Kitabı oku: «Termonia», sayfa 3
Vier
Was lange währt …
Cathy, Annabelle und Finn entschieden sich, einen Teil des Weges zu Fuß zu gehen. Die Sonne lachte von einem wolkenlosen Himmel, die Vögel zwitscherten vergnügt und es roch nach Frühling. Bei diesem herrlichen Wetter war der Streit vom Frühstück zwischen Annabelle und ihrem Bruder fast verflogen.
»Es tut mir leid, Annabelle«, sagte Finn plötzlich.
»Was tut dir leid?«
»Na das, was ich vorhin beim Frühstück gesagt hab, über die Glurox und so.«
»Ja, mir tut es auch leid«, erwiderte Finns Schwester.
»Und was tut dir jetzt leid?«, fragte Cathy in die Runde, erhielt aber kein Antwort.
Stattdessen holte Annabelle ein kleines, mit Leinentuch umwickeltes Päckchen aus ihrem Beutel und reichte es Finn.
Er schaute sie fragend an und begann das Tuch abzuwickeln. Zum Vorschein kamen zwei Brotkanten, getränkt mit süßem Honig.
»Ich weiß doch, dass du unausstehlich bist, wenn du nicht richtig gefrühstückt hast.«
Mit vollem Mund nuschelte Finn: »Bist die beste Schwester der Welt, Annabelle.«
»Hast ja auch nur die eine«, bemerkte Cathy. Die beiden Mädchen lachten und Finn verzog das Gesicht.
»He, wenn ihr nicht aufhört, dann störe ich beim nächsten Mal wieder eure Übungsstunde.« Cathy rollte mit den Augen.
In der Vergangenheit hatte es sich Annabelle zur Aufgabe gemacht, Cathy ein wenig Unterricht im Zaubern zu geben. Doch Cathy stellte recht schnell fest, dass ihre Fähigkeiten viel ausgeprägter und vor allem anders waren, als die ihrer Freundin. So konnte Cathy nicht nur Gegenstände von A nach B zaubern, nein, sie konnte Aussehen und Farbe und manchmal sogar deren Beschaffenheit verändern. Wie genau das funktionierte, wusste Cathy allerdings noch nicht, was sie aber nicht daran hinderte, es immer wieder auszuprobieren. So durchlöcherte sie zum Beispiel an einem Tag sämtliche Eimer, die sich in Annabelles und Finns Haus befanden, ohne es selber zu wissen. Bemerkt wurde es erst, als Finn Wasser holen sollte und sich bei George einen unversehrten Eimer leihen musste. An einem anderen Tag hatte Cathy der Butter auf wundersame Weise eine grüne Farbe und einen bitteren Geschmack verpasst, das Feuerholz zu Staub zerfallen lassen, die Milch angesäuert und Finn ohne Hose dastehen lassen. Letzteres war ihr schon sehr peinlich, auch wenn Annabelle sich den Bauch vor Lachen halten musste.
Bisweilen bekam es Cathy mit der Angst zu tun, wenn sie darüber nachdachte, was wohl alles in ihr schlummerte und wozu sie noch fähig war, ohne eine Ahnung davon zu haben. Doch das Üben lohnte sich, denn Cathy verbesserte sich von Tag zu Tag und beherrschte bereits ein paar sehr zweckmäßige Zauber. Das Fliegen zum Beispiel klappte immer besser. Cathy schaffte es prima, ihre Höhenangst zu besiegen, doch so hoch hinaus wie Finn und Annabelle stieg sie noch nicht in die Lüfte. Sie glaubte, aus drei oder vier Metern Höhe eine Bruchlandung zu machen, war sehr viel ungefährlicher als aus richtig großer Höhe abzustürzen.
Finn lächelte sie dann nur gequält an und pflegte zu sagen: »Es ist egal, wie hoch du bist, Cathy, wenn du ’ne Bruchlandung hinlegst, kann die auch aus geringer Höhe ins Auge gehen.«
Cathy ging dennoch lieber auf Nummer sicher, auch wenn sie ahnte, dass Finn vermutlich recht hatte.
