Kitabı oku: «Geisterzorn», sayfa 2

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Der zweite ungeklärte Todesfall, der in Verbindung zu den Poltergeistern gebracht wurde, ereignete sich ein Jahr später, 1891, und betrifft Ernest Hawl. Demjenigen, der die Speedwell als Erster aus dem Nirgendwo auftauchen sah.

Im Gegensatz zu anderen teils sehr detaillierten Schilderungen anderer Heimgesuchter, hat Farrel nichts über die Hintergründe zu Hawls Ableben zu berichten. Allerdings kam seine Betroffenheit in seinem Bericht zum ersten Mal voll zum Tragen, denn erstmals hatte es einen Menschen getroffen, dem Farrel sehr nahestand. Und zu allem Überfluss war Farrel es selbst, der die Leiche von Hawl in dessen Haus auf der Felsterrasse fand.

Hawl hatte mit dem Rücken auf dem Boden im Korridor gelegen. Bei einer ersten Begutachtung ergaben sich keine Fremdeinwirkungen, die auf ein Verbrechen hätten hinweisen können. Erst die genauere Untersuchung der Leiche durch den Dorfarzt Dr. Pickman brachte eine erstaunliche Entdeckung ans Licht, die auch den letzten Zweifler von der Existenz der Poltergeister und ihrer tödlichen Macht überzeugen sollte. Nahm Pickman zunächst noch an, Ernest Hawl sei durch einen Herzinfarkt gestorben, so musste er zu dem Schluss gelangen, dass die Todesursache Ersticken war. In seinem Hals fand er einen Gegenstand, den Hawl seiner Meinung nach versucht hatte zu verschlucken, sich dann aber in seiner Luftröhre verklemmt hatte. Es war die Goldmünze, die Hawl auf der Speedwell gefunden hatte, aber nicht mitzunehmen vermochte.

Wie konnte die Münze in sein Haus und dann in seinen Hals gelangen? Darauf gibt es bis heute keine plausible Antwort. Hawl wurde von jedem, der in Lost Haven lebte, geachtet. Erst die Kirche und dann der Dorfälteste. Die Einwohner fragten sich, was diese finstere Macht zu solchen Taten trieb. Ein regelrechter Exodus war die Folge. Innerhalb der nächsten zwei Jahre verließ fast die Hälfte der Einwohner das Küstenstädtchen.

Gleichzeitig nahm die Zahl der Poltergeist-Berichte rapide ab. Man glaubte, dies sei auf die geschwundene Einwohnerzahl zurückzuführen, doch nach Farrels Aufzeichnungen begann sich die Lage, was die Zahl der Sichtungen betrifft, schon seit 1889 zu entspannen. Trotz der Toten. Auch wenn dem so war, so gab es noch ein letztes Todesopfer im Jahr 1893 zu beklagen. So wie die anderen wurde auch die Anbahnung dieses Todesfalles durch Arthur Farrel dokumentiert. Er konnte jedoch nicht ahnen, dass er selbst es sein sollte, der den Tod finden würde.

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Folgende Zeilen wurden von Farrel kurz vor seinem Ableben in seinem Tagebuch notiert:

Ich bin mir selbst nicht ganz gewiss, was mich dazu trieb, die seltsamen Berichte der letzten Jahre so beharrlich zu verfolgen. Ich wähnte mich in Sicherheit, glaubte, nicht mehr als ein neutraler Beobachter zu sein, der immun gegen den dunklen Zauber dieses Ortes ist. Erst als mein alter Freund Hawl, den ich schon von Kindesbeinen an in mein Herz geschlossen hatte, starb, spürte auch ich, wie mich ein dunkler Schleier langsam einzuhüllen begann. Diese Kälte. Diese gottverfluchte Kälte! Ich spüre sie nun immerzu. Sie umklammert mich wie ein Leichentuch.

Es hat - wie bei den meisten anderen auch – ganz harmlos begonnen. Es waren schlechte Träume, die mich des Nachts schreiend erwachen ließen. Dies allein vermochte mich jedoch nicht in Besorgnis zu versetzen. Schließlich hatte ich mich seit Jahren tagein tagaus nur mit den Geistern beschäftigt, die nicht ruhen wollten. Alpträume waren nicht mehr und nicht weniger als eine logische Konsequenz meines unsinnigen Verhaltens. Unsinnig, sage ich, weil es mir bis zum heutigen Tage nicht gelungen ist, irgendetwas über die Beweggründe der geisterhaften Wesen hier in Lost Haven herauszufinden. Stattdessen bin ich genauso klug und genauso dumm wie zuvor. Verschwendete Jahre waren es, die ich mit den Befragungen, den Niederschriften und den Recherchen verbracht habe. Verschwendet, sage ich.

Ich glaubte, durch die Bildung von kausalen Zusammenhängen der Geschehnisse Rückschlüsse ziehen zu können, die mich der Lösung des Problems näher bringen würden. Doch statt Dank für meine Bemühungen wurde mir nur Unverständnis und schlimmer noch: Misstrauen entgegengebracht. Ja, es gab sogar ein wütendes Frauenzimmer, das mir vorwarf, mit den Geistern im Bunde zu stehen, weil ich anscheinend als Einziger von bösen Dingen verschont geblieben wäre.

