Kitabı oku: «Globalgeschichte schreiben», sayfa 2
Globalgeschichte als Verbindungsgeschichte
Kehrt man zu Sebastian Conrads Diskussion der drei Hauptvarianten von Globalgeschichte zurück, so zeigt sich dort ein ähnliches Unbehagen mit der Vagheit des Verbindungsbegriffs. Conrad zweifelt nicht grundsätzlich an der Wichtigkeit eines Fokus auf Verbindungen, für ihn kann das aber nur der Ausgangspunkt globalhistorischer Forschung sein.18 Vor allem aber müsse es der Globalgeschichte um die Bedingungen und beständigen Strukturen gehen, unter denen Verbindungen entstehen und wirken. „Exchange, in other words, may be a surface phenomenon that gives evidence of the basic structural transformations that made the exchange possible in the first place.“19 Conrad verweist darauf, dass die ersten beiden von ihm skizzierten Varianten der Globalgeschichte – also die Synthese und der reine Fokus auf Verbindungen – prinzipiell auf alle Zeiten und alle Orte,20 und man möchte ergänzen: alle Gegenstände, angewandt werden können. Die Globalgeschichte ist in diesem Zusammenhang eine Perspektive. Sie sei – und das ist Conrads dritte Variante – aber eben auch ein Gegenstand. Die sinnvolle Anwendbarkeit der Perspektive hängt aus dieser Sicht unter anderem von den strukturellen Bedingungen globaler Integration ab, also im Kern von der Frage, ob globale Verbindungen sich bereits strukturell verfestigt haben.21 In Conrads Argumentation macht nur eine solche Kombination von Perspektive und Gegenstand einen differenzierten analytischen Umgang mit globalen Verbindungen möglich. Ausgeführt wird dies unter anderem anhand des Beispiels der Einführung westlicher Uhren in Japan. Als dies im 17. Jahrhundert erstmals geschah, hätte dies praktisch keine Auswirkungen auf das soziale Zeitregime gehabt. Vielmehr wären die Uhren in das lokale Zeitregime integriert worden. Ganz anders im 19. Jahrhundert: Durch den höheren Grad globaler struktureller Verflechtung wären westliche Zeitmessungsinstrumente nun zu Symbolen der Modernisierung geworden. Das lokale Zeitregime hätte sich dramatisch verändert.22
Dieses und andere Beispiele für die Bedeutung struktureller globaler Integration sind in vielerlei Hinsicht instruktiv. Insbesondere, weil sie tatsächlich unterschiedliche Bedingungen von Verflechtung und Austausch aufzeigen und damit völlig zu Recht auf die Notwendigkeit einer Kontextualisierung von globalen Verbindungen hinweisen. Allerdings zeigt sich hier auch, welche konzeptuellen Schwierigkeiten sich aus der Gleichzeitigkeit von Perspektive und Gegenstand für eine analytische Schärfung der Globalgeschichte ergeben. Während Conrad in dieser dritten Variante den ergiebigsten Pfad globalhistorischer Forschung sieht und darauf hinweist, dass die meisten differenzierten Studien der letzten Zeit einen solchen Weg verfolgen würden,23 argumentiere ich in diesem Buch, dass es dadurch schwierig wird, ein Erkenntnisinteresse und damit auch einen konzeptuellen Kern der Globalgeschichte zu formulieren.
Prinzipiell ist Sebastian Conrad zuzustimmen, dass globale Verbindungen nicht alles erklären, nicht der Dreh- und Angelpunkt jeder Argumentation sein können. Wie jedes andere historische Phänomen sind sie in ihren Kontext einzubetten und in ihrer Bedeutung zu gewichten. Die Frage ist in diesem Zusammenhang daher vielmehr, wie eine solche sorgfältige Einordnung der Geschichtsmächtigkeit und damit verbunden die Herausarbeitung der spezifischen Qualität von globalen Verbindungen am besten erreicht werden kann. Eine Schwerpunktsetzung auf das, was Conrad „globale Integration“ nennt, erscheint mir in dieser Hinsicht nur bedingt hilfreich, weil dadurch analytischer Kern und interpretativer Kontext miteinander vermischt werden und sofort neue Ungewissheiten auftauchen. So stellt sich unmittelbar die Frage nach der Schwelle, an welcher Globalgeschichte zum Gegenstand wird. Wie sehr müssen sich globale Verbindungen verfestigen, wie dicht und tragfähig müssen globale Strukturen sein, damit wir von einem globalhistorischen Gegenstand sprechen können? Nehmen wir das ansonsten instruktive Beispiel westlicher Uhren in Japan. An welchem Punkt im 19. Jahrhundert ist Meiji-Japan genügend dicht mit der (westlichen) Welt integriert, dass wir fortan einen globalhistorischen Sachverhalt vor uns haben? Waren westliche Uhren in Japan vor diesem Punkt kein Fall für die Globalgeschichte, danach aber schon?
