkultur nachhaltig prägten. Somit war der Weinkonsum v.a. an der Küste wesentlich geringer als in den judäischen und israelitischen Kerngebieten im Bergland.
Trotz der biblischen Noah-Erzählung wurde nach unserem heutigen Wissen Wein nicht zum ersten Mal in der südlichen Levante hergestellt. Die ältesten bisher bekannten Samen von Vitis vinifera vinifera L. im Mittelmeergebiet stammen aus Nordgriechenland, wo Wein schon im 5. Jt. v. Chr. hergestellt wurde. In der südlichen Levante wurde auf jeden Fall schon im 3. Jt. v. Chr. Wein produziert.
In der Bibel erwähnte Weinanbaugebiete: Methodische Überlegungen
Die biblischen Texte wurden nicht verfasst, um Menschen unserer Zeit Informationen über die antiken Anbaugebiete zu vermitteln. Trotzdem nennen einzelne Texte Ortsnamen in Verbindung mit Weinanbau, sodass wir für diese Orte von einem Weinanbau in der Antike ausgehen können. Neben den bereits erwähnten biblischen Begriffen müssen weitere wie eschkol (»Weintraube«), enab (»Weintraube«), soreq (»hellrote Edeltraube«), gäpän (»Weinstock«), zemora (»Weinranke«), schämär (»Weinhefe«, »geläuterter Hefewein«) und käräm (»Weinberg«, »Weingarten«), aber auch gat (»Kelter«) in diesem Zusammenhang mitberücksichtigt werden. Manchmal gibt es sogar Ortsnamen, die eine entsprechende Terminologie enthalten. Auch in Deutschland liegen Orte wie Weinfelden oder Weingarten in typischen Weinanbaugebieten. Neben den biblischen Erzählungen sind auch außerbiblische Texte, v.a. epigraphische Wirtschaftstexte, zu berücksichtigen. Sie bieten oft ganz grundlegende weitere Informationen. Archäologische Funde wie Weinpressen können ebenfalls mitbedacht werden. Allerdings gibt es hier die große Schwierigkeit, derartige landwirtschaftliche Installationen exakt zu datieren. Meistens befinden sie sich im Freien und wurden über viele Jahrhunderte ununterbrochen benutzt, da sie kaum verschleißen und einfach zu erhalten sind. Dies macht eine Datierung in vielen Fällen kompliziert. Immerhin lassen sich dank sehr gründlicher Oberflächenuntersuchungen zumindest für das Gebiet des heutigen Jerusalem einige grundlegende Aussagen machen. Auf einen weiteren wichtigen Aspekt hat die französische Annales-Forschung, insbesondere F. Braudel, aufmerksam gemacht: Da sich die natürlichen Gegebenheiten eigentlich kaum geändert haben, gibt es eine lang anhaltende Konstanz (»longue durée«) in den Erwerbsgrundlagen der Bevölkerung. Daher kann man aus Quellen der vorindustriellen Zeit oft wichtige Rückschlüsse auf Erwerbsmöglichkeiten vor 2.000 oder 3.000 Jahren ziehen.
Biblische Erzählungen mit Erwähnungen von Weinanbau
In der Bibel finden sich einige Erzählungen, die sich, teilweise nur am Rande, mit Wein und seinem Anbau beschäftigen und uns Informationen geben, wo konkret Wein angebaut wurde.
In Jeremia 31,5 ist vom Weinanbau auf Samarias Bergen die Rede. Etwas konkreter dazu ist ein anderer Text. Unmittelbar an den Palast in Samaria grenzte ein Weinberg, den der König gerne in seinem eigenen Besitz haben wollte (1 Könige 21,1). Der Palast war auf einem steilen Berg errichtet worden. An den Abhängen dieses Hügels dürfte demnach Wein angebaut worden sein. Auch in der Umgebung von Silo (Richter 21,20 f.) und Sichem (Richter 9,27), beide in den samarischen Bergen gelegen, ist ausdrücklich von Weinbergen die Rede (zur Lage dieser Orte s. Abb. 1). Weitere Informationen zum Weinanbau im samarischen Bergland bieten zudem epigraphische Quellen (s. dazu unten).