Heute stand zum Glück kein Übungsprogramm an. Nein, heute wollten sie Hesekiel besuchen. Und ja, sie würde fliegen … aber nicht höher als sonst. Hesekiel, der alte Botaniker, Heiler und Alchimist, lebte am Rande von Jorba. Jeder in Termonia kannte und schätze den klugen Mann. Egal, welches Wehwehchen einen plagte, Hesekiel hatte eine Medizin. Wenn das Obst und das Gemüse nicht so gedeihen wollten, wie sie sollten, Hesekiel lieferte stets ein Gebräu, das auch die kleinste Tomate zu einer Melone anschwellen ließ. Und wenn jemand eine Reisekarte benötigte, hatte Hesekiel auch dafür stets einen Plan.
Doch dieses Mal hatte Cathy Hesekiel um einen ganz besonderen Gefallen gebeten. Sie benötigte etwas, das ihrer Mutter und Milo erlaubte, ohne den Gebrauch des Amuletts zwischen Termonia und Watford zu wechseln. Ein schwieriges Unterfangen, denn man hatte den Tunnel, der einst durch die Kastanie im Garten der McAlasters in Watford führte, aus Sicherheitsgründen zerstört. Somit konnte man nur noch mit dem Schlüssel der Welten zwischen Termonia und Watford hin und her reisen, doch den benötigte Cathy selber, um Youla aufzuspüren.
Cathy blickte Annabelle und Finn an. »Was meint ihr, hat Hesekiel etwas gefunden, das für Reisen zwischen Termonia und meiner Welt geeignet ist?
Finn zuckte stumm mit den Schultern und Annabelle erwiderte: »Das werden wir gleich wissen.« Sie steuerte auf das Haus zu, an dessen Wänden sich eine Vielzahl verzweigter Pflanzenstränge emporhangelte. Überall steckten neue Triebe die Köpfe aus den Stängeln. Hier und da sah man schon die eine oder andere Blüte, aber alles in allem war es noch ein wenig zu früh für die ganze Farbenvielfalt, die dieses Haus und der Garten noch verbargen.
Es hatte schon lange nicht mehr geregnet, stellte Cathy fest, als sie den trockenen Boden ansah. Sie erinnerte sich an ihren ersten Besuch bei Hesekiel. Sie wusste, dass man die Lehmwände des Hauses aufgrund der Bepflanzung in ein paar Wochen nicht mehr ausmachen konnte. Die Ranken würden in den schönsten Farben blühen und das kleine Haus in eine Blütenpracht verwandeln, die in ganz Termonia ihres Gleichen suchte. Sie erinnerte sich sogar an den betörenden Duft, den diese exotischen Pflanzen verströmten. Aber irgendwie schien in diesem Jahr alles langsamer zu gedeihen, weil der Regen fehlte.
»Schade, dass die Blumen noch nicht alle blühen«, sagte sie und schaute sich ein wenig traurig um. Auch in den Kräuterbeeten, die Hesekiel so liebevoll angelegt hatte, schimmerte es bereits in zartem Grün.
Annabelle nickte Cathy zu. »Ja, im Sommer ist es wunderbar hier.«
»Hast du auch das Gefühl, dass ein bisschen Regen fehlt, Annabelle?«
»Ja, jetzt, wo du es erwähnst, Cathy. Es ist sehr trocken für die Jahreszeit.«
»Los, kommt jetzt! Wir haben Wichtigeres vor, als Hesekiels Blumen zu bestaunen«, ermahnte Finn seine Begleiterinnen und klopfte an die Tür.
»Nur herein spaziert!«, hörten sie Hesekiel freundlich rufen.
