Kitabı oku: «Glücklich mit mir selbst», sayfa 2

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Das kleine und das große Glück

Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind.

ALBERT SCHWEITZER

Wir sind soziale Geschöpfe. Die Philosophen der griechischen Klassik erkannten den Menschen bereits als zoon politicon, als ein politisches Wesen. Wir verbinden uns von Natur aus mit anderen zu Gruppen und Gemeinschaften und möchten diese Zugehörigkeit auch spüren. Wahrscheinlich war es dieses positive Gruppengefühl, was uns, die Nachkommen des CroMagnon-Menschen, zum Erfolgsmodell der Evolution machte und uns erlaubte, die Neandertaler zu überflügeln. Der niederländische Historiker Rutger Bregman führt in seinem Buch »Im Grunde gut« starke Argumente ins Feld, um zu belegen, wie wir als voneinander lernende Gruppenwesen, die sich mit Freundlichkeit begegneten, die entscheidenden Vorteile in der Entwicklungsgeschichte errangen. Das ist zwar lange her, aber immer noch wirksam.

Gleichzeitig sind wir auch Geschöpfe, die das Allein-Sein zu unserer persönlichen Vollendung brauchen. Um uns zur wirklichen Krone der Evolution zu entwickeln, ist jener Prozess notwendig, den C. G. Jung Individuation nannte. Individuation ist, wie schon das Wort ausdrückt, individuell und auf je eigene Art und Weise anzugehen. Befreite, Verwirklichte oder Erlöste sind diesen Weg auch im Wortsinn allein gegangen. Ashrams und Klöster überall auf der Welt stehen dafür. Auch der historische Gautama Buddha musste sich erst mit Entschlossenheit und Mut gegen die beharrenden Kräfte seitens seiner königlichen Familie behaupten, um sich zu lösen und seinen ureigenen Weg der Individuation zu finden.

Wir kommen aus der Gemeinschaft unserer eigenen Ursprungs- wie auch der gemeinsamen Menschen-Familie und sind beides: Gruppenwesen, aber auch Einzelkämpfer auf dem Weg der Selbstverwirklichung. Die Gemeinschaft lockt mit Gemütlichkeit und Wohlgefühl, die Individuation mit dem Heil. Ob wir auch allein glücklich sein können, hängt davon ab, was wir unter Glück verstehen. Die Mehrheit setzt Gemeinschaftsleben mit Glück gleich und findet es in der Regel im kleinen Glück des alltäglichen Wohlbefindens. Für den Weg zum großen Glück der endgültigen, umfassenden Befreiung brauchen wir aber auch zumindest Phasen des Allein-Seins.

Während die Welt schon längst auf dem Weg in die Ablenkungs-Falle war, sangen DichterInnen wie Rainer-Maria Rilke, Anaïs Nin und Ernest Hemingway noch das Hohelied des Allein-Seins. Und nicht nur sie. Santiago Ramon y Cajal, der Begründer der Neurowissenschaften, schwärmte: »Oh, beruhigendes Alleinsein, wie günstig bist du für das ursprüngliche Denken!« Sie alle wussten: Jeder kreative Schöpfungsakt braucht Zeit für sich allein. Phasen absichtlichen, bewussten Allein-Seins sind erforderlich, um kreatives Potential authentisch und mit Schaffensfreude auszuschöpfen. Nur wer ganz bei sich selbst ist, kann seine Mitte finden und ins Zwiegespräch mit seiner Seele eintreten. Um uns selbst nahezukommen, um uns wirklich kennenzulernen, brauchen wir Zeit für uns ganz allein. Ständige äußere Geschäftigkeit aber ist der Gegenpol zu Selbstfindung.

Es beginnt bei scheinbar banalen Dingen des Alltags, die aber überhaupt nicht banal sind. Geschäftsessen etwa lassen die Hauptsache zur Nebensache werden. Es geht dann eben nicht in erster Linie ums Essen, sondern ums Geschäft. Kein Wunder, dass sie auch noch zum Überessen verführen. Bewusstes Fasten dagegen bringt dich zu dir selbst tut dir gut. Fasten kann man auf vielen Ebenen und damit nicht nur der Falle der Ablenkung, sondern auch der Falle des Übermaßes entgehen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, wie der Volksmund weiß. Nur wer schweigt, auch in Gedanken, vermag seine innere Stimme zu hören. Immer nur auf andere zu hören, auf sie wirken, Eindruck machen zu wollen bringt uns von uns selbst weg, vertreibt uns aus unserer Mitte. Auf die innere Stimme zu horchen, ihr gehorchen zu lernen bringt uns dem eigenen Selbst näher. Still-Sein, im Idealfall noch den inneren Dialog zum Schweigen zu bringen: Das ist es, was uns zu unserem Selbst führt. Solange wir uns ständig äußeren Reizen aussetzen, bleibt Selbstfindung bestenfalls ein schöner Traum.