Aber nicht nur Samaria, sondern auch das judäische Bergland war ein wichtiges Anbaugebiet für Wein. Ganz Juda wird im Jakobsegen ausdrücklich als ein Weinland bezeichnet (Genesis 49,11):
»[Juda] bindet seinen Eselhengst an den Weinstock
und an die Purpurrebe [= Rotweinrebe] das Füllen ihrer Eselin.
Es wäscht in Wein sein Gewand
und in Traubenblut seinen Mantel.«
Abb. 1: Weinanbaugebiete in biblischer Zeit.
Konkreter ist die Angabe, dass die Umgebung von Hebron offenbar ein exzellentes Weinland war. Von dort bringen die von Josua ausgesandten Kundschafter eine große Weintraube zurück, die von zwei Männern auf einer Stange getragen wurde (Numeri 13,23 f.). Mit dieser Beute sollte deutlich gemacht werden, dass Weintrauben das wichtigste landwirtschaftliche Produkt des Landes sind.
Auch in der Umgebung von En-Gedi am Toten Meer wurde Wein angebaut (Hohelied 1,13). Auf Weinanbau unmittelbar westlich des Toten Meers weist der arabische Ortsname Khirbet Karm Atrad einer Siedlung hin, die in der Eisenzeit besiedelt war und nördlich von En-Gedi am Nordrand des Toten Meers in einer Ebene (el-Buqea) liegt. Der Weinanbau hier ist höchst bemerkenswert, denn die Niederschläge sind mit gut 100 mm äußerst gering. Hier Wein anzubauen ist nur durch künstliche Bewässerung und durch das Aufstauen von Wasser in den Wadis (Wasserläufe, die nur im Winter während der Regenzeit Wasser führen) möglich. Aber auch im Westen Judas zogen sich die Weinberge an den Abhängen des Berglandes bis nach Timna hin (Richter 14,5; vgl. 15,5). Für Weinanbau an den Abhängen des judäischen Berglandes sprechen auch die vielen Weinpflanzungen, die auf dem sog. Lachischrelief abgebildet sind, das sich der assyrische König Sanherib nach der Einnahme der Stadt 701 v. Chr. anfertigen ließ (Abb. 2).
Abb. 2: Ausschnitt aus dem sog. Lachisch-Relief (um 701 v. Chr.) des assyrischen Königs Sanherib.
Im Ostjordanland ist im Gebiet Moabs von Weinbergen die Rede (Numeri 22,24). In Jesaja 16,8 (vgl. Jeremia 48,32) werden mit Heschbon, Sibma (nicht lokalisiert, aber offenbar in unmittelbarer Nähe von Heschbon gelegen), Elale und Jaser (Khirbet es-Sar) vier Orte genannt, die allesamt im nördlichen moabitischen Territorium liegen. Dies scheint ein berühmtes Weinanbaugebiet gewesen zu sein.
Weinbegrifflichkeiten in Ortsnamen und Inschriften
Von besonderem Interesse sind Ortsnamen, die in irgendeiner Weise den Begriff Wein beinhalten. Dies gilt in zweierlei Weise. Ein Ortsname wird nicht zufällig gewählt, sondern enthält häufig charakteristische Informationen über den Ort. Findet sich demnach ein mit Wein verbundener Begriff in einem Ortsnamen, so ist von einem Weinanbau vor Ort auszugehen. Antike Ortsnamen lassen sich häufig genau mit antiken Stätten identifizieren, und daher haben wir auch eine sehr genaue Information, wo entsprechender Weinanbau belegt ist. Die Tabelle auf S. 44 bietet eine Zusammenstellung der Ortsnamen in biblischen und außerbiblischen Texten im Bereich der südlichen Levante, die mit einem Begriff gebildet sind, der irgendwie mit dem Weinanbau verbunden ist. Außerdem sind außerbiblische Belege hinzugefügt, wenn sie einen konkreten Bezug auf Weinanbau in bestimmten Gebieten belegen. Die Ortslagen sind, soweit sie lokalisiert werden können, in Abb. 1 eingetragen.
