Kitabı oku: «Rollin Becker - Leben in Bewegung & Stille des Lebens», sayfa 8
2.4. STILLPUNKTE
Überarbeitete Fassung einer Erörterung, die 1986 während einer internen Fortbildung der Sutherland Cranial Teaching Foundation in Philadelphia, Pennsylvania, stattfand.
Ihr habt die Frage gestellt: Was passiert bei einem Stillpunkt? Das ist eine gute Frage, und ich werde versuchen, etwas dazu zu sagen – aber es ist nicht die Antwort, denn es gibt keine Antwort auf die Frage, was bei einem Stillpunkt geschieht.
Man geht durch einen Stillpunkt, indem man die relative Funktion eines Hebels über einem Fulkrum verändert. Du schaffst einen kompletten Austausch zwischen den zwei Enden des Hebels.
Nun, ich möchte euch nicht verwirren, aber ich habe es aufgegeben, den Stillpunkt zu nutzen; er ist nicht ein Ziel der Behandlung. Ich habe sogar aufgegeben, danach zu suchen. Ich fand eine Million Stillpunkte – davor, während, danach … und schlussendlich gab ich auf. Ich nehme mich einfach so weit wie möglich aus dem Weg, so weit, wie es nötig ist, damit etwas geschehen kann.
Ein Stillpunkt ist ein physiologischer Balance-Akt, den die Körperphysiologie eines jeden Patienten durchmacht. Er kann zu jedem Zeitpunkt, an jedem Ort, auf irgendeine Weise geschehen. Wahrscheinlich kommt es spontan dazu, wenn der Patient nachts gut schläft oder in ähnlichen Situationen. Der Stillpunkt ist der Versuch des Körpers, sich selbst frei zu machen, zurück in einen komplett motilen Mechanismus. In einer Behandlung ist er ein beobachtbares Geschehen, das der Behandler erkennen kann als etwas, das in der Körperphysiologie stattfindet, das er aber nicht willentlich erstrebt oder zu evaluieren versucht. Es ist eine anatomisch-physiologische Veränderung, die der Körper herbeiführt, und ich als Behandler habe nichts damit zu tun. Ich muss den Stillpunkt nicht einmal erkennen. Die Tatsache, dass er stattfindet, weist darauf hin, dass die Körperphysiologie beschließt, ihn zu benutzen. Ich bin dabei einfach ein Beobachter und nicht einer, der ein Ziel verfolgt.
Oft werden Stillpunkte direkt vor euch geschehen, aber ihr könnt auch häufig die Erfahrung machen, dass sie in einiger Entfernung stattfinden. Du bist dabei, ruhig an einem Gebiet in einem Patienten zu arbeiten, zuzuhören, und plötzlich bemerkst du, dass woanders etwas geschieht. Nun, es muss durch einen Stillpunkt gegangen sein, damit das geschehen konnte. Aber du warst nicht in diesem Bereich, als er stattfand. Du kannst die Tatsache wahrnehmen, dass eine Veränderung geschehen, etwas durch einen Stillpunkt gegangen ist. Aber du warst nicht der Urheber.
2.5. MIT DEINEM MECHANISMUS SITZEN
Überarbeitete Version von Vorträgen, die 1976 im Rahmen eines Grundkurses der Sutherland Cranial Teaching Foundation in Milwaukee, Wisconsin, gehalten wurden.
DIE ERFAHRUNG DES INNEREN SPÜRENS
In diesem Kurs haben wir mit den Knochen des Kraniums an der Außenseite begonnen, sind dann nach innen weitergegangen durch die reziproke Spannungsmembran, haben das Einrollen und Ausrollen des Zentralen Nervensystems dazugenommen und einen Fluid Drive, den Liquor cerebrospinalis, in den neurokranialen Mechanismus eingeführt. Wir haben gesehen, dass dieser Mechanismus die Kapazität hat, gewisse Dinge zu tun und bestimmte Muster zu schaffen – Torsion, Situations-bedingt, Vertikale und Laterale Scherkraftmuster14 sowie Kompression. Wir haben festgestellt, dass er bestimmte membranöse Gelenk-Dysfunktionen haben kann und dass er sehr viele Gelenke hat. Und heute haben wir ein detailliertes Gesicht drangehängt.
