Kitabı oku: «Weltordnungskrieg», sayfa 12
Egal ob Kidnapping, Ausplünderung und Ermordung von Touristen oder eben Piraterie: Im Einzelfall gibt es auf dieser Mikroebene der globalen „Unsicherheit“ gleichfalls Interventionen in Form von geheimdienstlichen Aktivitäten, Satellitenüberwachung, Einsatz von Sonderkommandos usw. So werden zunehmend detaillierte Pläne für Auslandseinsätze im Mikro-Maßstab entwickelt, die nichts mehr mit den alten nationalimperialen Strategien zu tun haben, sondern weltpolizeilichen Charakter tragen: „Die Bundeswehr plant eine neue Spezialtruppe für Einsätze an fernen Küsten. Generalinspekteur Harald Kujat will ein Regiment Marine-Infanteristen mit rund 1000 Soldaten aufstellen, ähnlich den,Ledernacken‘ der US-Marines… Für den Transport der Truppe soll die Marine zwei große Landungsschiffe … anschaffen. Sie werden Hubschrauber tragen und als schwimmende Kommandozentrale und Lazarett dienen - etwa bei der Befreiung von Touristen aus der Hand von Geiselnehmern“ (Der Spiegel 29/2001).
In der Regel ist dieses Feld freilich zu weit, als dass es dem direkten Zugriff eines globalen Sicherheitsimperialismus ausgesetzt sein könnte. Stattdessen werden die diversen Regimes periodisch ermahnt, ihre „Sicherheitsstandards“ zu erhöhen, sie bekommen weltpolizeiliche Hilfe aller Art (z.B. Schulung von Polizeitruppen) angeboten etc. Und auch in dieser Hinsicht wird zwischen gutwilligen und weniger gutwilligen Regimes und Krisenpotentaten unterschieden, um mit Restriktionen oder Belohnungen (in erster Linie durch Kredithilfen von IWF und Weltbank) winken zu können.
Die Mikro- und die Makro-Ebene des Sicherheitsimperialismus und seiner Motive gehen ständig ineinander über; die fortschreitende Weltkrise bringt in dieser Hinsicht immer neue und überraschende Erscheinungen hervor. Tatsache ist, dass die gewünschte „Sicherheit“ letzten Endes nicht hergestellt werden kann, eben weil der ökonomische Totalitarismus der kapitalistischen Weltdemokratie selber die Ursache des allgemeinen Sicherheitsverlusts ist.
So hat sich einerseits das globalisierte Kapital zunehmend darauf eingestellt, mit den „Sicherheitsrisiken“ in einer wachsenden Zahl von Weltregionen leben zu müssen. Die punktuellen Geschäfte werden trotzdem gemacht, die vor Ort eingesetzten Manager und Angestellten samt ihren Familien haben dieses Risiko eben zu tragen. Für die meisten Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas (und inzwischen auch für Osteuropa) gibt es „Sicherheits-Guides“ mit entsprechenden Verhaltensempfehlungen; oft werden auch einheimische Body-Guards angeheuert oder gleich eigene Sicherheitsdienste mitgebracht. Andererseits hat sich der politische und militärische Apparat des Sicherheitsimperialismus darauf eingestellt, einen Endloskrieg gegen die „Störpotentiale“ zu führen, der zwar nicht gewonnen werden, aber diese doch hinhaltend eindämmen kann.
Die Großinterventionen auf der Makro-Ebene staatlicher oder pseudostaatlicher Verhältnisse und Konflikte stellen nur die augenfälligste Aktivität dieses globalen Interventionismus dar. Strategisch durchkalkuliert werden dabei nur Interventionen, die in die Größenordnung von veritablen Weltordnungskriegen hineinreichen wie die Strafexpeditionen gegen die Regimes von Saddam Hussein und Milosevic. In den meisten Fällen handelt es sich eher um symbolische Aktionen, die Präsenz zeigen und das weltdemokratische Drohpotential vorführen sollen.
