Kitabı oku: «Märchen aus China», sayfa 4

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17. Yang Oerlang

Die zweite Tochter des Himmelsherrn stieg einmal zur Erde hernieder und pflegte heimlichen Verkehr mit einem sterblichen Menschen, namens Yang. Als sie wieder zum Himmel zurückkam, gebar sie einen Sohn. Der Himmelsherr ward sehr zornig über diese Entweihung des Himmels. Er verbannte sie auf die Erde und deckte sie mit dem Wu-I-Berge zu. Ihr Sohn aber, Oerlang geheißen, der Enkel des Himmelsherrn, war von Natur überaus begabt. Als er herangewachsen war, hatte er die geheime Kunst erlernt, acht mal neun Verwandlungen zu beherrschen. Er konnte sich unsichtbar machen oder nach Belieben die Gestalt von Vögeln und Tieren, Gräsern und Bäumen, Schlangen und Fischen annehmen. Auch verstand er es, das Meer auszugießen und die Berge zu versetzen. So kam er zum Wu-I-Berg und rettete seine Mutter. Er nahm sie auf den Rücken und trug sie davon. Auf einer Felsplatte machten sie halt.

Die Mutter sprach: »Ich bin sehr durstig.« Oerlang stieg ins Tal hinunter, um Wasser zu holen, und es dauerte lange, bis er wieder zurückkam. Da fand er seine Mutter nicht mehr. Er suchte emsig, da lagen auf den Felsen ihre Haut und Knochen und einige Blutspuren. Zu jener Zeit standen nämlich noch zehn Sonnen am Himmel, die schienen und brannten wie Feuer. Die Himmelstochter war wohl göttlicher Natur; aber weil sie gefallen war und sich durch die Geburt befleckt hatte, waren ihre Zauberkräfte gebrochen. Auch war sie so lange unter dem Berge im Dunkel gewesen, dass, als sie nun plötzlich ans Sonnenlicht kam, sie von dem blendenden Schein verzehrt wurde.

Als Oerlang das traurige Ende seiner Mutter bedachte, da tat es ihm im Herzen wehe. Er nahm zwei Berge auf die Schultern und verfolgte die Sonnen und drückte sie mit den Bergen tot. Immer, wenn er eine Sonnenscheibe erdrückt hatte, hob er wieder einen neuen Berg auf. So hatte er von den zehn Sonnen schon neun erschlagen. Nur eine war noch übrig. Da Oerlang sie unablässig verfolgte, versteckte sie sich in ihrer Not unter den Blättern des Portulaks. Oerlang suchte sie vergeblich. Es war aber ein Regenwurm in der Nähe, der verriet ihr Versteck und sagte immer: »Da ist sie! Da ist sie!«

Oerlang wollte sie eben packen, da stieg plötzlich ein Bote des Himmels hernieder, der brachte einen Befehl des Himmelsherrn: »Himmel, Luft und Erde bedürfen des Sonnenscheins. Du musst die eine Sonne übrig lassen, damit alle Geschöpfe am Leben bleiben. Weil du aber deine Mutter gerettet hast und dich als einen guten Sohn gezeigt, sollst du zum Gotte werden und in der höchsten Himmelshalle mein Leibwächter sein, über Gut und Böse in der Menschenwelt wachen und Macht haben über Teufel und Dämonen.« Als Oerlang den Befehl erhalten hatte, stieg er zum Himmel empor.

Da kam die Sonnenscheibe unter den Blättern des Portulaks wieder hervor, und aus Dankbarkeit, weil er sie gerettet hatte, verlieh sie ihm die Gabe leichten Wachstums und dass er sich vor dem Sonnenschein nicht zu fürchten braucht. Noch heute sieht man unten an den Blättern ganz feine, weiße Perlchen. Das ist der Sonnenschein, der an ihnen hängen blieb, als die Sonne sich darunter versteckt hatte. Den Regenwurm aber verfolgt die Sonne, wenn er sich aus der Erde hervorwagt, und trocknet ihn aus zur Strafe für seinen Verrat.

Oerlang wird seitdem als Gott verehrt. Er hat schiefe, scharf geschnittene Augenbrauen und ein dreizackiges, zweischneidiges Schwert in der Hand. Zwei Diener stehen neben ihm mit einem Falken und einem Hund; denn Oerlang ist ein großer Jäger. Der Falke ist der Götterfalke, und der Hund ist der Götterhund. Wenn Tiere Zauberkräfte erlangen oder Dämonen Menschen bedrücken, so bändigt er sie mit dem Falken und dem Hund.

