Kitabı oku: «Führungskräfte-Entwicklung: Worüber man in der Praxis ungern spricht»

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Strategieumsetzende PE und Führungskräfte-Entwicklung

Hg. Rolf Th. Stiefel

Der Autor

DR. ROLF TH. STIEFEL, Stammhauslehre bei Siemens, Dipl.-Kfm., Dipl.-Hdl., Dr. rer. comm.; mehrjährige Lehr- und Forschungstätigkeit an einer Business School in Genf und Durchführung von Forschungsprojekten mit finanzieller Unterstützung des Canada Council, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Konrad Adenauer-Stiftung an verschiedenen Universitäten in USA und Kanada. Seit 1975 selbstständiger Management-Trainer und FKE-Berater; 1986 Gründung der Dr. Rolf Th. Stiefel & Partner AG in St. Gallen, die sich mit der Entwicklung und Realisierung von strategieumsetzenden Lernsystemen spezialisiert hat. Während seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit hat der Autor verschiedene Projekte der Führungskräfte-Entwicklung für zahlreiche deutsche DAX-Unternehmen und Schweizer SMI-Unternehmen durchgeführt und auch die öffentliche Verwaltung in der Führungskräfte-Entwicklung beraten. Er ist Autor zahlreicher Aufsätze in in- und ausländischen Fachzeitschriften und von über 20 Büchern zu Themen der Management-Weiterbildung; von 1979 bis 2017 Herausgeber von MAO. Kontakt: stiefel@stiefel-rolf-th.ch

Rolf Th. Stiefel

© 2018 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg

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– unter Verwendung zweier Fotos von Beate Claus und K.T. Schwall –

Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin

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Inhalt

Einführung

Begriffliches

Meine wissenschaftsmethodische Verortung

Akteure auf dem FKE-Spielfeld

Einige Mythen und Alternativmythen der großbetrieblichen FKE

Professionelle Kunstfehler in Unternehmen – Einige Beispiele

Tricks und Maschen der externen Partner der FKE

Unklarer Bedarfsbegriff als zentrale Ursache mannigfacher Fehlentwicklungen in der FKE

Kaleidoskop von »Schnappschüssen« aus der FKE-Wirklichkeit

Wie sich die externe Szene präsentiert

Was kann man gegen die Missstände in der FKE tun?

Statt eines Schlussworts

Anhang

Gaunerverhalten lässt sich bewerten – Ein Einschätzungsinstrument für die FKE-Praxis

Abkürzungen

Literatur

»How can we distinguish between the charlatans and the rest? There are a few initial rules-of-thumb to follow. The first is that anything that you suspect is bunk almost certainly is.«

(MICKLETWAIT/WOOLDRIDGE 1996, S. 324)

Einführung

Führungskräfte-Entwicklung (FKE) gilt gemeinhin als Königsdisziplin der Personalentwicklung (PE). Weil sich die FKE in Unternehmen und bei überbetrieblichen Einrichtungen wie Business Schools mit ihren Executive Development-Programmen und Management-Instituten mit ihren Führungsseminaren selbst so elitär begreift, war man auch davon überzeugt, dass man sich keiner Kritik stellen muss. Hätte man die FKE mit professionellen Kunstfehlern, Korruption und Gaunerverhalten bei ihren externen Partnern in Verbindung gebracht, dann wäre man als Kritiker schnell in Verruf geraten. Die ehrenwerte FKE, in die Millionen von Euro und Franken von Seiten der Unternehmen – oft ohne jegliche Evaluierung – fließen, ist gleichsam sakrosankt.

Ich möchte gegen Ende einer langen beruflichen Tätigkeit, in der ich die FKE aus Sicht eines überbetrieblichen Management-Instituts, aus der Perspektive der universitären Erwachsenenbildung und als handelnder Akteur für zahlreiche Unternehmen im gesamten deutschsprachigen Raum erlebt habe, eine eher kritische Position einnehmen und über verschiedene Aspekte einer fragwürdigen FKE-Wirklichkeit berichten. Diese Seite der FKE-Wirklichkeit wird gemeinhin ausgeblendet oder unterdrückt. Wer will denn schon den Ast absägen, auf dem er sitzt, wenn er als Insider eine besonders kritische Position einnimmt.