Dass etwa im Sudan nachgewiesenermaßen eine harmlose Arznei- und Düngemittelfabrik von US-Kampfbombern in Schutt und Asche gelegt wurde, hat deswegen so wenig Aufregung verursacht, weil es dabei gar nicht auf ein taktisches militärisches Ziel ankam, sondern nur auf die abschreckende Wirkung - und weil dieses Motiv von der weltdemokratischen Öffentlichkeit weitgehend geteilt wird. Sobald es um die „Sicherheit“ des eigenen bornierten Weltbildes geht, ist die Frage der empirischen Wahrheit gegenstandslos geworden und die „freien“ Medien erweisen sich als eine Mauer des Schweigens. Die Bevölkerungen der vom Weltmarkt überrollten Krisen- und Risikogebiete sind nicht nur Geiseln ihrer Krisenpotentaten, sondern eben auch Kanonenfutter für den westlichen Sicherheitsimperialismus, um die größeren und kleineren Machthaber Mores zu lehren und um überhaupt die gefährliche Masse der Herausgefallenen einigermaßen unter Kontrolle zu halten.
Öl- und Gasimperialismus: die Sicherung der strategischen Rohstoffreserven
Aus der Vielfalt der Erscheinungen von Krisenpotentaten, Plünderungsökonomie und weltpolizeilichem Sicherheitsimperialismus ragt allerdings ein Aspekt hervor, der über das Interesse an punktuellen Verwertungsmöglichkeiten verschiedenster Art hinausgeht; und das ist die Sicherung der strategischen Rohstoffreserven, vor allem Erdöl und Erdgas. In diesem Punkt lässt das weltdemokratische Regiment des ökonomischen Terrors am wenigsten mit sich spaßen, denn die fossilen Energieträger mit dem Erdöl an der Spitze bilden den Treibstoff der kapitalistischen Weltmaschine.
Zwar muss auch den borniertesten Akteuren des Weltsystems klar sein, dass der ungeheure Raubbau durch systembedingte permanente Wachstumsökonomie, Individualverkehr, Jets, Militärapparate und Tourismus die zu einigermaßen günstigen Bedingungen abbaubaren Lagerstätten fossiler Energie im Lauf der nächsten Jahrzehnte mit Sicherheit erschöpfen wird (entgegen allen periodisch wiederholten Entwarnungen in dieser Hinsicht). Aber auch in dieser Hinsicht gilt dem weltdemokratischen Kapitalismus umso mehr das Prinzip „nach uns die Sintflut“, und gerade deswegen hat die militärische Sicherung des Zugangs zu dieser entscheidenden Naturressource und ihres permanenten Zuflusses zu den zentralen kapitalistischen Industrien einen hohen Stellenwert für den „ideellen Gesamtimperialismus“ und seine Weltpolizei.
Das Zentrum dieses sicherheitsimperialistischen Interesses Nr. 1 liegt nach wie vor im Nahen Osten; aber zunehmend rückt auch der kaspische Raum mit seinen bis jetzt nur gering erschlossenen Lagerstätten ins Visier der weltdemokratischen Sicherheits-Strategen, zumal diese Weltregion nach dem Zusammenbruch der staatskapitalistischen Sowjetunion in die typischen Verlaufsformen von Staatszerfall, Plünderungsökonomie usw. übergegangen ist und insofern im Hinblick auf die strategischen Energiereserven ein hohes Unsicherheitsniveau, also auch „Befriedungsbedarf“ aufweist.
Es wäre allerdings verfehlt, die bisherigen Weltordnungskriege und weltpolizeilichen Interventionen seit dem Ende der bipolaren Konstellation direkt und eindimensional aus diesem energiepolitischen Interesse abzuleiten und eine ebenso umfassende wie weitreichende, einzig darauf bezogene sicherheitsimperialistische Strategie zu unterstellen, in der insbesondere die Balkan-Interventionen einen eindeutigen Status hätten. Ebenso wenig handelt es sich um einen nunmehr auf rein energiepolitische Interessen reduzierten Anschluss an die alte „Geopolitik“, die ja ihrem Wesen nach nationalimperial und territorial bestimmt war.