Die drei betraten das Haus und Cathy sah sich erwartungsvoll um, doch sie stellte rasch fest, dass sich nicht sehr viel seit ihrem letzten Besuch verändert hatte. Die Öffnung in der Decke war nach wie vor dort und versorgte den Raum mit Licht. Die alte Pritsche, auf der Hesekiel Verletzte versorgte, stand ebenfalls noch an ihrem Platz. Und auf den Regalen, die an den Wänden und vor den Fenstern angebracht waren, standen allerlei Tinkturen, Schalen mit Mörsern, die vielen seltsamen Instrumente, die sich drehten oder auf- und ab wippten, und viele Töpfe, in denen man bereits kleine Schösslinge sehen konnte.
Cathy wusste, dass viele der Pflanzen eine große Heilkraft für die unterschiedlichsten Gebrechen hatten. Und wahrscheinlich hatte jedes Kraut, das hier heranwuchs, auch ganz sicher magische Kräfte. So wie das Mondgras, dessen Heilkräfte für Cathy noch immer ein großes Wunder waren. Geistesgegenwärtig wandte sie sich dem Regal auf der gegenüberliegenden Seite des Tresens zu. Hier standen sie, große und kleine Töpfe, allesamt bepflanzt mit dem wertvollsten Kraut, das in Termonia je gewachsen war.
»Ich habe euch zwar erwartet, allerdings nicht ganz so früh am Tage.« Wie schon bei ihrem ersten Besuch tauchte Hesekiel auch dieses Mal wie aus dem Nichts hinter dem Tresen auf. Ruckartig drehten sich die drei zu ihm um. Cathy strahlte den betagten Mann im roten Umhang an. Wahrscheinlich hatte er sich noch nie gekämmt, kam es ihr in den Sinn, als sie die wenigen, aber dennoch sehr zerzausten weißen Haare betrachtete. Gebückt, auf seinen Gehstock gestützt stand er da und strahlte nicht minder, als er Cathy anschaute.
»Na, wenn das nicht meine kleine Cathy ist«, sagte er sanft und reichte ihr seine faltige Hand.
»Hesekiel, ich freu mich.« Strahlend legte sie ihre Hand in seine und eine wohlige Wärme durchfuhr sie, die die Härchen an ihren Armen aufstellte.
Hesekiel blickte ihr lächelnd in die Augen. »Voller Tatendrang wie eh und je, jedoch ist da noch etwas anderes, wie ich spüre. Du bist im Besitz einer wertvollen Gabe, Cathy. Nutze sie klug, mein Kind«, riet der Alte und wandte sich Annabelle und Finn zu.
»Die beiden Quinx-Geschwister. Es ist gut zu wissen, dass ihr mit Cathy befreundet seid. Hütet diese Freundschaft wie euren Augapfel, denn sie wird euch eines Tages euer Leben retten.« Liebevoll strich er Finn durchs Haar und streichelte Annabelle die Wange.
Unvermittelt brach Hesekiel seine Bewegungen ab und gab den dreien mittels Handzeichen zu verstehen, dass sie ihm hinter den Verkaufstisch folgen sollten. »Lasst uns nach unten gehen, ich habe Neuigkeiten für euch.«
Eine schmale Wendeltreppe führte nach unten in einen Keller. Nun war Cathy klar, dass es sich nicht um Zauberei handelte, wenn Hesekiel hinter seinem Tresen auftauchte.
»Seit achtsam mit den Stufen, bisweilen hat der Zahn der Zeit an ihnen genagt und einige sind ganz schön wackelig«, warnte der alte Heiler und nahm, den Gehstock fest im Griff, langsam eine Stufe nach der anderen. Die freie Hand rutschte zittrig über den Handlauf.
»Soll ich Sie stützen?«, bot Finn an.
»Nein, nicht nötig, junger Mann. Wenn ihr wieder fort seid, muss ich den Auf- und Abstieg auch allein bewerkstelligen.«
Den Raum, den sie mit der letzten Stufe betraten, würde Cathy als Labor bezeichnen. Weißer Dampf schlängelte sich an der Decke entlang bis hin zur Treppe, um sich schließlich nach oben entweichend aufzulösen. Feuchtwarm war es hier unten und es roch muffig.
