Kitabı oku: «Taxi nach Paris», sayfa 4
»Das ist eine etwas ungewöhnliche Verabredung«, sagte sie.
Das war wirklich ›Welt verkehrt‹. Sie fand es völlig in Ordnung, sich zum Sex zu verabreden, aber eine einfache Einladung zum Essen nannte sie ungewöhnlich.
Bislang hatte ich essen gehen für eine relativ gewöhnliche Beschäftigung gehalten. Wenn mich die Arbeit in meinem Job nicht gerade davon abhielt, weil sie meine Sozialkontakte mal wieder sabotierte – manchmal rief man mir schon ›Workaholic‹ hinterher –, ging ich zwei- oder dreimal pro Woche mit einer Freundin zum Essen. Selbst zu kochen war bei meinem Arbeitsvolumen oft unmöglich, und es machte mir auch keinen Spaß für mich allein.
Wenn ich Zeit dazu hatte – was allerdings wirklich sehr selten vorkam –, lud ich am Wochenende ein paar Freundinnen ein und kochte für sie. Entgegen meinem äußeren Erscheinungsbild, das solche ›weiblichen‹ Beschäftigungen nicht gerade nahelegte, kochte ich sehr gut. Meine Aufläufe waren berühmt.
»Zu ungewöhnlich, um sie anzunehmen?«, fragte ich direkt. Mir schien, es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. Ihre Entscheidung war vermutlich von Kriterien abhängig, die ich nicht kannte – so wenig, wie ich sie kannte. In meinem Kopf schwirrten ein paar Gedanken umher, was ich tun würde, wenn sie ablehnte: ein paar Luftballons vor ihrem Fenster steigen lassen mit ›Happy Birthday‹ darauf? Ich wusste ja nicht einmal im Entferntesten, wann sie Geburtstag hatte. Was ich auch tat, ich würde mir nur einen Korb holen. Ich liebte es, mich von einer Frau frustrieren zu lassen, in die ich unglücklich verliebt war!
»Zu ungewöhnlich, um nicht darüber nachzudenken«, sagte sie gerade.
Sie ließ sich nicht überrumpeln. Weder geschäftlich noch privat. Das konnte ich mir gut vorstellen. Doch ihre kühle Art reizte mich besonders. Ich wollte wissen, was dahintersteckte.
»Aber ich kann dir jetzt noch keine Antwort darauf geben.«
Sie fuhr so gleichmütig fort, dass ich mich dafür hätte ohrfeigen können, sie überhaupt angerufen zu haben. Ihr lag überhaupt nichts daran, sich mit mir zu treffen. Außer vielleicht beruflich, aber das war nicht das, was ich ihr angeboten hatte. Oder war es das, was sie abhielt? Musste sie erst entscheiden, in welche Kategorie ich gehörte: Kundin oder – ja, oder was?
»Kannst du mich nächste Woche noch einmal anrufen?«
Was! Nächste Woche? Verdammt noch mal, was tat ich denn hier? Sie wollte doch gar nicht! »Ja, sicher. Wann – wann bist du denn am besten zu erreichen?« Die Vorstellung, sie bei der ›Arbeit‹ zu stören, war mir unerträglich.
»Das merkst du dann schon«, sagte sie.
Natürlich – entweder sie nahm ab oder sie war ›beschäftigt‹. Warum quälte ich mich so? Weil du das immer tust. Weil du die Frauen am begehrenswertesten findest, die dich abweisen. Es ärgerte mich, aber ich konnte meinem Kopf noch nicht einmal widersprechen. Er hatte einfach recht. Und ehrlich gesagt war das wahrscheinlich der einzige Grund, warum wir überhaupt zusammengekommen waren. Es hatte mich gereizt, ihr kühles An-mir-vorbei-Blicken, ihre Gleichgültigkeit, gespielt oder echt. Mittlerweile sollte ich vielleicht doch erkennen, dass es echt gewesen war. Ich hätte gern etwas anderes vermutet.
»Gut, aber bevorzugst du einen bestimmten Tag?« Meine Stimme klang ganz sicher etwas sarkastisch. Ich hatte keine Lust, jeden Tag bei ihr anzurufen und erst nach der ganzen Woche Erfolg zu haben. So weit ging mein Masochismus denn doch nicht.
Sie lachte – tatsächlich, sie lachte! »Du bist sauer«, bemerkte sie.