Vielmehr überlagern sich bei den diversen Interventionen allgemeine ökonomische, „symbolische“ (Statuieren von Exempeln) und spezifisch energiepolitische Interessen des Sicherheitsimperialismus, der überdies von großen Unklarheiten geprägt, von irrationalen Ängsten und Zwängen getrieben, also selber Moment eines blinden Weltkrisenprozesses und alles andere als ein souveräner Akteur ist.
Wichtig im Sinne des kruden, aber nicht isolierbaren energiepolitischen Interesses ist dabei nicht mehr irgendeine nationale Kontrolle über die Rohstoffgebiete vor allem im Nahen Osten und neuerdings am kaspischen Meer; diese würde ja auch gar keinen Sinn machen angesichts einer transnationalen Zerstreuung der Betriebswirtschaft über alle Räume der Kapitalverwertung. Das gilt auch für die im neu zu erschließenden kaspischen Raum agierende Erdölindustrie selbst. Durch die Bank sind dabei transnationale Ölkonzerne die wichtigsten Akteure. Soweit in diesem Zusammenhang überhaupt ein nationaler Akzent sichtbar ist, handelt es sich um das Übergewicht US-amerikanischer Muttergesellschaften, was in diesem strategischen Sektor nur der irreversiblen politisch-militärischen US-Hegemonie entspricht.
Davon abgesehen sind es Konsortien, die gemeinsam von transnationalen Mineralölkonzernen gebildet werden; darunter außer US-amerikanischen vor allem französische, italienische und norwegische Unternehmen - auch deutsche, aber bislang eher unter „ferner liefen“. Auf nationale Zugehörigkeiten verweisende Firmennamen sind dabei sowieso irreführend, denn die Konkurrenzverhältnisse der Konsortien im kaspischen Raum verlaufen völlig quer zu nationalen Zuordnungsverhältnissen. Das gilt auch für die Besitzverhältnisse, in denen sich wie auch sonst in der globalisierten Ökonomie des Kapitals immer weniger nationale Zugehörigkeiten ausmachen lassen: wie sich ein deutsches Unternehmen tatsächlich in japanischem, amerikanischem, französischem usw. Besitz (und umgekehrt) befinden kann, so wird auch die Exploration und Förderung des strategischen Rohstoffs Nr. 1 zunehmend von bunt gemischten und oft undurchsichtigen Konzern-Konglomeraten betrieben.
So war bei den zahlreichen Pipeline-Projekten aus dem kaspischen Raum die argentinische Gesellschaft Bridas der Hauptkonkurrent der kalifornischen Erdölfirma Unocal, was wohl kaum auf die strategische Positionierung eines „argentinischen Nationalimperialismus“ in Mittelasien hindeutet (wie es aus der Sicht der notorischen „geopolitischen“ Quacksalber eigentlich erscheinen müsste). Das Konsortium „Kazgermunai“ für die Erschließung von Ölfeldern in Kasachstan wiederum, an dem zu 42,5% die deutschen Firmen RWE-DEA Aktiengesellschaft für Mineralöl und Chemie und die Erdöl-Erdgas Gommern GmbH beteiligt sind, zu 7,5% die Weltbanktochter International Finance Corporation und zu 50% die einheimische Ölgesellschaft KazachOil, wäre ein schlechtes Beispiel für eine vermeintliche deutsch-nationalimperiale Ölstrategie - denn die KazachOil ist längst von dem kanadischen Konzern Hurricane Kumkol Munai (HKM) übernommen worden.
Angesichts der sich globalisierenden und gleichzeitig an ihre Grenzen stoßenden Ökonomie des Kapitals kommt es überhaupt nicht auf nationale Machtverhältnisse bei der Sicherung der strategischen Rohstoffreserven an; auch die USA agieren sowohl im Nahen Osten als auch im kaspischen Raum in diesem Sinne nicht als nationalimperialer Akteur, sondern eben als Haupt des globalen Sicherheitsimperialismus im Namen des „freien internationalen Zugangs“ zu den Ölreserven nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit. Wichtig ist einzig und allein, dass überhaupt der zentrale „Stoff“, das Lebenselixier für die destruktive kapitalistische Verbrennungskultur, weiterhin reichlich und ungehemmt, möglichst auch zu billigen Preisen fließen kann.