Jetzt möchte ich, dass ihr euch für eine kleine Weile gerade hinsetzt und euch auf euch selbst besinnt. Wir wollen den Prozess des Trainingsprogramms dieser Woche umkehren. Ich will, dass ihr euch ganz still und ohne Anstrengung der Fluktuation des Liquor cerebrospinalis bewusst werdet, die in euren Köpfen stattfindet – der Fluktuation des Fluid Drive. Fühle ganz still den Liquor cerebrospinalis, die fundamentale Grundlage des Primären Atemmechanismus. Egal ob du sie tatsächlich spüren kannst oder nicht: Sei dir einfach des Liquor cerebrospinalis bewusst. Ich bitte dich nicht, sie aktiv zu spüren. Sei dir ihrer einfach nur bewusst als eines Fluid Drive, der rhythmisch fluktuiert, heran fließt und abebbt wie die Tide eines Ozeans, innerhalb deines vollständigen Kraniosakralen Mechanismus hineinströmt und heraus strömt, heraus strömt entlang der Hirnnerven und entlang der Spinalnerven, weiter treibt in das lymphatische System und ein Teil des lymphatischen Systems wird – dein ganzer Körper wird zu einem Einströmen und Ausströmen des Liquor cerebrospinalis.
Jetzt bemerkst du, wie diese Flüssigkeit als ein Fluid Drive das Sutherland-Fulkrum schaukelt. Stell dir vor, dass du auf diesem Fulkrum sitzt und siehst, wie die Dura sich nach vorne erstreckt als Falx cerebri, Tentorium cerebelli, Diaphragma sellae, und du siehst, wie sie am Neuralrohr entlang bis hinunter zum Os sacrum reicht. Alles ist Teil dieser Auskleidung des Neurokraniums, der Duramembran. Spüre, wie sie sanft innerhalb deines eigenen Mechanismus hin und her schaukelt, so wie im Mechanismus eines jeden Menschen. In jedem von uns geschieht das Gleiche, es gibt keine Unterschiede.
Du siehst, wie sich das Zentrale Nervensystem rhythmisch einrollt und ausrollt und sich die Lobi temporalia einrollen. Es gibt eine generelle Bewegung nach vorne, über die Lobi parietalia zu den Lobi frontalia, hin zu einer Art Fulkrum-Punkt, wenn wir es so nennen wollen. Das Einrollen und Ausrollen bewegt sich hin zum dritten Ventrikel. Beobachte den Hirnstamm und das Cerebellum, wie sie weiter und schmaler werden; und du siehst, wie das Rückenmark vom Hirnstamm herabhängt. Du fühlst, wie der Fluid Drive rhythmisch das Zentrale Nervensystem und gleichzeitig die reziproke Spannungsmembran beeinflusst.
Jetzt versuche, dir bewusst zu werden, wie all diese Funktionseinheiten sehr sanft die Synchondrosis sphenobasilaris in Flexion und Extension schaukeln, die Ossa temporalia in Außenrotation und Innenrotation, die Ossa parietalia, das Os frontale mit seinen beiden Anteilen und die Knochen des Gesichts in Außenrotation und Innenrotation bringen. Du spürst das Os sacrum und den Zug der Dura, der darauf wirkt. Du fühlst, wie die Basis des Sakrum sich posterior bewegt, während die Synchondrosis sphenobasilaris in Flexion geht, und anterior, wenn sie in Extension geht. Du wirst gewahr, wie der gesamte Mechanismus arbeitet. Beobachte diese ganze Sache vom Knochengerüst aus nach innen als einen vollständigen unwillkürlichen Mechanismus in uns, und beginne dann wieder von innen, dort wo es anfängt, mit der Flüssigkeit, dem Zentralen Nervensystem, der reziproken Spannungsmembran, und dem knöchernen Skelett. Du spürst den Einfluss durch das gesamte Faszien-system des Körpers; Flexion und Extension an der Schädelbasis nehmen die Halsfaszien mit in Flexion und Extension, während die Rippen sich in Außenrotation und Innenrotation bewegen, genauso wie Arme, Beine und das Becken. Alles in deinem Körper geht in Außenrotation und Innenrotation, Flexion und Extension. Du erlebst, wie die ganze Sache funktioniert. Ruhig. Ohne Anstrengung. Dieser äußerst kraftvolle Mechanismus ist ein dynamischer, vollständiger, der ständig in Richtung Gesundheit arbeitet. Danke.
