Kitabı oku: «Märchen aus China», sayfa 3

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10. Das große Wasser

Es war einmal eine Witwe, die hatte ein Kind. Das Kind hatte ein gutes Herz, und alle Leute hatten es lieb. Eines Tages sagte das Kind zu seiner Mutter: »Alle anderen Kinder haben eine Großmutter, ich allein habe keine. Das macht mich sehr traurig.«

»Wir wollen dir eine Großmutter suchen«, sagte die Mutter. Nun kam einmal eine alte Bettlerin vors Haus, die war sehr arm und schwach. Als das Kind sie sah, sprach es zu ihr: »Du sollst meine Großmutter sein!« Und es ging zu seiner Mutter und sagte: »Draußen ist eine Bettlerin, die will ich als Großmutter haben.« Die Mutter war es zufrieden und rief sie ins Haus. Die Alte aber war sehr schmutzig und voll von Ungeziefer. Da sagte der Junge zu seiner Mutter: »Komm, wir wollen die Großmutter waschen!« So wuschen sie die Frau. Die aber hatte sehr viele Läuse. Die suchten sie alle und taten sie in einen Topf. Der ganze Topf ward voll davon. Da sprach die Großmutter: »Werft sie nicht weg; vergrabt sie im Garten! Und ihr sollt sie erst wieder ausgraben, wenn das große Wasser kommt.«

»Wann kommt denn das große Wasser?« fragte der Knabe.

»Wenn den zwei steinernen Löwen vor dem Gefängnis die Augen rot werden, dann kommt das große Wasser«, sagte die Großmutter.

Da lief der Knabe zu den Löwen, aber ihre Augen waren noch nicht rot. Die Großmutter sprach auch zu ihm: »Mach ein kleines Schiff aus Holz und verwahre es in einem Kästchen!« Das tat der Junge. Jeden Tag lief er nun zum Gefängnis und sah die Löwen an, also dass die Leute auf der Straße sich darüber verwunderten.

Eines Tages, als er beim Hühnerschlächter vorbeikam, fragte ihn der, warum er immer zu den Löwen laufe. Da sagte der Junge: »Wenn den Löwen die Augen rot werden, so kommt das große Wasser.« Der Schlächter aber lachte ihn aus. Und am anderen Morgen in aller Frühe nahm er Hühnerblut und strich es den Steinlöwen auf die Augen. Als der Junge sah, dass die Löwen rote Augen hatten, lief er schnell nach Hause und sagte es seiner Mutter und Großmutter. Da sprach die Großmutter: »Grabt nun rasch den Topf aus und holt das Schifflein aus dem Kasten!« Als sie den Topf ausgruben, waren lauter echte Perlen darin, und das Schiff wurde größer und größer, wie ein wirkliches Schiff. Die Großmutter sprach: »Nehmt den Topf mit euch und steigt in das Schiff! Wenn nun das große Wasser kommt, so mögt ihr die Tiere, die daher getrieben werden, retten; aber die Menschen, die Schwarzköpfe, sollt ihr nicht retten!« Da stiegen sie ins Schiff, und die Großmutter war auf einmal verschwunden.

Nun begann es zu regnen, und der Regen strömte immer stärker und stärker vom Himmel herunter. Schließlich waren es nicht mehr einzelne Tropfen, sondern es war nur noch eine Wasserflut, die alles überschwemmte. Da kam ein Hund vorbei getrieben, den retteten sie auf ihr Schiff. Bald darauf kam ein Mäusepaar mit ihren Jungen; die quiekten laut aus Angst. Die retteten sie auch. Das Wasser stieg schon bis an die Dächer der Häuser. Auf einem Dach saß eine Katze, die machte einen krummen Buckel und schrie kläglich. Sie nahmen sie auch in ihr Schiff. Aber das Wasser wurde immer größer und stieg bis an die Wipfel der Bäume. Auf einem Baume saß ein Rabe, schlug mit den Flügeln und krächzte. Auch ihn nahmen sie zu sich. Schließlich kam ein Bienenschwarm daher. Die Tierchen waren ganz naß geworden und konnten kaum mehr fliegen. Da ließen sie auch die Bienen zu sich herein. Endlich kam ein schwarzhaariger Mensch auf den Wellen vorüber. Der Knabe sprach: »Mutter, den wollen wir auch retten!« Die Mutter wollte nicht: »Die Großmutter hat uns doch gesagt, wir dürfen keine Schwarzköpfe retten.« Der Knabe sprach: »Wir wollen den Mann doch retten. Ich habe Mitleid mit ihm und kann es nicht mit ansehen, wie er im Wasser dahintreibt.« So retteten sie denn auch den Mann.