»Puh, hier riecht es aber streng«, versuchte Cathy, es milde auszudrücken, und musste ein paar Mal husten. Auch Annabelle und Finn fiel das Atmen hier unten schwer. Das war kein Ort, an dem man sich sehr lange aufhalten wollte, doch Hesekiel schien das nicht zu kümmern.
Auf Tischen und Pulten, die im gesamten Raum verteilt waren, brodelte und köchelte es wie in einer Hexenküche. Die Wand gegenüber der Treppe war bis hoch zur Decke mit Büchern vollgestopft.
»Wow, und ich dachte schon, Glox hätte viele Bücher«, staunte Cathy und schritt ehrfürchtig auf die Bücherwand zu.
Finn und Annabelle gingen ein paar Schritte in den Raum hinein und schauten sich ebenfalls um.
Cathy konnte die Vielfalt an Wissen noch immer nicht fassen. »Haben Sie die alle gelesen?«
»Das sollte man meinen, mein Kind. Für das, was ich tue, ist es notwendig, diese Bücher gelesen zu haben und gegebenenfalls immer mal wieder nachzuschlagen«, bestätigte Hesekiel ihre Frage und steuerte auf eine Werkbank zu, die sich neben einer großen Truhe befand. Neugierig, was Hesekiel dort wohl werkelte, ließ Cathy von den Büchern ab und ging zu ihm hinüber. Die Geschwister folgten ihnen wissbegierig.
»Sieht aus wie bei einem Uhrmacher«, bemerkte Cathy anerkennend und ließ ihren Blick über den Tisch schweifen, an dem Hesekiel bereits Platz genommen hatte. Mit einem Auge schaute der Alte durch ein Vergrößerungsglas, das er sich auf den Kopf gesetzt hatte.
Die kleine Werkbank war übersät mit allerlei merkwürdig anmutenden winzigen Werkzeugen, die alle um einen Gegenstand verteilt waren, der Cathy bekannt vorkam, den sich jedoch nicht zuordnen konnte. Unzählige Zahnräder, Nadeln, Ösen, Spangen und Nieten, hauchdünne Drahtfedern, winzig kleine Schräubchen und etwas, das aussah wie die Kanüle einer Spritze, bedeckten die hölzerne Oberfläche. Inmitten des Wirrwarrs aus Kleinteilen stand eine kleine Kanne, in der Cathy Öl vermutete.
Finn kam näher an den Tisch heran und schaute fragend von einem zum andern. »Was ist das hier?«
Annabelle zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. So ein Sammelsurium an verschiedenartigen Gegenständen habe ich noch nie gesehen«, stammelte sie fassungslos.
»Hol mir den Leuchter da drüben, Finn«, wies Hesekiel den Jungen an und deutete auf einen Kerzenhalter auf einem der Pulte.
Finn tat, wie ihm geheißen, und stellte den Leuchter schwungvoll auf den Tisch.
Schützend beugte sich Hesekiel über die Werkzeuge. »Sachte, Junge! Nicht auszudenken, wenn davon etwas zerstört würde.«
»Was tun Sie hier? Ich dachte immer, Sie seien Heiler und Botaniker. Seit wann sind Sie auch Mechaniker?« Cathy kratzte sich fragend am Kopf.
Annabelle starrte ihre Freundin unwissend an. »Ein was?«
»Das hier ist eines meiner Steckenpferde. Die Botanik, die Heilkunde und auch die Alchemie sind natürlich meine wichtigsten Arbeiten, aber ich liebe es auch, ein wenig zu tüfteln und auszuprobieren.« Hesekiel zwinkerte Cathy geheimnisvoll zu. »Die okularische Linse war, wie ich glaube, eines meiner Meisterstücke.«
»Die ist von Ihnen?«, fragten Annabelle und Finn wie aus einem Munde.
