Kitabı oku: «Traumzeit für Millionäre», sayfa 14
DIE ZEITUNGSZAREN
Wien um 1900 war ein Mekka des Journalismus. Bis heute sind einzelne Namen weltberühmt. Die Wiener Zeitungslandschaft war vielfältig, die Auflagenzahl relativ gering: 1914 waren im österreichischen Teil der Monarchie etwa 4.700 Periodika auf dem Markt. Wien hatte zwischen 25 und 30 Tageszeitungen: unter den liberalen Zeitungen die Neue Freie Presse und das Neue Wiener Tagblatt“ auf konservativer Seite das Vaterland und das Neuigkeitsweltblatt, dazu die amtliche Wiener Zeitung und das quasi „halbamtliche“ Fremdenblatt als Leibblatt Kaiser Franz Josephs. Es gab die Parteizeitungen, die christlichsoziale Reichspost, die sozialdemokratische Arbeiterzeitung und als deutschnationale Organe das Deutsche Volksblatt und die Ostdeutsche Rundschau. Boulevard waren das Neue Wiener Journal und das Illustrierte Extra-Blatt und ab 1900 die Österreichische Kronenzeitung.
Journalisten verdienten nicht viel. Nur die Zeitungsherausgeber konnten wirklich reich werden: 1,7 Millionen Kronen Jahreseinkommen versteuerte der Herausgeber der Neuen Freien Presse Moriz Benedikt. Er lag damit an 11. Stelle im Ranking der Spitzenverdiener. 1872 hatte er als Redakteur begonnen, wurde Mitherausgeber und war von 1908 bis zu seinem Tod im Jahr 1920 allmächtiger Chefredakteur und Alleininhaber. Auch sein 1908 verstorbener Vorgänger Eduard Bacher, der 1872 als Journalist begonnen hatte und ab 1879 Chefredakteur und wenig später auch Herausgeber und Miteigentümer dieser Zeitung gewesen war, bezog ein hohes Einkommen. Seine Witwe Berta versteuerte 1910 ein Jahreseinkommen von 121.271 Kronen. Sie lag damit an 688. Stelle.
Moriz Benedikt, der Herausgeber der „Neuen Freien Presse“.
Der Journalist und Bühnenschriftsteller Gustav Davis als Herausgeber der Österreichischen Kronenzeitung lag mit 146.000 Kronen an 513. Stelle. Die erste Nummer der Österreichischen Kronenzeitung war am 2. Jänner 1900 erschienen, zum Monatspreis von einer Krone, im Einzelpreis zu 4 Hellern, parallel zur Einführung der Kronenwährung, die ab 1. Jänner dieses Jahres galt. 1906 wurden bereits mehr als 100.000 Exemplare verkauft. 1909 war sie mit 130.000 Exemplaren zur auflagenstärksten Wiener Zeitung geworden. Davis, 1900 noch pensionierter Oberleutnant und mehr oder weniger erfolgreicher Bühnenschriftsteller, verdiente innerhalb von zehn Jahren ein Riesenvermögen, das er in Grundbesitz veranlagte. In den Jahren zwischen 1908 und 1913 kaufte er 14 Bauerngüter im Gebiet von Hohenlehen im Ybbstal. Insgesamt hatte Davis innerhalb von fünf Jahren einen Großgrundbesitz im Ausmaß von ca. 2.000 ha für insgesamt etwa 1,4 Mio. Kronen zusammengekauft. 1909 ließ er sich ein Schloss samt Gartenhaus und Park, Meierhof, Verwaltungsgebäude, Pförtnerhaus und Personalwohnhaus errichten.258 In Wien bewohnte das Ehepaar Davis etwa 15 Zimmer im 1. Stock des Eckhauses Kolingasse/Schlickplatz. Nach dem Anschluss 1938 verlor er die Zeitung und wechselte auch seine feudale Wiener Adresse. Nach 1945 wurden die Titelrechte von den Erben an Hans Dichand verkauft.
REICHE „ARME“ STAATSDIENER
Rudolf Sieghart nannte den Staatsdienst das „nobile officium“ par excellence. Das Prestige des Staatsdienstes war beträchtlich. Voll Stolz wurde der Hofratstitel vor den Professorentitel gestellt.259 Die Literaturgeschichte der vor dem Ende stehenden Habsburgermonarchie ist voller Beamter, vom technokratischen Sektionschef Tuzzi in Robert Musils Mann ohne Eigenschaften über den Hofrat Winkler in Schnitzlers Professor Bernhardi, den Bezirkshauptmann Trotta in Joseph Roths Radetzkymarsch, den Sektionsrat Geyrenhoff in Doderers Die Dämonen und den Tabakamtsrat Melzer in der Strudlhofstiege bis hin zur grotesken Überzeichnung beamteten Kompetenzdschungels bei Fritz Herzmanovsky-Orlando. Der „Beschwichtigungshofrat“, dem jede Lösung eines Problems zuwider war, war die Kehrseite der Medaille: „Tue nichts und verhindere alles.“ „Als Beamter“, lässt Arthur Schnitzler den Hofrat Winkler in seinem Stück Professor Bernhardi sagen, „da hat man nur die Wahl, Anarchist oder Trottel“.