Wie auch in anderer Hinsicht tritt der „ideelle Gesamtimperialismus“ in der Energiepolitik als Garant für die unersättlichen Bedürfnisse der transnationalen Kapitale auf, die ihrerseits die Bedingung seiner Existenz bilden. Und wie auf allen anderen Ebenen müssen auch hinsichtlich der strategischen Rohstoffreserven die übrig gebliebenen nationalen Rivalitäten in den Hintergrund treten.
Gerade beim Poker um das kaspische Öl finden die hauptsächlichen Rangeleien auf westlicher Seite weniger zwischen unterschiedlichen „nationalen Interessen“ als vielmehr zwischen den ökonomischen und den politisch-militärischen Akteuren statt: Während vor allem die US-amerikanischen Öl-Multis aus schieren Kostengründen vehement Pipeline-Routen über russisches bzw. russisch kontrolliertes und sogar iranisches Territorium befürworten, wollen die ebenfalls hauptsächlich US-amerikanischen Strategen der sicherheitsimperialistischen Administration unbedingt ziemlich kostenträchtige und unrentable Routen über die Türkei auf den Weg bringen. Aber für diese „politische Pipeline“ finden sich vorerst keine Investoren.
Selbstverständlich sind auch die sicherheitsimperialistischen Vorbehalte gegenüber Russland, China und dem Iran in Mittelasien nicht „geostrategisch“ im alten nationalimperialen Sinne begründet, sondern aus dem Argwohn heraus, dass diese nationalstaatlichen Akteure selber zu instabil und unberechenbar sind, um als Garanten für eine Sicherung der kaspischen Rohstoffreserven mitwirken und eingespannt werden zu können. Für alle strategischen Rohstoff-Regionen gilt: „Stabilität“ und kapitalistische „Freiheit des Zugangs“ um jeden Preis hat Priorität, egal wer sie mit welchen Mitteln unterstützt.
Im übrigen darf der Run auf den kaspischen Ölreichtum auch nicht überschätzt werden. Abgesehen von den enormen Erschließungs- und Transportkosten ist die Lagerkapazität vermutlich geringer als zunächst angenommen: „Die geschätzten Erdölreserven im Kaspischen Meer sind bei weitem nicht mit jenen in der Golfregion zu vergleichen. Der Umfang der vermuteten Vorräte liegt in der Größenordnung der Reserven in der Nordsee, vielleicht etwas darüber, also unter fünf Prozent der geschätzten Weltreserven“ (Neue Zürcher Zeitung, 14.12.1998). Die Euphorie von Mitte der 90er Jahre über eine angebliche „zweite Golfregion“ ist denn auch inzwischen weitgehend verflogen; die Pipeline-Projekte wurden großenteils nicht verwirklicht, die Ölkonzerne haben ihre Präsenz auf eine verhältnismäßig kleine Dimension zurückgefahren.
Mittelasien wird als Rohstoffregion weder im phantasmatischen „geostrategisch-nationalimperialen“ noch im realen sicherheitsimperialistischen Sinne eine Art weltstrategischen Showdown erleben. Was bleibt, ist der Stellenwert einer flankierenden Option gegenüber den weiterhin zentralen strategischen Ölreserven der Golfregion: Die langsame aber sichere Erschöpfung anderer Reserven (nicht zuletzt in der Nordsee) aufgrund des kapitalistischen Raubbaus hat bereits jetzt den Anteil des Nahen Ostens an der globalen Ölförderung trotz aller Diversifizierungsmaßnahmen des Westens derart in die Höhe getrieben (bis 2010 wird er auf 50% hochschnellen), dass der kaspische Ölreichtum längerfristig auch bei gedämpften Erwartungen als Ausweichreserve interessant bleibt.