Es gibt in den meisten FKE-Veröffentlichungen eine Überbetonung der Darstellung der inhaltlichen Seite der FKE und eine markante Unterbelichtung der Personen und auch der Institutionen, die im gesamten Kosmos der FKE eine Rolle spielen. Ich möchte deshalb in der vorliegenden Arbeit die Akteurperspektive in den Vordergrund rücken, indem ich in Form von Geschichten, informativen Schnappschüssen und Nahaufnahmen eines Akteurs und teilnehmenden Beobachters des erlebten FKE-Kosmos über die unbekannten Seiten der FKE berichte. Das Erzählen von Geschichten und die kommentierten Szene-Schnappschüsse treffen eher den ikonischen Lernstil von Führungskräften. Dass ich neben meinem reflektierten Erfahrungswissen – als einer Form meiner Erkenntnisgewinnung – mich zudem als sehr guten Kenner der Fachliteratur sehe, kann auch in dem einen oder anderen Abschnitt zum Ausdruck kommen.

Ich werde meine kritische Betrachtung der FKE-Wirklichkeit nicht ohne Vorschläge abschließen, was man firmenseitig unternehmen kann, um nicht mehr Opfer der eigenen Mythen oder zum Ziel von Trainingsgaunern und fragwürdigen Instituten zu werden. Wenn man in Unternehmen nach der Lektüre meiner Arbeit etwas verändern möchte, ist neben der FKE-Abteilung vor allem die Geschäftsführung (GF) in der Verantwortung. Dazu gehört nicht nur die Etablierung neuer Systeme und Prozesse in der FKE, sondern vor allem eine Veränderung der eigenen Rolle – real und nachvollziehbar und nicht in der Form von neuen Fensterreden. »In order to get different results, you must do different things« – wie der bekannte Management-Guru PFEFFER (2005, S. 124) diesen Sachverhalt mit einer simplen Management-Weisheit umschrieben hat.

Begriffliches

Ich möchte einige Begriffe meiner Arbeit voranstellen, weil damit die Differenzierungsschärfe verdeutlicht werden soll, mit der ich die FKE auf den Prüfstand stelle. Zum zweiten wird der jeweilige Begriffsinhalt und -umfang präzisiert, an dem ich mich im Folgenden ausrichte.

Die FKE ist noch weit davon entfernt, Gegenstand einer bestimmten Fachdisziplin zu sein. Zu Beginn der systematischeren Weiterbildung von Führungskräften in Unternehmen waren es bei uns vor allem Volkswirte und Betriebswirte, die nach Auswertung der amerikanischen Erfahrungen auch die Notwendigkeit der Weiterbildung des Führungspersonals bei uns postulierten. Diese Vertreter traten besonders für den Aufbau externer Institute ein, z. B. mit einer Denkschrift zur Gründung des Universitätsseminars der Wirtschaft (USW), und sahen in der Führungskräfte-Weiterbildung im Wesentlichen eine inhaltliche Fragestellung, die später durch die Forderung nach speziellen Lehrmethoden ergänzt wurde. (ARNDT et al 1967)

Heute finden sich in der FKE Vertreter verschiedener Disziplinen aus den Sozialwissenschaften, die mit ihrer jeweiligen Fachterminologie in der praktischen FKE arbeiten. Der Versuch, die FKE als Identitätsobjekt einer eigenständigen Fachdisziplin zu verfolgen, hat sich nicht durchgesetzt. Die von mir geprägte Begrifflichkeit der Management-Andragogik, die sich der Besonderheit des Lernens von professionell arbeitenden und sich entwickelnden Erwachsenen mit Führungsverantwortung in Organisationen annimmt (STIEFEL 1967, S. 439 ff.), ist in ihrer Differenziertheit in der Praxis nur in Ansätzen erkennbar.

Im Folgenden nun die wesentlichen begrifflichen Werkzeuge.

Personalentwicklung (PE) – Human Resource Development (HRD) – Führungskräfte-Entwicklung (FKE) – Talent Management (TM) – Human Resources (HR)

Personal oder neudeutsch Human Resources (HR) bilden das begriffliche Dach, unter dem das Teilsystem PE – neben anderen Teilsystemen wie Rekrutierung – angesiedelt ist. PE befasst sich mit der Entwicklung aller Mitarbeiter eines Unternehmens. Für PE steht in der Praxis häufig Human Ressource Development (HRD) weil es in der Wirtschaft einen Trend zur Verwendung von Anglizismen gibt.