Seit dem Beamtengehaltsgesetz von 1873 war die Beamtenschaft in 11 Rangklassen gegliedert, von 1.200 Kronen in der untersten Rangklasse elf bis 24.000 Kronen an der Spitze in Rangklasse eins. Das Verhältnis zwischen oberster und unterster Rangklasse war wie 15 zu 1. Die große Unterscheidung bestand zwischen den Konzeptsbeamten und den Kanzleibeamten. Die Ersteren hatten Hochschulbildung. Ohne Hochschulstudium, bevorzugterweise Rechtswissenschaft, kam man nicht in die Konzeptsränge. In den ersten beiden Rangklassen befanden sich der Ministerpräsident und die Minister, in die Rangklassen III (18.000 Kronen) und IV war die höchste Beamtenschaft (Statthalter, Landespräsidenten, Polizeidirektoren, Sektionschefs und die Präsidenten der Höchstgerichte) eingereiht. Die höhere, akademisch gebildete Beamtenschaft nahm die V. bis VIII. Rangklasse ein (2.800 bis 12.000 Kronen). Niedere Beamte waren in der X. und XI. Rangklasse. In der X. Rangklasse verdiente man 2.200 bis 2.800 Kronen, in der XI. 1.600 bis 2.200 Kronen. Die Beamten der V. bis XI. Rangklasse erhielten eine Aktivitätszulage, die hohen Beamten Funktionszulagen. Die Aktivitätszulagen waren vom Dienstort abhängig, die Funktionszulagen waren als Repräsentationskosten gedacht. Innerhalb der Rangklassen gab es Vorrückungen im Fünfjahresabstand. In den beiden höchsten Rangklassen wurde die Besoldung bis 1914 nicht erhöht, während die Gehälter der Rangklassen III und IV im Jahr 1898 und die der Rangklasse V 1907 eine sehr milde Steigerung erhalten hatten und die Gehälter der Rangklassen VI bis XI sowohl 1898 wie 1907 signifikant gestiegen waren. Sehr schlecht hingegen verdienten jene Staatsbediensteten, die gar nicht in den Beamtenrängen waren, sondern als Bürodiener oder als Anwärter auf einen Posten Dienst machten.
Als Beamter gehörte man ohne Zweifel zur Herrenklasse, schrieb Otto Friedländer, auch wenn man arm war.260 Für Beamte lag allerdings, auch wenn sie generell unverhältnismäßig gut verdienten, ein Einkommen jenseits der 100.000 Kronen außer jeder Reichweite. Das galt auch für Offiziere, die noch dazu das Privileg hatten, von der Einkommenssteuer befreit zu sein. Für die Diplomatie war ein gewisses Privateinkommen Voraussetzung. Der unvermeidliche repräsentative Aufwand eines Botschafterdaseins sollte nicht ausschließlich aus Steuergeldern finanziert werden.261 Weil das soziale Prestige der Beamten so hoch war, übten einige Millionäre ihren Dienst weiterhin aus, auch wenn das damit erzielte Einkommen für sie nur ein vergleichsweise kleines Zubrot bedeutete. Auf diese Weise finden sich 20 Beamte unter den Millionären. Die Rede vom „Mönchsgelübde“ im Staatsdienst, von der gedrückten sozialen Lage der Staatsdiener, war vor 1914 mehr Märchen als Realität, insbesondere in den Konzeptsrängen. Millionäre, schreibt Friedländer, sähen gerne einen Schwiegersohn im Ministerium, ein Fabrikant hätte mit einem Bezirksrichter Freude, ein wohlhabender Fleischhauer mit einem Steuerbeamten.262 Für eine Beamten-, Armee- oder Diplomatenkarriere war adelige Herkunft von Vorteil. Und für nachgeborene Millionärssöhne oder für fesche junge Männer, die über Heirat zu Geld gekommen waren, war der Beamtenstand ein schöner Ausweis ihrer Ehrbarkeit. Die Sektionschefs seien zusammen mit dem Kaiser die Herren des Landes, so Friedländer.263 Kaiser Franz Joseph verstand sich in josephinischer Tradition als Beamter. Die selbst gewählte Berufsbezeichnung des Kaisers als „selbständiger Beamter“ war zwar ein Widerspruch in sich.264 Aber für Spitzenverdiener, die Beamte waren, galt diese Widersprüchlichkeit. Sie waren Beamte, waren aber eigentlich Selbständige oder „Privatiers“ ohne wirklich feste Dienstzeit, mit hohem Ansehen und entsprechender finanzieller Anerkennung.