Ob im Nahen Osten, im kaspischen Raum oder anderswo: Es ist der „ideelle Gesamtimperialismus“ des Westens, der seine gepanzerte Faust auf alle, auch auf die letzten Reserven der fossilen Energieträger dieser Erde legt. Je näher das sozialökonomische Ende der kapitalistischen Verbrennungskultur rückt und je mehr sich auch die physischen Reserven erschöpfen, desto unerbittlicher müssen die politisch-militärischen Apparate des transnationalen Kapitalismus den „ungehinderten Zugang“ noch zur letzten Ölquelle freischießen. Die fossilen Brennstoffe, an vorderster Stelle das Erdöl, sind und bleiben die energetische Basis der kapitalistischen Selbstzweck-Ökonomie; auf dem Boden dieser Produktions- und Lebensweise, im Rahmen ihres Naturverständnisses und ihrer Denkweisen gibt es keine andere Möglichkeit. Und die Welt kann sicher sein: Um die Gier nach dem versiegenden Treibstoff ihrer Weltmaschine zu befriedigen, wird die vereinigte Weltdemokratie notfalls nicht nur einzelne „Schurkenstaaten“, sondern auch halbe Kontinente in Trümmer legen.
DER NAHE OSTEN UND DAS ANTISEMITISCHE SYNDROM
Im Prozess der Barbarisierung und Selbstzerstörung des herrschenden Weltsystems gibt es einen Brennpunkt, in dem sich die destruktive kapitalistische Globalisierung, die Geschichte und die Ideologiebildung der modernen Welt an ihren historischen Systemgrenzen auf besondere Weise bündeln - und das ist der Nahe Osten mit Israel und dem sogenannten Palästinakonflikt im Zentrum. Vordergründig scheint es hier zunächst um das wichtigste Feld des westlichen Öl-Imperialismus zu gehen. Und im Hinblick auf das krude Interesse der kapitalistischen Verbrennungskultur ist das natürlich auch völlig richtig. Aber darin geht dieser Konflikt bei weitem nicht auf; er enthält noch eine ganz andere, wesentliche Dimension: nämlich die Logik des Antisemitismus als zentraler kapitalistischer Krisenideologie und die damit verbundene Konstitution des Staates Israel, der eben deswegen kein Staat wie andere Staaten ist.
Kapitalistische Verbrennungsreligion und Ölregimes
Dennoch wäre das Bild unvollständig und falsch, würde man im Hinblick auf den Nahost-Konflikt vom Interessen-Hintergrund des westlichen Öl-Imperialismus völlig absehen. Da der Nahe Osten aus natürlich-geografischen Gründen der Lagerstätten die Hauptquelle des Treibstoffs für die kapitalistische Weltmaschine ist und bleibt, muss sich hier auch der weltpolizeiliche Zugriff des „ideellen Gesamtimperialisten“ konzentrieren. Das ist ein nicht unwesentlicher Aspekt der kulturalistischen Feinddefinition gegen den Islam; denn gerade an den geheiligten Quellen der kapitalistischen Verbrennungsreligion, in der sich der irrationale Selbstzweck der „Verwertung des Werts“ gewissermaßen energetisch materialisiert, müssen die islamistischen Barbarisierungsprodukte der Globalisierung natürlich als besonders „störend“ und gefährlich empfunden werden (weitaus mehr als etwa in Pakistan oder Indonesien).
Wie in jeder anderen Hinsicht verwickelt sich der „ideelle Gesamtimperialismus“ aber auch und gerade auf diesem spezifischen Terrain von Globalisierung und weltpolizeilichem Zugriff in unauflösliche Widersprüche, die hinter der praktischen Zweckrationalität den objektivierten Wahn des Systems und seiner Macher aufscheinen lassen.