FKE ist ein Teil von PE, der sich nur mit der Entwicklung von Führungsverantwortlichen und zumeist Führungsnachwuchskräften befasst.

Der modische Begriff Talent Management (TM) ist kein Fachbegriff, sondern eine von der Beraterszene lancierte nebulöse Begrifflichkeit, die mannigfache Facetten enthält, wie ein Beitrag in einer anspruchsvollen Fachzeitschrift aufzeigt (DRIES 2013, S. 272 ff.). In manchen Unternehmen steht der Begriff für die gesamte FKE-Arbeit; in der Mehrzahl verfolgt man unter TM nur die Entwicklung von Potentialträgern (sogenannten »high potentials«). Daneben hat man in manchen TM-Praktiken auch die Suche und Rekrutierung von Potentialträgern als Aufgabe angesiedelt. Dieser Teil der HR-Arbeit wurde früher als Hochschulmarketing verfolgt.

Ich kann für mich erfahrungsbasiert festhalten, dass die Verwendung von modischen Anglizismen in der praktischen Entwicklungsarbeit in Unternehmen nicht unbedingt für Qualität steht, sondern eher zur »Schaufenstergestaltung« gehört – ein Merkmal, das sich auch in vielen anderen Bereichen der FKE manifestiert.

FKE als Entwicklung einzelner Führungskräfte und des gesamten Managements

Die FKE kann sich auf den einzelnen Manager ausrichten, der bereits in einer Führungsverantwortung ist oder als Nachwuchskraft auf Führungsaufgaben vorbereitet werden soll. Die FKE kann sich jedoch auch die Entwicklung des gesamten Managements vornehmen, deren Vertreter sich qua Zuschreibung mit einem bestimmten Bedarf auseinandersetzen müssen. Im ersten Fall wird auch von »Manager Development«, im zweiten Fall von »Management Development« gesprochen.

Eigentlich deckt der deutsche Begriff FKE sowohl »Manager Development« als auch »Management Development« ab, in der Praxis sucht man jedoch überzeugende Management Development-Programme häufig vergeblich.

FKE – Entwicklung ist mehr als Training

Das E in FKE umfasst alle direkten und indirekten Maßnahmen, um die Kompetenzen von Führungskräften zu entwickeln. Dazu gehören mannigfache Maßnahmen am Arbeitsplatz (workplace learning) und natürlich auch die Trainingsmaßnahmen, die innerbetrieblich und überbetrieblich (off-the-job learning) durchgeführt werden.

Während es eine große Verbreitung von Trainings für Führungskräfte in allen Unternehmen gibt, die sogar zu einem eigenen Berufsstand, dem Führungstrainer, geführt haben, wird der Einsatz von abgestimmten Entwicklungsmaßnahmen (z. B. Job Rotation etc.) weniger systematisch verfolgt.

Leadership und Leadership Development

Leadership ist ein anderer Begriff, der in der Praxis eine große Unschärfe aufweist. In manchen Unternehmen hat man den Begriff »Management« und »Manager« insgesamt durch »Leadership« und »Leader« ersetzt.

Mit Leadership wird das eingesetzte Verhalten eines Managers gegenüber seinen Mitarbeitern bezeichnet. Was dieses Verhalten im Einzelnen beinhaltet, wird durch die jeweiligen »inhaltlichen Leadership-Schulen« bestimmt. Eine der bekanntesten ist die von KOUZES / POSNER (1988), an deren »leadership practices« sich viele Unternehmen orientieren.

Wenn Manager »leadership practices« erwerben, werden sie dadurch nicht zum »leader«. Sie bleiben Manager, die bestimmte »leadership practices« einsetzen.

