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Kitabı oku: «Tonka», sayfa 3

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Kapitel 4

»Sie ist doch ein ganz einfaches Mädchen«, hatte man gesagt, »aus dem Tuchgeschäft.« Was heißt das? Auch andere Frauen wissen nichts und haben nichts studiert. Das will etwas hinten ans Kleid heften, ein Zeichen, wo man es nicht entfernen kann. Man muß etwas gelernt haben, muß Grundsätze, muß gesellschaftliche Haltung haben, heißt das, gehalten sein; Mensch ist unzuverlässig. Und wie sahen die aus, die das hatten, die nicht unzuverlässig waren? Er konnte es als möglich zugeben, daß seine Mutter fürchtete, die Leere ihres eigenen Lebens in seinem wiederholt zu sehen; sie hatte nicht stolz genug gewählt; ihr Mann war früher Truppenoffizier gewesen, ein unbedeutender fröhlicher Mann, sein Vater: sie wollte in dem Sohn ihr eigenes Leben verbessern. Sie kämpfte dafür. Er stimmte ihrem Stolz im Grund zu. Warum rührte ihn nicht die Mutter?

Ihr Wesen war Pflicht; ihre Ehe hatte erst einen Inhalt bekommen, als sein Vater erkrankte. Als etwas Soldatisches, eine Wache, die ihren Posten gegen Übermacht verteidigte, stand sie fortan neben dem langsam verblödenden Mann. Bis dahin hatte sie mit Onkel Hyazinth nicht vor noch zurück gekonnt. Er war nicht wirklich ein Verwandter, sondern ein Freund beider Eltern, einer jener Onkel, welche die Kinder vorfinden, wenn sie die Augen aufschlagen; war Oberfinanzrat und nebenher noch ein vielgelesener deutscher Dichter, dessen Erzählungen große Auflagen erreichten. Er brachte der Mutter den Hauch von Geist und Welterfahrenheit, der sie in ihren seelischen Entbehrungen tröstete, war historisch belesen, und seine Gedanken waren daher so beschaffen, daß sie desto größer erschienen, je leerer sie waren, indem sie sich über die Jahrtausende und größten Fragen ausdehnten. Aus Gründen, die dem jüngeren niemals klar geworden waren, hegte dieser Mann seit vielen Jahren eine ausdauernde, bewundernde, selbstlose Liebe zu dessen Mutter; wahrscheinlich weil sie als Offizierstochter von Ehr- und Charaktervorstellungen gehalten und, diese lebhaft ausstrahlend, jene Festigkeit der Grundsätze besaß, die er für die Ideale seiner Bücher brauchte, während ihm dunkel ahnte, daß die Flüssigkeit seiner Rede und Erzählergabe gerade davon kam, daß sie seinem Geist fehlte. Da er das aber naturgemäß nicht als seinen Fehler anerkennen mochte, mußte er es ins Universale, Weltschmerzliche vergrößern und es als Los des reichen Geistes empfinden, solcher Ergänzung durch fremden Starkmut zu bedürfen, so daß es auch für die Frau dabei nicht an schmerzlicher Erhöhung fehlte. Sie maskierten ihr Verhältnis sorgfältig und auch vor sich als geistige Freundschaft, aber es gelang nicht immer, und zuweilen waren sie ganz entsetzt über Hyazinthische Schwächen, die sie in Gefahr brachten und unsicher machten, ob sie nun fallen müßten oder starkmütig zur alten Höhe wieder hinansteigen sollten. Als aber der Gatte erkrankte, war den Seelen der Halt geschenkt, nach dem langend, sie um den einen Zentimeter wuchsen, der zuweilen noch gefehlt hatte. Von da an war die Gattin geschützt durch Pflicht, machte gut durch verdoppelte Pflicht, was etwa noch in Empfindungen gesündigt wurde, und das Denken war durch eine einfache Regel, welche jetzt den Ausschlag gab, vor jenem Schwanken zwischen Verpflichtung zur Größe der Leidenschaft und zur Größe der Treue gesichert, das so besonders unangenehm war.

