Kitabı oku: «Es ist niemals zu früh, um Schalke zu leben – "5:04" – Eine Blau-Weisse Autobiografie», sayfa 7

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1990 – Die Fan-Kneipe „Auf Schalke“.

Wenn ich früher für eine Veranstaltung oder eine Busfahrt Getränke holen musste, ging ich immer zum Bierverleger meines Vertrauens, Wilfried Hövelmann. Bei Wilfried erhielt ich die Ware auf Kommission, und das zu einem verdammt guten Preis. Außerdem konnte ich jederzeit auf einen Kaffee und ein Pläuschchen zu ihm ins Büro kommen. Wir quatschten über alles, worüber Männer eben gerne quatschen – obwohl sie meist keine Ahnung davon haben. Daher war es auch verständlich, dass Fußball, und besonders der FC Schalke 04, eines unserer Lieblingsthemen war.

Irgendwann muss ich Wilfried in einem Gespräch erzählt haben, dass ich eine Kneipe in Gelsenkirchen suchte, in der ich mich mit Fans und Fan-Clubs treffen und Veranstaltungen abhalten könnte. Denn bisher habe ich mich an fast jedem Wochenende mit irgendwelchen Fan-Clubs in Gelsenkirchen in deren Vereinskneipen getroffen, um dort die Versammlung abzuhalten. Natürlich wollten mir die Fan-Clubs immer das Bier bezahlen, aber meist wollte ich das gar nicht und habe mein Bier und meine Bratwurst selbst bezahlt. Von meinen Gästen aushalten lassen? Auf keinen Fall! Und so kam es, dass ich am Monatsende fast immer einen stattlichen Bewirtungsbetrag vorzeigen konnte.

Als ich eines Tages wieder einmal bei Wilfried einen Kaffee schnorrte, sagte er beiläufig zu mir »Ach ja Rolf, kannst du nächste Woche zu einer Besichtigung vorbeikommen? Ich habe hier in Gelsenkirchen eine tolle Kneipe für dich. Und das Schöne: die Kneipe ist groß und liegt direkt im Stadtteil Schalke. Da kannst du dich, so oft du willst, mit deinen Fan-Clubs treffen und austoben.« Das hört sich doch ganz gut an, dachte ich. Wenn ich mit dem Pächterehepaar klarkomme, wäre das optimal. Wir machten also guter Hoffnung einen Termin für die Besichtigung aus.

Zu dieser Zeit wohnte ich noch in Saerbeck, einem kleinen Dorf im schönen Münsterland, etwa 104 km vom Parkstadion entfernt. Da ich immer viele Termine auf Schalke und mit Fan-Clubs hatte, fuhr ich die Strecke Saerbeck-Gelsenkirchen-Saerbeck mehrmals pro Woche. Eine gute Terminplanung war also sehr wichtig. Auch wenn ich es sonst zumindest immer versucht habe, pünktlich bei meinen Terminen zu erscheinen, bin ich nicht zur Besichtigung der Kneipe erschienen. Ich hatte mich auf Schalke festgequatscht und ganz ehrlich, so ernst habe ich den Termin nun auch nicht genommen. Und das Pächterehepaar musste wahrscheinlich eh vor Ort sein und in der Kneipe arbeiten …

Als mich Wilfried anrief und fragte, wo ich bleibe, entschuldigte ich mich und sagte ihm, dass ich auf Schalke festsitze. »Schade, alle sind da und wir warten auf dich« war seine Antwort. Moment mal, »Alle?«, fragte ich. »Wer sind alle?« Wilfried klärte mich auf. Die derzeitige Wirtin, der Hausbesitzer, die Vertreter der Krombacher Brauerei und der Vorsitzende des Sparclubs waren zu dem Termin gekommen, um mich kennenzulernen und mit mir zu sprechen. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, entschuldigte mich und machte einen neuen Termin aus. Eigentlich, so dachte ich, schaue ich mir nur eben die Räumlichkeiten an, quatsche mit der Wirtin und bespreche die Einzelheiten für die Versammlungen. Fertig. Wie auch immer, der neue Termin war ein paar Tage später.