Die Frage nach der (im Übrigen schwer zu fixierenden) Schwelle mag banal klingen. Sie zeigt aber, wie sehr ein Fokus auf Integration, Verfestigung und Strukturbildung von der analytischen Schärfung globaler Verbindungen selbst ablenkt. Im Kern sollte es der Globalgeschichte darum gehen, wie durch das Handeln von Menschen globale Verbindungen entstehen und wie diese wiederum auf das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen zurückwirken. Das kann innerhalb und außerhalb von strukturell verfestigten Bedingungen stattfinden. Diese zählen daher zu einem multifaktoriellen Kontext, in den das Wechselspiel zwischen menschlichen Akteuren und globalen Verbindungen selbstverständlich einzubetten ist. Das Erkenntnisinteresse und damit der analytische Fokus der Globalgeschichte sollte aber nicht auf diesem Kontext ruhen, sondern sich auf die Schnittstelle zwischen menschlichem Handeln und globalen Verbindungen konzentrieren.
Conrad, so kann man an dieser Stelle annehmen, würde hier entgegenhalten, dass globale Verbindungen natürlich entscheidende Elemente sind und in der Globalgeschichte immer eine zentrale Rolle einnehmen werden, ihre Absolutsetzung einem Erkenntnisgewinn aber nicht zuträglich ist. Er sieht in diesem Zusammenhang die Gefahr der Nivellierung und Gleichsetzung gänzlich unterschiedlicher Verbindungszusammenhänge und nennt auch ein Beispiel dafür. So hätte der gewaltsame Tod des letzten Maurya-Königs im Jahr 185 BCE und der damit verbundene Zusammenbruch seines Reiches zwar dramatische Auswirkungen auf Südasien und die hellenistische Welt gehabt, mit den Folgen des Attentats auf Franz Ferdinand im Jahr 1914 sei das aber nicht zu vergleichen, weil die Welt mittlerweile einen gänzlich anderen Integrationsgrad erreicht hätte.24 Dem Befund selbst kann man natürlich nur zustimmen. Aber auch hier handelt es sich letztlich um eine Frage der Einordnung und Gewichtung globaler Verbindungen und nicht um einen fundamentalen analytischen Unterschied hinsichtlich ihrer Geschichtsmächtigkeit. Man kann den gänzlich unterschiedlichen Grad globaler Integration in den beiden Vergleichsfällen nicht leugnen. Aber wer würde das überhaupt versuchen? Die wirklich spannende Frage ist doch, wie ein Ereignis – hier jeweils ein Attentat – sich über globale bzw. transregionale Verbindungen auf das Denken und Handeln anderer Menschen auswirkt.
Conrad, so kann man seine wohlüberlegte Argumentation zusammenfassen, meint, die Globalgeschichte hätte sich bisher zu viel mit bloßen Verbindungen auseinandergesetzt und zu wenig mit deren strukturellen Verfestigungen. Er plädiert dafür, die Globalgeschichte als Perspektive um die Globalgeschichte als Gegenstand zu erweitern. Das vorliegende Buch hingegen behauptet, dass die Globalgeschichte sich bisher viel zu wenig mit globalen Verbindungen auseinandergesetzt hat; und zwar zu wenig genau, zu wenig analytisch differenziert. So hat die Globalgeschichte bisher eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang praktisch völlig übergangen: Was macht globale oder transregionale Verbindungen eigentlich besonders? Was hebt sie von lokalen oder regionalen Verbindungen, die formgebende Elemente jeder Gemeinschaft sind, analytisch ab? Inwiefern funktionieren sie unterschiedlich? Wo liegt ihre besondere Qualität, die es rechtfertigt, überhaupt von der Globalgeschichte als eigenständiger Perspektive zu sprechen? Auch diese Fragen mögen auf den ersten Blick selbstevident erscheinen, sind es aber in keiner Weise.
