Kitabı oku: «Umweltstrafsachen», sayfa 8
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Ist eine behördliche Gestattung unter Auflagen ergangen, ist ein Verstoß gegen die Auflage in jedem Fall dann strafrechtlich irrelevant, wenn diese nicht unmittelbar dem Gewässerschutz dient und sich ein Zuwiderhandeln demnach auch nicht auf die Gewässereigenschaften nachteilig auswirken kann.[368] Hierzu zählen z.B. die in § 13 Abs. 2 WHG aufgezählten Nebenbestimmungen (Maßnahmen zur Beobachtung, Bestellung eines Betriebsbeauftragten, Leistung von Beiträgen u.ä.). Dies bedeutet, dass eine Abwassereinleitung auch dann befugt erfolgt, wenn der Benutzer entgegen der ihm erteilten Auflage der Behörde keine Untersuchungen über die Eigenmesskontrollen[369] zur Verfügung stellt, im Übrigen aber keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die aufgegebenen Grenzwerte überschritten wurden.[370]
Wird eine unmittelbar dem Gewässerschutz dienende Auflage, z.B. der Bau einer Kläranlage, nicht erfüllt, ist zu differenzieren: Existiert bereits eine Einleiteerlaubnis und wird erst nachträglich die Auflage zum Bau erteilt, kann dies konsequenterweise nur in der Weise geschehen, dass die bestehende Einleiteerlaubnis (ohne Auflage) bis zur Fertigstellung der Kläranlage fortwirkt. Selbst wenn die Kläranlage tatsächlich nicht erbaut wird, macht dieser Auflagenverstoß die Gewässerbenutzung nicht rechtswidrig. Anders liegt der Fall, wenn für die Erfüllung einer neuen Auflage eine bestimmte Frist festgelegt wird oder die Erlaubnis von vornherein in der Weise mit der Auflage verknüpft wird, dass die Abwassereinleitung ohne diese nicht erlaubt ist. Hier kann – im einen Fall nach Fristablauf, im anderen Fall mit der ersten Gewässerbenutzung ohne Erfüllung der Auflage – die Einleitung von Abwässern unbefugt erfolgen. Dieses Beispiel[371] macht jedoch andererseits deutlich, dass auch der Verstoß gegen eine dem Gewässerschutz dienende Auflage nur dann i.S.d. § 324 StGB relevant ist, wenn die Gewässerverunreinigung konkret auf den Auflagenverstoß zurückzuführen ist. Dies ist jedenfalls – wie der Beispielsfall zeigt – dann nicht gegeben, wenn aus den tatsächlichen Umständen oder dem Verhalten der Behörde zu entnehmen ist, dass die Gewässerbenutzung, wenn auch nur für eine Übergangszeit, ohne die Erfüllung der Auflage gestattet ist.
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Ob und inwieweit die bloße Duldung durch die Behörde eine förmlich nicht erteilte Gestattung für eine Gewässerbenutzung ersetzen kann, ist umstritten.[372] Während die ältere Rechtsprechung[373] auch der „bloßen“ (oder „passiven“) Duldung durch die Behörde unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes gegenüber dem Bürger eine rechtfertigende Wirkung beigemessen hat, verneint die heute h.M., dass durch ein bloßes Untätigbleiben der Behörde (zumal, wenn dieses auf Unkenntnis zurückzuführen ist) die Strafbarkeit beseitigt werden kann.