So sahen also verläßliche Menschen aus, sie zeigten es durch Geist und Charakter. Und mochte in Hyazinths Romanen auch noch so viel Liebe auf den ersten Blick vorkommen, jemand, der ohne weiteres einem Menschen folgte – wie ein Tier, das weiß, wo es trinken darf und wo nicht, – wäre ihnen als ein Wesen erschienen, das sich in einem wilden Urzustand ohne Moral befindet. Der Sohn aber, welcher mit dem tierhaft guten Vater Mitleid fühlte und Hyazinth wie die Mutter gleich der geistigen Pest bei allen kleinen Gelegenheiten des Familienlebens bekämpfte, hatte sich durch diese beiden in die entgegengesetzteste Ecke der zeitgemäßen Möglichkeiten treiben lassen. Der vielseitig Begabte studierte Chemie und stellte sich taub gegen alle Fragen, die nicht klar zu lösen sind, ja er war ein fast haßerfüllter Gegner solcher Erörterungen und ein fanatischer Jünger des kühlen, trocken phantastischen, Bogen spannenden neuen Ingenieurgeistes. Er war für Zerstörung der Gefühle, war gegen Gedichte, Güte, Tugend, Einfachheit; Singvögel brauchen einen Ast, auf dem sie sitzen, und der Ast einen Baum, und der Baum braunblöde Erde, er aber flog, er war zwischen den Zeiten in der Luft; hinter dieser Zeit, die ebensoviel zerstört wie aufbaut, wird eine kommen, welche die neuen Voraussetzungen hat, die wir mit solcher Askese schaffen, und dann erst wird man wissen, was wir hätten fühlen sollen – so ungefähr dachte er: einstweilen galt es hart und karg sein wie auf einer Expedition. Es hatte bei solchem Antrieb nicht fehlen können, daß er schon auf der Schule den Lehrern aufgefallen war, er hatte die Ideen neuer Erfindungen gefaßt, sollte sich ihrer Ausbildung nach dem Doktorat noch ein bis zwei Jahre widmen und hoffte, dann mit unaufhaltsamer Sicherheit über jenem strahlenden Horizont aufzusteigen, als den junge Leute die aus Glanz und Ungewißheit gemischte Zukunft vor sich sehen. Tonka liebte er, weil er sie nicht liebte, weil sie seine Seele nicht erregte, sondern glatt wusch wie frisches Wasser; er tat es mehr, als er glaubte, und die zuweilen vorsichtig mit scharfer Spitze tastenden Erkundigungen seiner Mutter, welche eine Gefahr ahnte, die sie nicht zur Rede stellen konnte, weil sie keine Gewißheit besaß, trieben ihn zur Eile. Er legte seine Prüfungen ab und verließ das Elternhaus.

Kapitel 5

Sein Weg führte ihn nach einer deutschen Großstadt. Er hatte Tonka mit sich genommen; es wäre ihm zumut geworden, als würde er sie Feinden ausliefern, wenn er sie in der Stadt ihrer Tante und seiner Mutter zurückgelassen hätte. Tonka schnürte ihre Sachen und verließ die Heimat so herzlos, so selbstverständlich, wie der Wind mit der Sonne wegzieht oder der Regen mit dem Wind.

Sie nahm in der neuen Stadt eine Stellung an, in einem Geschäft. Sie begriff die neue Arbeit rasch und wurde täglich dafür gelobt.Aber warum bekam sie einen unzureichenden Gehalt und bat nie um Erhöhung, obwohl man sie ihr bloß vorenthielt, weil es so eben auch ging? Sie nahm, was ihr fehlte, ohne Bedenken von ihrem Freunde an. Nicht deshalb, sondern weil ihm ihre Bescheidenheit nicht immer paßte, und um sie klüger zu machen, hielt er zuweilen Reden dagegen. »Warum verlangst du nicht, daß er dir eine höher bezahlte Verwendung gibt?!«

»Ich kann nicht.«

»Kannst nicht und behauptest, daß überall, wo etwas nicht stimmt, du helfen mußt?«

»Ja.«

»Nun, warum dann… ?«

Tonka bekam bei solchen Gesprächen einen störrischen Zug. Sie widersprach nicht, aber sie war Überlegungen nicht zugänglich. »Bitte,« konnte er sagen, »das ist ein Widerspruch, bitte, du mußt mir jetzt erklären, warum… «; es half nicht. »Tonka, ich werde bös sein, wenn du so bist!«

Dann erst, wenn er solche Peitsche schwang, setzte sich das kleine Eselsgespann der Bescheidenheit und des Trotzes langsam in Bewegung und zog etwas hervor wie zum Beispiel damals, daß sie eine ungelenke Schrift hatte und auch die Rechtschreibung fürchtete, was sie ihm bisher aus Eitelkeit verschwiegen hatte, so daß nun um den lieben Mund die Angst zuckte und sich erst zum Regenbogen eines Lächelns wölbte, als sie fühlte, daß ihr der häßliche Mangel nicht übelgenommen ward.