»Ganz recht.« Hesekiel beugte sich zu der Truhe hinunter und versuchte sie zu öffnen.
»Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Cathy hob knarrend den Deckel an.
»Nimm das Tuch herunter«, forderte Hesekiel.
Cathy entfernte das schwarze Tuch und zum Vorschein kamen viele kleine, mit schwarzen Tüchern umhüllte Päckchen.
»Reich mir bitte eins, Cathy.«
»Welches?« Sie blickte ratlos auf die verschiedenen Bündel.
»Egal, gib mir irgendeins.« Hesekiel schmunzelte und seine Augen begannen zu leuchten, als er das von Cathy gewählte Päckchen in den Händen hielt. Vorsichtig wickelte er das Tuch ab.
»Was …«, mehr vermochte Finn nicht zu sagen, als er sah, was Hesekiel vor sich auf den Tisch legte.
»Na, wisst ihr, was das sein könnte?«
»Sieht aus wie ein Käfer«, warf Finn überrascht ein.
»Aber der sieht ganz anders aus, als die, die draußen rumschwirren. Der ist so glänzend«, bemerkte Annabelle verwundert.
»Das liegt daran, dass es kein gewöhnlicher Käfer ist. Dieser hier ist aus Metall«, platzte es aus Cathy heraus.
»Genau genommen aus Gold, Cathy«, erklärte Hesekiel und grinste noch immer über das ganze Gesicht.
Cathy kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aus ihren Büchern wusste sie, dass es solche mechanischen Insekten gab. Auch hatte sie gelesen, dass es immer wieder Tüftler in ihrer Welt gab, die so etwas bauten. Aber sie hätte nie gedacht, dass ausgerechnet hier in Termonia jemand diese Kunst beherrschte. In ihrer modernen Welt war es kein Problem, an das Werkzeug und die Materialien heranzukommen. Aber wie um alles in der Welt war Hesekiel das gelungen? Unternahm er vielleicht hin und wieder einen Abstecher in die Menschenwelt?
»Wie ist das möglich? Ich meine, woher haben Sie die Sachen, die man dafür benötigt? Also das Gold und das Werkzeug und so?«
»Das Werkzeug habe ich mir selber angefertigt und das Gold lieferte mir der Goldstaub den mein Ur-Ur-Ur-Ur …, na du weißt, wen ich meine, vererbt hatte.«
»Sie meinen den Goldstaub, der vor tausend Jahren das Mondgras hervorbrachte?«, fragte Annabelle.
»Genau dieser. Aber nicht alles fiel damals auf den Boden, nein, einen großen Teil des Goldstaubes konnte mein Ur-Großvater zu seiner Zeit auffangen. Er hat es gut verwahrt. Ich habe es gefunden und festgestellt, dass man es nicht nur wie Saatgut behandeln kann. Mit Hilfe des Feuers ist es mir gelungen, den Staub zum Schmelzen zu bringen und ihn mir dann anderweitig zu Nutze zu machen. Zum Beispiel um es für einen solchen Käfer zu verwenden.«
»Ich wette, Sie können diesem Krabbler Leben einhauchen«, war sich Cathy sicher.
»Du bist ein kluges Kind.« Der Alte nahm den Käfer, klappte einen seiner Flügel hoch und zog an einer kleinen Feder, die sich direkt darunter befand. Dann setzte er den Käfer wieder ab und dieser begann zu summen und zu sirren, es tickerte und tackerte und plötzlich klappte er die Flügel auseinander, begann, sie schneller und immer schneller vor- und zurückzubewegen, und hob dann von Tisch hab.
Finn und Annabelle zogen die Köpfe ein, als der kleine Krabbler haarscharf über sie hinwegfegte.
Runde um Runde schwirrte der Käfer durch das Labor, bis Hesekiel seine flache Hand ausstreckte. Sofort drehte das mechanische Insekt ab und steuerte auf die Hand zu, um Sekunden später sicher dort zu landen.