»Wundert dich das?« Jetzt war ich wirklich eingeschnappt. Sie hatte mich ausgelacht! So etwas vertrug ich überhaupt nicht. Und im Übrigen wurden meine Einladungen zum Essen im Allgemeinen mit mehr Begeisterung aufgenommen. Ich müffelte vor mich hin.
Und sie ging nicht darauf ein! »Ich bin vor Mittwoch nicht zu erreichen, wenn dir das hilft.«
»Oh ja, das hilft mir sehr. Vielen Dank!« Ich knallte wütend den Hörer auf die Gabel. Wofür hielt sie mich eigentlich? Wahrscheinlich für genau das, was ich war: eine Hündin, die an ihrer Tür kratzte. Ich war mir selbst peinlich, aber ich konnte noch nicht aufgeben. Immerhin hatte sie nicht Nein gesagt.
Ich überhäufte mich selbst mit Arbeit und versuchte, nicht ständig an sie zu denken. Das Projekt hatte schon lange nicht mehr so schnelle Fortschritte gemacht.
Mit dem Nicht-an-sie-Denken hatte ich weniger Erfolg. Jede freie Minute war mit Gedanken an sie gefüllt. Mitten im Bearbeiten eines Formulars, mit dem ich eine Erweiterung des Projektbudgets um eine halbe Million beantragen wollte, sah ich sie in ihrem Morgenmantel vor mir, wie sie mir zulächelte.
Ich wollte sie ausziehen, um mich an ihr zu rächen, aber es ging nicht. Ich konnte sie mir einfach nicht nackt vorstellen. Ich wusste schon, warum. Ihren Körper hatte sie mir bereitwillig zur Verfügung gestellt. Dort verhüllte sie nichts. Von ihrer Seele hatte ich jedoch bisher nur ein winziges Stück erhascht, als sie nicht aufpasste. Das, was mich interessierte, war der Rest, der zu diesem kleinen Stück gehörte. Der war allerdings sehr verhüllt. Und sie würde ihn kaum freiwillig preisgeben.
Im Laufe der Woche kam ich zu dem Entschluss, es nur noch ein letztes Mal zu versuchen. Ich konnte mich doch nicht lächerlich machen! Ob ich diesen Entschluss würde einhalten können, wusste ich nicht. Sie beherrschte meine Gedanken vollkommen.
Das Schlimmste daran war, dass ich mir vorstellte, sie würde sicher keinen einzigen Gedanken an mich verschwenden. Wahrscheinlich amüsierte sie sich mit irgendeiner Frau, die ihr mehr zu bieten hatte als ich.
Die Tage schlichen dahin wie Szenen in einem schlechten Film. Mir fiel unsere erste Begegnung wieder ein, in einem Frauencafé namens Bella Donna. Wie merkwürdig bezeichnend. Genau das war sie: eine schöne Frau und – wie es mir jetzt vorkam – ein schleichendes, tödliches Gift.
Und wie hatte sie mich gereizt! Sie war hereingekommen, eine majestätische Erscheinung, schien alle und niemand zu kennen. Sie hätte genauso gut das erste wie das tausendste Mal da sein können. Ich konnte nicht feststellen, ob die Frauen, mit denen sie sprach, sie angesprochen hatten, weil sie sie ebenso faszinierend fanden wie ich oder weil sie sie schon kannten. Sie behandelte jede mit der gleichen unverbindlichen Nonchalance und setzte sich zu keiner an den Tisch. Sie saß allein, und die anderen kamen zu ihr, wirklich wie eine Königin, die Hof hielt.
Ich beobachtete sie von Weitem, und nach einiger Zeit beschloss ich, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Aber sie beachtete mich einfach nicht. Und das reizte mich noch mehr. Vielleicht war es auch meine etwas frustrierte Stimmung, die mich dazu trieb, mir unbedingt ein Erfolgserlebnis verschaffen zu wollen. Sie schien höchst desinteressiert.
Wie es dann wirklich passierte, konnte ich später nicht mehr nachvollziehen. Ich fand mich einfach plötzlich in einer Situation wieder, in die hineingeraten zu sein ich mich nicht erinnern konnte.
Und das war nun das Ergebnis!
Beim besten Willen konnte ich nicht den ganzen Tag nur an sie denken. Ich musste manchmal auch noch etwas anderes tun, ein bisschen arbeiten zum Beispiel. Diese erzwungene Ablenkung war mein Glück. Sonst wäre die Zeit wohl nie herumgegangen. Und tatsächlich: Nach einem öden und in selbstgewählter Einsamkeit verbrachten Wochenende – warum tat ich mir das an? – wurde es langsam Mittwoch. Nein, nein, nein! verbot ich mir den ganzen Vormittag, sie anzurufen. Wer wusste, was mich erwartete?