MEDITATION
An diesem Morgen möchte ich etwas machen, was ich noch nie zuvor getan habe. Ich weiß nicht, ob es funktionieren wird, aber es ist ein interessanter Gedanke. Bei uns in Dallas gibt es ziemlich viele Yoga-Gruppen, und da die Yoga-Schüler westliche Körper haben, die versuchen, in nicht-westlichen Positionen zu sitzen, kommen sie zu mir mit physiologischen Dysfunktionen, die sie durch ihre Versuche, eine gewisse Zeit lang zu sitzen und zu meditieren, erworben haben. Gleichzeitig habe ich Kontakt mit mindestens zwei Menschen, die Meditationsgruppen anleiten und gut in der Position sitzen können, die für Yoga-Meditation angebracht ist; und ich glaube, dass es einen physiologischen Grund gibt, warum diese Position benutzt wird.
In der Lotus-Position sitzt man nicht so auf seinem Hinterteil, wie es beim zurückgelehnten Sitzen auf einem Stuhl der Fall ist, wo man Druck auf das Sakrum ausübt, was den Primären und sekundären Atemmechanismus einschränkt. Stattdessen sitzt man aufrecht und leicht nach vorne gebeugt, mit gerader Wirbelsäule, auf seinen Sitzhöckern und Oberschenkeln. Was geschieht dabei? Der Primäre Atemmechanismus schwebt frei – der gesamte Mechanismus vom Schädeldach bis zum Os sacrum hängt sozusagen in der Luft.
Da dieser unwillkürliche Mechanismus sich rhythmisch hin und her bewegt, können die Flüssigkeit, die reziproke Spannungsmembran, das Zentrale Nervensystem und der Gelenkmechanismus so einfach frei schwebend hängen. Das erlaubt der Potency im Liquor cerebrospinalis, jede einzelne Zelle im Körper zu nähren, und der reziproken Spannungsmembran, die Faszien sanft in Flexion/Außenrotation und die Gegenbewegung zu schaukeln. Es ermöglicht den Knochen, den Bändern, dem Zentralen Nervensystem und allem anderen, sich zu verändern. Ihr Muster wird auf einer Mikroebene umgeformt, so dass sie sich in einen normaleren physiologischen Mechanismus zurück zu korrigieren können. Sie befinden sich geradezu in einem Zustand der Selbst-Behandlung wenn sie in dieser Position sind; sie machen diesen Mechanismus zu einem lebendigen Faktor der Funktion.
Setzt euch also jetzt in euren Stuhl, mit den Füßen auf dem Boden, mit gerader Wirbelsäule und leicht nach vorne gebeugt: So sitzt ihr auf euren Sitzhöckern und lehnt euch bestimmt nicht in den Stuhl zurück. Dann, in aller Stille, mit geschlossenen Augen, denkt an einen kräftigen Liquor cerebrospinalis, der rhythmisch expandiert und kontrahiert. Dies ist ein inneres Gefühl – versucht ganz still in euch selbst einen Flüssigkeitskörper zu spüren, der zu einem Stillpunkt kommt und expandiert, zu einem Stillpunkt kommt und abebbt, zu einem Stillpunkt kommt und expandiert, zu einem Stillpunkt kommt und abebbt, und das rhythmisch alle fünf bis zehn Sekunden. Verbindet dieses Gefühl mit dem wiegenden Schaukeln der reziproken Spannungsmembran, indem ihr eure Aufmerksamkeit auf den Sinus rectus, das Fulkrum der reziproken Spannungsmembran, lenkt. Kümmert euch nicht um die Enden der Hebel, schaut zum Fulkrum hin. Richtet eure Aufmerksamkeit – nicht euren Intellekt, sondern euer stilles Gewahrsein – auf die reziproke Spannungsmembran am Sutherland-Fulkrum. Ruhig, ganz ruhig. Still … seid still und spürt dieses Leben in Bewegung.
3. DIE TIDE DES LIQUOR CEREBROSPINALIS
3.1. DER LIQUOR CEREBROSPINALIS
Diese Texte stammen von einem schriftlich niedergelegten Vortrag aus dem Jahr 1977.