Der Kaiser stilisierte sich als unablässig im Dienst und am Schreibtisch sitzend, von fünf Uhr früh bis acht Uhr abends. Solche Mythen sind sehr propagandawirksam. Die Realität war eine andere. Die Arbeit in den Büros war vielen Zeugnissen zufolge nicht sehr aufreibend: reden, im Kaffeehaus sitzen, Zeitung lesen … „Der Dienst im Außenamt war in jeder Hinsicht angenehm“, schreibt Ernest U. Cormons über seine dortigen Erfahrungen: „Die offiziellen Amtsstunden waren von elf bis ein Uhr und von drei bis sechs Uhr. Man konnte aber auch später kommen und früher gehen, es wurde das nicht so genau genommen.“265 Andererseits ist durchaus beeindruckend, welche Leistungen vollbracht wurden: Bescheide und Memoranden in geschliffensten Formulierungen, Aktenberge in gewaltigen Dimensionen, endlose Zahlenreihen in statistischen Dokumentationen, allein zur Einkommenssteuerstatistik jährlich an die gedruckten 1.000 Seiten, und das alles ohne Schreib- und Rechenmaschinen, händisch geschrieben, händisch addiert, ohne viele erkennbare Fehler.
Das soziale Ansehen war beim Dienst in den Ministerien am höchsten, allen voran im Außenministerium. Dann kamen die politischen Beamten bei den Statthaltereien, dahinter die Richter, Finanzbeamten, Lehrer. Die Statthaltereien und Bezirkshauptmannschaften waren das Rückzugsgebiet des alten Adels, ebenso bestimmte Ministerien, das Außenministerium und das Unterrichtsministerium. Es musste ja nicht gleich so sein wie bei Hieronymus (Girolamo) Freiherr von Alesani, der von 1874 bis 1887 Landespräsident der Bukowina war und durch seine Gattin Eugenie zum Millionär geworden war. Eugenie, eine geborene Haas von Teichen, versteuerte 1910, längst verwitwet, noch mehr als 100.000 Kronen. Die nicht gerade freundliche Charakterisierung, die Emil Franzos von seiner Amtsführung gibt, mag übertrieben und voreingenommen sein, doch ganz untypisch war sie nicht: „Baron Alesani – er war in den Freiherrnstand erhoben worden – tat allmählich nichts mehr, in des Wortes verwegenster Bedeutung nichts; er kümmerte sich um die Geschäfte überhaupt nicht mehr und ließ seine Beamten tun und lassen, was ihnen irgend beliebte. Wie Baron Alesani angeblich seine Zeit ausgefüllt haben soll, würde in eine Chronique scandaleuse von Czernowitz, nicht in ein ernsthaftes Buch gehören; wer ihn entschuldigen will, behauptet, dass er in den letzten Jahren geistesschwach oder geradezu gemütskrank gewesen sei.“266
Das hohe Ansehen des öffentlichen Dienstes bewog einzelne Millionäre in den Staatsdienst zu gehen oder dort zu verbleiben, obwohl die daraus resultierenden Einkommen für sie kaum ein Motiv darstellen konnten. Aus einer Professorenfamilie stammte Dr. Theodor von Brücke, k. k. Oberlandesgerichtsrat, Sohn des berühmten Physiologen Ernst Wilhelm Brücke. Das hohe Einkommen stammte von seiner Gattin Emilie, genannt „Milly“, einer Schwester Karl Wittgensteins. Ähnlich verhielt es sich mit dem Ministerialvize-Sekretär Dr. Max Frh. v. Allmayer-Beck. Er war von seinem Onkel, dem Ministerpräsidenten Maximilian Vladimir Frh. v. Beck, adoptiert worden, der ihm auch den Freiherrntitel erwirkte. Sein Reichtum kam aus der Ehe mit Helene Wagenmann, der Tochter des Großindustriellen Gustav Wagenmann und der Adele Medinger. Der k. k. Baurat und Oberingenieur im Eisenbahnministerium Heinrich R. v. Kuh hatte sein Vermögen wohl von Felicia v. Kuh, geb. Rapoport, Edle von Porada. Der k. u. k. Hof- und Ministerialrat Dr. Wilhelm Frh. von Mittag-Lenkheym war mit Johanna Mautner v. Markhof verheiratet. Dr. Max Salzer war der Schwiegersohn von Karl Wittgenstein, verheiratet mit dessen Tochter Helene. Um die Jahrhundertwende war er in die Dienste des Finanzministeriums eingetreten, als Ministerialconcipist in der Dienstklasse IX mit einem Jahresgehalt von 2.800 bis 3.000 Kronen, einer Aktivitätszulage von 1.000 Kronen und einer vorläufigen Pensionsaussicht nach zehnjähriger Dienstzeit auf 1.200 Kronen. 