Wie wir sprechen, so denken wir auch

Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein.

ALBERT EINSTEIN

Auch unter Menschen kann man einsam sein, zutiefst einsam sogar, und sich von Gott und der Welt verlassen fühlen. Wer sich niemandem zugehörig fühlt und glaubt, nicht dazuzugehören, dem nutzt die Gemeinschaft der Dazu-Gehörigen absolut nichts. Im Gegenteil. Wer anders als die anderen empfindet, fühlt sich isoliert. Und wer sich isoliert fühlt, leidet darunter. Damit ist eine innere Abwärtsspirale in Gang gesetzt, denn Einsamkeit wird ungern eingestanden. In einer Gesellschaft, die der Geselligkeit einen so hohen Stellenwert einräumt, ist Einsamkeit schambesetzt. Allein-Stehende werden immer sagen: »Ich lebe allein«, aber sicher niemals: »Ich lebe einsam.«Wer glaubt, das sei immer so gewesen, irrt gewaltig. Meister Eckhart oder Hildegard von Bingen hätten sich gewiss nichts daraus gemacht, so zu formulieren: »Ich habe bewusst die Einsamkeit gewählt.« Solange bewusst gewähltem Allein-Sein ein hoher, spirituell gesehen sogar der höchste Wert beigemessen wurde, schämte sich niemand dafür.

Vorurteilslos betrachtet, gab und gibt es auch keinen Grund dafür. Auch ein heutiger Kartäusermönch kann schon seit Jahr(zehnt) en in seiner Kartause mit sich völlig allein sein, ohne sich einsam fühlen zu müssen, denn ihm wird nicht eingeredet, Allein-Sein habe zwangsläufig negative Empfindungen und ein scheußliches Selbstbild zur Folge. Möglicherweise ist er dank seines Allein-Seins schon in den wundervollen Zustand des Alles-in-Einem-Seins eingetreten und geht, Gott in sich wissend, im Glücksgefühl der Allverbundenheit auf.

Es ist ein großer Kulturverlust, dass Allein-Sein heute generell als unerwünscht betrachtet wird. Ohne die Erwartung, mit fortschreitendem Lebensalter nicht mehr integriert, sondern ausgeschlossen zu sein, gefühlt »nicht mehr dazuzugehören«, wäre die Angst vor Einsamkeit im Alter sicher nicht so verbreitet. Offenbar liefert auch die sogenannte Seelsorge da weder befriedigende Antworten noch gangbare Auswege.

Der Ausdruck »mutterseelenallein« ist sehr aufschlussreich: Da fehlt offenbar die Mutter-Seele, und damit etwas ganz Tiefes und Wichtiges. Andererseits ist es gerade die Mutter-Seele, die spricht: »Ich würde so gern einmal für mich allein sein.« Das geht bei dem zunehmenden Stress allüberall immer mehr Menschen so. Wer also sagt, er habe Angst davor, allein zu sein, meint damit eigentlich Angst vor Einsamkeit. Und wer sich einsam fühlt und sagt: »Ich fühle mich allein«, meint: »Ich fühle mich einsam.« Einsamkeit ist eben ein Gefühl, Allein-Sein dagegen ein Zustand, der an sich nicht fühlbar ist, wohl aber sein Resultat: eben glücklich zu sein mit sich selbst.

Es gibt deshalb keinen Grund zu einem fröstelnden Gefühl, wenn in diesem Buch von der »Leere« als erlöstem Gegenpol von »innerer Leere« gesprochen wird. Vielleicht sollten wir uns auf der Reise in unsere Innenwelt daran gewöhnen, dass es dort nicht um »Etwas« und »Dieses« oder »Jenes« geht. Bewusstheit benötigt keinen Gegenstand, kein Gegenüber, denn Bewusstsein ist überall, wir sind uns dessen nur nicht bewusst.