Ich dachte darüber nach, dass sie am Vormittag wahrscheinlich am ehesten ›ausgebucht‹ war. Die einen gingen zum Friseur, die anderen zum Einkaufen . . .
Ich fragte mich, was die Frauen dabei empfanden: sie so zwischen Metzger und Gemüsefrau einzuschieben? Hatte das etwas Frivoles für sie oder einen besonderen Reiz? Oder war es nur das, was sie ohnehin immer taten: sich die Zeit vertreiben? Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass das nicht meine Welt war. Und ich hatte mich in sie verliebt!
Ha, ha, ha! Du machst dich lächerlich, du machst dich lächerlich! Wie beim Seilspringen früher in der Schule, wenn das Seil sirrend durch die Luft schnitt, bevor es klatschend den Boden berührte, drehte sich der Singsang in meinem Kopf. Wütender Trotz stieg in mir hoch. War ich nicht Herrin meiner selbst? Konnte ich etwa nicht selbst entscheiden, was gut für mich war und was nicht?
Ist das hier gut für dich? Nein, wahrscheinlich nicht. Warum tust du es dann? Eben.
So war es. Ich musste mich damit abfinden. Ich sehnte mich nach ihr, und ich wollte beileibe nicht nur mit ihr essen gehen. Ich machte mir etwas vor.
Besondere Frauen erfordern besondere Mittel. – Du Idiot!
Also rief ich sie am Nachmittag an. Es war fast wie beim ersten Mal. Sie meldete sich ruhig und ohne Namen.
Eine belanglose Begrüßungsfloskel fiel mir nicht ein, also fragte ich, direkt, nachdem ich meinen Namen genannt hatte, »Hast du dir meinen Vorschlag überlegt?«
»Welchen Vorschlag?«, fragte sie zurück.
Das hätte ich mir denken können! Eine Woche war ja auch so entsetzlich lang. Wie konnte ich da erwarten, dass sie sich noch an meine Einladung erinnerte? Sie war sicher mit ganz anderen angenehmen Dingen beschäftigt gewesen! Ich fürchtete, etwas zu sagen, weil meine Wut dann deutlich hörbar gewesen wäre.
»Bist du noch da?«, fragte sie nach einer Weile.
»Ja«, sagte ich, mühsam beherrscht, aber ich hoffte, das war durchs Telefon nicht unbedingt zu spüren. »Ich hatte dich gefragt, ob du mit mir essen gehst.«
»Ach ja«, sagte sie, so, als ob sie sich vage erinnern könnte. »Ich habe darüber nachgedacht.« Das war ein Kunststück! Sie hatte es vergessen und trotzdem darüber nachgedacht. Das sollte ihr mal jemand nachmachen!
»Und?« Bissig war gar kein Ausdruck für den Tonfall, der jetzt bei ihr ankommen musste. »Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?« Ich wusste wirklich nicht, wie lange ich mich noch beherrschen konnte. Aber sie würde ohnehin ablehnen, dessen war ich mir sicher. Und diese Aussicht beruhigte mich. Ein kurzes, schmerzloses – na ja, schmerzloses . . . – Ende konnte mir schließlich nur guttun.
»Ich weiß es noch nicht genau«, antwortete sie ruhig.
»Du hattest eine Woche Zeit, es dir zu überlegen!« Der Ausruf entschlüpfte mir mehr verblüfft als gekränkt. Aber natürlich: Sie hatte nicht eine Woche Zeit gehabt, sondern sie war gerade erst durch meinen Anruf wieder darauf gestoßen worden.
Warum löste sie gleichzeitig so viel Wut und Begehren in mir aus? Wenn sie jetzt vor mir gestanden hätte, wäre ich nicht gegangen wie das letzte Mal, das war mir klar, bezahlen hin oder her. Doch was ich von ihr wollte, hätte ich dennoch nicht bekommen. Aber wenigstens guten Sex. Halt den Rand, das weiß ich selbst!
»Eine Woche ist kurz«, bemerkte sie weniger entschuldigend als feststellend.