Ich war fast pünktlich, fast. Denn ich bin ein großer Fan von Pünktlichkeit, aber leider nur bei anderen. Mit einer halben Stunde Verspätung stand ich also vor der angegebenen Adresse. Mein erster Gedanke: Oh Gott, wo bin ich denn hier gelandet? Die Kneipe war in einem Eckhaus. „Gaststätte Jägerhof“ stand auf meinem Zettel, Uechtingstraße 98 (Ecke Wilhelminenstraße). Ich schaute noch einmal auf den Zettel, dann auf die Hausnummer an dem Eckhaus. Ja, das war die besagte Kneipe. Ich war also an der richtigen Adresse.

Eine kurze Erklärung von mir: In der Gegend wohnten die Ärmsten der Armen und die Polizei kam nur hierher, wenn sie gerufen wurde, und zwar mit einem Mannschaftswagen. Und das war nicht selten der Fall …

Mein erster Eindruck war also ein klares Nein. Hierher soll ich meine Gäste einladen? Auf keinen Fall! Mit dem klaren Nein im Kopf betrat ich die Kneipe und war direkt über die Größe des Gastraums überrascht. Mit der dunklen Holzverkleidung wirkte der Raum zwar etwas bedrückend und die spärlichen Tiergeweihe an den Wänden änderten das auch nicht. Aber so wurden viele Kneipen in den 70ern gebaut und eingerichtet. Und immerhin war ich ja im „Jägerhof“. In der Mitte des Schankraumes stand ein großer Billardtisch, der fest am Boden verschraubt war. An der langen Theke hatten gut und gerne 30 Personen Platz, um ihr Bier zu trinken. Zudem rundeten sechs Tische das Mobiliar in der Gaststätte ab. An einem dieser Tische saß Wilfried mit fünf weiteren Personen, die sofort ihre angeregte Unterhaltung abbrachen, als ich den Raum betrat. Ich ging auf sie zu, begrüßte alle freundlich und machte gleich einen lustigen Spruch.

Natürlich flachsten wir sofort ein bisschen über unseren S04 und Wilfried eröffnete die Diskussionsrunde mit den Worten, dass ich hier mit meinen Fan-Clubs ungestört über die Niederlagen unseres Clubs diskutieren könnte. Ich nahm den Ball gekonnt auf und gab zurück, dass bei diesem giftgrünen Anstrich sicherlich keine ruhigen Diskussionen zustande kommen könnten. Alle lachten. »Kein Problem, dann streiche doch einfach alles in blau-weiß an«, meinte Wilfried. Und wieder lachten alle und ich dachte direkt, was für eine coole Wirtin, jetzt braucht sie nur noch das Geld für den Anstrich rausrücken.

Mit wurden alle Räume der Gaststätte gezeigt, darunter eine verdammt kleine Küche und ein mickriger Personalraum sowie ein riesiger Saal und natürlich die Toiletten. Für mich war das keine Gaststätte, wie ich sie mir wünschen würde. Aber mit ein paar Schalke-Bildern und Fan-Artikeln an den Wänden kann man aus dem Laden schon etwas machen. Und da ich mich hier nur mit den Fan-Clubs treffen will und anschließend wieder nach Hause fahre, sollte das passen.

Um mich zu vergewissern, fragte ich die Wirtin direkt. »Ich kann hier wirklich Schalke-Bilder aufhängen und auch der Außenanstrich wird geändert?« Der Vertreter der Krombacher Brauerei fiel ins Wort und sagte, dass es sogar eine Bezuschussung geben würde, wenn wir das Logo von Schalke oder dem Schalker Fan-Club Verband anbringen wollten. Alle nickten und ich fand dieses viele Entgegenkommen schon sehr komisch. Daher fragte ich nach, wie denn wohl die anderen Gäste reagieren, wenn der „Jägerhof“ plötzlich zu einer Fußballkneipe wird. »Werden die Stammgäste diese Veränderung akzeptieren?«, fragte ich. Und jetzt lachten alle noch mehr. »Rolf, das ist doch deine Sache. Als Pächter kannst du machen, was du willst!«, gab Wilfried zu erklären.