Auch Einsamkeit und Allein-Sein sind Gegenpole. Erstere steht für Abhängigkeit und Mangel, Letzteres für innere Erfüllung. Bewusstes Allein-Sein zu erlernen ist das beste Mittel gegen Einsamkeit und sogar, wie wir sehen werden, eine Voraussetzung für gelingende Partnerschaft.

Alles Wesentliche beginnt bei uns selbst – auch die Liebe

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich das »gesunden Egoismus«, aber heute weiß ich, das ist »Selbstliebe«.

CHARLIE CHAPLIN

In aller Regel begannen wir unser Leben allein im Mutterleib, hatten die meisten doch keinen Zwilling zur Seite. Von allen Seiten von unserer Mutter umgeben und in ihr geborgen, mussten wir dann allein den Kopfsprung ins Leben wagen, und das gilt selbst für Zwillinge. Auch am Ende des Lebens sind wir letztendlich allein, wenn uns Gevatter Tod abholt. Und zwischen unserem ersten Atemzug nach der Geburt und dem letzten vor dem Tod liegen eine Menge Situationen, wo wir ganz allein und nur auf uns selbst gestellt sind. Die Frage ist, ob und wie wir uns dem stellen.

Bei entscheidenden Momenten wie etwa Lebensübergängen sind wir letztlich und wesentlich ebenfalls allein. Die Peergroup mag Pubertierende hilfreich unterstützen, aber am Ende ist Erwachsen-Werden ein nur allein zu schaffender Schritt. Das gilt ebenso für die Um- und Einkehr in der Lebensmitte und die Akzeptanz des Geschenks des Alter(n)s.

Alles Wesentliche beginnt immer also bei uns selbst. »Nur du allein kannst es schaffen. Aber du kannst es nicht allein schaffen«, lehrte mich der große Nervenarzt Walther Lechler. Ein Kernsatz, der sich aus seiner Arbeit mit Suchtpatienten ergab. Und so wahr – auch für viele Situationen darüber hinaus! Wenn ein Süchtiger nicht von sich aus will, führt kein Weg aus der Sucht. Auch die beste Ärztin kann keinen Patienten zu seinem Gesundheits-Glück zwingen. Gern variiere ich den zweiten Satz inzwischen in: »Aber du musst es nicht allein schaffen.« Denn häufig ist Hilfe da und wäre nur anzunehmen. Das ist es, was Walther Lechler wohl auch meinte: Süchtige – aber nicht nur sie, sondern viele Menschen im Zustand akuter Bedürftigkeit – brauchen eine Gruppe, die sie stützt und, wo notwendig, immer wieder auffängt. Aber ich habe sogar auch Süchtige kennenlernen dürfen, die es ganz allein schafften, sich aus der Abhängigkeit – selbst von Heroin – zu befreien. Noch nie aber erlebte ich, wie ein Partner oder eine Gruppe jemanden aus einer Sucht befreite, der nicht selbst dazu entschlossen und bereit war. Bei Co-Abhängigen hat das manchmal den Anschein, aber in Wirklichkeit geht es nie ohne eigenen Impuls der Betroffenen.

Letztlich verweist auch der erste der Metasätze des Christentums auf uns selbst – und ohne des Egoismus verdächtig zu sein: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Das ist eine direkte Aufforderung zur Selbst- oder Eigenliebe! Mehr als mich selbst kann ich sowieso niemanden lieben. Wer so tut, als ob er andere mehr liebe als sich selbst, ist nicht noch besser, sondern hat ein Problem mit Selbst-Akzeptanz und Selbstliebe und/oder ein naives anthropomorphes Gottesbild, wie Religionswissenschaftler es nennen, wenn man sich Gott nach seinem eigenen (Ideal-)Bilde vorstellt. Wenn – wie Christus sagt – das Himmelreich Gottes in uns liegt, können wir auch Gott nicht mehr als uns selbst lieben. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, zwischen Ego und Selbst zu unterscheiden.

Aber so wie mich selbst könnte ich im Ideal- oder besten Fall auch andere lieben. Das ist das höchste der Gefühle, das Bestmögliche, was ich meinen Nächsten bieten kann. Mehr geht nicht, wie zwei Jahrtausende christlichen Bemühens, da noch eins draufzusetzen, dramatisch belegen. Die Verfolgung Andersgläubiger, die zeitweise brutale Mission, die Mordorgien der Inquisition und der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen bis in unsere Zeit erfolgten garantiert durch Menschen, die sich selbst nicht liebten und oft genug vorgaben, Gott mehr zu lieben als sich selbst. Aber in Wirklichkeit wurden sie nur zu Verbrechern oder gar Mördern in Gottes Namen.