Im Gegenteil, nimmt man sie ernst, so stellen sie sich als ungewöhnlich schwierig zu erörtern und zu beantworten heraus. Die konsequente Auseinandersetzung mit ihnen hat aber für die globalhistorische Forschung zumindest zwei hilfreiche Effekte. Erstens verweist die Frage nach dem analytisch Besonderen globaler Verbindungen automatisch auch auf andere Faktoren und deren Einfluss auf das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen. Eine weitreichende Kontextualisierung und differenzierte Gewichtung der untersuchten Phänomene ist die Folge. Globale Integrations- und Strukturbildungsprozesse und letztlich auch die Frage nach der Wirkmächtigkeit globaler Strukturen, die in diesem Buch in einem eigenen Kapitel ausführlich erörtert wird, müssen in diesem Zusammenhang als einer unter vielen Faktoren berücksichtigt werden. Zweitens schafft die Konzentration auf die Qualität der Verbindung selbst ein konzeptuelles Abstraktum, das den Kern des Erkenntnisinteresses der Globalgeschichte umfasst, diesen aus seinen spezifischen Kontexten zuerst einmal isoliert, um ihn dann wieder einbetten zu können. Dieses Abstraktum soll für die Globalgeschichte forschungsleitend sein. Es macht das Feld konzeptuell eigenständig und erlaubt es ihm, einen genuinen Beitrag zur Geschichtswissenschaft zu leisten, der über eine weltgeschichtliche Synthese oder ein reines Aufnehmen des Erkenntnisinteresses anderer Forschungsfelder – wie zum Beispiel der postcolonial studies oder der area studies – hinausgeht.
Eine solche Konzentration auf globale Verbindungen stellt keine Einengung der globalhistorischen Perspektive dar, sie unterschlägt nicht die Gegenständlichkeit globaler Integrationsprozesse, sondern ermöglicht es im Gegenteil, den globalhistorisch geschulten Blick in ganz unterschiedlichen Bereichen schweifen zu lassen und dennoch eine stete Rückbindung an das grundlegende Explanandum zu spüren. Wie und warum schaffen Menschen in ganz unterschiedlichen Lagen und Kontexten globale oder transregionale Verbindungen? Und wie wirken diese auf den Menschen zurück? Diese simple Fragestellung hat es in sich. Es geht um das Ausloten der Geschichtsmächtigkeit globaler Verbindungen. Dass dabei das Lot irgendwann den Grund berührt, dass die Grenzen des Einflusses von Transfer und Austausch in vielen Fällen vielleicht sehr schnell erreicht sind, das gehört zum Prozess der Gewichtung dazu. Das Ziel muss die Einordnung von globalen Verbindungen in ein Faktorenensemble sein, auch wenn das manchmal bedeutet, dass sie kaum eine oder keine Rolle spielten.
Um auf die eingangs angeführten Aufgaben der Globalgeschichte zurückzukommen, so erlaubt es ein durch ein Abstraktum geschärfter und geführter Fokus auf globale Verbindungen der Globalgeschichte vielleicht klarer als anderen Forschungsfeldern aufzuzeigen, dass eine Engführung auf die Nationalgeschichte zu kurz greift, dass ein eurozentrischer Blick der Geschichte nicht gerecht wird, das viele Stimmen schweigen oder überhört werden. Letztlich sind dies aber keine globalhistorischen Problemlagen, sondern Herausforderungen jeder historiografischen Arbeit. Aufgenommen werden müssen diese Einsichten daher von der Geschichtswissenschaft insgesamt.
Globalgeschichte und Globalisierung
Dieses Buch ist keine typische Einführung in die Globalgeschichte. Es ist nicht der Versuch einer systematischen Erschließung des globalhistorischen Forschungsfeldes, wie ihn viele namhafte Autorinnen und Autoren in den letzten Jahren unternommen haben. Dieses Buch bietet keinen Überblick über die Geschichte der Globalgeschichtsschreibung.25 Es diskutiert auch keine spezifischen Methoden der Globalgeschichte26 oder stellt in geordneter Weise mögliche Themen globalhistorischer Forschung vor.27 Noch weniger setzt es sich mit der Institutionalisierung der Globalgeschichte und der damit verbundenen Forschungslandschaft auseinander.28 Letztlich lotet es nicht einmal systematisch die Potentiale und Stolperfallen globalhistorischer Ansätze aus.29 Stattdessen versteht sich dieses Buch als Einführung in die Forschungspraxis – und zwar in der Form einer konzeptuellen Schärfung des Feldes und durch den Versuch, Theorie und Empirie soweit wie möglich zusammenzubringen.