[374] Begründet wird diese Auffassung überwiegend damit, dass das Verwaltungsrecht keine informellen Gestattungsakte oder Befugnisse kennt und demnach die Behörde hierzu auch nicht ermächtigt sein kann. Eine tatbestandliche Gewässerverunreinigung ist deshalb auch dann „unbefugt“, wenn der Gewässerbenutzer sich darauf berufen kann, dass die Verwaltungsbehörde untätig geblieben ist und seine Abwassereinleitungen nicht verhindert hat.[375] Anders wird die Situation beurteilt, in der sich ein Gewässerbenutzer nicht nur auf die Kenntnis und das Untätigsein der Behörde berufen kann, sondern zudem darauf, dass sich diese nach außen erkennbar zustimmend verhalten hat.[376] Dieser Fall, der einer konkludenten Erlaubniserteilung gleichkommt[377], wird gemeinhin als „aktive Duldung“ bezeichnet.[378] Hierunter fallen Absprachen zwischen Behörde und Unternehmer über eine bestimmte Form der Gewässerbenutzung,[379] die Kenntnis und positive Billigung der Behörde bezüglich einer Abwassereinleitung[380] oder der Fall, dass einem Unternehmen seitens der Behörde für eine Übergangszeit (Umschlussmaßnahmen) oder im Hinblick auf Modernisierungsarbeiten (z.B. während der Errichtung einer Kläranlage) formlos die Weiterführung der Produktion ermöglicht werden soll.[381]
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Das Hauptanwendungsgebiet für die rechtfertigende Duldung werden allerdings diejenigen Fälle sein, in denen der industrielle Gewässerbenutzer zwar über alte, aber zwischenzeitlich aufgrund der fortgeschrittenen industriellen Entwicklung wohl unzulängliche und überholte Einleiterechte verfügt. Eine „Nachbesserung“ der Einleitebescheide wurde in derartigen Fällen im Allgemeinen von der (wasserrechtlichen) Verwaltungsbehörde in der Vergangenheit nicht vorgenommen, die jedoch im Zusammenhang mit anderen zwischenzeitlich durchgeführten Genehmigungsverfahren über den (erheblich) geänderten oder vermehrten Abwasseranfall unterrichtet ist und diesen nie beanstandet hat. Der Gewässerbenutzer beruft sich in diesen Fällen im Allgemeinen darauf, dass die Behörde über alle Veränderungen bestens informiert gewesen sei und, da sie „sehenden Auges“ keinerlei Schritte unternommen habe, einen Vertrauenstatbestand geschaffen und die geänderte Gewässerbenutzung damit konkludent erlaubt habe.
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Ohne dass es in diesem Fall erforderlich wäre, eine Differenzierung zwischen der „bloßen“ und der „aktiven“ Duldung vorzunehmen, erscheint es hier unbillig, dem Gewässerbenutzer einen strafrechtlichen Vorwurf zu machen, etwa, weil dieser fälschlicherweise das Untätigbleiben der Behörde als konkludente Erlaubniserteilung (durch Duldung) interpretiert hat. Die Behörde ist über alle vorgenommenen Änderungen informiert, ohne förmlich eingeschritten zu sein. Der Gewässerbenutzer kann unter diesen Umständen darauf vertrauen, dass die Behörde von ihrer Möglichkeit zur Gestaltung und Anpassung der Genehmigung keinen Gebrauch machen will. Dies kann sich ihm als Form einer Ermessensentscheidung darstellen. Ihm als Bürger kommt nicht die Verpflichtung zu, einen möglicherweise rechtswidrigen Zustand zu erkennen und darauf hinzuwirken, dass dieser durch die Behörde beendet wird.[382] Zumindest schuldhaftes Handeln kann ihm deshalb nicht vorgeworfen werden.