1906 wurde er zum Ministerial-Vicesekretär und 1910 zum Ministerialsekretär befördert, wurde 1913 Sektionsrat und 1916 Regierungsrat. 1910 betrug sein Beamteneinkommen 6.000 bis 7.000 Kronen im Jahr, sein versteuertes Gesamteinkommen aber 315.429 Kronen. 1924 ging er als Sektionschef in Pension. Nach seinem Rückzug aus dem Amt sollte er das Vermögen der Familie Wittgenstein verwalten. Doch bald ließen seine geistigen Fähigkeiten merklich nach, worauf man ihn angeblich nur mehr pro forma seine Aufgaben erledigen ließ, ohne seine Ratschläge zu beachten.267
Flotte Offiziere und Beamte konnten gute Partien machen. Oskar Kratzmann, k. k. Oberleutnant a. D., war mit Bertha Faber verheiratet, Josef Siebert, k. u. k. General der Kavallerie, mit Lydia Wittgenstein, der Gymnasialprofessor Wenzel Kriesche (Einkommen 1910 : 372.021 Kronen) mit Ella, geb. Edle v. Schroll, der Eisenbahnfachmann und Politiker Hofrat Eduard Sochor Frh. v. Friedrichsthal mit Alexandrine Zinner. Andere waren selbst reich, gingen aber in den Staatsdienst wie Hugo Mayr v. Melnhof. Er ging unentwegt seiner Arbeit als Hofsekretär in der Statist. Zentralkommission nach, bewohnte aber sein eigenes Palais am Opernring 4.
Ganz anders machte es der Beamte im Patentamt Hugo Kostersitz von Marenhorst. Nach der Heirat mit der schwerreichen, erst 18 Jahre alten Benediktine Benies, die 1910 mit 705.000 Kronen Jahreseinkommen das höchste Einkommen unter allen Wiener Frauen versteuerte, trat er, „ein braver Beamter, noch keine dreißig Jahre alt“, in den Ruhestand. „Seine weitere Beschäftigung“, erzählt Benediktines enger Verwandter, der Historiker Heinrich Benedikt, in seinen Erinnerungen, bestand im Nichtstun und Geldvertun: „Beni (Benediktine), eine kluge, ja weise Frau“, schreibt er, „mit der Hugo ein wunderbares Zusammenleben führte, suchte alle seine Wünsche, mochten sie noch so bizarr sein, zu erfüllen. Sie erstanden das Palais der Fürstin Oettingen-Wallerstein, einer Tochter von Pauline Metternich, stellten einen Viererzug aus Lippizanern zusammen, mit dem sie auch uns in Lissa besuchten, machten teure Jagdexpeditionen und rüsteten im Krieg einen Malteserzug zur Beförderung von Verwundeten aus. So ging das Vermögen Zug um Zug verloren.268 Kein Wunder, dass auch die Ehe nicht ewig hielt.
Hofball: Kaiser Franz Joseph und die „erste“ Gesellschaft. Aquarell von Wilhelm Gause, 1906.
AUSSER KONKURRENZ – DIE HABSBURGER
Das Kaiserhaus stand außerhalb der Gesellschaft. Auch was die Steuergesetzgebung betraf. Der Kaiser und alle übrigen Angehörigen der habsburgischen Familie waren von der Einkommenssteuer befreit. Diese Freistellung galt dem Gesetzestext nach zwar nur hinsichtlich der Apanage, die die Familienmitglieder aus der staatlichen Dotation („Zivilliste“) bezogen. Soweit die Habsburger über Einkommen aus Privatvermögen (Grundbesitz, Unternehmen oder Wertpapiere) verfügten, wären sie der Personaleinkommensteuer unterlegen und hätten auch ein „Steuerbekenntnis“, die sogenannte Fatierung, im Wege des k. u. k. Obersthofmeisteramts direkt beim Finanzministerium einzubringen gehabt.269 Aber weder wurden bislang im Staatsarchiv derartige Steuererklärungen aufgefunden, noch sind in der Namensliste der höchsten Einkommensbezieher Habsburger enthalten. Es ist aber klar, dass eine ganze Reihe von ihnen, insbesondere Erzherzog Friedrich oder Erzherzog Karl Stefan aus ihrem Grundbesitz private Einkommen erzielten, die die Hunderttausendergrenze bei weitem überstiegen haben müssen. Der Schluss kann nur der sein, dass sie ihrer Steuerleistung trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht nachgekommen sind oder stillschweigend und gesetzeswidrig von dieser entbunden wurden.