18. Notscha

Die älteste Tochter des Himmelsherrn hatte den Feldherrn Li Dsing geheiratet. Ihre Söhne hießen Gintscha, Mutscha und Notscha. Mit der Geburt des Notscha verhielt es sich aber also: Drei Jahre und sechs Monate war seine Mutter guter Hoffnung. Da träumte ihr bei Nacht, dass ein Taoist zu ihr ins Zimmer kam. Erzürnt wies sie ihn hinaus. Er aber sprach: »Schnell empfange den göttlichen Sohn!« Damit tat er eine leuchtende Perle in ihren Leib. Die Frau erschrak darüber so sehr, dass sie erwachte. Sie gebar nun eine Kugel aus Fleisch, die sich kreisend drehte wie ein Rad, und das ganze Zimmer erfüllte sich mit seltsamen Düften und rotem Licht.

Li Dsing erschrak sehr und hielt es für einen Spuk. Er schlug mit seinem Schwert die Kugel entzwei, da sprang ein kleiner Knabe daraus hervor, der leuchtete am ganzen Leib in rotem Glanz. Sein Gesicht aber war zart und weiß wie Schnee. Am rechten Arm trug er einen goldenen Reif, und um die Hüften hatte er ein Stück rote Seide gewunden, dessen gleißender Schein die Augen blendete. Als Li Dsing das Kind sah, erbarmte er sich seiner und tötete es nicht. Sein Weib aber fasste eine große Liebe zu dem Knaben.

Nachdem drei Tage um waren, kamen die Freunde alle, um Glück zu wünschen. Sie saßen eben beim Mahle, als ein Taoist eintrat, der sprach: »Ich bin der Große Eine. Dieser Knabe ist die lichte Perle des Uranfangs, dir zum Sohne verliehen. Doch ist der Knabe wild und ungebärdig und wird viele Menschen töten. Darum will ich ihn zum Schüler nehmen, um seine wilde Art zu sänftigen.« Li Dsing neigte sich dankend, und der Große Eine verschwand.

Als Notscha sieben Jahre alt war, ging er einmal von zu Hause weg. Er kam zum Fluss der neun Krümmungen, dessen grüne Wasser zwischen zwei Reihen von Hängeweiden dahin flossen. Der Tag war heiß. Notscha stieg ins Wasser, um sich zu kühlen. Er band sein rotes Seidentuch los und schwenkte es im Wasser, es zu waschen. Das ganze Wasser wurde rot davon. Wie aber Notscha so dasaß und das Tuch im Wasser schwenkte, da wurde das Schloss des Drachenkönigs im Ostmeer bis in seine Grundfesten erschüttert. Darum sandte der Drachenkönig einen Triton aus, schrecklich anzuschauen, der sollte sehen, was es gebe. Als der Triton den Knaben sah, begann er zu schelten. Der aber blickte auf und sprach: »Was bist du für ein seltsames Tier und kannst sogar sprechen?« Da wurde der Triton wild, sprang herzu und schlug mit seiner Axt nach Notscha. Der wich dem Schlage aus und warf seinen goldenen Armreif nach ihm. Der Reif traf den Triton auf den Kopf, dass das Hirn herausspritzte und er tot zusammensank.

Lachend sagte Notscha: ,,Nun hat er mir auch noch meinen Ring mit Blut besudelt.« Und er setzte sich nieder auf einen Stein, um seinen Ring zu waschen. Da begann das Kristallschloss des Drachen zu beben, dass es dem Einsturz nahe war. Auch kam ein Wächter und meldete, der Triton sei von einem Knaben erschlagen worden. Da sandte der Drachenkönig seinen Sohn, um den Knaben zu fangen. Der Sohn setzte sich auf das Wasser zerteilende Tier und kam im Brausen großer Wasserwogen heran. Notscha richtete sich auf und sagte: »Das ist eine tüchtige Welle.« Plötzlich sah er in den Wogen ein Tier auftauchen, darauf saß ein gewappneter Mann, der schrie mit lauter Stimme: »Wer hat meinen Triton umgebracht?« Notscha antwortete: »Der Triton hat mich umbringen wollen, da habe ich ihn totgeschlagen, das tut doch nichts.« Da fuhr der Drache mit seiner Hellebarde auf ihn los. Aber Notscha sprach: »Sag an, wer bist du, ehe wir kämpfen?« — »Ich bin der Sohn des Drachenkönigs«, war die Antwort. — »Und ich bin Notscha, der Sohn des Feldherrn Li Dsing. Du musst mich durch deine Gewalttätigkeit nicht böse machen, sonst zieh’ ich dir mitsamt deinem Alten, dem Schlammfisch, die Haut ab!« Da ward der Drache wild und kam grimmig herangestürmt. Notscha aber warf sein rotes Tuch in die Luft, dass es wie eine Feuerkugel blitzte und den Drachenjüngling von seinem Tier herunterwarf. Nun nahm Notscha seinen goldenen Reif und schlug ihn auf die Stirn, dass jener in seiner wahren Gestalt als goldener Drache sich zeigen musste und tot zusammenbrach.