Wenn ich mich selbst nicht liebe, klappt es mit den anderen garantiert nicht. Wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben und für sie da sein, aber natürlich auch gut mit sich allein und für sich allein da sein.

Partnerschaft mit dem Selbst

Höre auf, Gott zu suchen; suche den, der sucht.

RUMI

Der Schlüsselsatz lautet schlicht und ergreifend: Glücklich mit mir selbst zu sein ist die Grundlage meines gesamten Glücks. Aber damit nicht genug: Nur wenn ich mit mir selbst glücklich bin, kann ich es auch mit anderen sein. Und es geht noch weiter: Nur wenn ich mit mir selbst glücklich bin, kann ich auch andere glücklich machen.

All das zusammen zu verwirklichen wäre natürlich der Idealfall. Stellen wir uns eine(n) erleuchtete(n) Meister(in) vor. Sie oder er wird ihrem Gegenüber immer einen glasklaren Spiegel bieten, anstatt in die Projektionsfalle zu tappen. Wer Vollkommen- oder Allverbundenheit (er-)lebt, wird alles in einem, nämlich in sich selbst, finden. Vollständig Verwirklichte können immer allein sein und werden doch stets auch mit allen und allem verbunden bleiben.

Als gewöhnliche Menschen, aber mit dem Ziel der Verwirklichung, sehen wir uns mit einer grundsätzlichen Gabelung des spirituellen Weges konfrontiert und müssen wählen: Offen steht uns zum einen der Weg der Haus-Mutter oder des Haus-Vaters, wie man in Indien – immer noch ganz unbefangen – den Pfad nennt, der über Partnerschaft und Familie führt. Zum anderen der Entwicklungsweg der Eremitage, des freiwilligen Allein-Seins auf der Suche nach Gott beziehungsweise Einheit. Aber auch dann geht es noch um Beziehung, nämlich zu Gott. Wobei die spirituelle Essenz aller großen Religionen und Traditionen darin übereinstimmt, Gott weder als alten Mann noch überhaupt als Mann zu verstehen. Das ist nur der klassische Irrtum des jeweiligen Bodenpersonals im Patriarchat. Selbst im christlichen Vaterunser heißt es im aramäischen Urtext Awun, was genauso All-Mutter wie All-Vater bedeuten kann.

Die Suche nach Einheit, Vollkommenheit oder Gott muss innen stattfinden und nicht etwa draußen in der Welt. Nichts anderes meint der christliche Satz: »Das Himmelreich Gottes liegt in euch.« Auch der große Sufi-Dichter Dschalal ad-Din Muhammad Rumi bringt es auf den Punkt mit dem Satz, der diesem Kapitel vorangestellt ist.

In der griechischen Götterwelt der Antike wurde das ganze Geheimnis so verpackt: Nach der Erschaffung der Welt hielten die Götter Rat, wo sie den Schlüssel zur Erkenntnis des Ganzen verbergen sollten, damit die Menschen ihn nicht so rasch fänden. Nachdem sie die entlegensten Orte der Erde durchgedacht hatten, kam Apoll die Erleuchtung, den Schlüssel im Herzen der Menschen selbst zu verstecken, weil diese dort am wenigsten suchen würden.

Bei den alten Griechen, am Tempel von Delphi, stand außen über dem Tor: »Erkenne dich selbst.« Drinnen soll gestanden haben: »Damit du Gott erkennst.« Auch hier dieselbe Reihenfolge: Zuerst gilt es, sich im Selbst zu erkennen, bevor es möglich wird, in Gott die Einheit von allem zu erleben.

Doch wir müssen gar nicht so weit zurückgehen, sondern nur wieder werden wie die Kinder, um zu verstehen, worum es geht. Im Kinderbuch »Oh, wie schön ist Panama« von Janosch wird empfohlen, statt Pilze zu suchen, lieber Pilze zu finden. Schöner Gruß von kleiner Tiger und kleiner Bär an großen Rumi!