Über das Einkommen der Habsburger herrscht in der wissenschaftlichen Forschung und auch in der Fülle der populären Habsburg-Literatur auffälliges Stillschweigen.270 Doch von Geld wurde bei Hofe durchaus geredet, wie die oft recht kleinlichen Geldforderungen des Thronfolgers Franz Ferdinand und die vielen Auseinandersetzungen um die Apanagen und Vermögen der ausgestoßenen Habsburger belegen. Die Familie war tief zerstritten. Es ging um Geld. Die vielen Mitglieder des Hauses Habsburg standen in einer erbitterten Konkurrenz um Ressourcen. Die staatliche Zuwendung war seit 1902 eingefroren und war in der Öffentlichkeit höchst umstritten. Die privaten Einkünfte aus Gütern und Kapital waren zwar hoch. Doch die Agrarkrise dämpfte die Zuwächse. Das Rentseeking im Militärbereich, im Steuersystem und in der Protektionswirtschaft wurde immer mehr zur öffentlichen Peinlichkeit.
Die Monarchen des Fin de Siècle zählten zu den reichsten Männern der Welt: der russische Zar, der deutsche Kaiser, der belgische und der bayerische König, das britische Königshaus. Das Vermögen des bayerischen Königs Ludwig III. wurde 1910 auf 300 Mio. Mark oder 352 Mio. Kronen geschätzt, sein jährliches Einkommen auf 6,6 Mio. Kronen. Der Deutsche Kaiser Wilhelm II. war mit einem Vermögen von 164,4 Mio. Kronen (140 Mio. Mark) zwar deutlich ärmer als der bayerische König, wurde aber aufgrund der staatlichen Apanagen auf ein Jahreseinkommen von 25,9 Mio. Kronen (22 Mio. Mark) taxiert.271 Rudolf Martin bezifferte den Grundbesitz des deutschen Kaisers im Ausmaß von 119.826 ha im Wert von 70 Mio. Mark mit einem jährlichen Reingewinn von 3,4 Mio. Mark. Sein jährliches Einkommen schätzte er, inklusive der Zivilliste, aber ohne den Unterhalt für die königlichen Theater und den allerhöchsten Dispositionsfonds, auf rund 20 Mio. Mark. Klare Aussagen sind allerdings wegen der für Mitteleuropa typischen Vermischung von Staatsgeldern und Privatvermögen nicht wirklich möglich.272
Das Familienvermögen der Habsburger war bedeutend höher als das der Hohenzollern. Ihnen war es gelungen, über mehr als 600 Jahre ihre Herrschaft zu behaupten und ihr Vermögen zu mehren. Doch die immer größer werdende Zahl der Familienmitglieder und die zunehmende Unwilligkeit der Parlamente, die steigenden Anforderungen zu bewilligen, erhöhten den Verteilungskampf. Die Einkommen des Habsburgischen Herrscherhauses und der Familienmitglieder setzten sich aus mehreren Komponenten zusammen. Erstens aus den öffentlichen Geldern für das Herrscherhaus und seine Hofhaltung, der sogenannten Zivilliste, zweitens aus den verschiedenen habsburgischen Familienfonds und drittens aus den Erträgen der Privatbesitzungen und Privatunternehmungen der einzelnen habsburgischen Familienmitglieder. Dazu kamen bei den Erzherzogen häufig noch Entgelte aus hohen Positionen in der Armee. Die sogenannte Zivilliste wurde von beiden Reichshälften gemeinsam getragen. Der habsburgische Familienversorgungsfonds und der Avitikalfonds bestanden aus veranlagten Geldern, Immobilien und Fideikommissen. Die Privatvermögen der einzelnen Habsburger waren unterschiedlich hoch, konnten aber bei einzelnen Familienmitgliedern bis zu mehreren hunderttausend Hektar, zahlreiche Stadthäuser, Wertpapiere und Unternehmensbeteiligungen sowie wertvollen Kunstbesitz umfassen.