Oh ja! Ich war überzeugt, dass es ihr im Gegensatz zu mir so vorgekommen war. Bei einer kurzweiligen Beschäftigung vergeht die Zeit schneller. Sie ließ mich wirklich alt aussehen. Aber meine Wut verrauchte langsam. Es hatte ja doch keinen Sinn. Sie würde mich wieder eine Woche hinhalten, wenn ich mich darauf einließ, und wieder, und wieder –
»Ist schon gut«, sagte ich resigniert in aufopferungsbereiter Stimmung. »Du musst ja nicht, wenn du nicht willst.«
»Das habe ich nicht gesagt.« Sie überraschte mich immer wieder. Jetzt war es umgekehrt. Ich bekam eine positivere Antwort, als ich erwartet hatte. »Es gibt nur so vieles zu bedenken.«
Bei einer Einladung zum Essen? Sie lebte wohl tatsächlich in einer völlig anderen Welt als ich. Bei mir gab es nur zwei Dinge zu bedenken: ob ich konnte und ob ich wollte. Und vielleicht noch die Art des Essens. Aber die Entscheidung konnte wohl kaum eine Woche in Anspruch nehmen – oder etwa doch? »Wieso? Kannst du dich nicht entscheiden, ob du lieber zum Chinesen oder zum Italiener gehen willst?« Wie banal es mir auch erschien, vielleicht hatte es für sie eine tiefere Bedeutung.
Sie lachte. »So einfach ist das nicht«, sagte sie.
Diese Art der Logik überforderte mich. Ich konnte mir keinen Grund mehr vorstellen, der einigermaßen triftig gewesen wäre. Und ich konnte nicht noch eine Woche warten, das merkte ich. Also jetzt oder nie! »Könntest du dich damit einverstanden erklären, in ein Lokal außerhalb der Stadt zu fahren, das gerade erst eröffnet hat, weder chinesisches noch italienisches Essen offeriert und einen Biergarten besitzt?« Das ließ wirklich alle Alternativen offen. Es war weder zu intim noch zu leger, und eine laue Frühsommernacht – wer wusste, was sie bewirken konnte?
Es kam ein Laut aus der Leitung, der einem Glucksen nicht unähnlich schien. »Du bist wirklich hartnäckig«, sagte sie.
»Na ja, es ist etwas schweißtreibend, dich zum Essen zu überreden, das gebe ich zu. Aber für –«, eine schöne Frau, wollte ich sagen, aber das würde sie sicher langweilen, weil sie es jeden Tag hörte, also vollendete ich, »ein gutes Essen tue ich fast alles.« Das war unverfänglich genug!
»Also dann . . .«, stimmte sie wohlwollend zu. »Aber ich muss dich trotzdem noch vertrösten. Heute kann ich nicht. Es geht erst morgen.«
Sofort schossen mir die wildesten Vorstellungen durch den Kopf, weshalb sie wohl heute nicht konnte. Es gab eigentlich nur einen Grund: Sie hatte bereits eine andere Verabredung. Und mit wem, konnte ich mir denken. Ganz sicher mit einer Kundin. Eine Kundin, die ihr wichtiger war als ich. Damit waren wir wieder beim Anfang. Ich unterdrückte den erneut aufwallenden Ärger und den Impuls, ihr zu widersprechen. »Soll ich dich abholen, oder sollen wir uns irgendwo treffen?«, fragte ich stattdessen.
»Sag mir, wo es ist. Dann treffen wir uns dort.« Sie schien keinerlei Abhängigkeit aufkommen lassen zu wollen.
Obwohl es mir schon aus umweltschützerischen Gründen widerstrebte, mit zwei Autos zu fahren, war mir klar, dass sie sich auf nichts anderes einlassen würde. Also gab ich ihr die Adresse.
»Ah ja, davon habe ich schon gehört«, bestätigte sie nachlässig.
Sofort schossen mir wieder Blitze durch den Kopf. Von wem? hätte ich gern gefragt. Aber ich tat es nicht.
»Wann?«, fragte ich noch.
»Um acht«, antwortete sie, ohne zu überlegen.
Ihre Termine hatte sie fest im Griff. Das musste der Neid ihr lassen.
»Dann sehen wir uns dort«, sagte ich abschließend.
»Ich werde da sein«, versicherte sie.
Ich hängte zögernd auf. Am liebsten hätte ich weiter mit ihr gesprochen, aber es gab absolut keinen Grund mehr, den ich hätte vorschieben können. Und morgen würde ich sie ja sehen, hoffte ich. Würde sie sich an eine solche Verabredung halten? Ich kannte sie zu wenig, um das beurteilen zu können. Vielleicht kam sie nur, weil sie in mir immerhin noch eine potenzielle Kundin sah, die sie nicht verprellen wollte. Wollte ich das wissen? Nein, wollte ich nicht, entschied ich. Aber spätestens morgen nach dem Dessert würde ich mir darüber im Klaren sein.