Ein kurzer Überblick über die Lage der Orte bestätigt weitgehend, was schon anhand der biblischen Erzählungen beobachtet wurde. Das Gebiet Judas mit den Ortschaften bzw. Landschaftsbezeichnungen Anab, Bet-Kerem, Eschkol, Gittajim, Karmel und Sorek-Tal findet sich hier ebenso wieder wie das samarische Bergland mit Gat-Paran und dem Kerem-Tal. Mit Abel-Keramim ist auch das moabitische Territorium vertreten. Hinzu kommt nun das Karmel-Gebiet im Nordwesten des heutigen Staates Israel mit Gat-Padalla, Gat-Karmel und der Bezeichnung des Bergzuges Karmel selbst. Dieses Gebiet war auch im 20. Jh. n. Chr. wieder ein wichtiges Weinanbaugebiet. 1882 belebte Baron Edmond de Rothschild die Weinbaukultur in Palästina neu und pflanzte dort wieder Reben an.
Zusätzlich werden nun, allerdings nur mit jeweils einem Ortsnamen, Untergaliläa (Gat-Hefer), Gat-Rimmon im Norden von Tel Aviv und Masreka in Edom (südliches Ostjordanland) genannt. Letztendlich zeigen die Ortsnamen aber gerade in der Kombination mit den Erzähltexten an, wo Wein vornehmlich angebaut wurde: Im Bergland Judas, Samarias und auf dem Karmel. Die Keltern, hebr. gat, lagen nach den Ortsnamen eher am unteren Abhang der Berge. Gat (Tell es-Safi) liegt bereits in der Schefela, wenig westlich von den Abhängen des judäischen Berglandes. Gat-Padalla und Gat-Karmel liegen jeweils südlich bzw. nördlich des Karmelgebirges, nur eine kurze Strecke von dem Bergzug entfernt. Die Verarbeitungszentren lagen offenbar eher in den Ebenen abseits der Abhänge, während das Bergland für den Weinanbau genutzt wurde.
Ortsname | Belegstellen | Moderner Name |
Abel Keramim | Richter 11,33 | Tell el-Umeri in Jordanien, südlich von Amman gelegen |
Anab | Josua 11,21; 15,50 | Khirbet Anab es-Sagira in Juda |
Bet-Kerem | Jeremia 6,1; Nehemia 3,14 | Khirbet Salih/Ramat Rahel unmittelbar südlich von Jerusalem |
Eschkol | Numeri 13,23.34;Deuteronomium 1,24 | Tal bei Hebron, nicht genau lokalisiert |
Gat | Josua 11,22 u.ö. | Tell es-Safi in der judäischen Schefela |
Gat, Gat-Padalla | Amarnabrief 250 | Tell Dschett südlich des Karmelgebirges |
Gat-Hefer | Josua 19,13; 2 Könige 14,25 | Khirbet ez-Zerra in Untergaliläa |
Gat-Karmel | Amarnabriefe 288 - 290;Inschrift auf einem Krug aus Schiqmona (4. Jh. v. Chr.) | Tell Abu Hawam im Bereich der heutigen Stadt Haifa an der Mittelmeerküste nördlich des Karmel |
Gat-Paran | Samaria-Ostraka (öfters) | Nicht lokalisiert, in der Umgebung von Samaria |
Gat-Rimmon | Amarnabrief 250; Josua 19,45; 21,24;1 Chronik 6,54 | Tell el-Dscherische nahe der Mittelmeerküste, am Nordrand der heutigen Stadt Tel Aviv |
Gittajim | 2 Samuel 4,3; Nehemia 11,33;1 Chronik 7,21 | Nicht lokalisiert, muss aber im Gebiet nördlich von Jerusalem liegen |
Kachal | Kruginschrift aus Khirbet el-Kom (8. Jh. v. Chr.) | Vermutlich Bet Kahil bei Hebron |
Karmel | Josua 15,55; 1 Samuel 15,12; 25,2. 57. 40; 30,29 | Khirbet el-Kirmil in Zentraljuda |
Karmel | Josua 19,26 u. a. | Karmel-Gebirge im Nordwesten des Landes |
Kerem-Tel | Samaria-Ostraka | Nicht lokalisiert, in der Umgebung von Samaria |
Masreka | Genesis 36,36; 1 Chronik 1,47 | Nicht lokalisiert, wahrscheinlich unmittelbar südlich des Wadi el-Hesa in Edom gelegen |
Sorek-Tal | Richter 16,4 | Tal von Jerusalem aus nach Westen |
Wein in den Samaria-Ostraka