»Findet, statt zu suchen!« Unter diesem Leitsatz ist nicht einmal die Richtung vorgegeben. Und sind gute Kompromisse keineswegs ausgeschlossen! Nie und nimmer ist einsam und verlassen, wer nur der inneren Stimme von innerer Heilerin oder innerem Arzt lauscht und schließlich Gottes Stimme vernimmt – egal, ob es den üblichen Vorstellungen entspricht, wo und wie gehört werden soll. Nichts anderes zeigt die Liebesgeschichte zwischen Franz von Assisi und der Heiligen Chiara. Ich erspare mir hier absichtlich das Wort »platonisch«, weil durchaus nicht klar ist, ob die damit verbundene Erzählung der von beiden gelebten Wahrheit oder mehr der Sicht des zölibatären Kirchenpatriarchats entspricht. Mit dem Evangelium der Maria liegt uns im Übrigen ein authentischer Text des Urchristentums vor, der die Rolle der Frau ganz entschieden anders darstellt. Er befreit nicht nur die Maria Magdalena vom Ruch des »leichten Mädchens« und stellt sie im Rang noch über die männlichen Jünger, sondern sogar als Partnerin neben Jesus selbst. Auch das Nonnen-Leben der Hildegard von Bingen und ihrer Mitschwester verlief in großer Freiheit und sogar einiger Freizügigkeit mit Tänzen – auch reichte es ihr, das Ornat der Nonne einmal in der Woche zu tragen.

Egal welche Richtung man an der großen Gabelung des spirituellen Weges einschlägt: Zuallererst gilt es immer, mit sich selbst glücklich zu werden – in Partnerschaft mit dem Selbst, dem Synonym der Einheit. Der Weg ist das Ziel! Und er ist in keinem Fall einfach und leicht, ob ich mir nun von Partnern aus Fleisch und Blut oder von Christus meinen Schatten zeigen lasse – christliche Nonnen tragen seinen Namen bis heute in ihrem Ehering. In jedem Fall muss ich den Schatten integrieren, und erst wenn er mit meinem Ich vereint ist, lässt sich Selbst-Verwirklichung erlangen.

»Die Braut, die sich nicht traut«

Rituale sind wichtig. Heutzutage ist es »hip«, nicht verheiratet zu sein. Mich interessiert es nicht, »hip« zu sein.

JOHN LENNON

Auch wer sich auf den Weg der Partnerschaft macht, ist gut beraten, sich zuvor selbst lieben zu lernen, damit sein Weg auch wirklich ins Glück führt. Insbesondere wer heiratet, sollte das beherzigen. Denn wer sich nicht selbst liebt und zu sich selbst nicht Ja sagen kann, kann auch nicht zu einem anderen Menschen wirklich Ja sagen. Das aber ist der entscheidende Punkt bei der Heirat, einer Ehe-Schließung. Wenn wir das Ideal einer bis zum Lebensende geschlossenen Beziehung immer seltener erreichen, hat das wohl auch damit zu tun, dass wir immer seltener unser Glück in uns selbst finden und es stattdessen vom Partner erwarten.

Ich habe bereits deutlich meine Meinung zum heutigen Medien-Hype gesagt. Das heißt nicht, dass ich alles ablehnen würde, was mit Unterhaltung zu tun hat. Auch gute Unterhaltung gehört zu den notwendigen Mußestunden, die sich die meisten viel zu selten gönnen. Wir Menschen dürfen und sollen auch träumen, besonders von schönen und die Seele nährenden Dingen. Warum soll es in der heutigen Zeit nicht auch eine ganze Traumfabrik geben? Ich selbst habe deren Produkten, zusammen mit meiner ersten Frau, das Film-Deutungsbuch Die Hollywood-Therapie gewidmet. Mehr dazu im Praxisteil des vorliegenden Buches. Hierher passt etwas daraus einfach so gut, dass ich es als erhellendes Beispiel einfügen möchte:

»Die Braut, die sich nicht traut«, mit Julia Roberts als Maggie Carpenter und Richard Gere als Ike Graham in den Hauptrollen, behandelt genau das Thema, mit dem wir uns hier jetzt befassen – äußerst unterhaltsam und auf den Punkt. Maggie arbeitet als Verkäuferin im Eisenwarenladen ihres schwer alkoholkranken Vaters. Privat ist sie die klassische Verführerin, bandelt mit unwiderstehlichem Charme mit vielen Männern an, sogar mit dem Mann ihrer besten Freundin. Das führt zu verschiedenen Heiratsanträgen, die sie – ebenfalls der typischen US-Mädchen-Sozialisation entsprechend – nicht ablehnen mag, sondern wie selbstverständlich annimmt. Immer erst im letzten Moment, in der vollen Kirche, kommt ihr die ganze Bedeutungsschwere des Rituals zu Bewusstsein, und statt das von allen erwartete Ja-Wort zu sprechen, kann sie nur noch fliehen. Sie spürt intuitiv, dass ihre Zustimmung nicht stimmig wäre, weder für sie noch für ihn.