Sie war schon da, als ich kam, obwohl ich entgegen meiner sonstigen Gepflogenheit ausgesprochen pünktlich war. Ich hatte den ganzen Tag auf die Uhr geschaut und nur durch eine ernsthafte Diskussion mit mir selbst verhindern können, zu früh zu kommen.
Sie saß unter einem der alten Lindenbäume, die der Gartenwirtschaft ihren besonderen Reiz verliehen und sie bestimmt in kürzester Zeit zu einem überlaufenen Anziehungspunkt machen würden. Jetzt war es noch relativ leer. Ich konnte sie gut vom Eingang her beobachten, bevor sie mich sah.
Mir fiel auf, dass sie sich zwar zurückhaltend, aber für meine Begriffe doch sehr verführerisch zurechtgemacht hatte. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Sah sie immer so aus, wenn sie zum Essen verabredet war, hatte sie bereits eine Verabredung vor mir gehabt, die ein solches Outfit erforderte, oder hatte sie sich für mich so hergerichtet? Und wenn Letzteres der Fall war, was hatte ich dann zu erwarten?
Ich würde dieses Rätsel nicht lösen, wenn ich am Eingang stehen blieb, also trat ich in den kiesbedeckten Garten und ging ohne Eile – was mich einige Anstrengung kostete – auf den Tisch zu. Sie blickte in eine andere Richtung, sodass ich ihr klassisches Profil bewundern konnte. Ihre Schönheit erschreckte mich fast. Die Gleichmäßigkeit ihrer Gesichtszüge erschien mir traumhaft unwirklich. Noch nie hatte ich bei einer Frau etwas ähnlich Vollkommenes gesehen.
Sie bemerkte mich erst, als ich so nah war, dass sie meine Schritte auf dem Kies hörte. Fast ein wenig überrascht, so, als ob sie an etwas völlig anderes gedacht und mich gar nicht erwartet hätte, blickte sie hoch.
Ich kam mir wie ein Störenfried vor. Bewusst setzte ich ein freundliches Lächeln auf, um der Situation die Intimität zu nehmen. »Hallo. Tut mir leid, wenn ich zu spät komme.«
Sie lächelte ebenso freundlich zurück. »Das tust du nicht. Aber ich mag es, wenn ich in aller Ruhe warten kann.«
›In aller Ruhe‹ und ›warten‹ war für mich ein Widerspruch in sich. Ich hasste es, warten zu müssen, und versuchte es tunlichst zu vermeiden. In dieser Beziehung waren wir wohl ziemlich verschieden. Ich hoffte, in anderer nicht so sehr.
»Bist du schon lange hier?« Ein bisschen Small Talk konnte am Anfang sicherlich nicht schaden. Schließlich war diese Situation allen bisherigen, die wir zusammen erlebt hatten, recht unähnlich.
»Nicht mehr als eine halbe Stunde.« Anscheinend war das für sie in der Tat selbstverständlich. Mir erschien es wie eine Ewigkeit. Ich wäre wahrscheinlich vor Unruhe gestorben.
»Hoffentlich hast du dich nicht allzu sehr gelangweilt.« Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, dass ein Mensch freiwillig eine halbe Stunde zu früh kam.
»Gelangweilt? Nein. Ich langweile mich nie.«
Ich bewunderte sie für die Selbstverständlichkeit, mit der sie diese Aussage traf, und seufzte ein wenig. »Das kann ich von mir nicht behaupten. Eher das Gegenteil.«
Sie lachte leicht. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
Ich kam mir vor wie bei einer Tischrunde in Königin Victorias Salon. Dabei hätte ich mich garantiert gelangweilt. Ich griff nach der Karte, die bereits auf dem Tisch lag. »Hast du schon etwas bestellt?«
Sie sah mich an und grinste ein kleines bisschen. »Wie könnte ich, wo es hier weder etwas Chinesisches noch Italienisches gibt?«
Ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen. »Möchtest du lieber woanders hingehen?« Verdammt noch mal, ich hatte das falsche Lokal ausgesucht! Der Abend war gelaufen.
Sie sah mich direkt an. Ihre Augen durchbohrten mich fast. Es war mir höchst unangenehm. Ich versuchte, ihr standzuhalten und nicht wegzusehen. »Du bist viel zu ernst für dein Alter«, eröffnete sie mir schließlich sehr bestimmt.
»Für mein Alter? Ich bin immerhin zweiunddreißig!« Ich platzte etwas heraus, weil sie mich so überrascht hatte.