Im Gegenteil, er liebte solche Fehler wie den Fingernagel, den sie sich bei der Arbeit verunstaltet hatte. Er ließ sie in die Abendschule gehn und freute sich über die lächerliche kaufmännische Schönschrift, die ihr dort anwuchs. Sogar die verbildeten Urteile über das und jenes, die sie von dort nach Hause trug, waren ihm lieb. Sie trug sie gleichsam im Mund nach Hause, ohne sie zu essen; es lag eine edle Natürlichkeit darin, wie hilflos sie in der Abwehr des Wertlosen war, aber ahnend es sich nicht zu eigen machte. Diese Sicherheit, mit der sie alles Rohe, Ungeistige und Unvornehme auch in Verkleidungen ablehnte, ohne sagen zu können warum, war staunenswert, aber ebensosehr fehlte ihr jedes Streben, aus ihrem Kreis in einen höheren zu gelangen; sie blieb wie die Natur rein und unbehauen. Es war gar nicht so einfach, die Einfache zu lieben. Und zuweilen überraschte sie ihn durch Kenntnisse von Gedanken, die ihr ganz fern liegen mußten; selbst von Chemie; wenn er, vom Beruf ausschwingend, mehr monologisierend als für sie etwas erzählte, wußte sie plötzlich dies oder das. Gleich beim erstenmal hatte er sie natürlich erstaunt gefragt. Der Bruder ihrer Mutter, der bei ihnen in dem kleinen Haus hinter dem Bordell gelebt hatte, war Student gewesen. »Und jetzt?« »Er starb gleich nach den Prüfungen.« »Und das hast du dir gemerkt?« »Ich bin noch klein gewesen,« erzählte Tonka, »aber wenn er gelernt hat, hab ich ihn immer ausfragen müssen. Ich hab kein Wort verstanden, aber er hat mir die Fragen auf einen Zettel geschrieben.« – Schluß. Und länger als zehn Jahre war das wie schöne Steine, deren Namen man nicht weiß, in einem Kästchen gelegen! So war es auch jetzt; während er arbeitete, stumm in der Nähe zu sein, war ihr ganzes Glück. Sie war Natur, die sich zum Geist ordnet; nicht Geist werden will, aber ihn liebt und unergründlich sich ihm anschloß wie eins der vielen dem Menschen zugelaufenen Wesen.

Seine Beziehung zu ihr war damals in einer merkwürdigen Spannung gleich weit von Verliebtheit wie Leichtfertigkeit. Eigentlich waren sie schon in der Heimat auffallend lang ohne Verführung miteinander ausgekommen. Sie hatten sich abends gesehen, gingen miteinander spazieren, erzählten sich die wenigen Erlebnisse des Tages mit ihren kleinen Ärgerlichkeiten, und das war so nett, wie Salz und Brot zu essen. Später hatte er freilich ein Zimmer gemietet, aber nur weil es dazu gehört und auch, weil man im Winter nicht stundenlang in den Straßen sein kann. Dort küßten sie sich zum erstenmal. Etwas steif, es war mehr eine Bekräftigung als ein Genuß, und Tonka hatte vor Aufregung ganz rauhe, harte Lippen. Sie hatten damals auch schon davon gesprochen, »sich ganz anzugehören«. Das heißt – er hatte gesprochen und Tonka hatte schweigend zugehört. Lächerlich deutlich, wie begangene Dummheiten sich nicht auslöschen lassen, erinnerte er sich seiner sehr jugendlich lehrhaften Ausführungen darüber, daß es so werde kommen müssen, weil dann erst zwei Menschen sich wirklich einander öffnen, und derart zwischen Gefühl und Theorie schwankten sie. Tonka bat bloß einigemal, es noch um einige Tage hinauszuschieben. Bis er beleidigt frug, ob ihr das Opfer zu groß sei? Da setzten sie einen Tag fest!