Ike Graham, Klatschkolumnist der großen Tageszeitung, erfährt »zufällig« von den Eskapaden Maggies und macht sich in seiner Kolumne – ohne Maggie überhaupt zu kennen – lustig über ›die Braut, die sich nicht traut‹. Das bringt ihm eine Frühform dessen ein, was heute Shitstorm heißt, und schließlich seine Entlassung durch die Chefredakteurin der Zeitung, seine Ex-Frau. Immerhin erwirkt deren neuer Mann, Ikes Freund, für ihn eine letzte Chance und Gnadenfrist. Ike muss die Geschichte von Maggie Carpenter sauber recherchieren und sich gegebenenfalls öffentlich entschuldigen.

In deren kleinem Heimatort empfängt Ike eine Wand aus Ablehnung. Aber aus dem anfänglichen Krieg mit Worten, Gesten und kleinen Gemeinheiten entsteht mit der Zeit gegenseitiges Verständnis. Ike wird klar, dass Maggie eigentlich nicht vor dem jeweiligen Mann, sondern vor sich selbst flüchtet, da sie sich selbst überhaupt nicht kennt und gar nicht weiß, wer da eigentlich Ja sagen würde. Aus Verständnis entwickelt sich nach und nach Liebe. Ike versteht jetzt, wie hoffnungslos gefangen Maggie im Netz ihrer Muster ist. Sie kann nicht Ja sagen – weder zu sich selbst und ihrem Leben noch – daraus folgend – zum jeweiligen Verlobten. Sie bleibt auch nur ihrem Vater zuliebe in dessen Eisenwaren-Laden, würde doch aber viel lieber aus den Dingen, die sie tagtäglich verkauft, Kunstobjekte erschaffen. Tatsächlich weiß sie nicht einmal, wie sie Eier am liebsten mag, weil sie sich sofort dem jeweiligen Geschmack des jeweiligen Verlobten anpasst.

Bei den Übungen zur Vorbereitung einer weiteren Hochzeit verliebt sich auch Maggie in Ike, der sie als Einziger zu verstehen scheint. Insofern sagt sie die Hochzeit diesmal rechtzeitig, noch lange vor Betreten der Kirche, ab. Aber Maggie und Ike sind nun so verliebt, dass sie, kurz entschlossen, den schon feststehenden Termin für ihre Hochzeit übernehmen.

Und wieder kann Maggie nicht Ja sagen, zwar kennt sie sich nun selbst etwas besser, aber es reicht nicht, und sie flieht wiederum spektakulär und Ike rennt ihr vergeblich hinterher.

So offenbart der Film nebenbei noch die Falle des Verliebtseins, denn in dieser hormonellen Bewusstseins-Vergiftung sind kaum klare, nachhaltige Entscheidungen möglich. Durch die rosa Brille ihrer Verliebtheit übersahen beide völlig, dass Maggie noch längst nicht wirklich Ja zu sich selbst sagen kann und Ike ebenso wenig zu sich selbst. Er steht gar nicht zum zynischen Klatschkolumnisten, den er gibt, und zu dem, was er sein Leben nennt. Durch Maggies erneute Flucht ernüchtert, und bei jedem für sich allein, wirkt und arbeitet diese Erfahrung in beiden weiter, und sie gehen auf die Suche nach sich selbst.

Eines Tages sieht Ike in (seinem) New York ein Schaufenster mit der Kunst von Maggie Carpenter. Und auch er hat im Prozess des Allein-Seins sich in der Tiefe seiner Seele durchgerungen, seinen Traum vom Schriftsteller zu verwirklichen, statt lebenslänglich zynische Zeitungskolumnen zu verfassen. So verhalf erst die Phase des selbstbestimmten, kreativen Allein-Seins beiden dazu, sich selbst klarer, deutlicher und ehrlicher zu sehen und so überhaupt erst beziehungsfähig zu werden.