Theorie meint in diesem Zusammenhang vor allem die Schaffung eines konzeptuellen Abstraktums und damit den Versuch, begrifflich über eine reine Oberflächenbeschreibung globalhistorisch relevanter Phänomene hinauszukommen. Ausgehend von einem verallgemeinerbaren Erkenntnisinteresse der Globalgeschichte will dieses Buch in theoretischer Hinsicht Leitfragen entwickeln, entlang derer in den Sozial- und Geisteswissenschaften bereits eingeführte analytische Begriffe in globalhistorischen Zusammenhängen fruchtbar gemacht werden können. Durch Adaption dieser Begriffe erfolgt die notwendige Operationalisierung der Forschungsfragen. Sie schließen die Lücke zwischen Theorie und Empirie, die sich in der Globalgeschichte erfahrungsgemäß immer wieder auftut. Ihre empirische Anwendung finden die so weiterentwickelten Konzepte in konkreten, jeweils klar umrissenen Fallstudien.
In den Fallstudien, die den zentralen Teil dieses Buches ausmachen, spielt auch der Begriff der Globalisierung immer wieder eine wichtige Rolle. Zwar gehört er nicht zu den sechs im Rahmen dieser Einführung exemplarisch ausgewählten Konzepten, die in den Fallstudien ihre Anwendungen finden, er schließt aber in vielerlei Hinsicht an diese an und verleiht ihnen Dynamik. Darüber hinaus eignet sich der Begriff der Globalisierung in besonderem Maße, um hinleitend zu den sechs ausgewählten Konzepten schon einmal zu zeigen, wie hilfreich es ist, solche Leitbegriffe vom Deskriptiven ins Analytische zu heben, vom Speziellen ins Allgemeine. Der Begriff der Globalisierung ist in globalhistorisch informierten Studien allgegenwärtig. In vielen Fachdiskussionen wird die Globalgeschichte implizit hauptsächlich als eine Geschichte von Globalisierungsprozessen verstanden.30 Manche Fachvertreter gehen über diese implizite Schwerpunktsetzung hinaus und fordern, dass sich globalhistorische Forschung explizit mit der Geschichte der Globalisierung beschäftigen soll.31 Trotz dieses offensichtlich engen Verhältnisses zwischen Globalgeschichte und Globalisierung gibt es im Feld kein auch nur halbwegs einheitliches Verständnis des Begriffs. Dies ist nicht der Ort, um die unzähligen, teilweise miteinander konkurrierenden Interpretationen wiederzugeben oder zu bewerten. Einen Eindruck von der Spannweite der Ansätze vermittelt aber zum Beispiel die bekannte Debatte zwischen Dennis Flynn und Arturo Giráldez auf der einen Seite32 und Kevin O’Rourke und Jeffrey Williamson auf der anderen.33 Erstere sehen Globalisierung als die Zunahme nachhaltiger Interaktion zwischen allen besiedelten Kontinenten. Letztere verstehen den Begriff als die globale Integration von Märkten. Beide Seiten schauen aus einer hauptsächlich wirtschaftshistorischen Perspektive auf die Geschichte der Globalisierung und kommen dennoch zu grundlegend unterschiedlichen Auffassungen des Begriffs. Erweitert man dies um Einschätzungen, zum Beispiel aus einer politik-, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Richtung,34 so entsteht bald ein bunter Strauß von Definitionsangeboten. Um diese Spannweite zu illustrieren, weist Lynn Hunt in ihrem Aufsatz über Globalisierung und Zeit beispielhaft auf die Vorschläge von Jan Scholte oder Robert Keohane und Joseph Nye hin.35 Während Scholte in der Globalisierung nichts anderes als den Aufstieg von Supraterritorialität sieht,36 verweisen Keohane und Nye vor allem auf die globalisierende Wirkung neuer Technologien, die Entfernungen jeglicher Art schmelzen lassen.37