Zur Bedeutung EU-ausländischer Genehmigung vgl. oben Rn. 17 und 22.[383]
2. Die Grenzwerte
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Um den Rahmen der Befugnis einer wasserrechtlichen Einleiteerlaubnis zu kennzeichnen, werden häufig von der Behörde Grenzwerte für einzelne Inhaltsstoffe oder auch Summenparameter festgesetzt, die der Gewässerbenutzer bei der Abwassereinleitung einhalten muss. Es handelt sich dabei im Allgemeinen um Auflagen[384] der Einleiteerlaubnis mit der Konsequenz, dass die Einleitung nur mit der Maßgabe gestattet ist, dass auch die Auflagen erfüllt werden. Auflagen, die Grenzwertfestlegungen für das Abwasser beinhalten, werden in aller Regel unmittelbar den Schutz des Gewässers betreffen, so dass eine Überschreitung der Grenzwerte, die zu einer nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften führt, grundsätzlich die Befugnis i.S.d. § 324 StGB entfallen lässt.[385] Ist eine Grenzwertauflage dagegen ausnahmsweise für das Gewässer von nachrangiger Bedeutung (was immer dann anzunehmen ist, wenn die Einleiteerlaubnis auch ohne die entsprechende Auflage erteilt worden wäre), wird die Nichteinhaltung allenfalls als Ordnungswidrigkeit (§ 103 Abs. 1 Nr. 2 WHG) zu ahnden sein.[386]
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Im Wasserhaushaltsgesetz findet sich der Begriff des Grenzwertes nicht. Nach § 57 Abs. 2 WHG ist die Bundesregierung allerdings ermächtigt, unter strenger Beachtung des Standes der Technik Mindestanforderungen an die Einleitung von Abwasser in Gewässer festzulegen. Im Regelfall geschieht dies durch Inhalts- und Nebenbestimmungen.[387] Deren Kriterien begrenzen die wasserrechtliche Erlaubnis zum Einleiten von Abwasser.[388]
Das Problem bei der Festlegung von Grenzwerten für Abwasser liegt darin, dass der Abwasseranfall und die Abwasserzusammensetzung regelmäßig Schwankungen unterworfen sind. Dies gilt sowohl für das produktionsbedingte Abwasser, das im Allgemeinen aus unterschiedlichen und häufig wechselnden Produktionsabläufen stammt, als auch für die Abläufe aus den Abwasseranlagen, die generell vom Betreiber der Abwasseranlagen nur bedingt gesteuert werden können.[389] Dies bedeutet aber, dass mit der Festsetzung von Grenzwerten dem Gewässerbenutzer eine Verpflichtung auferlegt wird, deren Einhaltung nicht in jedem Fall von seinem steuerbaren Verhalten abhängt, sondern vielmehr vom (naturwissenschaftlichen) Zufall.
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Eine Konsequenz aus dieser Erkenntnis war die Einführung des sogenannten Überwachungswerts, mit dem den unvermeidbaren Schwankungen beim Schadstoffausstoß im Abwasser Rechnung getragen werden soll.[390] Wird dem Betreiber einer Anlage im Rahmen einer behördlichen Einleiteerlaubnis als Auflage ein bestimmter Überwachungswert aufgegeben (z.B. Phosphor 4 mg/I), ist er verpflichtet, diesen einzuhalten. Der Wert gilt allerdings auch dann noch als gewahrt, „wenn das arithmetische Mittel der Ergebnisse aus den letzten fünf im Rahmen der staatlichen Gewässeraufsicht durchgeführten Untersuchungen diesen Wert nicht überschreitet (sog. „Vier-von-fünf-Wert“[391]). Untersuchungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, sollen dabei unberücksichtigt bleiben“.[392] Haben demnach die letzten fünf Messungen jeweils einen Wert von 6, 2, 5, 3 und 4 mg/I (zusammen: 20 mg/l, geteilt durch 5 = 4 mg/1 = der vorgegebene Überwachungswert) ergeben, ist der Überwachungsgrenzwert eingehalten. Wurden dagegen folgende Werte gemessen: 8, 2, 5, 3 und 4 mg/1 (zusammen: 22 mg/l, geteilt durch 5 = 4,4 mg/1 = Überwachungswert überschritten), gelten dann sowohl die erste (Wert 8 mg/l) als auch die dritte Messung (Wert 5 mg/l) als verwaltungsrechtlicher Verstoß gegen eine Auflage der Einleiteerlaubnis.
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Der Überwachungswert ist nach der überwiegenden Auffassung kein taugliches Mittel zur Begrenzung der im strafrechtlichen Sinne rechtfertigenden Wirkung einer wasserrechtlichen Einleiteerlaubnis.[393] Es widerspricht dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, wenn die Voraussetzungen für eine strafrechtlich relevante Überschreitung des Überwachungswertes (z.B. bei der ersten Messung) von künftigen, dem Täter noch unbekannten Ereignissen (nämlich den Ergebnissen der danach erst noch durchzuführenden weiteren vier Messungen) abhängen. Das LG Bonn hat mit dieser Begründung die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss des AG Bonn, mit dem ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen § 324 StGB durch die Überschreitung des Überwachungswertes nicht eröffnet worden war, zurückgewiesen.[394]
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In derselben Entscheidung hat sich das LG Bonn auch gegen die (ersatzweise) Heranziehung des ebenfalls, jedoch in einer anderen Rubrik des betreffenden Einleitebescheids ausgewiesenen abgabenrechtlichen Höchstwertes als Kriterium für den Umfang der Befugnis ausgesprochen. Es begründet dies damit, dass – wenn nicht ausdrücklich der wasserrechtliche Grenzwert mit dem abgabenrechtlichen verknüpft wird – letzterer nur für die abgabenrechtlichen Festsetzungen Geltung hat.