Notscha lachte: »Ich habe sagen hören, dass man aus Drachensehnen gute Stricke machen kann. Ich will ihm eine herausziehen und meinem Vater bringen, der kann sich seinen Panzer damit festbinden.« Damit zog er ihm die Rückensehne heraus und nahm sie mit heim.

Unterdessen war der Drachenkönig wütend zu Notschas Vater Li Dsing geeilt und hatte seine Auslieferung verlangt. Li Dsing aber sprach: »Ihr müsst euch irren, mein Junge ist erst sieben Jahre alt, der ist zu solchen Untaten nicht imstande.« Während sie noch stritten, kam Notscha herbei gesprungen und rief: »Vater, ich bringe dir eine Drachensehne mit, damit kannst du deinen Panzer festbinden.« Nun brach der Drache in Tränen und grimmige Scheltworte aus. Er drohte, den Li Dsing beim Himmelsherrn anzuzeigen, und ging wutschnaubend weg.

Li Dsing geriet in große Aufregung, erzählte den Vorfall seiner Frau, und beide fingen an zu weinen. Notscha aber kam dazu und sagte: »Was weint Ihr denn? Ich gehe einfach zu meinem Meister, dem Großen Einen, der wird schon Rat wissen.« Als er das gesagt, war er auch schon verschwunden. Er trat vor seinen Meister und erzählte ihm die ganze Geschichte. Der sprach: »Du musst dem Drachen zuvorkommen, dass er dich nicht im Himmel verklagt.« Dann gab er ihm einen Zauber, und Notscha ward ans Himmelstor versetzt, wo er den Drachen erwartete. Es war noch früh am Morgen. Die Himmelstür war noch nicht geöffnet und der Wächter noch nicht zur Stelle. Aber schon kam der Drache heraufgestiegen. Notscha, der durch den Zauber unsichtbar geworden war, warf den Drachen von hinten mit seinem Reif zu Boden und begann auf ihn einzuhauen. Der Drache schalt und schrie. »Da zappelt der alte Wurm«, sagte Notscha, ,,und macht sich nichts daraus, wenn man ihn schlägt, ich will ihm seine Schuppen abkratzen.« Mit diesen Worten riss er ihm seine Feierkleider auf und begann ihm unter dem linken Arm einige Schuppen abzureißen, dass das rote Blut heraus träufelte. Der Drache hielt es vor Schmerzen nicht mehr aus und bat um Schonung. Aber er musste ihm erst versprechen, dass er ihn nicht verklagen wolle, dann erst ließ er ihn los. Der Drache musste sich nun in ein kleines grünes Schlänglein verwandeln, das tat Notscha in seinen Ärmel und kam damit nach Hause zurück. Kaum hatte er das Schlänglein aus seinem Ärmel gezogen, da verwandelte es sich in Menschengestalt. Der Drache schwor dem Li Dsing fürchterliche Rache und verschwand in einem Blitzstrahl.

Li Dsing war auf seinen Sohn ernstlich böse. Darum schickte die Mutter den Notscha nach hinten, damit er seinem Vater aus den Augen komme. Notscha verschwand zu seinem Meister, um ihn zu fragen, was er tun solle, wenn der Drache wieder komme. Der gab ihm einen Rat, und Notscha kehrte nach Hause zurück. Da waren auch schon die Drachenkönige aller vier Meere versammelt und hatten schreiend und lärmend seine Eltern gebunden, um sich an ihnen zu rächen. Notscha sprang herbei und rief mit lauter Stimme: »Was ich getan habe, will ich selber büßen. Meine Eltern trifft keine Schuld. Was verlangst du von mir für eine Genugtuung?« — »Leben um Leben!« rief der Drache. »Gut, ich will mich selber zerstückeln.