Allmählich verlief das Wasser sich wieder. Sie stiegen aus ihrem Schiff und verabschiedeten sich von dem Manne und den Tieren. Da wurde das Schiff wieder klein, und sie packten es in die Schachtel.

Der Mann aber war lüstern nach ihren Perlen. Er ging hin zum Richter und verklagte den Knaben und seine Mutter. So wurden sie beide ins Gefängnis geworfen. Da kamen die Mäuse und gruben ein Loch in die Mauer. Zu dem Loch kam der Hund herein und brachte ihnen Fleisch, und die Katze brachte ihnen Brot, so dass sie im Gefängnis nicht Hunger leiden mussten. Der Rabe aber flog weg und kam wieder mit einem Briefe an den Richter. Der Brief war von einem Gott geschrieben, und es hieß darin: »Ich wandelte als Bettlerin in der Menschenwelt umher. Da hat der Knabe und seine Mutter mich aufgenommen. Der Knabe hat mich behandelt wie seine Großmutter und sich nicht davor geekelt, mich von meinem Schmutz zu waschen. Darum habe ich sie gerettet aus dem großen Wasser, in dem ich die sündige Stadt, darin sie lebten, zerstörte. Du, o Richter, musst sie freilassen, sonst werde ich Unglück über dich bringen.«

Der Richter ließ sie vor sich kommen und fragte, was sie getan hätten und wie sie durch das Wasser hergekommen seien. Sie erzählten ihm nun alles, und es stimmte mit dem Briefe des Gottes überein. Da strafte er den Mann, der sie verklagt hatte, und ließ sie beide frei.

Als der Knabe herangewachsen war, da kam er in eine Stadt. In der Stadt waren sehr viele Menschen, und es hieß, die Prinzessin wolle heiraten. Um aber den rechten Mann zu bekommen, hatte sie sich verschleiert in eine Sänfte gesetzt und mit vielen anderen Sänften auf den Marktplatz tragen lassen. In allen Sänften saßen verschleierte Frauen, und die Prinzessin war mitten darunter. Wer nun die rechte Sänfte traf, der sollte die Prinzessin zur Frau bekommen. Da ging er auch hin, und als er auf den Platz kam, da sah er, wie die Bienen, die er aus dem großen Wasser gerettet hatte, alle um eine Sänfte schwärmten. Er trat auf die Sänfte zu, und richtig saß die Prinzessin darin. Die Hochzeit wurde nun gefeiert, und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.

11. Der Fuchs und der Tiger

Der Fuchs begegnete einst einem Tiger. Der zeigte ihm die Zähne, streckte die Krallen hervor und wollte ihn fressen. Der Fuchs sprach: »Mein Herr, Ihr müsst nicht denken, dass Ihr allein der Tiere König seid. Euer Mut kommt meinem noch nicht gleich. Wir wollen zusammen gehen, und Ihr wollet Euch hinter mir halten. Wenn die Menschen mich sehen und sich nicht fürchten, dann mögt Ihr mich fressen.«

Der Tiger war es zufrieden, und so führte ihn der Fuchs auf eine große Straße. Die Wanderer nun, wenn sie von fern den Tiger sahen, erschraken alle und liefen weg.

Da sprach der Fuchs: »Was nun? Ich ging voran; die Menschen sahen mich und sahen Euch noch nicht.« Da zog der Tiger seinen Schwanz ein und lief weg. Der Tiger hatte wohl bemerkt, dass die Menschen sich vor dem Fuchse fürchteten, doch hatte er nicht bemerkt, dass der Fuchs des Tigers Furchtbarkeit entlehnte.