Pächter? Ich bin fast umgefallen, ich suchte doch nur eine Kneipe, in der ich mich mit meinen Fan-Clubs zurückziehen konnte, um meine Besprechungen abzuhalten. Ich wollte doch keine Kneipe pachten! Das teilte ich allen sofort mit und merkte dabei mit jedem Wort, wie sehr sie enttäuscht waren. Und dann redeten sie auf mich ein, was für einen Fehler ich machen würde. Die Unabhängigkeit bei Versammlungen, die eigenen Fan-Club Partys und natürlich die guten Verdienstmöglichkeiten. Es wäre so viel möglich, wenn ich ja sagen würde. Als ich dann den Pachtpreis erfahren habe, war ich doch ein wenig überrascht, wie günstig die Pacht für eine so große Kneipe war. Ich bat also um ein paar Tage Bedenkzeit und fuhr nachdenklich nach Hause ins Münsterland.

Im Auto gingen mir 1904 Gedanken durch den Kopf und eine Idee jagte die andere. In einer großen Kneipe, da könnte ich einiges machen: Fan-Partys und Diskussionsrunden mit Schalke-Promis am Spieltag, Treffen zwischen Schalke-Vorstand und Fan-Clubs und noch viel mehr. Und wenn der „Jägerhof“ den richtigen blau-weißen Anstrich bekommt, das könnte eigentlich doch etwas für uns sein. Zu Hause angekommen merkte Gudrun sofort, dass mich etwas beschäftigte. Natürlich wollte sie wissen, was los war und auch, wie das Gespräch in der Kneipe verlief. Ich redete nicht lange um den heißen Brei herum und ließ die Katze sofort aus dem Sack. »Was hältst du davon, wenn wir wieder eine eigene Fan-Kneipe aufmachen?«, fragte ich sie. Nein, Gudrun hat mich weder geschlagen noch rausgeschmissen. Immerhin war sie selbst früher Vereinswirtin, sogar meine. Daher kannte sie die harte Arbeit im Gaststättengewerbe nur zu gut. Was soll ich sagen? Ich war so begeistert von der Idee, eine eigene Fan-Kneipe zu haben – und wenn ich begeistert bin, kann ich jeden davon überzeugen: Gudrun sagte ja, der Vorstand und der Beirat des Schalker Fan-Club Verbandes sagten ja und auch die Brauerei sagte ja. Und schon hatte der Schalker Fan-Club Verband seine eigene Fan-Kneipe mit dem Namen „Auf Schalke“.

Ach ja, der giftgrüne Anstrich wurde bereits eine Woche später von einem Graffiti-Künstler übermalt, und zwar in einen blau-weißen Tempel …

»Man geht leichtfertig in die Fan-Kneipe und kommt leicht fertig wieder raus.«

1990 – Mit Polizei-Geleitschutz ins Hotel.

Es muss im Jahr 1990 gewesen sein, als ich einen Anruf von einem Schalke-Mitglied aus Luxemburg bekam. Er wollte einen Schalke Fan-Club gründen und ich sollte ihn dabei unterstützen. Damals war ich richtig heiß darauf, Fan-Clubs im Ausland für den FC Schalke 04 oder den Fan-Club Verband zu gewinnen. Also sagte ich ihm, dass ich zur Gründungsversammlung nach Luxemburg kommen würde.

Nach mehreren Telefonaten stimmten wir einen Termin und den Versammlungsort ab. Ich fragte nach einer Übernachtungsmöglichkeit vor Ort, da die Anreise ja schon etwas weiter sei. Sofort haben mir mehrere Mitglieder aus dem Fan-Club angeboten, bei ihnen zu Hause zu übernachten. Das war sehr lieb gemeint, aber ich gehöre zu den Menschen, die ziemlich wenig Schlaf brauchen und deshalb immer früh aufstehen. Und ehrlich gesagt habe ich keine Lust und keine Ruhe, morgens um 5.04 Uhr wachzuwerden und dann solange im Bett liegen zu bleiben, bis auch meine Gastgeber wach werden. Deshalb bevorzuge ich lieber ein Hotelzimmer, auch wenn mir dadurch Übernachtungskosten entstehen.