Mit der Einführung der Zivilliste war 1862 der staatliche Beitrag zum Aufwand der Habsburger auf 7,3 Mio. Gulden oder 14,6 Millionen Kronen festgelegt worden. Die Zivilliste war 1904 letztmalig vor dem Krieg von 18,4 Mio. Kronen auf 22,6 Millionen Kronen im Jahr aufgestockt worden.273 In England erhielt das Herrscherhaus umgerechnet 13,6 Mio. Kronen, in Italien 15,1 Mio., in Spanien 8,3 Mio., in Deutschland der Kaiser bzw. der preußische Hof 26,1 Millionen Kronen. Dazu müssen allerdings noch die übrigen deutschen Höfe gerechnet werden, der bayerische mit 6,4 Mio. Kronen, der sächsische mit 4,9 Mio., alle nichtpreußischen Höfe zusammen etwa 23,6 Mio. Kronen, so dass sich für das ganze Deutsche Reich die öffentlichen Zuwendungen auf etwa 49,4 Mio. Kronen summieren.274 Die Habsburger waren also für den Staat um einiges billiger als die Fülle der deutschen regierenden Häuser.
Der Familienfonds umfasste im Jahr 1919 im heutigen Österreich mit den Gütern Laxenburg-Vösendorf, Orth (mit Schlosshof, Eckartsau, Eßling, Großenzersdorf und Rutzendorf), Pöggstall und Mattighofen insgesamt rund 27.000 ha, dazu mehrere Häuser in Wien und Wertpapiere im Nominale von 72,3 Mio. Kronen. Man kann annehmen, dass der Familienfonds und der Avitikalfonds zusammen etwa 10 Millionen Kronen im Jahr erwirtschaftet haben dürften. Auf mindestens weitere 10 Millionen wird man die sonstigen Einnahmen der Habsburger schätzen müssen.
Zu größerem Eigenvermögen kam Kaiser Franz Joseph erst, als er 1875 die ausgedehnten Besitzungen seines Vorgängers Ferdinand I. im Norden der heutigen Tschechischen Republik rund um Reichstadt (tschechisch: Zákupy) geerbt hatte (Kaiser-Franz-Joseph I.-Kronfideikommiss). Er soll darüber hocherfreut bemerkt haben: „Auf einmal bin ich ein reicher Mann.“275 Sein Vermögen wird sicher höher anzusetzen sein als das des deutschen Kaisers, wohl auch höher als das des bayerischen Königs. Über Kaiser Franz Josephs jährliches Einkommen kann man nur mutmaßen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man es, die Zivilliste und die Familienfonds eingerechnet, über die ihm die Verfügungsgewalt zustand, mit mindesten 35 Millionen Kronen beziffert. Natürlich war der weitaus größte Teil davon ein Durchlaufposten, ging ein beträchtlicher Teil als Apanage an andere Familienmitglieder oder wurde für die Hofhaltung ausgegeben.
Kaiser Franz Joseph
Erzherzog Ludwig Victor
Erzherzog Friedrich
Die Zahl der Mitglieder des Kaiserhauses hatte sich unter Kaiser Franz Joseph sehr vergrößert. Sie stieg von 53 im Jahr 1848 auf 86 im Jahr 1898 und 88 im Jahr 1916. Erzherzöge, deren Väter nicht mehr lebten, sowie Erzherzoginnen, wenn sie Vollwaisen waren, besaßen mit Erreichen der Großjährigkeit den Anspruch auf eine eigene Apanage. Minderjährige Erzherzöge und Erzherzoginnen erhielten unter denselben Voraussetzungen eine „Sustentation“.276
Die Apanagen für die Brüder und Söhne des Kaisers waren dem habsburgischen Familienstatut zufolge mit 150.000 Kronen, für Töchter und Schwestern mit 84.000 Kronen, für die übrigen Erzherzoge ebenfalls mit 84.000 Kronen und für Erzherzoginnen mit 48.000 Kronen festgelegt worden. Sie wurden aber immer wieder erhöht. Erzherzog Ludwig Viktor, auch „Bubi“ oder „Luzivuzi“ genannt, erhielt vor dem Krieg als Bruder des Kaisers eine Apanage von 200.000 Kronen. Er geriet vor allem durch Skandale und Tratschereien in die Öffentlichkeit, vor allem durch sein hochmütiges Verhalten und seine homophilen Neigungen. 1915 wurde über ihn die Kuratel verhängt.277
Die höchste Hofstaatsdotation war für Erzherzogin Marie Therese, die Witwe des 1896 verstorbenen Thronfolgers Erzherzog Carl Ludwig, vorgesehen. Sie betrug 240.000 Kronen.278 Der neue Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand sollte aufgrund der Bestimmungen des habsburgischen Hausstatuts eine Jahresapanage von 100.000 Kronen erhalten. Doch er fand mit dieser Summe keineswegs das Auslangen. Anlässlich seiner Eheschließung im Jahr 1900 wurde ihm ein Zuschuss von jährlich 100.000 Kronen aus dem Familienfonds gewährt, 1901 kam ein weiterer Beitrag von 450.000 Kronen dazu. Ab dem Jahr 1904 machte seine jährliche Apanage 950.000 Kronen aus. Damit war der Thronfolger das nach dem Kaiser finanziell am besten dotierte Mitglied der kaiserlichen Familie. Dazu kamen bei Franz Ferdinand allerdings weitere Vergünstigungen, etwa die