12. Des Tigers Lockspitzel

Dass der Fuchs des Tigers Furchtbarkeit entlehnt, ist nur ein Gleichnis; dass aber der Tiger seine Lockspitzel hat, das liest man häufig in Geschichtenbüchern, und auch Großväter reden viel davon, so dass wohl etwas Wahres daran sein muss. Es heißt, dass, wenn der Tiger einen Menschen frisst, sein Geist sich nicht entfernen kann, und der Tiger benutzt ihn dann als Lockspitzel. Wenn er auf Beute ausgeht, so muss der Geist des Gefressenen voran, um ihn zu verdecken, so dass die Menschen nicht den Tiger sehen. Der Geist verwandelt sich dann wohl in ein schönes Mädchen oder ein Stück Gold und Seidenzeug. Alle Arten von Betörung werden angewandt, um so die Menschen in die Schluchten des Gebirges zu locken. Dann kommt der Tiger vor und frisst das Opfer. Der neue Geist muss dann Lockspitzel werden. Der alte ist dann seines Dienstes ledig und kann gehen. So geht’s in stetiger Reihe fort und fort.

Von Leuten, die von listigen und starken Menschen gezwungen werden, zum Schaden anderer sich herzugeben, sagt man darum wohl: »Sie sind des Tigers Lockspitzel.«

13. Der Fuchs und der Rabe

Der Fuchs versteht es zu schmeicheln und viele Listen zu gebrauchen. Einst sah er einen Raben, der mit einem Stück Fleisch im Schnabel auf einem Baum sich niederließ. Der Fuchs setzte sich unter den Baum, sah zu ihm empor und begann ihn zu loben.

»Eure Farbe«, begann er, »ist reines Schwarz; das zeigt mir, dass Ihr die Weisheit Laotses habt, der sein Dunkel zu wahren weiß. Die Art, wie Ihr Eure Mutter zu füttern wisst, zeigt, dass Ihr an kindlicher Liebe der Fürsorge Meister Dsongs für seine Eltern gleichkommt. Eure Stimme ist rau und stark; das zeigt, dass Ihr den Mut besitzt, mit dem einst König Hiang durch seine bloße Stimme seine Feinde zum Fliehen brachte. Ihr seid wahrhaftig der König der Vögel.«

Der Rabe hörte es, ward hoch erfreut und sprach: »Bitte sehr, bitte sehr!«

Aber ehe er sich’s versah, fiel aus dem geöffneten Schnabel das Fleisch zur Erde.

Der Fuchs fing es auf, fraß es und sagte dann lachend: »Merkt’s Euch, mein Herr: Wenn jemand ohne Ursache Euch Lob entgegenbringt, so hat er sicher eine Absicht.«

14. Warum Hund und Katze einander feind sind

Ein Mann und eine Frau hatten einen goldenen Ring. Das war ein Glücksring, und wer ihn besaß, hatte immer genug zu leben. Sie wußten es aber nicht und verkauften den Ring für wenig Geld. Kaum war der Ring aus dem Hause, da wurden sie immer ärmer und wußten schließlich nicht mehr, woher sie genug zum Essen nehmen sollten. Sie hatten auch einen Hund und eine Katze, die mussten mit ihnen Hunger leiden. Da ratschlagten die Tiere miteinander, wie sie den Leuten wieder zu ihrem alten Glück verhelfen könnten. Schließlich fand der Hund einen Rat.

»Sie müssen den Ring wiederhaben«, sagte er zur Katze. Die Katze sprach: »Der Ring ist wohlverwahrt in einem Kasten, wo niemand dazu kann.«

»Fange du eine Maus«, sagte der Hund. »Die Maus soll den Kasten aufnagen und den Ring herausholen. Sag ihr, wenn sie nicht wolle, so beißest du sie tot, dann wird sie es schon tun.«

Dieser Rat gefiel der Katze, und sie fing eine Maus. Nun wollte sie mit der Maus zu dem Haus, wo der Kasten stand, und der Hund ging hinterdrein. Da kamen sie an einen großen Fluss. Und weil die Katze nicht schwimmen konnte, nahm sie der Hund auf den Rücken und schwamm mit ihr hinüber. Die Katze trug die Maus zu dem Haus, wo der Kasten stand. Die Maus nagte ein Loch in den Kasten und holte den Ring heraus. Die Katze nahm den Ring ins Maul und kam zurück zu dem Strom, wo der Hund auf sie wartete und mit ihr hinüberschwamm. Dann gingen sie miteinander nach Hause, um den Glücksring ihrem Herrn und ihrer Frau zu bringen. Der Hund konnte aber nur auf der Erde laufen; wenn ein Haus im Wege stand, so musste er immer darum herum. Die Katze aber kletterte hurtig über das Dach, und so kam sie viel früher an als der Hund und brachte den Ring ihrem Herrn.