Dies betrifft zunächst die Art und Weise der Positionierung gegenüber der arabisch-moslemischen Welt selbst. Die offene westliche Militärdiktatur über den gesamten Raum der zentralen Ölförderung wäre ein kaum dauerhaft durchzuhaltender Notstand mit wahrscheinlich katastrophalen Rückwirkungen auf das fragile Babel-Gebäude des abgehobenen transnationalen Finanzkapitals. Deshalb muss die gesamtimperiale Weltpolizei nach durchaus traditionellem Muster unbedingt darauf setzen, autochthone Regimes der Region an sich zu binden und sie als legitimatorische Sub-Souveräne, „Flugzeugträger“ und militärische Hilfssheriffs zu benutzen.
Im brodelnden Hexenkessel eines Raums, in dem hunderte Millionen von Menschen leben und Jahr für Jahr mehr von ihnen unter dem Juggernaut-Rad der kapitalistischen Globalisierung sozial zermalmt werden, kann eine derartige weltpolizeiliche Strategie letzten Endes nur schief gehen. Der Ölreichtum, aufgrund seines besonderen Status im Gefüge des Weltsystems ein materialisierter spekulativer Gegenstand mit deshalb wild schwankendem Preisniveau, hat extrem ausschließenden Charakter: Die überwältigende Mehrzahl der Araber wird auf ein Armuts- und Elendsniveau gedrückt, während sich die winzige Oberschicht des energetischen Krisenreichtums mit einer selbst für Dritte-Welt-Verhältnisse außergewöhnlichen Obszönität darstellt. Die binnenökonomischen „Entwicklungsprojekte“ der diversen arabischen Öl-Regimes, besonders derjenigen in der Golf-Region mit den bei weitem größten Fördermengen und Reserven, sind trotz der immensen Kapitalkraft großenteils verbal und kosmetisch geblieben; die „Petro-Dollars“ wurden und werden in ihrer Masse postwendend in die transnationalen Finanzmärkte gepumpt statt in Realinvestitionen angelegt und bilden ein Segment des globalen „fiktiven Kapitals“ im spekulativen Finanzüberbau der dritten industriellen Revolution.
Insgesamt zerfallen die nahöstlichen Öl-Regimes der arabischen Länder und des Iran allerdings in zwei auch heute noch abgeschwächt sichtbare unterschiedliche Formen, die auf ursprünglich ganz entgegengesetzte Ausgangspunkte verweisen. Zum einen handelt es sich um typische ehemalige Regimes nachholender Modernisierung mit inzwischen durch die Bank gescheiterten, aber in der Vergangenheit ernst gemeinten Industrialisierungsprojekten, mit republikanischer Staatsform und diktatorischem „Führerkult“, wie ihn etwa Saddam Hussein oder Ghaddafi repräsentieren. Zum andern haben wir es mit der Form nach archaischen Monarchien zu tun, die ein klerikal-feudales Schreckensregiment ausüben und einer Hollywood-Version des „finsteren Mittelalters“ oder der pubertären Phantasie eines Karl May entsprungen sein könnten. Waren die republikanisch-diktatorischen Modernisierungsregimes wie in Ägypten, dem Irak, Algerien usw. in der Regel laizistisch, so stellten die (durchwegs sunnitischen) Monarchien, Sultanate, Emirate etc. und ihre bizarren Prinzengarden von Anfang an synthetische „Gottesherrschaften“ mit einer erzreaktionären islamistischen Legitimation dar, deren religiöser Ausdruck in keiner Weise auf den vormodernen Islam zurückgeht, sondern ganz im Gegenteil ein Resultat der absurden, in sich widersprüchlichen Einbindung in kapitalistische Moderne und Weltmarkt ist.
Das gilt ganz besonders für das saudische Wüstenregime, das in seiner jetzigen staatlichen Gestalt überhaupt erst im 20. Jahrhundert entstand. Die Dynastie der Saudis gründet sich auf die sunnitische religiöse Bewegung der Wahhabiten, die Ende des 18. Jahrhunderts von dem Sektenführer Abd al-Wahhab gegründet wurde und den Wüstenscheich Ibn Saud für sich gewann. Den Wahhabiten ging es von Anfang an um die reaktionäre Wendung zu einer phantasmatischen „ursprünglichen Form“ des Islam, verstanden als rohe Buchstäblichkeit und verbunden mit besonders rigiden rituellen Äußerlichkeiten, drakonischer Henkersherrschaft und extremer Unterdrückung der Frauen. In Gestalt der saudischen Monarchie hat dieses religiöse Wahngebilde, eine frühe moslemische Version der heute im postmodernen Zerfallsprozess global und massenhaft sich ausbreitenden quasipolitisch-religiösen Sektenbewegungen, die äußere Form eines modernen Staatswesens angenommen und sich mit dem kapitalistisch vermittelten Ölreichtum aufgeblasen.