Versprichst du mir, meinen Eltern dann nichts zu tun?« — Der Drache war einverstanden und befahl, die Fesseln der Eltern zu lösen. Notscha schlug sich erst einen Arm ab. Seine Mutter brach in lautes Weinen aus. Aber es half nichts. Schon hatte er sich den Leib aufgeschlitzt, die Eingeweide traten hervor, seine drei Geister und neun Seelen zerstreuten sich, und sein Leben kehrte ins Jenseits zurück. Befriedigt gingen nun die Drachen weg, und Notscha wurde von seiner Mutter unter vielen Tränen beerdigt.

Das Geistige Notschas aber flatterte in der Luft umher und wurde vom Winde nach der Höhle des Großen Einen getrieben. Der nahm ihn auf und sagte zu ihm: »Du musst deiner Mutter erscheinen. Vierzig Meilen von eurer Heimat liegt die grüne Felswand. Auf diesem Felsen soll sie dir ein Heiligtum errichten. Wenn du drei Jahre lang den Weihrauch der Menschen genießt, kannst du wieder einen Leib bekommen.« Notscha erschien seiner Mutter im Traum und richtete ihr alles aus. Unter Tränen erwachte sie. Doch Li Dsing wurde böse, als sie ihm davon erzählte. »Es geschieht dem verruchten Knaben recht, dass er tot ist. Aber weil du immer an ihn denkst, darum erscheint er dir im Traum. Du musst nicht auf ihn achten.« Die Frau schwieg; aber von nun ab erschien er ihr täglich, sobald sie die Augen schloß, und wurde immer dringender in seinem Verlangen. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als ohne Wissen Li Dsings einen Tempel für Notscha errichten zu lassen.

Notscha tat in dem Tempel nun große Wunder. Alle Gebete wurden erhört. In weitem Umkreis strömten die Leute herbei, ihm Weihrauch zu verbrennen.

Ein halbes Jahr war so vergangen. Da kam Li Dsing bei einer großen kriegerischen Übung an jenem Berg vorüber und sah die Leute in dichtem Gewimmel wie Ameisen den Berg umdrängen. Li Dsing fragte, was es denn auf dem Berg zu sehen gäbe. »Ein neuer Gott ist da, der so wundertätig ist, dass von überallher die Leute herbeiströmen, ihn zu verehren.« — »Was ist das für ein Gott?« fragte Li Dsing. — Man wagte es ihm nicht zu verhehlen. Da wurde Li Dsing böse. Er sprengte auf seinem Pferd den Berg hinan, und richtig stand über dem Tor des Tempels geschrieben: »Notschas Heiligtum«. Und Notschas Bild stand darin, das glich ihm völlig, wie er zu Lebzeiten gewesen war. Li Dsing sprach: »Zu Lebzeiten hast du deine Eltern ins Unglück gebracht. Und nun nach deinem Tode betörest du das Volk. Das ist abscheulich!« Mit diesen Worten zog er seine Peitsche hervor, schlug Notschas Götterbild in Stücke, ließ den Tempel verbrennen und den Opfernden gütlich zureden. Dann kehrte er heim.

Notscha war an jenem Tag im Geiste auswärts gewesen. Als er zu seinem Tempel zurückkam, fand er ihn zerstört. Vom Berggeist erfuhr er das Nähere. Notscha eilte zu seinem Meister und erzählte ihm unter Tränen, was geschehen war. Der sprach erregt: »Das ist Li Dsings Fehler. Nachdem du den Eltern deinen Leib zurückgegeben, gehst du ihn nichts mehr an. Was braucht er dir den Genuß des Weihrauchs zu entziehen?« Dann schuf der Große Eine aus Lotuspflanzen einen Leib, verlieh ihm Leben und schloss Notschas Geistiges in diesen Leib ein. Dann rief er ihm mit lauter Stimme zu: »Steh auf!« Ein Atemzug ließ sich vernehmen, und Notscha sprang in der Gestalt eines kleinen Knaben wieder auf. Er warf sich vor seinem Meister nieder und dankte ihm. Der verlieh ihm den Zauber der feurigen Lanze, und Notscha hatte von jetzt ab zwei wirbelnde Räder unter den Füßen: das Rad des Windes und das Rad des Feuers. Darauf konnte er in der Luft auf- und niedersteigen. Der Meister gab ihm auch einen Sack aus Pantherfell, in dem sein Reif und sein seidenes Tuch war.