Die Versammlung sollte etwa 30 km hinter Luxemburg-Stadt stattfinden. Ich machte mich also an einem Freitagabend auf den Weg ins schöne Luxemburg und fand auch ziemlich problemlos den kleinen Ort und das Vereinslokal. Wenn ich sonst zu Versammlungen ging, war das Vereinsheim meist mit Fahnen geschmückt und überall hingen Wimpel und Poster von Schalke an den Wänden. Hier war davon gar nichts zu sehen. Zuerst dachte ich, dass ich an der falschen Gaststätte sei, bis mich der Wirt ansprach. »Du bist doch Rolf Rojek, oder? Wir warten alle auf dich im hinteren Zimmer.« Erleichtert, doch richtig zu sein, ging ich mit dem Wirt in das hintere Zimmer, in dem rund 20 Personen auf mich warteten. Auch in hier gab es nichts blau-weißes zu sehen, lediglich zwei Personen hatten einen Schalke-Schal um den Hals. Dafür schwebte eine dicke Rauchwolke in der Luft, denn damals gab es noch keine Rauchverbote. Die Luft war stickig und die Atmosphäre etwas kühl.

Nach der Begrüßung erklärte ich den Fans, wie ein Schalke-Fan-Club gegründet wird und welche Vorteile die Mitgliedschaft im Schalker Fan-Club Verband bietet. Die Fragen der anwesenden Fans waren gering und ich hatte schon Zweifel, ob sich die Fahrt hierher für den Verband gelohnt hat. Aber wie es manchmal so ist, mit einigen Witzen, mit meinen Geschichten und mit meiner Begeisterung, warum und wieso es geil sei, einen Schalke-Fan-Club zu gründen, wurde das Eis gebrochen und es kam eine wirklich gute Stimmung auf. Es wurde viel gelacht und das Formelle war schnell zu Ende. Kurz danach wurde der erste Schalke-Fan-Club in Luxemburg gegründet …

Bevor wir zum gemütlichen Teil übergingen, fragte ich nach meinem Zimmer, da ich wenigstens noch meine Tasche auspacken wollte. Die Jungs erklärten mir, dass mein Hotelzimmer im etwa 9 km entfernten Ort sei, denn hier in dem Dorf gab es kein Hotel. Damit war klar: Heute gibt’s nur Cola, schließlich musste ich ja noch fahren. Es sei denn, es gibt ein Taxi. Aber auch hier bekam ich die Antwort, dass ein Taxi zu später Stunde unmöglich zu bekommen sei. Na toll, jetzt bist du bis nach Luxemburg gefahren und kannst nicht einmal ein Bier mit den Jungs und Mädels trinken, dachte ich. Aber alle redeten auf mich ein und überzeugten mich letztendlich, dass sie mich schon heil und unversehrt in mein Zimmer bringen würden. Und so gab es dann doch Bier für mich.

Als Andenken an den Abend in Luxemburg holte ich mir beim Wirt einen 0,5 Liter Bierkrug aus Ton, auf dem ich alle Gründungsmitglieder unterschreiben ließ. Und es war wirklich ein schöner Abend, ich habe viele und lustige Geschichten aus meinem Schalke-Leben erzählt, bis ich gegen 1:00 Uhr in der Nacht langsam ins Hotelzimmer wollte. Immerhin musste ich um 6.00 Uhr in der Früh wieder raus, damit ich rechtzeitig wieder auf Schalke bin. Ich fragte also, wer mich zum Hotel fahren könnte und einer der Fans meinte, dass ich zu meinen Wagen gehen und hinter den anderen herfahren sollte. Ich lachte und fragte ihn, ob ich direkt zur Polizeiwache fahren sollte, um meinen Führerschein abzugeben. Und was machte er? Er lachte. »Dann kannst du mir deinen Lappen ja gleich geben, denn ich bin bei der Polizei.« Ich muss wohl ziemlich doof geschaut haben, denn plötzlich fingen alle an zu lachen. »Mach dir keine Gedanken, die Polizei wird dich nicht anhalten. Wir sind hier die Polizei«, waren seine Worte. Und genauso war es auch. Was ich nicht wusste: fünf der anwesenden Fans waren Polizisten. So sind wir mitten in der Nacht in einer Autokolonne, zwei Autos vor mir und zwei Autos hinter mir, besetzt mit Polizisten, langsam in das rund 9 km entfernte Dorf zu meinem Hotelzimmer gefahren.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass es eine große Dummheit war, an diesen Abend noch mit dem Auto zu fahren. Es ist zum Glück nichts passiert, aber ich kann nur jeden davor warnen, nach dem Alkoholkonsum mit dem Auto zu fahren. Egal, ob es nur ein paar Meter oder wenige Kilometer sind und egal, ob die Polizei dir Geleitschutz gibt.