Aus dem Verstehen des Liquor cerebrospinalis in der anatomisch-physiologischen Gesamtstruktur des Körpers erschließen sich uns Konzepte, die reich sind an anatomischen und physiologischen Einzelheiten und – noch wichtiger – an philosophischen Details. Dr. Still stellte fest:
„Ein Gedanke kommt ihm, dass die zerebrospinale Flüssigkeit das höchste bekannte Element ist, das der menschliche Körper enthält. Solange das Gehirn diese Flüssigkeit nicht in großer Menge liefert, bleibt der invalide Zustand des Körpers erhalten. Wer schließen kann, wird sehen, dass dieser große Fluss des Lebens angezapft und das ausgetrocknete Feld sofort gewässert werden muss, sonst ist die Ernte der Gesundheit für immer verloren.“ 15
Und W. G. Sutherland fügte hinzu, dass der arterielle Strom zwar am wichtigsten sei, der Liquor cerebrospinalis aber den ‚Oberbefehl‘ habe und man seine Fluktuation innerhalb einer natürlichen Höhlung mittels Palpation beobachten könne. Der Schlüssel zum Verständnis des Liquor cerebrospinalis ist, dass er aufgrund seiner Fluktuationsmuster vom Behandler sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung genutzt werden kann, und, noch wichtiger, innerhalb des lebendigen Körpers als eine anatomisch-physiologische Einheit in integrierter Funktion mit dem gesamten Körper. Man könnte sagen, dass man es mit der wiederaufladbaren Batterie des Lebens und der Gesundheit in der menschlichen Physiologie zu tun hat, wenn man den Liquor und seine Fluktuations-muster richtig versteht.
ANATOMISCHE ÜBERLEGUNGEN
Die Entdeckung des Liquor cerebrospinalis schreibt man im Allgemeinen Domenico Cotugno zu. Aber die erste ernsthafte Untersuchung des Liquor hat 1825 der französische Physiologe Francois Magendie durchgeführt. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft wird der größte Teil des Liquor vom Plexus choroideus produziert, wobei allerdings noch fraglich ist, ob dies durch Sekretion oder Dialyse geschieht. Zusätzlich gibt es Hinweise, dass kleine Mengen von Liquor von zerebralen Strukturen im perivaskulären Raum und von Strukturen im Zentralkanal des Rückenmarks produziert werden.
Die Plexi choroidei sind Knäuel aus kleinen Kapillargefäßen der Tela choroidea, die fransenförmig und von einer sehr zarten Schicht Ependymzellen bedeckt sind. Die Kapillarbetten der Plexi choroidei sind also nicht in direktem Kontakt mit dem Liquor, sondern durch diesen dünnen Vorhang aus Ependymzellen von ihm getrennt. In jedem Gehirnventrikel ist ein Plexus chorideus zu finden. Die venöse Drainage der Plexi choroidei der lateralen Ventrikel und des dritten Ventrikels geschieht mit Hilfe der großen Vene von Galen, die durch die Verbindung der Falx cerebri mit dem Tentorium cerebelli führt – das Sutherland-Fulkrum der reziproken Spannungsmembran. Der Plexus choroideus im vierten Ventrikel wird durch andere venöse Hirnleiter im Boden des okzipitalen Teils der Schädelbasis drainiert.