Sie lachte vergnügt. Offensichtlich hatte sie einen Heidenspaß. »Danke!«, sagte sie mit einem artigen Nicken und einer leichten Betonung auf der zweiten Silbe. »Das war alles, was ich wissen wollte.«
Ich musste mich erst etwas fassen, dann begann es, mir auch Spaß zu machen. »Und ich wette, wenn ich dich jetzt frage, wie alt du bist, wirst du mir nicht antworten, weil man eine Frau nicht nach ihrem Alter fragt.«
Sie blinzelte ein bisschen. »Richtig.«
So ein ausgekochtes Früchtchen! Ich war mir gar nicht mehr so sicher, ob ich ihr gewachsen war. Ihr Alter zu schätzen war wirklich schwierig. Sie konnte so ziemlich alles zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig sein. Oder sogar drumherum.
Ich gab es auf. Einer Frau wie ihr würde man dieses Geheimnis vermutlich nie entlocken. Dennoch nahm ich aus einem unerfindlichen Grund an, dass sie jünger war als ich. Aber was hatte das schon für eine Bedeutung? Sie flirtete mit mir, das war alles, was zählte. Und flirten konnte sie wirklich gut.
Ich merkte, wie ihr Zauber auf mich wirkte, und hatte noch nicht einmal den Eindruck, dass sie das mit Absicht tat. Sie besaß einen natürlichen Charme, der durch ihre ausgesucht guten Manieren nur unterstrichen wurde. Obwohl ich wusste, dass sie die auch ablegen konnte, wenn sie wollte. Vielleicht war das sogar Teil ihrer Attraktivität.
Nach der Mühe und den Nerven, die es mich gekostet hatte, sie zu überreden, und der eher kühl geplanten Verabredung überraschte es mich, wie entspannt sie war. Sie lachte über meine Bemerkungen und war unglaublich bezaubernd. Ich war hingerissen von ihr. Wenn sie so locker und gelöst war, schien die ganze Welt um sie herum zu strahlen. So hatte ich sie bis jetzt noch nie erlebt. Immer mehr erschien sie mir wie die Verkörperung all meiner Träume. Konnte es so etwas geben?
Ich malte mir aus, wie eine Beziehung mit ihr aussehen könnte. Unser Alltag passte nicht sehr gut zusammen, das war mir klar. Wenn ich zur Arbeit ging, würde sie noch schlafen. Wenn ich schlafen wollte, würde sie arbeiten. Arbeiten? Ja, was denn? Nicht sehr erbaulich, die Vorstellung, was sie arbeitete! Das brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich sah sie an. Plötzlich fiel mir etwas auf. »Deine Augen sind gar nicht blau!« Ich war richtig überrascht. Meine fixe Idee, dass eine Frau, in die ich mich verlieben konnte, unbedingt blond und blauäugig sein musste, hatte mich genarrt.
»Nein, grau«, antwortete sie etwas befremdet.
Bisher hatte ich grau immer für eine stumpfe Farbe gehalten, aber ihre Augen strahlten wie glitzernde Diamanten. Wie gebannt starrte ich sie an und konnte mich kaum losreißen.
»Ist das ein Problem?«, fragte sie stirnrunzelnd.
Ich musste etwas verlegen lachen. »Nein, natürlich nicht. Nur habe ich bisher geglaubt, du hättest blaue. Ich habe da so eine komische Fixierung. Aber anscheinend habe ich dich bis jetzt noch nie richtig angesehen.«
Sie lachte. »Den Eindruck hatte ich eigentlich nicht.« Dann wurde sie plötzlich ernst. »Aber vielleicht sind meine Augen nicht das, was dich am meisten an mir interessiert.« Sie stocherte ein wenig in ihrem Salat herum und wählte mit äußerster Akribie ein einzelnes Blatt.
Zum Teufel noch mal, ich war doch ein richtiger Trampel! Die entspannte Stimmung war hinüber. Ich versuchte, die Situation zu retten. »Deine Augen sind wunderschön.« Was konnte ich schon anderes sagen? Das war eine Tatsache. Aber welche Frau würde es nicht übelnehmen, wenn man diese Tatsache nicht bemerkte? Ich hatte es jedenfalls immer sehr übelgenommen. »Das ist mir auch sofort aufgefallen. Nur – dummerweise bist du eben überhaupt sehr schön.«
Sie hörte auf, ihren Salat zu sortieren, und sah in meine Richtung, allerdings ohne mich genau anzusehen. »Ähm, danke«, sagte sie. Vermutlich wusste sie nicht genau, was sie mit so einem merkwürdigen Kompliment anfangen sollte. Ich wusste auch nicht, wie ich ihr das erklären sollte, falls sie mich fragte. Aber das tat sie nicht. Eine Bewegung am Eingang des Gartens lenkte sie ab. Sie seufzte. »Ich wusste, dass es ein Fehler war«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu mir.