Zehn Jahre später wurde ich von dem Schalke-Fan-Club aus Luxemburg zum Jubiläum eingeladen. Diesmal sah das Vereinslokal auch so aus, wie ein Schalker es erwartet: An den Wänden hingen überall unsere Schals, Bilder und Wimpel vom Fan-Club Verband und dem FC Schalke 04. Es waren auch deutlich mehr Mitglieder als vor 10 Jahren anwesend, das Durchschnittsalter war jedoch höher. Ich freute mich, dass sogar noch zwei Gründungsmitglieder dazugehörten. Nach zwei Stunden Rede und Antwort in geselliger Runde erhielt ich als Geschenk eine Holzkiste mit einer drei Liter Flasche Wein. Keine Sorge, die habe ich an dem Abend nicht geleert. Aber die Kiste war groß genug, sodass ich auch diesmal alle Mitglieder darauf unterschreiben ließ. An diesem Abend fuhr ich ohne Alkohol und Polizeischutz zufrieden in Richtung Gelsenkirchen.

Leider hat sich der Fan-Club kurze Zeit später aufgelöst …

»Über 6% der Deutschen sterben durch Alkohol, die restlichen 94% sterben auch.«

1991 – Wie Trompeten-Willy wirklich auf Schalke kam.

Tätä, tatä, tätätäre täte – Attacke! Wenn Marino Fioretti, von allen nur Fio gerufen, mit seiner Trompete zur Attacke geblasen hat, bebte das Stadion. Das war damals schon eine geile Fan-Aktion, die Fio ins Leben gerufen hat. Fio erreichte mit seiner Attacke nicht nur auf Schalke Kultstatus, er war der erste Fan, den ich kannte, der sich eine eigene Autogrammkarte anfertigen ließ.

Fio war von Beruf Baggerführer. Der damalige Schalke-Hauptsponsor Müller zahlte Fio 7.500 DM im Jahr für seinen Einsatz und machte ihn zum ersten bezahlten Fan in der Fußballbundesliga. Nicht jeder Fan war damit einverstanden, aber Fio genoss den Ruhm, den er sich mit seiner Trompete erspielt hatte. Er war nicht nur bei den Schalke-Spielen anwesend, sondern immer öfters auch auf größeren Fan-Veranstaltung.

Mein Fan-Club Blau-Weiß Saerbeck organisierte Anfang der 90er Jahre ein großes Fußballturnier und kein geringerer als FIFA Schiedsrichter Walter Eschweiler pfiff das Finale. Nach dem spannenden Endspiel wurde in der Saerbecker Bürgerhalle zur Siegerehrung mit anschließender blau-weißer Nacht eingeladen. Über 250 Fans gaben sich an diesem Abend die Kante. Das kühle Bier floss in Strömen in die durstigen Sportlerkehlen. Die meisten Teilnehmer konnten besser trinken als kicken, aber das war egal. Wichtig war, dass Alle Spaß hatten.

Es war eine schöne und gelungene Veranstaltung, die sich gegen Mitternacht so langsam auflöste. Und wie bei vielen anderen Veranstaltungen auch, ging der harte Kern in die Verlängerung. Der harte Kern bestand aus fast 50 Gästen, die nicht einmal gehen wollten, als Band und DJ ihre Sachen packten. Immer wieder wurden Fangesänge und das Vereinslied „Blau und Weiß wie lieb ich dich“ angestimmt. Der Gesang war laut, aber nicht schön. In Saerbeck störte das niemanden.