Eine Zwischenstellung zwischen den gescheiterten laizistischen Modernisierungsregimes und den monarchisch-reaktionären Gottesherrschaften, die von vornherein nur religionspolitische Nischenformen und gleichzeitig ein unselbständiges Segment des globalen Finanzkapitalismus bildeten, nimmt das Regime des schiitischen Islamismus im Iran ein, das aus dem gewaltsamen Sturz der Schah-Monarchie (1979) hervorgegangen ist: Hier überschneiden sich Modernisierungsversuche im Hinblick auf Industrieprojekte und rückwärtsgewandte Gottesherrschaft, republikanische Form und quasi-religiöse Konstitution, sodass sich (abgesehen von der mehr religiösen als politischen Ikonisierung der Figur Khomeini) kein „Führerprinzip“ wie in den laizistischen Diktaturen herausbilden konnte.
Im Krisenprozess der Globalisierung sind nun inzwischen die eigenständigen Modernisierungsversuche auch im Nahen Osten derart vollständig ruiniert und aufgerieben worden, dass ein Verwilderungs- und Konversionsprozess sämtlicher Regimes eingesetzt hat. Die letzten Dinosaurier-Diktatoren der gescheiterten Industrialisierung, die gleichzeitig nicht mehr wie im Kalten Krieg zwischen den Supermächten lavieren können, werden unberechenbar und neigen zu herostratischen Abenteuern wie etwa Saddam Hussein; unter den bröckelnden Fassaden der Staatsformen macht sich wie auch sonst in der Welt eine bewaffnete Clan- und Bandenherrschaft breit; und das ideologische Moment der gesellschaftlichen Allgemeinheit verlagert sich mehr und mehr auf die Form des militanten pseudoreligiösen Wahns.
Die Religion kann dabei auf der Basis von kapitalistischer Warenproduktion und Weltmarkt weder zur reproduktiven Konstitution der Gesellschaft wie in den vormodernen agrarischen Zivilisationen zurückkehren noch kann sie an die Stelle der modernen Politik treten; sie wird vielmehr im Nahen Osten so extrem wie nirgendwo sonst zur destruktiven und mörderischen Krisenideologie, die das unhaltbare Regime kapitalistischer Konkurrenzverhältnisse nicht überwindet, sondern in einer phantasmatischen Gestalt zuspitzt und dem Todestrieb der modernen Vernunft in ihrem weltlichen Scheitern Ausdruck verleiht. Weil der Nahe Osten in vieler Hinsicht einen Brennpunkt der aktuellen weltkapitalistischen Widersprüche bildet, nimmt der manifeste Todestrieb dort auch besonders drastische gesellschaftliche Ausmaße an. In diesem Sinne gehen sämtliche moslemischen Länder des Nahen Ostens, auch die bislang laizistischen, in einen islamistischen Zersetzungsprozess über und laden sich mit scheinreligiösen Hassideen auf.