»Hier unten funktioniert das sehr gut. Ich wage allerdings noch nicht, es draußen auszuprobieren. Ich befürchte, mein kleiner Freund könnte sich aus dem Staub machen und womöglich noch in die falschen Hände geraten.« Der Alte nickte zufrieden und wickelte den Käfer wieder in sein Tuch.
»Das ist …« Annabelle war völlig aus dem Häuschen.
»Und das alles ganz ohne Zauberei? Man zieht nur an diesem kleinen Ding unter seinem Flügel und dann schwirrt er los? Haben Sie noch mehr davon?« Wie ein kleiner aufgeregter Junge wippte Finn auf und nieder.
»So ist es. Alles mechanisch erklärbar. Die gesamte Truhe ist voll. Ich habe Libellen, Skorpione, Ameisen, Bienen, nahezu alles, was die Insektenwelt so zu bieten hat. Ist mein ganzer Stolz.«
»Okay, ich bin total begeistert, aber dennoch sind wir wegen etwas anderem hier«, warf Cathy ein.
»Ja, richtig, das hätte ich fast vergessen.« Der Alte reichte Cathy den umhüllten Käfer.
»Leg ihn bitte zu seinen Geschwistern«, bat er und wandte sich an Finn. »Ich zeige sie dir ein anderes Mal, mein Junge.«
Hesekiel schaute jetzt zu Cathy, die den Alten ihrerseits voller Erwartung ebenso ansah.
»Den Schlüssel der Welten zu kopieren, ist leider unmöglich, Cathy. Auch ein zweiter Tunnel nach Watford lässt sich nicht so ohne Weiteres bewerkstelligen. Der Spiegel, von dem Glox dir erzählte, ist leider auch nicht für unser Vorhaben zu gebrauchen.«
Cathy erinnerte sich an Glox’ Worte, als er ihr von dem alten Spiegel berichtete, den er einst bei Hesekiel gesehen hatte. Und da in Termonia so ziemlich alles magisch oder zumindest anders als die Dinge in Watford war, war auch dieser Gegenstand kein gewöhnlicher Spiegel.
»Heißt das, wir haben nichts, was es meiner Mom und Milo ermöglicht, zwischen Watford und hier zu reisen?« Cathy war aufgebracht, sollte alles Hoffen umsonst gewesen sein?
»Das ist nicht gut«, fuhr sie fort. »Dann haben wir ein echtes Problem. Ich kenne meine Mom, sie wird sich ganz sicher nicht dazu entscheiden, nur hier zu leben. Sie hängt zu sehr an unserer Welt. Und ich kann mich nicht auf die Suche nach dieser Hexe machen, wenn ich nicht hundertprozentig weiß, dass meine Mom in Sicherheit ist!«
»He, schon gut, uns fällt was anderes ein, ich versprech’s«, versuchte Finn Cathy zu trösten und drückte liebevoll ihre Schulter.
»Hör auf, Finn …« Cathy wischte seine Hand weg. »Sie und Milo werden uns begleiten wollen und das werde ich nicht zulassen. Es sind schon genug Menschen gestorben, weil sie mir helfen wollten.«
Hesekiel räusperte sich, nahm den Gegenstand vom Tisch, an dem er zuvor noch gearbeitet hatte, und zeigte ihn in die Runde. »Ganz hoffnungslos ist die Lage nicht«, raunte er.
Cathy schaute auf. »Haben Sie etwa doch was gefunden?«
»Sagen wir mal so: Ich glaube, das Etwas hat mich gefunden.« Er zeigte eine münzgroße silberne Scheibe, die aus vielen Zahnrädern, Federn und winzig kleinen Stiftnadeln montiert war. »Ich muss nur noch den Omihynstaub hier hineinstreuen und es dann zusammensetzen.« Er öffnete ein kleines Säckchen, fasste mit Daumen und Zeigefinger hinein und streute behutsam ein golden glänzendes Pulver auf die Zahnräder, dann setzte er sich die Lupe wieder auf den Kopf und schaute mit dem einem Auge hindurch. Vorsichtig legte er den Deckel auf die Scheibe und drehte die kleinen Schräubchen wieder in ihre Löcher. Zum Schluss befestigte er ein Zahnrad an der Seite und betrachtete sein Werk.