Da sagte der Herr zu seiner Frau: »Die Katze ist doch ein gutes Tier, der wollen wir immer zu essen geben und sie pflegen wie unser eigenes Kind.«

Als nun der Hund zu Hause ankam, da schlugen und schalten sie ihn, weil er nicht auch geholfen habe, den Ring wieder heimzubringen. Die Katze aber saß beim Herd und schnurrte und sagte nichts. Da wurde der Hund böse auf die Katze, weil sie ihn um seinen Lohn betrogen, und wenn er sie sah, jagte er ihr nach und wollte sie packen.

Seit jenem Tage sind Hund und Katze einander feind.

15. Die Menschwerdung der fünf Alten

Ehe Himmel und Erde sich getrennt hatten, war alles ein großer Ball von Wasserdunst, der hieß das Chaos. Zu jener Zeit formten sich die Geister der fünf Grundkräfte, und es wurden fünf Alte daraus. Der eine hieß der gelbe Alte, das war der Beherrscher der Erde. Der zweite hieß der rote Herr, das war der Beherrscher des Feuers. Der dritte hieß der dunkle Herr, das war der Beherrscher des Wassers. Der vierte hieß der Holzfürst, das war der Beherrscher des Holzes. Die fünfte hieß die Metallmutter, das war die Beherrscherin der Metalle. Diese fünf Alten setzten alle ihren Urgeist in Bewegung, so dass Wasser und Erde nach unten sanken. Der Himmel schwebte in die Höhe, und die Erde wurde fest in der Tiefe. Dann ließen sie die Wasser sich sammeln in Flüssen und Meeren, und Berge und Ebenen tauchten hervor. Also öffnete sich der Himmel, und die Erde teilte sich. Da gab es Sonne, Mond und alle Sterne, Wind, Wolken, Regen und Tau. Der gelbe Alte ließ der Erde reinste Kraft kreisen und fügte des Feuers und Wassers Wirkungen hinzu. Da sprossten hervor Gräser und Bäume, Vögel und Tiere und die Geschlechter der Schlangen und Kerfe, der Fische und Schildkröten. Der Holzfürst und die Metallmutter vereinigten das Lichte und das Trübe und schufen dadurch das Menschengeschlecht als Männer und Weiber. Allmählich entstand so die Welt.

Zu jener Zeit gab es Einen, der hieß der wahre Fürst des Jaspisschlosses. Er hatte durch Pflege der Magie Zauberkraft erlangt. Die fünf Alten baten ihn, als höchster Gott zu herrschen. Er wohnte über den dreiunddreißig Himmeln. Er besaß das Jaspisschloss aus weißem Nephrit mit goldenen Toren. Vor ihm standen die Verwalter der achtundzwanzig Mondhäuser und die Götter des Donners und des großen Bären, auch außerdem eine Klasse von unheilvollen Göttern mit schlimmem, tötendem EinFluss. Sie alle halfen dem wahren Fürsten des Jaspisschlosses, die tausend Geschlechter unter dem Himmel zu beherrschen, Leben und Tod, Glück und Unglück auszuteilen. Dieser Herr des Jaspisschlosses ist nun der große Gott: der Nephritherrscher.