»Ein Fehler? Was?« Jetzt war ich irritiert.
»Auszugehen.« Sie fasste sich wirklich äußerst kurz. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Das Einzige, was ich mir vorstellen konnte, war –
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte sie, während sie ihre Gabel auf den Tisch legte und die Serviette daneben. Es sah sehr endgültig aus. Sie lächelte beiläufig entschuldigend in meine Richtung. »Es hat nichts mit dir zu tun.«
Das beruhigte mich nicht besonders, denn ihre ganze Haltung signalisierte, dass sie entschlossen war zu gehen. Und das war ein wesentlich abrupteres und früheres Ende des Abends, als ich es mir vorgestellt und gewünscht hatte. Solange ich nicht wusste, was der Anlass ihres plötzlichen Sinneswandels war, würde ich sie kaum davon abhalten können, ihren Vorsatz in die Tat umzusetzen. Also musste ich es herausfinden. »Was hättest du wissen müssen?«
Sie zog kühl die Augenbrauen hoch, als ob ich eine unanständige Frage gestellt hätte. »Das ist nicht so wichtig«, sagte sie. Sie hob die Hand, um dem Kellner anzuzeigen, dass sie zahlen wollte.
Mein Gott, das ging alles so schnell! Ich wusste nicht, worauf ich zuerst reagieren sollte. »Offensichtlich ist es Grund genug für dich zu gehen«, sagte ich nervös um mich blickend, um vielleicht herauszufinden, was sie gesehen hatte. Ich sah nur ein paar Leute, die gerade gekommen waren, ein Paar mittleren Alters, die gerade auf einen Tisch am anderen Ende des Gartens zusteuerten. Die Frau war sehr dünn und schmal. Sie ging etwas steif hinter ihrem Mann her. Ansonsten sah ich niemand.
Plötzlich drehte die Frau sich um und warf einen verkniffen-wütenden Blick in unsere Richtung. Es war nur ein kurzer Moment, dann war es vorbei. Ich drehte mich wieder zum Tisch hin. Der Kellner stand bereits neben ihr. »Warte«, protestierte ich. »Ich hatte dich doch eingeladen.« Das ging wirklich alles viel zu schnell!
»Lass«, wehrte sie energisch ab. »Ich glaube, du hast nicht sehr viel von dem bekommen, wofür du bezahlen wolltest.«
Wie? Was sollte das denn nun wieder heißen? Sie machte mich völlig konfus, aber bevor ich überhaupt meine Brieftasche zücken konnte, war der Kellner schon wieder verschwunden. Gleichviel, sie stand bereits auf. »Bleib doch und iss in Ruhe zu Ende«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
Was sollte ich hier ohne sie? Sie schien nicht darüber nachzudenken, dass ich wohl kaum gekommen war, um allein zu essen. Ich sprang auf, während sie sich schon umdrehte. »Warte«, sagte ich noch einmal schnell.
Sie blieb kurz stehen und drehte sich halb zurück. »Bitte, bleib«, sagte sie. »Ich möchte nicht auch noch dafür verantwortlich sein, dass du verhungerst.« Sie lächelte etwas gezwungen.
»Was soll der Quatsch?« Schon während ich antwortete, hatte sie sich wieder umgedreht und ihren Weg zum Ausgang fortgesetzt. Ich ging hinterher und holte sie ein. »Kannst du mir nicht sagen, was los ist?« Sie ging weiter, als ob ich gar nichts gesagt hätte. Sie ignorierte mich. Ich musste sie provozieren, wenn ich eine Antwort wollte. »Was war mit der Frau? Wer ist sie?«
Sie blieb abrupt stehen. »Das geht dich nichts an«, wies sie mich ziemlich gereizt zurecht.
Also hatte ich ins Schwarze getroffen. Sie war der Grund. »Vielleicht nicht«, ich war nicht darauf aus, mich mit ihr zu streiten, »aber was mich etwas angeht, ist, dass ich jetzt hier mit dir stehe, statt gemütlich am Tisch zu sitzen und mit dir zu essen. Dafür hätte ich gern eine Erklärung. Zumal, wenn es angeblich nichts mit mir zu tun hat.«
Sie war ziemlich geladen, das spürte ich. Und ich reizte sie wahrscheinlich noch mehr. Aber wenn sie einfach so weglief, würde mir das nichts nützen. Da nahm ich schon lieber ein Donnerwetter in Kauf.