Zu später Stunde kam einer der Gäste mit zwei Glas Bier in der Hand auf mich zu, gab mir ein Glas und sagte: »Ich bin der Willy und komme vom Niederrhein.«

Schön, dachte ich und stieß mit Willy auf Schalke an. Doch dann erzählte mir Willy unaufgefordert seine traurige Lebensgeschichte. Er ist schon sein ganzes Leben ein echter Schalker und würde so gerne mehr für diesen Club geben. Aber leider kann man ja nicht immer alles so machen, wie man es gerne hätte. Trotz seines gehörigen Alkoholpegels setzte Willy einen traurigen Dackelblick auf. Ich fragte ihn, was er denn gerne mehr machen würde. Willy druckste herum und erzählte dann, dass er Probleme mit Fio hätte. Er würde auch gerne mal die Attacke auf Schalke blasen, aber angeblich hat Fio ihm das verboten. Ich war verwundert, da ich Fio so nicht kannte und mir deshalb auch nicht vorstellen konnte, dass er so etwas sagen würde. Und Willy sah auch nicht so aus, als könnte er Trompete spielen. »Wie, du kannst Trompete spielen?«, fragte ich ihn verwundert. Jetzt hatte ich ihn scheinbar bei seiner Ehre gepackt, denn er schaute mich böse an. »Na klar kann ich das. Soll ich es dir beweisen« antwortete er. »Wenn ich höre, wie du die Attacke bläst, werde ich sofort mit Fio sprechen«, sagte ich, da ich auch schon einen im Tee hatte …

Willy stellte wortlos sein Bier auf den Tisch und torkelte zu der Band, die gerade dabei war, ihre Sachen einzupacken. Und tatsächlich packte einer der Männer eine Trompete aus und gab diese Willy. Eigentlich war ich schon darüber verwundert, dass Willy überhaupt noch die Bühne hochkam. Noch überraschter war ich, als er sich mit wackligen Beinen in der Mitte auf der Bühne positionierte, die Trompete kurz testete, ansetzte, und dann sauber und fehlerfrei „Il Silenzio“ spielte, ich glaube zumindest, dass es das Lied war. Danach folgte die Attacke. Ich war echt überrascht, das hätte ich ihm nie zugetraut. Und ehrlich: es hörte sich wirklich gut an.

Willy kam stolz zu mir an den Tisch und strahlte. »Na, wie habe ich das gemacht?«, fragte er. Was sollte ich sagen? Willy hatte mein Wort, ich würde mit Fio sprechen. Außerdem hatte Fio in der letzten Zeit öfters über gesundheitliche Probleme gesprochen, einige munkelten bereits, dass er aufhören wolle.

Irgendwann habe ich also Fio angerufen und ihn gefragt, ob er Willy wirklich die Attacke auf Schalke verboten hätte. Ich fragte ihn auch, wie er seine Zukunft auf Schalke sieht. Nach einem längeren Gespräch einigten wir uns darauf, dass auch Willy mal die Attacke auf Schalke blasen darf, immerhin ist diese nicht geschützt. Ich informierte Willy im Anschluss über das Gespräch. Er war stolz und jubelte vor Freude. Wir einigten uns darauf, dass er in 14 Tagen erstmalig mit seiner Trompete auf Schalke die Attacke blasen soll.

Ein paar Tage vor dem besagten Spiel rief Willy mich an und druckste ein bisschen herum. Er freut sich unheimlich, dass er die Attacke spielen darf, aber er hat derzeit ein kleines Problem. Er sei arbeitslos und könne sich keine Eintrittskarte für das Spiel kaufen, zumal er auch eine junge Familie hat.

»Das ist doch kein Problem, Willy. Die Stehplatzkarte bezahlt der Fan-Club Verband«, sagte ich zu ihm. Er freute sich und legte nach. Denn normalerweise geht er immer mit seiner Partnerin auf Schalke, aber sie hat natürlich auch kein Geld für eine Eintrittskarte. Ich versprach Willy, dass ich ihm für seinen Auftritt zwei Stehplatzkarten besorgen würde. Lange Rede, kurze Hose: Willy blies ein paarmal die Attacke im Stadion, alle waren begeistert und wir hatten einen Ersatz für Fio gefunden. Willy wurde später auch ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Schalker Fan-Club Verband und erhielt einige Sonderrechte. So bekam er vom Schalker Fan-Club Verband immer seine Stehplatzkarten und später auch eine neue Trompete. Seine erste Trompete schenkte er mir und immer, wenn ich diese ansehe, denke ich immer daran, wie alles mit der Attacke angefangen hat …

»Jeder Mensch ist austauschbar, aber nicht jeder ist ersetzbar.«

(Tobias Neufeld)

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