Die Rachegedanken ließen Notscha keine Ruhe. In einem unbewachten Moment ging er weg und stürmte auf rollenden Rädern unter Donnergetöse nach der Wohnung Li Dsings. Der vermochte ihm nicht zu widerstehen und floh vor ihm. Schon verließen ihn seine Kräfte, da kam ihm aus der weißen Kranichhöhle sein zweiter Sohn Mutscha, der Jünger des heiligen Pu Hiän, zu Hilfe. Ein heftiger Wortwechsel zwischen den Brüdern entstand. Sie begannen zu kämpfen, und Mutscha erlag, und aufs Neue stürmte Notscha hinter Li Dsing her. In seiner höchsten Not wollte Li Dsing sich eben selbst ums Leben bringen, da trat der heilige Wen Dschu vom Fünfdrachenberg, der Meister Gintschas, des ältesten Sohnes Li Dsings, hervor und barg ihn in seiner Höhle. Ergrimmt forderte Notscha seine Auslieferung, aber der heilige Wen Dschu sprach: »An anderen Orten magst du deiner Wildheit die Zügel schießen lassen; hier wird dirs nicht gelingen.« Und als Notscha in ungeheurer Wut die Feuerlanze nach ihm kehrte, da trat Wen Dschu einen Schritt zurück, holte aus seinem Ärmel die siebenblättrige Lotusblume hervor und warf sie in die Luft. Ein Wirbelwind entstand, Wolken und Nebel umhüllten den Blick, Sand und Erde wurden aufgewühlt. Dann fiel es mit lautem Krach zu Boden. Notscha wurde bewußtlos, und als er wieder zu sich kam, da war er mit drei goldenen Reifen an eine goldene Säule gefesselt, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Wen Dschu rief nun den Gintscha herbei und befahl ihm, den ungeratenen Bruder tüchtig zu schlagen. Das tat der auch. Zähneknirschend stand Notscha da und musste es über sich ergehen lassen. In seiner höchsten Not sah er den Großen Einen heran schweben. Er rief ihm zu: »Meister, rette mich!« Der aber hörte nicht auf ihn, sondern trat in die Höhle ein und bedankte sich lächelnd bei Wen Dschu für die derbe Lehre, die er dem Notscha gegeben. Schließlich riefen sie ihn herein und befahlen ihm, mit seinem Vater sich zu versöhnen. Dann entließen sie die beiden und setzten sich zum Schachspiel nieder. Aber kaum war Notscha wieder frei, da entbrannte aufs Neue in ihm die Wut, und er nahm die Verfolgung wieder auf. Abermals hatte er den Li Dsing eingeholt; da trat noch ein anderer Heiliger hervor, ihn zu schützen. Es war der alte Buddha des Lichtglanzes. Als Notscha mit ihm kämpfen wollte, da hob jener den Ärmel, und aus roten, wirbelnden Wolken bildete sich eine Pagode, die den Notscha umschloß. Lichtglanz tat nun beide Hände auf die Pagode. Da entstand in ihr ein Feuer, das brannte den Notscha, dass er laut um Schonung schrie. Er musste nun versprechen, seinen Vater um Verzeihung zu bitten und ihm stets gehorsam zu sein. Erst als er alles zugesagt, ließ der Buddha ihn aus der Pagode wieder heraus. Die Pagode aber gab er dem Li Dsing und lehrte ihn einen Zauberspruch, durch den er Notscha zwingen konnte. Daher heißt Li Dsing der Pagoden tragende Himmelskönig.

Li Dsing und seine drei Söhne Gintscha, Mutscha und Notscha halfen dann später dem König Wu vom Hause Dschou bei der Vernichtung des Tyrannen Dschou-Sin.