Nun ist das Fehlen eines eindeutig geklärten Begriffsverständnisses, einer gemeinsamen Definition in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein hinreichend bekannter Sachverhalt. Hinsichtlich des Begriffs der Globalisierung halten Bruce Mazlish und Akira Iriye explizit fest, dass uns das Fehlen einer klaren Definition in keiner Weise beunruhigen sollte.38 Und auch Barry Gills und William Thompson eröffnen ihren Versuch, das Verhältnis von Globalgeschichte und Globalisierung zu klären, mit der Feststellung, dass sie, was unterschiedliche Ansätze und Begriffsverständnisse angeht, grundsätzlich „ecumenical and tolerant“ seien.39 Diese begriffliche Offenheit ist insgesamt sicherlich eine Stärke der Geistes- und Sozialwissenschaften und soll hier nicht prinzipiell in Frage gestellt werden. Ich will lediglich darauf hinweisen, dass die Art und Weise, wie der Globalisierungsbegriff in der Globalgeschichte benutzt wird, zumindest zwei klare analytische Nachteile hat. So macht es die große definitorische Schwankungsbreite erstens schwer, sich in der Geschichtswissenschaft über Epochen- oder Perspektivengrenzen hinweg über Globalisierungsprozesse austauschen zu können. Ein Beispiel dafür ist die immer wieder gerne geführte Diskussion, ab wann man in der Geschichte denn überhaupt von Globalisierung sprechen kann. Um diese Frage dreht sich nicht nur die bereits erwähnte Debatte zwischen Flynn/Giráldez und O’Rourke/Williamson im Kern. Sie verhindert häufig auch eine produktive Zusammenarbeit zwischen globalhistorisch interessierten Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Epochen, die hier oft gänzlich unterschiedliche Auffassungen vertreten. Letztlich ist die Frage, wann Globalisierung beginne, nur eine Funktion der Frage, was Globalisierung eigentlich ist. Ein geteiltes Begriffsverständnis könnte demnach helfen, einen breiteren Dialog zu globalhistorischen Fragen zu ermöglichen. Ein zweites Defizit des momentanen, offenen Begriffsgebrauchs in der Globalgeschichte liegt in der Tatsache, dass die meisten Definitionen situativ gemeint sind und auf relativ eng umrissene Fragestellungen und Themengebiete zugeschnitten sind. Sie bleiben dadurch oft sehr deskriptiv, sind gleichzeitig aber außerhalb ihres eigentlichen Geltungsbereichs schwer zu operationalisieren. Dadurch ist es schwierig, Globalisierungsprozesse in der Globalgeschichte genau zu verorten – über die Beobachtung hinaus, dass sie darin eine wichtige Rolle spielen. Auch hier kann ein klareres, gleichzeitig aber auch abstrakteres Verständnis des Begriffs helfen.
Wie aber könnte das aussehen? Jürgen Osterhammel und Niels Petersson erkennen in den vielen verschiedenen Ansätzen zumindest einen gemeinsamen Bedeutungskern. „In den meisten Definitionsangeboten spielen die Ausweitung, Verdichtung und Beschleunigung weltweiter Beziehungen eine zentrale Rolle“, sagen sie.40 Anthony Giddens geht mit seiner mittlerweile über 25 Jahren alten Definition in eine grundsätzlich ähnliche Richtung, setzt die Betonung aber anders. Globalisierung ist für Giddens „the intensification of worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring many miles away and vice versa.“41 Will man den Begriff weiter abstrahieren, so könnte man auf Osterhammel/ Petersson und Giddens aufsetzend sagen, dass Globalisierung im Kern nichts anderes ist, als der Prozess der Loslösung sozialer Interaktion von räumlicher Nähe. Für diesen Prozess gibt es jeweils einen abstrakten Anfangs- und Endpunkt. Der Anfangspunkt ist, dass jede Form sozialer Interaktion zwischen Menschen nur in unmittelbarer räumlicher Nähe stattfindet. Der Endpunkt ist, dass zwischen sozialer Interaktion und räumlicher Nähe überhaupt kein Zusammenhang mehr besteht. Beides sind natürlich fiktive Punkte, die so in der menschlichen Lebenswelt nicht vorkommen. Sie können uns als Vorstellung aber dabei helfen, den Prozess dieser Loslösung, für den der Globus den Möglichkeitsraum darstellt, besser zu greifen.
Will man es etwas weniger abstrakt formulieren und trotzdem die Breite der Definition erhalten, so könnte man Folgendes sagen: Globalisierung ist ein Prozess, in welchem sich in die Interaktionsmuster von Menschen zunehmend mehr Verbindungen über lange Distanzen und damit indirekt über Grenzen ganz unterschiedlicher Art einfügen. In einem solchen Verständnis sagt der Begriff der Globalisierung erst einmal noch nichts über die Intensität und Wirkmächtigkeit dieser Verbindungen, sondern verweist lediglich auf eine Zunahme derselben, die aber natürlich auch sehr gering und graduell ausfallen kann. Globalisierung verweist hier also letztlich auf eine Veränderung in Verbindungs- und Interaktionsmustern.