Bestimmt die Einleiteerlaubnis für bestimmte Stoffe jeweils einen Höchstwert (oder eine Höchstgrenze für einen Summenparameter, z.B. den CSB, sog. Chemischer Sauerstoffbedarf, der zum Abbau (Oxydation) von organischen Stoffen benötigt wird, oder den BSB 5, sog. Biologischer Sauerstoffbedarf, der diejenige Menge Sauerstoff angibt, die Bakterien im Zeitraum von fünf Tagen für den Abbau von Verunreinigungen im Abwasser benötigen), führt auch hier grundsätzlich noch nicht jede Überschreitung zum Wegfall der wasserrechtlichen Befugnis. Wegen der aus naturwissenschaftlichen Gründen zu beobachtenden Unberechenbarkeit der Interdependenz der Abwasserinhaltsstoffe, z.B. der Mikroorganismen in den Kläranlagen, kann es zu einzelnen Überschreitungen der Höchstwerte kommen, die trotz bester Bemühungen weder vermeidbar sind noch auf überhaupt eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden können. Es ist deshalb in der Regel davon auszugehen, dass jede Einleiteerlaubnis, in der Höchstgrenzwerte festgesetzt sind, unter dem ungeschriebenen Vorbehalt steht, dass einzelne Überschreitungen (sog. „Ausreißer“) den Befugnisrahmen nicht sprengen.[395]
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Für die strafrechtliche Beurteilung ist Folgendes von Bedeutung: Für die Frage der tatbestandsmäßigen Erfüllung der Gewässerverunreinigung i.S.d. § 324 StGB sind nicht die in den allgemeinen Abwasserverwaltungsvorschriften vorgegebenen Einleitekriterien maßgeblich, sondern allein, was dem jeweiligen Gewässerbenutzer in dessen individueller wasserrechtlicher Erlaubnis an Abwassereinleitung gestattet ist.[396] Die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 57 WHG) und der allgemeinen Abwasservorschriften (z.B. AbwV) richten sich gerade nicht an den jeweiligen Gewässerbenutzer, sondern sind – wie das Wasserhaushaltsgesetz selbst – die Grundlage für die von den Verwaltungsbehörden im Einzelfall gegenüber dem jeweiligen Gewässerbenutzer zu erlassenden wasserrechtlichen Gestattungsakte (Verwaltungsakte).[397] Insofern ist die Auffassung abzulehnen, nach der in Fällen, in denen es zu keiner wasserrechtlichen Einzelanordnung gekommen ist, jedenfalls die Verletzung allgemeiner materieller Betreiberpflichten zur Grundlage des strafrechtlichen Vorwurfs gemacht werden können soll.[398] Dies gilt z.B. auch für die Minimierungspflicht in § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG, nach der eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser nur erteilt werden darf, „wenn die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies … nach dem Stand der Technik möglich ist“.[399] Dies bedeutet auf der einen Seite, dass eine behördlich nicht genehmigte Gewässerverunreinigung nicht dadurch „geheilt“ wird, dass der Einleitende darauf verweist, die Schadstoffe hätten sich aber im Rahmen der Vorgaben, z.B. der Abwasserverordnung, gehalten. Auf der anderen Seite kann aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, der Gewässerbenutzer habe – bei Einhaltung der in der Einleiteerlaubnis bestimmten Grenzwerte – nicht noch Anstrengungen unternommen, um diese noch weiter zu minimieren.[400]