Um Leadership als angehender oder bereits installierter Manager zu lernen, gibt es die unterschiedlichsten Lernarchitekturen. Man kann an Outdoor-Übungen teilnehmen, die Expedition von SHACKLETON studieren, die SHAKESPEARE-Dramen nach den Rollen untersuchen oder MANDELAs Wirken in Südafrika auswerten. Es ist die hohe Kunst in der FKE, dass Unternehmen Leadership-Inhalte vermitteln und Leadership-Lernarchitekturen wählen, die zu ihrer verfolgten Strategie und ihrer Unternehmenskultur passen. Diese Übereinstimmung wird eher selten systematisch verfolgt. Stattdessen lassen sich Unternehmen von Trainergruppen eine umsatzstarke Veranstaltungsserie zur Auslastung ihrer angestellten Trainer anhängen, die für die Teilnehmer und für das Unternehmen völlig bedeutungslos ist.

Existenzgrund und Ziele der FKE

Der Existenzgrund der FKE soll die Frage beantworten, warum sich eine Organisation der Entwicklung ihrer Führungskräfte annimmt. Diese Frage kann sehr unterschiedlich beantwortet werden – angefangen damit, dass FKE als Instrument der Strategieumsetzung konzipiert wird, bis zu dem oft nicht eingestandenen Existenzgrund, dass FKE eine Art »Hygieneeinrichtung« darstellt, die man sich hält, weil sie auch in anderen Unternehmen anzutreffen ist und man als Arbeitgeber eine Attraktivität haben will.

Bei den Zielen der FKE-Arbeit unterscheidet man jene, bei denen die Verbesserung der gegenwärtigen Aufgabenerledigung verfolgt wird und jene, die Führungskräfte auf eine zukünftige Aufgabenbewältigung im Unternehmen vorbereiten. Für diese Ziele werden in Unternehmen Förderungsprogramme durchgeführt, die besonders anspruchsvoll sind, weil die später zu übernehmenden Aufgaben während der Qualifizierung noch nicht genau feststehen. Die Verbesserung der Aufgabenbewältigung ist in der Praxis wenig problematisch, wenn man geeignete Maßnahmen dafür wählt – wie etwa Coaching – und nicht ein unspezifisches Führungstraining. Dagegen ist der Bereich der Förderung, für den in der Wirtschaft erhebliche Mittel eingesetzt werden, in sehr vielen Unternehmen eine echte »Baustelle«.

Bei Existenzgrund findet man in Unternehmen zumeist sehr wolkige Statements, was dann dazu führt, dass das Thema der Bedarfsbearbeitung, das durch den Existenzgrund der FKE bestimmt wird, sehr unscharf angegangen wird.

Evaluierung oder Wirkungsforschung in der FKE-Arbeit

Mit der Evaluierung oder Wirkungsforschung will man die Effekte von eingesetzten Ressourcen in der FKE-Arbeit ermitteln. Ich sage bewusst Effekte oder Ergebnisse, weil sich neben den absichtsvoll verfolgten Zielen immer auch positive, vor allem aber auch negative Nebeneffekte ergeben können.

Systematische Evaluierung der FKE-Arbeit ist in den meisten Unternehmen ein Fremdwort. Man »produziert« Entwicklungsmaßnahmen nach dem Prinzip Hoffnung oder vielleicht noch auf der Basis von subjektiven Teilnehmerdaten. Dass es negative Effekte in der FKE-Arbeit gibt, die man auch als Kollateralschäden der FKE bezeichnen kann, ist in den meisten Unternehmen eher unbekannt.

Meine wissenschaftsmethodische Verortung

Management im Allgemeinen und FKE im Besonderen ist eine Deutungswissenschaft, die ihren Epigonen erlaubt, völlig konträre Positionen zu beziehen, ohne dass man daran Anstoß nimmt. Die Deutungswissenschaft der FKE wird eigentlich nur noch von der Lotteriewissenschaft der Finanzanalysten übertroffen, die ihre Technik des ›Kaffeesatz-Lesens‹ in verbal nicht zu überbietender Form kultiviert haben. Besonders deutlich wird dies in der Kommunikation von Wertpapierabteilungen und Broker-Häusern mit ihren Kunden, in denen oft eine Perfektion der Analyse mit anschließenden Empfehlungen zum Ausdruck kommt, deren Substanzlosigkeit ein ums andere Mal durch die Wirklichkeit konterkariert wird.