Erlassung des jährlichen Pauschalbetrags von 19.800 Kronen für die Auslagen der Hofstallabteilung, die Deckung halboffizieller Reisen durch die Hofkasse und die unentgeltliche Beistellung und Reinigung der Hofwäsche.279 Durch die Erbschaft nach Franz V., Herzog v. Modena, war er in den Besitz des Estensischen Vermögens und ausgedehnter Güter in Oberitalien gekommen. Nach Ehg. Franz Ferdinands Ermordung ging sein Gesamtvermögen in Höhe von 21,3 Mio. Kronen an seine drei Kinder. Haupterbe nach Abzug der Pflichtteile seiner beiden Geschwister war Maximilian v. Hohenberg. Ernst von Hohenberg erhielt den Pflichtteil in Form der Übertragung der Domäne Chlumetz in Höhe von 3,6 Mio. Kronen, Sophie von Hohenberg überwiegend in Form von Wertpapieren in Höhe von 3,6 Mio. Kronen. Das Estensische Vermögen ohne ziffernmäßige Bewertung erhielt Ehg. Karl, der spätere Kaiser.280 Franz Ferdinands Bruder Erzherzog Otto bezog seit dem Jahr 1904 zusätzlich zu seiner Apanage von 100.000 Kronen noch einen Zuschuss von 357.000 Kronen.
Erzherzog Franz Ferdinand
Erzherzog Eugen
Erzherzog Karl Stephan
Kaiser Franz Joseph galt nicht als der reichste Habsburger. Als dieser galt Erzherzog Friedrich, der wie seine beiden Brüder Karl Stefan und Eugen von seinem Onkel Erzherzog Albrecht adoptiert worden war. Der Grundbesitz von Ehg. Albrecht umfasste die Herrschaften Teschen und Saybusch (Žywiec/Polen) in Österreichisch Schlesien und dem angrenzenden Westgalizien, dazu die Herrschaft Ungarisch-Altenburg zwischen dem Neusiedler See und der Kleinen Schütt, die Herrschaft Bellye im Winkel zwischen Donau und Drau und die kleinere Herrschaft Seelowitz in Mähren, zusammen ein Areal von ca. 207.000 ha. Nach dem Tod seines Adoptivvaters Ehg. Albrecht im Jahre 1895 wurde Friedrich mit einem Schlag unermesslich reich. Er wurde Großgrundbesitzer, aber auch einer der führenden Industriekapitäne der Monarchie: Zu seinen Betätigungsbereichen zählte neben Kohlenbergbau, Erzgewinnung und den Ehg. Friedrichschen Eisenwerken ein umfangreicher Lebensmittelsektor.281 Friedrich baute ein regelrechtes Milchimperium auf. Er galt als der Wiener Butterkönig. Von seiner Gutsverwaltung im schlesischen Teschen und seiner Wiener Molkerei wurde die Stadt mit Milchprodukten beliefert. Die Aufschrift „T.E.A.“, für „Teschen Erzherzog Albrecht“, die so starke Assoziationen mit dem englischen tea erweckte, mag wohl zusammen mit der Überzeugung, dass Tee in Wien zwar nicht von der Masse der Bevölkerung, sehr wohl aber von der nobelsten Schicht sehr geschätzt wurde, zu der Bezeichnung „Teebutter“ als österreichischem Qualitätssiegel geführt haben.282
Auch Karl Stefan, der zweite Sohn von Ehg. Karl Ferdinand und Adoptivsohn von Ehg. Albrecht, verfügte aus der Erbschaft nach seinem Adoptivvater über ein riesiges Vermögen, das ihm die Restaurierung des Schlosses Žywiec (Saybusch), den Bau der prachtvollen Villa auf der Adriainsel Lussin (Lošinj) und den Erwerb eines Stadtpalais in der Wiedner Hauptstraße erlaubte.283
Der dritte der Brüder, Ehg. Eugen, hatte nach dem Tod seines Onkels Ehg. Wilhelm im Jahr 1894 nicht nur das Amt des Hochmeisters des Deutschen Ordens übernommen, sondern auch dessen bedeutendes Vermögen geerbt, das ihm eine wirtschaftlich unabhängige Stellung und ein reiches Mäzenatentum ermöglichte. Nach 1918 trat er als Hochmeister zurück und ging ins Exil. Seine Waffensammlung, die größte Österreichs, verkaufte er an Johannes Popper-Podhrágy.284
Ehg. Rainer Ferdinand, genannt „Rainer der Jüngere“, Sohn von Rainer Josef, Vizekönig von Lombardo-Venetien, hatte eine Militärkarriere bis zum Oberkommandanten der k. k. Landwehr durchlaufen. Er war durch Güter in Oberitalien und Österreich, u. a. Schloss Hernstein, sehr vermögend und war als Kurator der Akademie der Wissenschaften, ferner durch sein Palais auf der Wieden mit 40.000 Büchern und durch die Sicherung der 100.000 Stück umfassenden Papyrussammlung „El Fayum“ für Wien hervorgetreten.285
Adelgunde, genannt „Duni“, die Herzogin von Modena und Tochter König Ludwigs I. von Bayern, lebte im Palais Modena in Wien, aber auch in Bayern. Ihre Jahresapanage betrug 197.800 Kronen.286 Maria Josepha, die Tochter des späteren Königs Georg von Sachsen und Witwe von Erzherzog Otto, dem Vater von Karl I., erhielt aufgrund der Bestimmungen des habsburgischen Hausstatuts eine Jahresapanage von 100.000 Kronen.