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Die Messungen der Abwasserinhaltsstoffe sind als solche häufig mit Fehlern behaftet. Das LG Frankfurt hat in einer Entscheidung[401] auf der Grundlage eines statistischen Gutachtens zu regelmäßigen Messungen des pH-Wertes einen durchschnittlichen Messfehler von 1,5 % und bei der Bestimmung des CSB-Wertes eine Analyseungenauigkeit von +/– 6 % angenommen. Das Gutachten eines zweiten Sachverständigen der Statistik, der zu dem Ergebnis gekommen war, dass „grundsätzlich 90 % sämtlicher Grenzwertüberschreitungen aus dem Bereich der Grenzwerte… bereits von der technischen Seite ausfielen“, hatte das Landgericht bei seiner Entscheidung lediglich aus formalen Gründen nicht herangezogen. Ergeben sich die Grenzwertüberschreitungen allein aus den seitens der Behörde aufgegebenen Eigenmessaufzeichnungen eines Unternehmens, sind diese – im Gegensatz zu der zurzeit geübten Praxis – im Strafprozess ohne die ausdrückliche Zustimmung des Beschuldigten nicht verwertbar.[402]
In einem jeden Fall, in dem die Frage von Grenzwertüberschreitungen ansteht, ist das Augenmerk auch auf etwaige Analysefehler und Messungenauigkeiten zu richten.[403]
3. Allgemeine Rechtfertigungsgründe
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Auch das Vorliegen allgemeiner Rechtfertigungsgründe führt zur Annahme befugten Handelns. Insbesondere der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) dürfte bei § 324 StGB zum Tragen kommen. § 34 StGB verlangt die Kollision widerstreitender Interessen[404] und setzt innerhalb des Gewässerstrafrechts voraus, dass die Verletzung des Rechtsguts „Gewässer“ das einzige Mittel ist, um ein höherwertig bedrohtes anderes Rechtsgut zu bewahren.[405] Der Anwendung des § 34 in Not- und Katastrophenfällen (Starkregen, Ausfall der Kläranlage etc.[406]) geht die Frage voraus, ob die Handlung überhaupt erlaubnispflichtig ist. Mit der Neufassung des WHG im Jahr 2009 wurde in § 8 Abs. 2 S. 1 WHG ein Handeln in Notfällen ausdrücklich von der Erlaubnispflicht ausgenommen. Es ist dabei auf die verständige Würdigung eines ex-ante Beobachters abzustellen.[407] Das Unterlassen einer Anzeige an die zuständige Behörde über den Notfall ist nicht bußgeldbewehrt.[408]
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Das LG Bremen[409] hat auch den durch einen Amtsträger angeordneten Einsatz eines Bilgenentölerbootes, der trotz Anwendung der zum damaligen Zeitpunkt möglichen technischen Voraussetzungen noch zu einer Gewässerverunreinigung führte, als i.S.d. § 34 StGB gerechtfertigt angesehen, weil die hierdurch verursachte nachteilige Veränderung wesentlich geringer ausfiel als diejenige, die entstanden wäre, wenn man das Boot nicht eingesetzt hätte.