Jene fünf Alten zogen sich zurück, nachdem sie ihr Werk vollendet, und leben seitdem in stiller Reinheit. Der rote Herr wohnt im Süden als Feuergott. Der dunkle Herr wohnt im Norden als großer Herr des dunklen Nordpolhimmels. Er wohnt in einem Schloss von Wasserkristall. Er hat in späterer Zeit den Konfuzius als Heiligen auf die Erde herab gesandt. Deshalb heißt dieser Heilige der Sohn des Kristalls. Der Holzfürst wohnt im Osten. Er wird verehrt als grüner Herr und waltet über Zeugung und Entstehen aller Geschöpfe. Er ist im Besitz der Frühlingskraft und ist der Gott der Liebe. Die Metallmutter wohnt im Westen am Jaspissee, sie heißt auch Königin-Mutter des Westens. Sie führt den Reigen der Feen und waltet über Wandlung und Wachstum. Der gelbe Alte wohnt in der Mitte. Er wandelt immer in der Welt umher, um zu retten und zu helfen aus allerlei Not. Als er zum erstenmal auf die Welt kam, war er der gelbe Herr, der die Menschen allerlei Künste lehrte. In seinem späteren Alter erforschte er den Weltsinn auf dem Ätherberg und flog zur strahlenden Sonne empor. Unter der Herrschaft des Hauses Dschou wurde er wieder geboren als Li Oerl. Seine Mutter ging einundachtzig Jahre schwanger, ehe sie ihn gebar. Bei seiner Geburt waren sein Bart und sein Haar weiß, darum wurde er Laotse (altes Kind) genannt. Er schrieb das Buch vom »Sinn und Leben« und verkündete seine Lehren der Welt. Er wird als Haupt des Taoismus verehrt. Zu Beginn der Herrschaft des Hauses Han kam er wieder als Alter am Fluss (Ho Schang Gung). Er breitete mächtig aus die Lehre des Tao, so dass von jener Zeit an der Taoismus zu großer Blüte kam. Diese Lehre heißt noch heute die Lehre des gelben Alten. Auch geht ein Wort um: »Erst war Laotse da, nach ihm der Himmel.« Das bezieht sich wohl darauf, dass Laotse eben jener gelbe Alte der Urzeit war.

16. Der Kuhhirt und die Spinnerin

Der Kuhhirt war von Haus aus arm. Mit zwölf Jahren trat er bei einem Bauern in Dienst, seine Kuh zu weiden. Nach einigen Jahren ward die Kuh fett und groß, und ihre Haare glänzten wie gelbes Gold. Es war wohl eine Götterkuh! Eines Tages, als er im Gebirge weidete, begann sie plötzlich mit Menschenstimme zu dem Kuhhirten also zu sprechen: »Heute ist der Siebenabend. Der Nephritherr hat neun Töchter, die baden heute im Himmelssee. Die siebente ist über alle Maßen schön und klug. Sie spinnt für den Himmelskönig und die Himmelskönigin die Wolkenseide und waltet über die Näharbeiten der Mädchen auf Erden. Darum heißt sie die Spinnerin. Wenn du hingehst und ihr die Kleider wegnimmst, kannst du ihr Mann werden und erlangst die Unsterblichkeit.«

»Das ist ja im Himmel«, sagte der Kuhhirt, »wie kann man da hinkommen?«

»Ich will dich hintragen«, antwortete die gelbe Kuh.

Da stieg der Kuhhirt auf den Rücken der Kuh. Im Nu strömten aus ihren Füßen Wolken hervor, und sie erhob sich in die Lüfte. Es schwirrte ihm um die Ohren wie der Ton des Windes, und sie fuhren dahin, schnell wie der Blitz. Plötzlich hielt die Kuh an.

»Nun sind wir da«, sagte sie.

Da sah er rings umher Wälder von Chrysopras und Bäume von Nephrit. Das Gras war aus Jaspis und die Blumen aus Korallen. Inmitten dieser Pracht lag ein hundert Morgen großer viereckiger See. Grüne Wasser wallten wogend, und goldschuppige Fische schwammen darin umher. Dazu gab es unzählige Zaubervögel, die singend auf und nieder flogen. Schon von ferne sah er die neun Mädchen im Wasser. Ihre Kleider hatten sie alle am Ufer abgelegt.

»Nimm rasch die roten Kleider«, sagte die Kuh, »und verstecke dich damit im Walde, und wenn sie dich noch so zärtlich darum bittet, so gib sie ihr nicht eher zurück, als bis sie dir versprochen hat, deine Frau zu werden.«

Da stieg der Kuhhirt eilends vom Rücken der Kuh herunter, nahm die roten Kleider und lief hinweg. In diesem Augenblick wurden die neun Mädchen seiner gewahr. Sie erschraken sehr.

»Woher kommst du, Jüngling, dass du es wagst, unsere Kleider zu nehmen«, sagten sie. »Lege sie schnell wieder hin!«

Aber der Kuhhirt ließ sich’s nicht anfechten, sondern duckte sich hinter eine der nephritenen Blumen. Da kamen acht der Jungfrauen eilends ans Ufer gestiegen und zogen ihre Kleider an.