Ich sehe mich als theoriegeleiteter Praktiker, der sich der Methode der »freien teilnehmenden Beobachtung« verbunden fühlt, wie sie insbesondere von GIRTLER (2001) eingesetzt wird. Damit gehört man nicht zum »mainstream« der Disziplinen, die zur wissenschaftlichen Etablierung der FKE angetreten sind und ständig versuchen, die Praxis mit ihren Erkenntnissen weiterzuentwickeln. Es hat mir geholfen, meine eigene wissenschaftliche Position dadurch zu finden, dass ich nur wenige Jahre dem Hochschulzirkus angehörte und es dann vorgezogen habe, aus einer eher kritischen Position heraus den Prozess der universitären Wissensproduktion zu verfolgen.

Dabei haben mich diverse Positionen von Paul FEYERABEND unterstützt, den universitären Betrieb etwas unvoreingenommener zu sehen – so beispielsweise sein Beitrag »Sind die Wissenschaften Forschungsinstitutionen oder politische Parteien?« (FEYERABEND 1989, S. 381 ff.) oder auch der von ihm an vielen Stellen zitierte Standpunkt, dass die klassische quantitativ ausgerichtete empirische Sozialforschung, wie sie in Hochschulkreisen im Wesentlichen praktiziert wird, nur eine Form der Erkenntnisgewinnung ist – ähnlich der Religion, bei der sich die Katholische Kirche als fast allein seligmachende Institution aufspielt. Dass es daneben viele andere religiöse Richtungen oder Freikirchen gibt, will man mit einem katholischen Weltbild nicht wahrhaben. Genauso verhält sich der Hochschulapparat mit seinen »Priestern« und »Ministranten«, für die es keine anderen religiösen Existenzen gibt.

Die Praktikerkreise in der FKE sind zu schwach, um eine eigene autonome, von der »Katholischen Kirche« der Hochschulen unabhängige, professionelle Community zu etablieren. Wenn sich heute jemand unter Praktikern mit Wissenschaft und Erkenntnisfortschritt befassen möchte, schielt er auf eine geduldete Aufnahme an eine Hochschule als »Gral der Wissenschaft« und freut sich über einen Lehrauftrag oder später über eine Honorarprofessur.

Das bekannte »Spiel« der Anbiederung der Praxis an Professoren, um ihre Entwicklungsarbeit scheinbar aufzuwerten, kann besser verstanden werden, wenn diese zumeist professionell unmündigen Praktiker darauf hoffen, mit dem Einsatz eines »Professoren-Priesters« aus der »Katholischen Kirche« Absolution zu erfahren. Da sich um die »Katholische Kirche« in den Hochschulen ein Apparat von Verbänden, Verlagen und anderen stabilisierenden Institutionen gebildet hat, kann das kanonische Wissensgebäude der FKE ohne Beeinflussung von Abtrünnigen, Außenseitern oder Randständlern fortbestehen.

Die »Katholische Kirche« und auch ihre Gläubigen in der FKE-Praxis können die beispielhafte Kritik an der fragwürdigen Rolle der »Senftuben-Professoren«, die ihren professoralen Priesterstatus dazu missbrauchen, zu jedem ihnen passenden Thema ihren Senf als Kommentar abzugeben, als Irrungen und Wirrungen von Ketzern abtun. Genauso kann man die anthropologisch bestimmte Erkundung der freien Trainer als »Mitleben und Miterleben in der untersuchten Gemeinschaft« – wie der Anthropologe MALINOWSKI seine Methode beschrieb (GIRTLER 2001, S. 67) – in seinen gauner- und ganovenhaften Ausmaßen ablehnen, weil die Ergebnisse nicht zum Kanon der »Katholischen Kirche« passen.