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Ob die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Vermeidung von Ausfällen in der Produktion oder betriebliche Vermögensinteressen einen rechtfertigenden Notstand begründen können, ist umstritten, mit der Tendenz, diesen Interessen in Einzelfällen Vorrang vor dem Gewässerschutz einzuräumen.[410] In industriell unterentwickelten Regionen dürfte z.B. der Arbeitsplatzsicherung ein hoher Stellenwert einzuräumen sein. Wenn sich der Bau einer Kläranlage einer Gemeinde wegen finanzieller Schwierigkeiten über den gesetzten Termin hinaus verzögert und die Aufrechterhaltung der mit Schmutzwasser belasteten Produktion die einzige Möglichkeit ist, um überhaupt die Betriebsschließung zu verhindern, muss dem Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze der Vorrang vor der vorübergehenden (weiteren) Beeinträchtigung des Gewässers eingeräumt werden. Der BGH hat in einer (älteren) Entscheidung aus dem Jahr 1975[411] die Aufrechterhaltung der Produktion und die Sicherung der Arbeitsplätze als Rechtsgut des § 34 StGB dem Grunde nach gebilligt. In dem entschiedenen Fall waren von der Produktion eines Betriebes Gesundheitsschäden für die Anwohner ausgegangen. Der BGH hat die Auffassung vertreten, dass Gesundheitsschäden als Mittel zur Abwehr der Gefahr für das geschützte Rechtsgut „Produktion“ zwar nicht eingesetzt werden dürften. Er hat den Firmenvertretern jedoch einen entsprechenden unvermeidbaren Verbotsirrtum zugebilligt. Das Unrechtsbewusstsein habe den Verantwortlichen des Unternehmens deshalb gefehlt, weil diese (unvermeidbar) dem Irrtum erlegen seien, die Anwohner müssten die körperlichen Beeinträchtigungen hinnehmen, da sonst der Betrieb hätte eingestellt werden müssen.[412]
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Der Regierungsentwurf zum 1. UKG[413] erwähnt im Zusammenhang mit den Ausführungen über die Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtfertigungsgründe ausdrücklich noch das „sozialadäquate Verhalten“ und nennt als Beispiel für das Eingreifen dieses Rechtfertigungsgrundes den „praktisch nicht vermeidbaren Abfluss unreiner Stoffe von verkehrsreichen Straßen“. Der BGH[414] macht zur allgemeinen Voraussetzung der Rechtfertigung durch sozialadäquates Verhalten, dass sich der Betreffende im Rahmen der normalen Ordnung bewegt und seine Handlungen „übliche, von der Allgemeinheit gebilligte und daher in strafrechtlicher Hinsicht im sozialen Leben gänzlich unverdächtige, weil im Rahmen der sozialen Handlungsfreiheit liegende Handlungen“ darstellen.
VIII. Schuld
1. Vorsatz und Irrtumsproblematik
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Für die vorsätzliche Begehungsweise ist Voraussetzung, dass der Gewässerbenutzer erkennt und weiß, dass sein Handeln oder Unterlassen eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften eines Gewässers zur Folge hat. Da der bedingte Vorsatz ausreicht,[415] genügt es, dass der Täter die Gewässerverunreinigung auch nur billigend in Kauf nimmt. Wer also trotz des Wissens um die Gefährlichkeit eines chemischen Stoffes diesen dennoch auf das ungeschützte Erdreich ablaufen lässt, rechnet nach der Auffassung des BGH[416] regelmäßig mit der Möglichkeit einer Verunreinigung auch des Grundwassers und nimmt diese bei seiner Handlungsweise billigend in Kauf, wobei die Tatbestandsmäßigkeit des § 324 StGB aber in jedem Fall erst dann erfüllt ist, wenn tatsächlich das Grundwasser verunreinigt wurde.
Der (auch bedingte) Vorsatz muss sich im Einzelnen auf folgende Merkmale beziehen:
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- | Hinsichtlich der Gewässereigenschaft muss der Gewässerbenutzer über die tatsächlichen Umstände, die ein Gewässer i.S.d. § 324 StGB ausmachen, vollständig informiert sein.[417] Nimmt er irrtümlich an, dass er lediglich in eine Wasseransammlung einleitet, die nicht mit einem fließenden Gewässer oder dem Grundwasser in Verbindung steht, befindet er sich in einem Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB) und kann demnach allenfalls wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung bestraft werden. Hält er dagegen irrtümlich einen Teich nicht für ein Gewässer i.S.d. § 324 StGB, weil sich in ihm stehendes und kein fließendes Wasser befindet, liegt lediglich ein (für den Vorsatz unbeachtlicher) Subsumtionsirrtum vor, der als Verbotsirrtum gem. § 17 StGB zu beurteilen ist,[418] was bedeutet, dass derjenige ohne Schuld handelt, der den Irrtum nicht vermeiden konnte. Um einen Irrtum nach § 16 StGB handelt es sich aber dann, wenn der Täter irrig annimmt, dass das Gewässer nicht mit dem Wasserkreislauf in Verbindung steht.[419] |
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- | Der Täter muss weiterhin Kenntnis haben von den Umständen, die die Verunreinigung oder nachteilige Veränderung des Gewässers hervorrufen. Er muss sich also über die Schädlichkeit des eingeleiteten Stoffes im Klaren sein.[420] Der Schiffsführer, der Teile eines Anstrichmittels in das Gewässer gelangen lässt, ohne dass ihm die Schädlichkeit des Stoffes bekannt ist und sich diese auch nicht aus einem beigefügten Merkblatt ergibt, handelt ohne Vorsatz.[421] Das Erfordernis des Wissens um die Schädlichkeit bedeutet allerdings nicht, dass dem Täter auch die Inhaltsstoffe des schadstoffhaltigen Abwassers im Einzelnen oder das Ausmaß des konkret zu befürchtenden Gewässerschadens bekannt sein müssen. Es wird als ausreichend angesehen, wenn sich die Kenntnis generell auf die Schädlichkeit des Stoffes und die hierdurch hervorgerufene Gewässerverunreinigung bezieht.[422] Irrt der Täter über das (in § 324 StGB ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal der nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Gewässereigenschaften, nimmt er also an, dass die von ihm verursachte Einleitung von ihrer Qualität her ungeeignet ist, eine nennenswerte Veränderung der Gewässereigenschaften herbeizuführen, führt auch dies über § 16 StGB zum Vorsatzausschluss.[423] Das Gleiche hat zu gelten, wenn der Täter sich über die Ursächlichkeit seines Handelns für die Gewässerverunreinigung im Unklaren ist. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn er irrtümlich annimmt, das Kanalsystem, in das er eine Flüssigkeit einleitet, sei weder mit einem Gewässer noch mit dem Grundwasser verbunden.[424] |
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- | Dem Täter des Unterlassungsdelikts muss zusätzlich bekannt sein, dass er eine Garantenstellung innehat. Weiß er dies nicht, liegt ein Tatbestandsirrtum vor. Kennt er dagegen seine Garantenstellung und irrt er lediglich über den Umfang der hieraus erwachsenden konkreten Garantenpflicht, liegt ein Verbotsirrtum vor.[425] Es kommt dann entscheidend auf die Frage der (Un-)Vermeidbarkeit des Irrtums an. Unvermeidbar kann der Verbotsirrtum[426] z.B. dann sein, wenn der (garantenpflichtige) Betriebsinhaber es aufgrund einer vorläufigen Zusage der Behörde, einer offensichtlichen Duldung oder wegen schwebender Verhandlungen vorübergehend als zulässig ansieht, dass eine wesentliche Auflage des Einleitebescheids nicht erfüllt wird. Aus demselben Grund handelt auch derjenige schuldlos, der einen Höchst(grenz)wert, der den bisherigen Erfahrungen aus der Überwachung entspricht, einmal überschreitet[427]. Das OLG Frankfurt[428] vertritt die Auffassung, dass der Verantwortliche bei „vereinzelt gebliebenen Grenzwertüberschreitungen“ davon ausgehen kann, dass diese innerhalb des von der Behörde gerechtfertigten Rahmens liegen und nimmt deshalb einen den Vorsatz (nicht auch die Fahrlässigkeit) ausschließenden Erlaubnistatbestandsirrtum an. Unvermeidbar ist der Irrtum in der Regel auch dann, wenn der Gewässerbenutzer die Nichtigkeit einer rechtfertigenden behördlichen Erlaubnis nicht kennt[429] oder sich die Behörde, die für die Erteilung einer Erlaubnis zuständig ist, zögernd und widersprüchlich verhält.[430] Die Erkundigung bei dem „möglicherweise befangenen Hausjuristen“[431] soll dann nicht die Unvermeidbarkeit eines Irrtums begründen, wenn in der Vergangenheit durch die Behörde wiederholt auf die Unzulänglichkeit einer betrieblichen Maßnahme hingewiesen worden war.[432] Dies ist aber nicht dahin (miss)zuverstehen, dass generell an der Objektivität von Hausjuristen oder Syndikusanwälten zu zweifeln ist.[433] Geeignete Adressaten der Erkundigungspflicht sollen dagegen Fachverbände, Wasserbehörden und unabhängige Rechtsanwälte sein.[434] |