Auch die zahlreichen Mitglieder der Linie Habsburg-Toskana erhielten eine Apanage. 1866 waren sie dem habsburgischen Familienstatut unterstellt worden. Erzherzog Ludwig Salvator (1847 - 1915) galt als der „gelehrte“ Erzherzog. Er lebte für seine seemännischen, naturwissenschaftlichen und ethnologischen Interessen und schrieb viele Bücher. Seine illegitimen Kinder auf Mallorca wurden Erben seines beträchtlichen Vermögens. Leopold Salvators (1863 – 1931) Militärkarriere verlief in der Artillerie, im Militärkraftfahrwesen und als Ballonflieger. Er gilt als der Erfinder des Allradantriebs für Militärlastwägen und orderte 1906 den „Daimler-Salvator“, eine Zugmaschine für Geschütze. Durch seine „Erfindungen“ sehr reich geworden, lebte er nach 1918 mit seiner Gattin, der Erzherzogin Bianca, einer Tochter des Prinzen Karl v. Bourbon-Kastilien, in Spanien. Franz Salvator (1866 – 1939) heiratete 1890 die jüngste Tochter des Kaisers, Marie Valerie, und stieg bis zum General der Kavallerie auf. Als Förderer Ferdinand Porsches war er einer der bekanntesten Automobilpioniere. Ehg. Ferdinand IV. Salvator (1835 – 1908) hatte zehn Kinder. Von seiner Witwe, der Großherzogin Alice, wurde allen finanziellen Schwierigkeiten zum Trotz im Toskana-Trakt der Salzburger Residenz die Fiktion eines eigenen Hofs aufrecht erhalten. Die Söhne gaben sich mit verschiedenen Beschäftigungen ab, die sie abgesehen von der Apanage unterschiedlich reich machten. Leopold Ferdinand schied als Leopold Wölfling aus dem Erzhaus aus. Josef Ferdinand, der sich früh dem Ballonfliegen widmete, durchlief eine steile Militärkarriere bis zum Generalinspekteur der Luftstreitkräfte, Peter Ferdinand bis zum Feldmarschallleutnant, Heinrich Ferdinand, mehr Künstler als Offizier, bis zum Generalmajor.287
1911 für tot erklärt wurde Johann Nepomuk Salvator, der sich seit 1889 Johann Orth nannte, das zehnte und letzte Kind von Großherzog Leopold II. von Toskana. Seit dem Jahr 1890 war er im Südatlantik verschollen. 1889 hatte er den Austritt aus der Familie Habsburg erklärt und auf seine Apanage verzichtet: „Bin zu stolz, um als bezahlter Nichtstuer zu leben und einen fürstlichen Müßiggänger abzugeben. Ich will nicht das Geld des Volkes verfressen wie andere.“ Im Brief an den Kaiser formulierte er es etwas vornehmer: „Entweder das entwürdigende Dasein eines fürstlichen Müßiggängers weiterzuführen, oder als gewöhnlicher Mensch eine neue Existenz aufzubauen“, schrieb er am 8. 10. 1889 an den Kaiser. Er verzichtete auf eine Apanage von 80.000 Gulden und auf ein Feldmarschallsgehalt von 15.000 Gulden. Zusammen mit den beträchtlichen Repräsentationszulagen waren das zusammen mehr als 100.000 Gulden.288 Der reichhaltige Nachlass Orths wurde 1912/13 in Berlin versteigert. Das See- und Landschloss Ort gingen an den Familienfonds, die Halbinsel Toskana mit der gleichnamigen Villa wurde an Margarethe Stonborough-Wittgenstein verkauft.289
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.