»Moment mal …« Cathy nahm ihm die Scheibe ab und schaute sie genauer an. Der Glasdeckel, der das Bild darunter schützte, war ein wenig gesprungen. Zwei goldene Symbole konnte Cathy auf dem tiefblauen Untergrund sehen. Bei näherer Betrachtung erkannte sie, dass es keine Symbole sondern geschwungene Buchstaben waren. Ein T auf der einen und ein W auf der gegenüberliegenden Seite. Eine winzige goldene Pfeilspitze, die an einem Pendel befestigt war, wiegte sich hin und her und zeigte mal auf das T und mal auf das W.
»Das ist meine alte Armbanduhr. Ich hatte sie hier gegen meinen Bogen eingetauscht. Sie sieht zwar verändert aus, aber ich erkenne sie wieder. Das Glas hatte einen kleinen Sprung, seht ihr, hier …« Sie zeigte Finn und Annabelle den kleinen Riss im Glas. »… und einer der Stifte, die das Armband hielten, fehlte. Wo haben Sie die her und was haben Sie daraus gemacht?«
Hesekiels Blick wanderte zu Cathy, die ein wenig erschrak, als sie in das riesige Auge des Alten schaute. Der Alte erschrak nicht minder. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er seine Lupe noch auf dem Kopf hatte, und glotzte mit einem Auge durch das Vergrößerungsglas. Rasch nahm er sie vom Kopf, dann machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit. Er nahm Cathy die Uhr wieder ab, grinste weiter und schwieg.
»Was ist so komisch daran?« Finn fand nichts Lustiges an der Situation.
»Ja, sagen Sie es uns«, drängte auch Anabelle voller Neugier.
»Nun …«, begann Hesekiel zufrieden, »… wenn dies ursprünglich dein Eigentum war, wie du sagst, dann sollte der Zauber seine Wirkung nicht verfehlen. Auch wenn diese Uhr, wie du sie nennst, mittlerweile durch viele Hände gegangen ist und jeder, der sie besaß, ein wenig daran verändert hat, so bleibt ihr Ursprung also Watford in London. Ich konnte sie auf dem Markt erstehen und sie für unsere Zwecke etwas bearbeiten. Ich nenne es Perpentikulum. Und jetzt wollen wir schauen, ob es auch funktioniert.«
Er drehte an dem kleinen Rädchen und stellte das Pendel mit der Pfeilspitze auf den Buchstaben W. Im nächsten Augenblick legte sich ein goldener Schein um die Scheibe und das Perpentikulum begann zu surren und zu pfeifen.
»Wow, was für ein Ton, schrecklich!« Cathy hielt sich die Ohren zu und kniff die Augen zusammen. Urplötzlich war es wieder still.
»Er ist weg«, stellte Finn erstaunt fest. »Einfach so.«
Cathy öffnete die Augen. »Glaubt ihr, er ist gerade in Watford? Das wäre ja fantastisch, dann könnten wir bald aufbrechen«, freute sie sich.
»Noch ist er nicht wieder hier, Cathy. Freuen wir uns also nicht zu früh«, stoppte Annabelle den Eifer ihrer Freundin.
Die drei warteten, doch Hesekiel kehrte auch nach geraumer Zeit nicht zurück.
»Wir nehmen das Amulett und schauen bei mir zu Hause nach«, beschloss Cathy. »Vielleicht ist er ja tatsächlich dort gelandet und wird nun von meiner Mom mit Fragen bombardiert.« Als sie das Amulett hervorholte und an ihr Herz legen wollte, vernahmen sie Hesekiels Stimme aus dem Verkaufsraum. Sofort eilten die drei nach oben.