Nach langer Vorbereitung der Selbstfindung im Allein-Sein – möglicherweise war früher Verlobungszeit so gemeint – besucht Maggie Ike in New York und macht ihm einen bezaubernden Heiratsantrag, der aber auch eine Warnung vor ihr selbst beinhaltet und das Schattenprinzip durchaus einschließt. Natürlich kann Ike da nur Ja sagen. Nun gelingt ihre Heirat, und die längere und intensive innere Vorbereitung gibt zu den schönsten Hoffnungen für ihr gemeinsames Leben Anlass.

Die Geschichte von Ike und Maggie plädiert dafür, sich Zeit zu lassen, so lange allein zu bleiben, bis man auch für sich selbst glücklich werden kann. Wer aber glücklich mit sich selbst ist, für den ist es fast egal, wen er oder sie heiratet, und es besteht obendrein die Chance, in der Beziehung weiter zu lernen und zu vollenden, was jede/r schon für sich allein begonnen hatte: Selbstverwirklichung. Als Hollywood-Blockbuster mit gleich zwei Weltstars zielte der Film natürlich auf möglichst großen Kassenerfolg. Die Geschichte ist fiktional, ihre Botschaft aber ein Stück echter, ungemein wichtiger Lebensweisheit. Und ein berührendes Beispiel dafür, dass dank einer bewussten Phase selbstbestimmten, kreativen Allein-Seins eine Bindung fürs Leben überhaupt erst Sinn ergeben und gelingen kann.

Während die meisten versuchen, ihren Partner in Richtung des Ideals, das sie selbst glücklich machen würde, zu drängeln, zu nötigen, gar zwingen oder erpressen zu wollen, geht es in Wirklichkeit immer »nur« um die eigene (Selbst-)Verwirklichung. Entwicklung in der Projektion, sie also über den Partner erwirken zu trachten, um sie sich selbst zu ersparen, kann zu beider Glück nie beitragen. Die Freude, dass auch der Partner für sich und auf sein Selbst zuwächst, ist ein zusätzliches großes Geschenk und ihm von Herzen zu gönnen.

Direkt nach der Trennung und dem Spektakel ihrer gescheiterten Hochzeit werden sich Maggie und Ike vielleicht einsam und verlassen gefühlt und gelitten haben. Aber die folgende, bewusst genutzte Zeit des Allein-Seins hat sie weitergebracht und wachsen lassen, jeden für sich selbst und dann auch aufeinander zu. Das mag schon den fundamentalen Unterschied zeigen, zwischen dem Gefühl des Mangels bei Einsamkeit und dem Zustand des Allein- und Für-sich-Seins.

Wer mit sich selbst glücklich ist und – auch allein – ein erfülltes Leben lebt, kann es auch mit jedem und jeder anderen. »Die Braut, die sich nicht traut« tat also gut daran, sich nicht auf jemand einzulassen, bevor sie sich auf sich selbst eingelassen hatte. Zuvor hatte sie sich nicht in ihr Innerstes gewagt, um herauszufinden, wer sie ist und wer sie in Zukunft sein will. Sie hatte sogar ihre beste Freundin gefragt, ob sie wirklich jeden Mann anflirtete! Nun konnte diese es ihr am Beispiel ihres eigenen Ehemannes überzeugend bestätigen. Maggies fluchtartiges Nein zu den Fremden, die da jeweils neben ihr am Altar standen und sie fürs ganze Leben haben wollten, war also eher ein verdruckstes Ja zu sich selbst.

Letztlich ist erst reif für eine Beziehung, wer seine eigenen Schatten- und Lichtseiten im Hinblick auf sein ganzes Potential gesehen, anerkannt und angenommen hat. Sich selbst anzunehmen, wie man ist, macht reif und reich und damit auch im tiefsten Sinne beziehungsfähig.

Noch einen wesentlichen Schritt weiter gedacht, könnte jede(r), die oder der mit sich selbst glücklich ist, nicht nur mit jeder oder jedem anderen ebenfalls glücklich werden, sondern auch den Partner glücklich machen. Das hieße, ihn oder sie auch zu seinem/ihrem eigenen vollen Potential in Resonanz zu bringen.

Beziehung wird so zum Luxus für jene, die es allein schaffen würden, es aber auch gemeinsam genießen wollen.

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