Die Zirkulation des Liquor wurde anhand von Kernspin-Aufnahmen bestimmt. Diese haben gezeigt, dass der Liquor von den seitlichen Ventrikeln durch das Foramen von Monroe in das dritte Ventrikel fließt, dann den Aquäduct von Sylvius hinunter in das vierte Ventrikel und von dort durch das im Dach des vierten Ventrikels gelegene Foramen von Magendie in die Cisterna magna oder durch die zwei seitlichen Foramina von Luschka in die lateralen Recessus. Ausgehend von diesen drei Öffnungen im vierten Ventrikel gelangt der Fluss des Liquor cerebrospinalis auf subarachnoidalen Wegen zum höchsten Punkt des Gehirns, wo er vor allem in den Granulationes arachnoidales entlang des Sinus sagittalis superior resorbiert wird. Ein Teil des Liquor cerebrospinalis fließt den Spinalkanal hinunter, um dann wieder aufzusteigen und sich mit der generellen Zirkulation zu vereinigen. Die Resorption des Liquor findet zwar hauptsächlich über die Granulationes arachnoidales statt, es gibt aber zusätzlich eine langsame Resorption über die perineuralen Räume der kranialen und spinalen Nerven in das Lymphsystem. Diese Aufnahme ins Lymphsystem des Halsbereiches erfolgt vor allem im Bereich des Bulbus olfactorius, des ersten Hirnnervs. Es wird allgemein akzeptiert, dass der Liquor (das dritte Zirkulationssystem des Zentralen Nervensystems) in das Lymphsystem absorbiert wird (das dritte Zirkulationssystem des gesamten Körpers). Die Gesamtmenge des Liquors im ventrikulären und im subarachnoidalen Raum variiert normalerweise zwischen 125 und 150 ccm.16
Naturwissenschaftlich gesehen ist der Liquor eine lebendige Flüssigkeit, deren Wasseranteil etwas höher liegt als der des Blutes. Verglichen mit Blut ist der Proteingehalt sehr niedrig, und der Zuckergehalt liegt etwas niedriger. Andere Substanzen wie Kreatinin, Harnsäure, Harnstoff, nichtorganisches Phospat, Bikarbonat, Wasserstoffionen, Natrium, Kalium, Magnesium, Kalzium, und Milchsäure sind in der spinalen Flüssigkeit in gleichem oder etwas geringerem Umfang wie in Blutplasma zu finden. Durch eine Lumbalpunktion gewonnene spinale Flüssigkeit, wird sich von der in den Ventrikeln gefundenen Flüssigkeit leicht unterscheiden.
Einige Studien beziehen sich außer auf die beschriebenen Zirkulationswegen auch auf eine Art Ebbe und Flut innerhalb des Liquor, ein Charakteristikum einer Fluktuation. Allerdings gehen derartige Hinweise nicht mit einer eindeutigen Akzeptanz des Phänomens einher, sondern sagen stattdessen, dass man zwar die Existenz eines solchen Musters beobachtet hat, es aber nicht erklären kann.
Da die meisten dieser Studien dem Zweck dienten, die Faktoren der Liquorzirkulation zu bestimmen, lagen ihre primären Interessen bei diesem Thema und nicht darin, ein Fluktuationsmuster zu finden und dessen Bedeutung zu erklären.
PHYSIOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN
In einem Leitartikel des Lancet von 1975 stand folgendes bemerkenswerte Zitat:
„Eine Funktion des lymphatischen Systems ist es, die Geweberäume von Substanzen zu reinigen, die aus Blutkapillaren austreten oder aus dem Gewebe selbst stammen und nicht in den Blutstrom reabsorbiert werden. Die Hirnhäute und das Nervengewebe des Gehirns haben keine lymphatischen Kanäle; bedeutet dieses Fehlen, dass das Problem des Abtransports nicht existiert?
… abgesehen vom Hauptfluss des Liquor zurück in den Blutstrom durch die Arachnoidalzotten könnte der Liquor auch durch die Plexi chorodei von Substanzen gereinigt werden. Diese Vorstellung erscheint bizarr, wenn man nur an die Plexi in den seitlichen Ventrikeln denkt, denn da sie schon den Liquor produzieren, fragt man sich, wie sie gleichzeitig Quelle sein und Inhaltsstoffe resorbieren können. Aber sie sind ja nicht die einzigen Plexi – der dritte Ventrikel besitzt ebenfalls einen Plexus, und der Liquorstrom passiert, wenn er aus dem ventrikulären System fließt, die Plexusgeflechte des vierten Ventrikels. Bestimmte organische Säuren können auf diesem Wege aktiv resorbiert werden. Eine beachtliche Reihe anderer Substanzen, von denen einige (wie Noradrenalin und Serotonin) aufgrund ihrer Neurotransmitterfunktion offenbar recht interessant sind, akkumulieren am Plexus choroideus und werden dort oder im zerebralen Subarachnoidalraum absorbiert. Es gibt also außer dem Hauptfluss durch die Arachnoidalzotten noch einen anderen Weg des Liquor cerebrospinalis zurück zum Blut.