Niemand konnte ihren Kräften widerstehen. Nur einmal gelang es einem Zauberer, durch schwarze Magie den Notscha am linken Arm zu verwunden. Jeder andere wäre an der Wunde gestorben. Notscha aber ward von dem Großen Einen in seine Höhle getragen. Dort heilte er seine Wunde und gab ihm drei Becher Götterwein zu trinken und drei Feuerdatteln zu essen. Als Notscha gegessen und getrunken hatte, hörte er plötzlich einen Krach auf seiner linken Seite, und es wuchs ihm ein weiterer Arm heraus. Er wurde vor Schrecken blaß. Aber schon wuchs ihm auch auf der rechten Seite noch ein Arm heraus. Das Wort blieb ihm im Halse stecken, und seine Augen traten aus ihren Höhlen vor Entsetzen. Aber es ging so weiter: sechs Arme wuchsen ihm aus dem Leib hervor und auch noch zwei Köpfe, so dass er schließlich drei Köpfe und acht Arme hatte. Er rief seinem Meister zu: »Was will das werden?« Der aber lachte und sprach: »Gut so! Gut so! So bekommst du erst die rechte Macht.« Dann lehrte er ihn einen Zauber, dass er nach Belieben die Arme und Köpfe sichtbar oder unsichtbar machen konnte. Als der Tyrann Dschou-Sin vernichtet war, da wurden Li Dsing und seine drei Söhne noch bei Leibesleben unter die Götter versetzt.

19. Die Mondfee

Zur Zeit des Kaisers Yau lebte ein Fürst, namens Hou I, der war ein starker Held und guter Schütze. Einst gingen zehn Sonnen am Himmel auf, die schienen so hell und brannten so heiß, dass die Menschen es nicht aushalten konnten. Da gab der Kaiser dem Hou I den Befehl, nach ihnen zu schießen. Der schoss nun neun von den Sonnen herunter. — Er hatte aber auch ein Pferd, das war so schnell, dass es den Wind einholen konnte. Er setzte sich darauf und wollte auf die Jagd. Da rannte das Pferd davon und ließ sich nicht mehr halten. So kam er an den Kunlun-Berg und sah die Königin-Mutter am Jaspis-See. Die gab ihm das Kraut der Unsterblichkeit. Das nahm er mit nach Hause und verbarg es im Zimmer. Er hatte eine Frau, namens Tschang 0. Die naschte davon, als er einmal nicht zu Hause war, und sogleich schwebte sie zu den Wolken empor. Wie sie beim Mond angekommen war, da lief sie in das Schloss im Mond und lebt dort seither als Mondfee.

Ein Kaiser aus dem Hause Tang saß einmal in der Mittherbstnacht mit zwei Zauberern beim Wein. Der eine nahm eine Bambusstange und warf sie in die Luft; die wandelte sich zur Himmelsbrücke, und nun stiegen die drei zusammen zum Mond hinauf. Da sahen sie ein großes Schloß, darauf stand geschrieben: »Die weiten Hallen der klaren Kälte«. Ein Kassiabaum stand daneben, der blühte und duftete, dass die ganze Luft von seinem Duft erfüllt war. Ein Mann saß auf dem Baum, der mit einer Axt die Nebenzweige abhieb. Der eine Zauberer sprach: »Das ist der Mann im Monde. Der Kassiabaum wächst so üppig, dass er mit der Zeit den ganzen Glanz des Mondes beschatten würde. Darum muss er alle tausend Jahre einmal abgehauen werden.« Dann traten sie in die weiten Hallen. Silbern türmten sich die Stockwerke übereinander. Die Säulen und Wände waren alle aus Wasserkristall. Es waren Käfige da und Teiche; darinnen waren Fische und Vögel, die bewegten sich wie lebend. Die ganze Welt schien aus Glas zu sein. Während sie noch nach allen Seiten Umschau hielten, trat die Mondfee auf sie zu in weißem Mantel und regenbogenfarbenem Gewand. Sie sprach lächelnd zum Kaiser: »Du bist ein Fürst der Welt des Erdenstaubs. Du musst Glück haben, dass du hierher gelangen konntest.« Damit rief sie ihre Dienerinnen, die kamen auf weißen Vögeln heran geflogen und sangen und tanzten unter dem Kassiabaum. Reine, klare Klänge tönten durch die Luft. Neben dem Baume aber stand ein Mörser aus weißem Marmelstein. Ein Hase aus Jaspis zerstieß darinnen Kräuter. Das war die dunkle Hälfte des Monds. Als der Tanz zu Ende war, da kehrte der Kaiser mit den Zauberern wieder zurück. Er ließ die Lieder, die er im Monde gehört hatte, aufzeichnen und zur Begleitung von Jaspisflöten im Birnengarten singen.

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