Es ist bezeichnend, dass der gesamtwestliche Öl- und Sicherheitsimperialismus unter Ägide der USA seine Herrschaft über diesen zentralen strategischen Raum von Anfang an in erster Linie vermittels der reaktionären monarchischen Gottesherrschaften zu festigen suchte. Nicht die vordergründig der westlichen Lebensweise eigentlich viel näher stehenden laizistischen Modernisierungs-Regimes wurden als autochthone Sub-Repräsentanten bevorzugt, sondern die im Sinne der Modernisierung bloß dysfunktionalen, klerikal-politischen Alptraumregimes der saudischen Monarchie, der Sultanate, Emirate und Folter-Königreiche; und nicht obwohl, sondern gerade weil sie ihrem Wesen nach sich als besonders finster und gleichzeitig ökonomisch wie militärisch absolut unselbständig darstellen. Keineswegs zufällig waren es andererseits Staaten wie der Irak, Libyen und die schiitisch-islamistische Republik des Iran, die zu „Schurkenstaaten“ erklärt wurden, obwohl dort zum Beispiel die Position der Frauen auch heute noch erwiesenermaßen relativ besser ist als in den reaktionären Gottesmonarchien.
Der „ideelle Gesamtimperialismus“ hat sich zielsicher die instabilsten, absurdesten, wie einem blutigen Märchen entsprungenen Wahn- und Terror-Regimes der zentralen Ölregion als „befreundete Mächte“ ausgesucht. Indirekt und unfreiwillig ist es ein doppeltes Eingeständnis: nämlich erstens, dass der westliche Herrschaftsanspruch seinem Wesen nach selber bösartig und irrational ist; und zweitens, dass „Entwicklung“ und „Modernisierung“ gerade für die wichtigste Region der Ölförderung trotz gegenteiliger offizieller Ideologie in Wirklichkeit niemals vorgesehen waren. Es bedurfte der Teufelspakte mit den schlimmsten, reaktionärsten, von Anfang an durch islamische Bigotterie und Terrorherrschaft der (archaisch interpretierten) „Scharia“ gekennzeichneten Feudalmonster, um den schnöden und scheinrationalen Interessen-Materialismus der kapitalistischen Verbrennungskultur in der zentralen Ölregion abzusichern. Je mehr „Schurkenstaaten“ der Westen definiert, desto mehr sehen seine eigenen Freunde und Helfer in den Krisenregionen wie Hollywood-Schurken oder wie von Hieronymus Bosch erfundene Figuren aus.
Die Nemesis einer derartigen Ausgeburt imperialer Legitimation ließ nicht auf sich warten. In den Brüchen und Erschütterungen der Globalisierung, von denen die sozialökonomische Grundlage sämtlicher Regimes des Nahen Ostens ins Wanken gebracht oder schon hinweggefegt wurde, bilden gerade die mit dem Westen befreundeten klerikal-feudalen Regimes den Schoß, der die Dämonen des „antiwestlichen“ Islamismus ohne jede emanzipatorische Lebensperspektive gebiert. Wie auch sonst in der Welt und wie in seinem eigenen Inneren sind es auch hier und vor allem hier die eigenen Kreaturen des „ideellen Gesamtimperialismus“, die in der neuen Qualität gesellschaftlicher Zersetzungsprozesse aus seinen politisch-strategischen Labors entfliehen und mit besonderer Intensität als „Störfaktoren“ eines blind zuschlagenden Terrors durch das Ölimperium irren.
Keineswegs zufällig ist es gerade die wahhabitische Version einer besonders primitiven und brutalen islamistischen Sektenreligion, wie sie gleichzeitig die saudische Staatsreligion bildet, die zum Quellgrund eines Großteils des islamischen terroristischen Untergrunds und seiner Strömungen geworden ist. Die Fürsten des Terrors mit dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Osama bin Laden an der Spitze, ihre Ideologen, Organisatoren und Helfershelfer sind zu neunzig Prozent Abkömmlinge der feudal-klerikalen Clans, auf die sich der Westen stützt, weil ihre Schreckensgestalt seinem eigenen imperialen Herrschaftsanspruch am besten entspricht. In der immer weniger beherrschbaren sozialökonomischen Krise werden jedoch die selbstgezüchteten Dämonen viel unberechenbarer und gefährlicher als die übrig gebliebenen Dinosaurier der gescheiterten Modernisierungs-Regimes. Der Westen bekommt mit den wahhabitischen und verwandten geheimen Terrorgesellschaften nicht nur, was er verdient, sondern auch, was er selbst gepäppelt und herangezogen hat.
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