»Siebente Schwester«, sprachen sie, »der dir vom Himmel bestimmt, ist dir gekommen. Wir Schwestern wollen dich mit ihm alleine lassen.«

So blieb die Spinnerin geduckt im Wasser sitzen.

Sie schämte sich gar sehr und redete zu ihm: »Kuhhirt, gib mir schnell meine Kleider wieder!«

Aber der Kuhhirt stand lachend da.

»Wenn du mir versprichst, meine Frau zu werden«, sagte er, »dann geb’ ich dir deine Kleider.«

Die Jungfrau aber war nicht einverstanden.

»Ich bin eine Tochter des Herrn der Götter«, sagte sie; »ohne seinen Befehl darf ich nicht heiraten. Gib mir schnell meine Kleider wieder, sonst wird dich mein Vater bestrafen!«

Da sagte die gelbe Kuh: »Ihr seid füreinander vom Schicksal bestimmt, ich will gern die Heirat vermitteln, und der Herr, Euer Vater, wird sicher nichts dagegen haben.«

Da sprach die Jungfrau: »Du bist ein unvernünftiges Tier, wie könntest du den Ehevermittler machen?«

Die Kuh sprach: »Am Ufer da, der alte Weidenbaum, versuch es einmal, ihn zu fragen! Kann er sprechen, so ist eure Vereinigung vom Himmel gewollt.«

Und die Jungfrau fragte die Weide.

Die Weide antwortete mit menschlicher Stimme:

 »Siebenabend ist heut,

 Der Kuhhirt die Spinnerin freit.«

Da war die Jungfrau einverstanden. Der Kuhhirt legte die Kleider nieder und ging voran. Das Mädchen zog die Kleider an und folgte ihm nach. So wurden sie Mann und Frau.

Nach sieben Tagen aber nahm sie Abschied von ihm.

»Der Himmelsherr hat mir befohlen, ich solle nach dem Spinnen sehen«, sagte sie. »Wenn ich allzu lange säume, fürchte ich, wird er mich bestrafen. Aber wenn wir jetzt auch scheiden müssen, so werde ich doch wieder mit dir zusammenkommen.«

Als sie diese Worte gesprochen, da ging sie wirklich weg. Der Kuhhirt lief ihr nach. Aber als er schon ganz nahe war, da zog sie einen ihrer Haarpfeile heraus und machte einen Strich quer über den Himmel. Dieser Strich verwandelte sich in den SilberFluss (Milchstraße). So stehen sie nun durch den Fluss getrennt und schauen nacheinander aus.

Seitdem kommen sie jedes Jahr am Siebenabend einmal zusammen. Wenn die Zeit gekommen ist, so fliegen die Krähen aus der Menschenwelt alle herbei und bilden eine Brücke, auf der die Spinnerin denFluss Fluss überschreitet. An diesem Tag sieht man morgens und abends in den Bäumen keine einzige Krähe. Das hat wohl eben darin seinen Grund. Und außerdem fällt am Siebenabend häufig ein feiner Regen. Dann sagen die Frauen und alten Weiber zueinander: ,,Das sind die Tränen, die der Kuhhirt und die Spinnerin beim Abschied vergießen.« Darum ist der Siebenabend ein Regenfest.

Westlich vom HimmelsFluss ist das Sternbild der Spinnerin, bestehend aus drei Sternen. Unmittelbar davor sind drei andere Sterne in Form eines Dreiecks. Es heißt, der Kuhhirt sei einmal böse geworden, als die Spinnerin nicht habe herüber kommen wollen, und habe mit dem Joch nach ihr geworfen. Das sei gerade vor den Füßen der Spinnerin niedergefallen. Östlich vom HimmelsFluss ist das Sternbild des Kuhhirten, bestehend aus sechs Sternen. Abseits davon sind zahllose kleine Sterne, die ein Sternbild formen, das an beiden Enden spitz und in der Mitte etwas breiter ist. Es heißt, die Spinnerin habe mit ihrer Spindel nach dem Kuhhirten wieder geworfen; aber sie habe ihn nicht getroffen, die Spindel sei abseits von ihm niedergefallen.

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