»Du bist wirklich . . .« Sie sprach nicht aus, wofür sie mich hielt. Stattdessen atmete sie tief durch. »Okay. Du hast recht. Es ist unfair. Ich gebe es zu. Reicht das?«
Sie wirkte auf einmal wieder sehr kühl und überlegen. In dieser Stimmung konnte ich mir nicht vorstellen, überhaupt etwas von ihr zu erfahren. »Möchtest du woanders hingehen?«, fragte ich zum zweiten Mal an diesem Abend.
»Nein«, antwortete sie prompt. »Das war ja der Fehler. Mein Fehler«, betonte sie nachdrücklich. »Ich gehe sonst nie aus.« Das überraschte mich angesichts unserer ersten Begegnung. Sie merkte es und korrigierte sich. »Fast nie. Und wenn, dann nicht in ein solches Lokal.« Sie sah sich um.
»Suchst du etwas Bestimmtes?« Ich hatte angenommen, dass sie zu ihrem Wagen gehen würde, aber sie stand immer noch am Rande des Parkplatzes, der vor dem Lokal lag und nur eine Verbreiterung des Weges unter ein paar Bäumen darstellte.
»Eine Telefonzelle.« Sie wirkte etwas abwesend.
»Hier? Mitten im Wald? Wozu?« Langsam wurde es mir lästig zu fragen. Sie gab freiwillig nur so viel an Informationen preis, wie sie unbedingt musste. Das war ausgesprochen mühsam.
»Um ein Taxi zu rufen.«
»Du bist nicht mit dem Wagen da?« Wahrscheinlich war sie auf ihren unsichtbaren Engelsflügeln hergeflogen. Ich merkte, wie ich sarkastisch wurde. Meine Geduld war einfach erschöpft.
Diesmal antwortete sie wenigstens. »Ich habe gar keinen.«
Ich musste unvermittelt lachen. Es klang so sehr wie der Italiener in der Cappuccino-Werbung, der seine Nachbarin mit heißem Kaffee hinhält, bis sich herausstellt, dass er gar kein Auto hat, dass ich mich sofort daran erinnert fühlte. Ich sah ihren Blick und hörte auf zu lachen. Sie fand das gar nicht komisch.
»Entschuldige«, sagte ich ernüchtert. »Ich habe nur gerade an etwas gedacht . . .« Ich überlegte, ob sie es ablehnen würde, wenn ich ihr anbot, sie mitzunehmen. Möglich war es. Und dann blieb immer noch die Frage, wohin. Einer anderen Frau hätte ich einfach angeboten, mit zu mir zu kommen, auf einen Kaffee. Aber ihr? Und zu ihr zu gehen, stand wohl kaum zur Debatte. Ich wagte es. »Würdest du mich als Taxi akzeptieren?«
»Dich?« Sie drehte den Kopf von dem Baum, den sie gerade betrachtet hatte, zu mir.
Vielleicht war ich einfach nicht zur Taxifahrerin geboren. Sie blickte jedenfalls irgendwie ungläubig. »Ja, mich. Ich habe ein Auto«, ich musste einfach grinsen bei dem Gedanken an den Italiener, er machte das so nett, »und ich habe es sogar dabei. Du wirst es nicht für möglich halten.«
Sie blieb kühl. »Ich möchte nicht, dass du meinetwegen einen Umweg machst.«
Einen Umweg? Ach ja, sie wusste ja gar nicht . . . »Ich wohne bei dir um die Ecke, wenn du das meinst«, erklärte ich deshalb. Sie wollte offensichtlich nach Hause. Einen anderen Vorschlag konnte ich mir wohl sparen.
»Ach ja?« Es interessierte sie nicht besonders, wie mir schien. Aber viel länger hielt ich das nicht mehr aus. Wenn ich mich schon so unverhofft von ihr trennen musste, dann möglichst bald.
»Mein Wagen steht da drüben.« Ich deutete mit dem Arm nach links. Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging ich los. Als ich die Fahrertür aufschloss, sah ich mich kurz um. Sie war drei Schritte hinter mir. Ich ging um den Wagen herum und schloss die andere Seite auch auf. Ich öffnete ihr die Tür, damit sie einsteigen konnte.
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