GIRTLER hat eine Vielzahl von Studien über Gruppierungen in der Gesellschaft durchgeführt, die bis dahin nicht hinreichend untersucht wurden, weil die klassischen erkenntnisgewinnenden Methoden versagt haben. Man kann eben die Welt von Vagabunden, Obdachlosen (österreichisch: Sandler), Prostituierten oder Dieben nicht erschließen, wenn man nicht über die Methode der von ihm dann auch systematisierten »freien teilnehmenden Beobachtung« wie ein Anthropologe oder ein Ethnologe in die fremde Kultur der jeweils untersuchten Randgruppen eintaucht. Seine zahlreichen einzigartigen Beiträge werden in der »Katholischen Kirche der Soziologie« als eher unwissenschaftlich abgetan, weil man sie in die Nähe von gut lesbaren journalistischen Darstellungen rückt und die besondere qualitative Methodologie nicht wahrhaben will. Dagegen führt der bekannte Anthropologe GEERTZ an: »Ethnographie […] ist vor allem eine Wiedergabe des Wirklichen, eine in Worte gefasste Vitalität« (1990, S. 138). Und dazu braucht es journalistische Ausdruckskraft, die man nur dadurch gewinnt, dass man sich voll und ganz auf sein »Untersuchungsobjekt« einlässt.

Es ist erfreulich, dass GIRTLER mit seinen Methoden der Feldforschung zumindest in einigen Kreisen der qualitativen Sozialforschung eine Wertschätzung genießt, die statt der empirischen Erbsenzählerei und der Fragebogen-Methodologie – wie sie auch von dem emeritierten »PE-Leuchtturm-Professor« BECKER als Hausautor des Schäffer-Poeschel Verlags gepflegt wurde – eine andere Form der Praxiserkundung verfolgen. GIRTLER erfährt in dem Standardwerk von LAMNECK (1988) im Personenregister eine ähnlich häufige Erwähnung wie die »grounded theory«-Päpste GLASER und STRAUSS (1967).

Wenn ich beispielsweise über meine Erfahrungen mit Trainingsgaunern berichte oder über Selbstdarsteller aus der FKE schreibe, wie sie ihren betrieblichen Auftrag für ihre narzisstischen Motive missbrauchen, dann sind dies allesamt Themen, die auch nicht in das seriöse kanonische Lehrgebäude der FKE passen. Kommt dazu noch eine gewisse Dosis an journalistischer Frische, die die Vitalität des real Erlebten – wie es GEERTZ formulierte – ausdrückt und nur aus dem Eintauchen in die andere Kultur und nicht als »Veranda-Anthropologe« (VAN MAANEN 1988, S. 16) möglich ist, dann verliert man damit fast jeden wissenschaftlichen Kredit bei den etablierten Vertretern der »Katholischen Kirche« – so man ihn je gehabt hat, angesichts der Auseinandersetzung mit nicht-kanonischen Wirklichkeiten als Untersuchungsgegenständen.

Ich spüre eine methodische Nähe zu GIRTLER, obwohl ich mich nicht der stringenten Systematik seiner freien teilnehmenden Beobachtung bedient habe, sondern mich eher als Vertreter einer »reflective practice« sehe (z. B. BOLTON 2001), der seinen anthropologischen Neigungen gerne nachgibt.

Es ist mir wichtig, dass Sie hinter die Geschichten, episodischen Fälle oder exemplarischen Schnappschüsse in dieser Arbeit blicken, die nicht nur als unterhaltende Lektüre zu verstehen sind. Vielmehr verfolge ich mit den behandelten Inhalten und der erkenntnisgewinnenden Methodik ein seriöses Anliegen. Es mag sein, dass die lebendige Diktion meiner Ausführungen etwas verstellt; etwa im Fall der Wohnzimmer-, Instituts- oder der Senftuben-Professoren und ihren Senftuben mit dem abgelaufenen Verfalldatum als Umschreibung dafür, nicht mehr auf fachliterarischer Ballhöhe zu sein, oder die Darstellung mancher betrieblicher FKE-Systeme als Zirkusmanege des abgestimmten Zusammenwirkens großer und kleiner Gauner und Ganoven.

»If you want to understand what a science is you should look in the first instance not at its theories or its findings, and certainly not what its apologists say about it; you should look at what the practitioners do.« (GEERTZ ohne Angabe zitiert bei VAN MAANEN 1988, S. 73) Wenn man sich an diesem Zitat des Anthropologen GEERTZ orientiert, um über die FKE als wissenschaftliche Disziplin eine Aussage zu erhalten, dann gehört mein Ansatz mit seinen feldforschenden Bemühungen über die vielfältigen Erscheinungsformen der Praxis sogar zu den echten wissenschaftsmethodischen Vorgehensweisen in unserer Szene.

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257 s. 12 illüstrasyon
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9783897975040
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