Der Alte stand am Tresen und betrachtete das Perpentikulum von allen Seiten. Doch er war nicht allein … Glox stand neben ihm und Cathy fand, dass beide ein wenig zerzaust aussahen. Auch die Geschwister schauten sich irritiert an.
»Du solltest noch etwas an der Feinabstimmung arbeiten, mein Lieber«, mahnte Glox seinen alten Freund. »Nicht auszudenken, wo man landen könnte, wenn mit der Navigation etwas schiefgeht. Bedenke, dass dieses Perpentikulum kein Schlüssel der Welten ist.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Glox«, versicherte Hesekiel. »Auch ist die Reise noch immer sehr holperig, wenn du mich fragst. Vielleicht könnte ich auch daran noch etwas ändern. Lass uns gleich ans Werk gehen.«
»Hallo? Haben Sie uns etwa vergessen?«, fragte Annabelle. »Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt, als Sie einfach verschwunden und nicht zurückgekommen sind.«
»Hallo Kinder«, begrüßte sie Glox herzlich.
Verwirrt blickte Hesekiel von einem zum anderen. »Was tut ihr denn hier?«
Entgeistert schauten die drei sich an.
»Aber …« Cathy war so geplättet, dass sie nichts mehr sagen konnte.
»Oh ja, richtig …« Hesekiel schlug sich vor die Stirn. »Tut mir leid, aber ich war so in Gedanken … Nun, wie ihr seht, hat es funktioniert. Zwar noch nicht so, wie ich mir das vorstelle, aber ich denke, es bedarf tatsächlich nur noch einer kleinen Feinabstimmung. Wahrscheinlich habe ich ein wenig zu viel Omihynstaub verwendet, was sicher auch meinen kurzzeitigen Gedächtnisverlust erklärt.« Hesekiel nickte, um seine Worte zu bestärken.
»Du hast Omihynstaub?«, fragte Glox sichtlich verblüfft.
»Was? Ach so, ja, den hab ich. Ist wahrscheinlich der letzte, den es gibt. Wissen kann man das natürlich nicht, aber hier in Termonia bin ich mir sicher, dass niemand außer mir diesen magischen Staub besitzt.«
»Aber es gibt hier in Jorba Omihyns. Lindas Dad hat welche, soviel ich weiß.« Cathy freute sich, den alten Herren auch einen Rat geben zu können, doch zu früh gefreut.
»Oh, das sind ganz normale Tiere, Cathy. Dieser Staub hier …« Hesekiel wackelte mit dem kleinen Säckchen. »… ist von ganz besonderen Tieren.«
»Ich habe darüber gelesen«, mischte sich nun Annabelle ins Gespräch ein. »Sie sind weißer als der Schnee und glitzern silbrig im Sonnenlicht. Man sagt, sie tragen ein goldenes Horn auf der Stirn und ihre Augen sollen so blau sein, dass einen ein kalter Schauer ergreift, wenn ihr Blick einen trifft.«
»Also, so wie Einhörner?«
»Nein, ganz und gar nicht, Cathy«, verneinte Glox. »Einhörner gibt es noch, aber die weißen Omihyns sind bereits vor vielen Jahrhunderten ausgerottet worden. Ihr Horn hat magische Kräfte, weshalb die Menschen überall, wo sie auftauchten, Jagd auf diese Tiere gemacht haben.«
Cathy schüttelte verständnislos mit dem Kopf. »Und ich dachte, nur in unserer Welt sind die Leute so abscheulich.«
Hesekiel räusperte sich. »Also gut, genug der Worte, lasst uns versuchen, das Perpentikulum fertig zu stellen, damit deine Mutter und dein Onkel Milo sich zwischen Termonia und Watford frei bewegen können und ihr euch auf die Suche nach Youla begeben könnt, bevor diese Hexe ein neues Unglück heraufbeschwören kann.«
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