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- | Der Vorwurf eines vorsätzlichen Verhaltens setzt des Weiteren voraus, dass der Täter über behördliche Auflagen und Anweisungen tatsächlich informiert ist. Eine entsprechende Unkenntnis oder irrtümliche Annahme über die tatsächlichen Voraussetzungen führt über § 16 StGB (Tatbestandsirrtum) zum Vorsatzausschluss.[435] Dies gilt auch dann, wenn der Gewässerbenutzer an den Fortbestand der bereits abgelaufenen Befugnis glaubt.[436] |
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- | Nach derzeit überwiegender Auffassung erstreckt sich der Vorsatz nicht auf das Merkmal „unbefugt“.[437] Wusste der Täter z.B. nicht, dass eine Genehmigung erforderlich ist, liegt nach dieser Auffassung ein Verbotsirrtum vor (§ 17 StGB). Dasselbe soll dann gelten, wenn er irrtümlich annimmt, dass neben einer Genehmigung des Grundstückseigentümers die behördliche Gestattung nicht erforderlich ist.[438] Dass ein (angenommener) Verbotsirrtum auch unvermeidbar sein kann, hat der BGH[439] in einem Fall entschieden, in dem der technische Leiter eines Industrieunternehmens, das gesundheitsbeeinträchtigende Emissionen verursacht hatte, von einer verfehlten Rechtsauffassung hinsichtlich seiner Befugnis ausgegangen war. Trotz aller Gewissensanspannung und des Einsatzes aller Erkenntniskräfte und sittlicher Wertvorstellungen – so der BGH – sei er dem Irrtum erlegen, dass es erlaubt sei, einen Betrieb – der ansonsten hätte eingestellt werden müssen – weiterzuführen, auch wenn dies mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Anwohner verbunden sei. Der BGH führt in diesem Zusammenhang auch aus, dass der Betriebsleiter sich in dieser Auffassung dadurch bestätigt sehen musste, dass auch die Behörden trotz Kenntnis der Sachlage keinen Anlass gesehen hätten, auf eine Einstellung des Betriebes zu drängen oder diese anzuordnen. Für Amtsträger gilt, dass der Verbotsirrtum auch dann eingreift, wenn der Beamte die Grenzen seines Verwaltungsermessens verkennt und sich demzufolge nach seiner subjektiven Auffassung pflichtgemäß verhält.[440] |
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- | Entgegen der h.M. vertritt Ransiek[441] mit guten Gründen die Auffassung, dass sich der Vorsatz auch auf die Kenntnis des Täters von der Erforderlichkeit der verwaltungsrechtlichen Genehmigung zu erstrecken hat. Der Irrtum darüber, dass eine Genehmigung notwendig ist, ist demnach als Tatbestandsirrtum i.S.d § 16 StGB anzusehen, mit der Folge, dass der Vorsatz entfällt. Das Umweltstrafrecht stellt – so Ransiek – auch ansonsten auf die Kenntnis des Täters von der Verwaltungsrechtlage ab und das Merkmal „unbefugt“ könne nur derjenige in seiner Bedeutung erfassen, der auch Kenntnis davon hat, dass eine Genehmigung erforderlich ist.[442] Der BGH hat im Zusammenhang mit § 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB die fehlende Kenntnis vom Erfordernis einer Genehmigung für eine Anlage nach dem (damaligen) KrW-/AbfG als Vorsatz ausschließend erachtet.[443] Dieser (gesetzessystematische) Ansatz ist nur folgerichtig und kann nicht damit in Abrede gestellt werden, dass die einzelnen Umweltstraftatbestände ihren jeweiligen (unabdingbaren) verwaltungsakzessorischen Bezug[444] mit unterschiedlicher Wortwahl („unbefugt“ in § 324 StGB anstelle von „ohne … erforderliche Genehmigung“ in § 327 Abs. 2 StGB) zum Ausdruck bringen.[445] Gegen die Befürchtung, es könne bei Annahme eines Verbotsirrtums eine „Strafbarkeitslücke“ entstehen, verweist Ransiek auf die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der Bestimmung des § 324 StGB.[446] |