… auch CO2 tritt leicht in das Gehirn über und wird natürlich auch dort produziert ebenso wie Milchsäure und Pyruvat. Der Liquor hat keinen großen Puffer; er besitzt etwa so viel Bikarbonat wie Plasma, aber wenig Protein und kaum Zellen. Daher kann sein Fluss auch dazu dienen, Information über zu viel CO2 oder eine erhöhte Säureproduktion innerhalb des Gehirns weiterzuleiten, da der pH-Wert des Liquor absinken wird. Diese Information wird von den vorderen und seitlichen Oberflächen der Medulla wahrgenommen. Als Reaktion kommt es zu vermehrter Lungenatmung – einer 10-fachen Erhöhung beim Menschen, wenn der pH-Wert sich um 0,05 ändert. Der stabilisierende Effekt auf den pH-Wert des Liquor ist offensichtlich – vorausgesetzt natürlich, dass das Atemsystem normal funk-tioniert und mehr CO2 ausscheiden kann. Dieses Arrangement ist viel schneller und effektiver als einfach darauf zu warten, dass der Fluss allmählich das Gehirn reinwäscht. Der Lymphfluss reinigt den Extrazellulärraum im Körper generell; der Liquorfluss scheint für das Gehirn das Gleiche zu tun, aber präziser und effizienter.“ 17
Dieser Ausschnitt aus dem Lancet-Artikel zeigt uns, dass die Untersuchung der Inhaltsstoffe und Stoffwechselprodukte im Liquor ein sehr komplexes Thema ist – ein Thema, was viele Forscher seit Jahrzehnten beschäftigt und auch künftig bestimmt noch viele weitere Untersuchungen anregen wird.
Auf interessante, wenn auch jetzt historische Weise, wurde der Liquor von A. D. Speransky, einem russischen Physiologen, eingesetzt. Er beschreibt das in seinem Buch A Basis for the Theory of Medicine18 (1943), das, wie Kapitelüberschriften zeigen, u. a. folgende Themen behandelt, mit denen der Autor und seine Fachkollegen sich offenbar beschäftigt haben:
Die Verbindung der submembranösen Räume des Gehirns mit dem lymphatischen System.
Unsere Untersuchungen der Verbindung der submembranösen Räume mit dem lymphatischen System.
Die Bewegung des Liquor cerebrospinalis innerhalb der Medulla und der submembranösen Räume und
Über das Eindringen verschiedener Substanzen in den Nervenstamm und ihre Bewegung entlang des Nervs.
In seinem Kapitel über Rheumatismus beschreibt Speransky eine Methode, den Liquor zu ‚pumpen‘ :
„Das Pumpen geschah mit Hilfe einer Lumbalpunktion, vorgenommen am sitzenden Patienten. Wir benutzten eine 10.0-cc-‚Record‘ -Nadel. Das Zurückziehen und Wiedereinspritzen der Flüssigkeit wurde zwischen 8 und 40 Mal wiederholt. Beim letzten Mal wurde die Flüssigkeit entfernt. Das Ganze darf weder zu langsam noch zu schnell vor sich gehen. Ein schnelles Extrahieren, besonders im zweiten Teil der Punktion, bringt immer Kopfschmerzen mit sich, die bis zum Abend und manchmal auch noch am nächsten Tag andauern. In einigen wenigen Fällen kam es zu Erbrechen.“
Dieses plump mechanische Pumpen des Liquor innerhalb der duralen Umhüllung und der Subarachnoidalräume wurde bei einer Reihe von neurodystrophen Prozessen oder Erkrankungen angewandt. Die verwendeten Methoden waren gelinde gesagt nicht ungefährlich. Spreranskys Arbeit wurde zu seiner Zeit und auch danach sehr kontrovers diskutiert.
Bezeichnend ist seine das Kapitel 21 einleitende Feststellung: „Dieses Buch kann kein Endergebnis liefern.“ Es mag in der Tat keine anderen Schlussfolgerungen geben außer der Erkenntnis, dass das Wissen im Bereich des Liquor cerebrospinalis höchst komplex ist. Der Liquor tauscht Ionen, Stoffwechselprodukte und trophische Faktoren mit den Plexi choroidei, mit den Nervenzellen des zentralen, peripheren und autonomen Nerven-systems, mit der Hypophyse-Hypothalamus-Achse, mit der Epiphyse und mit dem lymphatischen System aus. Zusätzlich dient der dünne Liquor-film in den Subarachnoidalräumen zusammen mit den Cisternas als Wasserbett, um Gehirn und Rückenmark zu schützen.