Und Tonka war gekommen. In ihrem moosgrünen Jäckchen, in dem blauen Hut mit den schwarzen Puffen, die Wangen von demraschen Gehn in der Abendluft gerötet. Sie deckt den Tisch, sie richtet den Tee. Nur um ein weniges geschäftiger als sonst, und immer bloß die Gegenstände ansehend, mit denen sie es gerade zu tun hat. Und obgleich er während des ganzen Tages ungeduldig gewartet hat, sitzt er eingeklemmt in die eisige Steife der Jugend auf dem Sofa und sieht ihr zu. Er bemerkte, daß Tonka an das Unabwendbare nicht denken wollte, und es tat ihm leid, daß er dafür einen festen Termin gestellt hatte; wie ein Gerichtsvollzieher! Aber es fiel ihm jetzt erst ein, daß er sie hätte überraschen, es ihr hätte abschmeicheln müssen!

Alle Freude war meilenfern; er scheute sich eher, das Frische anzutasten, das ihm jeden Abend, wenn sie sich sahen, wie ein kühler Wind entgegenwehte. Aber einmal mußte es sein, an diese Notwendigkeit klammerte er sich, und während er die unwillkürlichen Bewegungen Tonkas verfolgte, kam es ihm vor, als wäre sein Gedanke wie ein Seil um ihren Knöchel geschlungen, das bei jeder Wendung kürzer wurde.

Nach dem Mahl, das sie fast ohne zu sprechen eingenommen hatten, setzten sie sich zueinander. Er machte einen Versuch zu scherzen, Tonka machte einen Versuch zu lachen. Aber sie verzog dabei den Mund, als ob sich ihre Lippen spannten, und wurde plötzlich wieder ernst.

Unvermittelt sagte er: »Tonka, ist es dir recht? Soll es dabei bleiben?« Tonka senkte den Kopf, und ihm schien, daß etwas über ihre Augen flog, aber sie sagte nicht ja und sie sagte nicht, ich hab dich lieb, und er beugte sich zu ihr und sprach ihr in seiner Verlegenheit leise zu. »Weißt du, es ist am Anfang viel Ungewohntes, vielleicht sogar Nüchternes. Denk dir, wir dürfen doch nicht… , weißt du, es ist doch nicht bloß so… Mach dann die Augen zu. Also… ?«

Das Bett war schon aufgeschlagen, und Tonka ging darauf zu, setzte sich aber plötzlich wieder unentschlossen auf den Stuhl daneben.

Er rief sie an: »… Tonka!… « Sie stand wieder auf und mit weggewandtem Gesicht begann sie ihre Kleider zu lösen.

Ein undankbarer Gedanke blieb an diesen süßen Augenblick geheftet.

Schenkte sich Tonka? Er hatte ihr keine Liebe versprochen; warum empörte sie sich nicht gegen einen Zustand, der höchsteHoffnungen ausschloß? Schweigend handelte sie, als würde sie von der Macht des »Herrn« unterjocht; vielleicht würde sie einem andern auch so folgen, der fest will? Aber da stand sie im Ungeschick ihrer ersten Nacktheit; die Haut schloß sich rührend wie ein zu enges Kleid um ihren Körper; sein Fleisch war menschlicher und klüger als das jugendlich überkluge Denken, und Tonka, als ob sie vor ihm flüchten wollte, der in diesem Augenblick auffuhr, schob sich mit einer merkwürdig ungeschickten und ungewohnten Bewegung ins Bett.

Er erinnerte sich dann nur noch, daß er im Vorbeigehen empfand, das Vertrauteste sei auf dem Sessel geblieben, mit den Kleidern, die er so gut kannte; als er daran vorbeikam, stieg der liebe, frische Geruch daraus auf, den er immer als das erste empfunden hatte, wenn sie sich sahen; im Bett erwartete ihn das Unbekannte und Fremde. Er hielt noch einmal ein, und Tonka lag im Bett mit geschlossenen Augen und zur Mauer gewandtem Kopf, endlos lang, in fürchterlich einsamer Angst. Als sie ihn endlich neben sich fühlte, waren ihre Augen warm von Tränen. Es kam dann eine neue Welle der Angst, Entsetzen über ihre Undankbarkeit, ein sinnloses, Hilfe suchendes Wort, durch einen endlosen, einsamen Gang hervorstürzend, verwandelte sich in seinen Namen, und dann – war sie sein geworden; er begriff wohl kaum, wie zauberhaft, wie kindlich tapfer sie sich in ihn stahl, welche einfache List sie sich ausgedacht hatte, um auch alles zu besitzen, was sie an ihm bewunderte: man braucht bloß ganz ihm zu gehören und dann gehört man dazu.

Er erinnerte sich später gar nicht mehr, wie das geschehen war.

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Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
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60 s. 1 illüstrasyon
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