Ich verleugne nicht, dass ich in der Tat all die Jahre unbehelligt blieb. Doch insgeheim wünschte ich mir doch, einem der Geister zu begegnen, um sein Geheimnis zu lüften. Doch mit meinen aufkeimenden Nachtmahren sollte sich dieser Wunsch ins Gegenteil verkehren. Als ich darauf jede Nacht von bösen Träumen verfolgt wurde, beschloss ich endgültig, meine Arbeit aufzugeben und das Buch zu schließen. Ruhe suchte ich zu finden. Doch war sie mir nicht mehr vergönnt. Mittlerweile ist es so schlimm, dass ich es seit Tagen nicht mehr wage, in einen Spiegel zu blicken, denn dort lauert der Tod auf mich.

Es begann vor sechs Tagen, als aus meinen Alpträumen Realität wurde. An einem eigentlich schönen Sonntagmorgen erwachte ich spät aber ausgeruht. Hinter mir lag die erste Nacht seit Wochen, in der ich nicht von einem Albtraum heimgesucht worden war. Mit noch verschlafenen Augen blickte ich an diesem Morgen in den Spiegel in meinem Badezimmer. Was ich in jenem Spiegel sah, den ich unlängst zerstört habe, ließ mich erschaudern. Denn schräg hinter meinem Spiegelbild stand in meiner unmittelbaren Nähe eine von einer dunklen, nebelartigen Aura verhüllte Gestalt, die kein Gesicht besaß, aber mich anzublicken schien. Zu Tode erschrocken drehte ich mich auf dem Absatz um, doch hinter mir war niemand zu sehen, so dass ich glaubte, schon Gespenster zu sehen, die meiner Fantasie entsprungen waren. Erleichtert atmete ich auf und drehte mich wieder zum Spiegel. Ich wollte mich überzeugen, dass mir meine Fantasie nur einen Streich gespielt hatte, was in Anbetracht der unzähligen Geistergeschichten, mit denen ich mich die vergangenen Jahre beschäftigt hatte, keinesfalls überraschend gewesen wäre. Doch als ich erneut in den Spiegel blickte, war die Gestalt immer noch da, direkt hinter meinem Spiegelbild. Kaum konnte ich diesen neuerlichen Schrecken begreifen, streckte das Wesen im Spiegel plötzlich seine Hände nach meinem entsetzten Spiegelbild aus, umklammerte dessen Hals und würgte es. Schreiend packte ich meine Hände an den Hals, konnte jedoch keine fremden Hände ergreifen, sondern nur den rasenden Puls an meinem Hals spüren. Erneut warf ich mich herum und konnte doch wieder niemanden sehen. Was immer dieses Ding war, es lebte und agierte nur im Spiegel. In Panik geraten, drehte ich mich wieder zurück zum Spiegel. Von der anderen Seite blickte mich das finstere Wesen mit seinen verborgenen Augen an. Mein eigenes Spiegelbild war nicht mehr existent. Das Wesen hatte es umgebracht. Ich schrie erneut vor Entsetzen. Dann packte ich den Spiegel, riss ihn von der Wand und schmetterte ihn zu Boden.

So hat es begonnen.

Nach diesem entsetzlichen Erlebnis weigerte ich mich zu akzeptieren, dass das Ding aus dem Spiegel ein böser Spuk war, der mir nach dem Leben trachtete. Ich redete mir ein, dass ich den Verstand verloren hatte. Ich beschloss zunächst, sämtliche Spiegel, die ich besaß, zu zerstören. Mit geschlossenen Augen ergriff ich die in meinem Haus verbliebenen Spiegel - es waren drei an der Zahl - und zerstörte sie. Das Ding aus der Spiegelwelt, gleich ob real oder meiner Fantasie entsprungen, sollte keine Gelegenheit mehr haben, einen weiteren Blick in meine Welt zu erhaschen. Dass mein Verstand womöglich angegriffen, nicht aber Generator scheußlicher Halluzinationen war, habe ich erst jetzt begreifen können. Welch undenkbares Glück war mir nur all die Jahre beschieden, dass ich von den Geistern, die Lost Haven heimsuchten, verschont geblieben war, und welch unsägliches Pech lastet nun auf mir, dass ich einem besonders bösartigen Spuk ausgeliefert bin! Ich entschied mich fortan, jedweden Kontakt mit einer spiegelnden Oberfläche zu vermeiden. Doch musste ich jäh feststellen, dass dieses Vorhaben leichter gesagt war als getan.

Zwei Tage vergingen, ohne dass ich in eine spiegelnde Oberfläche geblickt hatte, geschweige denn jemandem mein Leid geklagt hatte. Erst in diesen dunklen Stunden erahnte ich, welch unsägliches Leid all die Opfer der Geistererscheinungen durchlitten haben mussten. Wie einsam sie sich gefühlt haben mussten. Verlassen von allem, was gut war.

Doch am heutigen Abend ist es wieder geschehen. Stets hatte ich die letzten zwei Tage rechtzeitig vor Sonnenuntergang die Vorhänge vor allen Fenstern in meinem Haus zugezogen, um so zu verhindern, mein Spiegelbild, oder das eines anderen im Fenster vor einem dunklen Hintergrund sehen zu müssen. Doch heute vergaß ich, das Fenster in der Küche zu verhängen. Die Sonne war bereits vollständig untergegangen, als ich ahnungslos in die Küche schritt, um meinen Hunger zu stillen. Während ich mir mein Abendmahl bereitete und dabei direkt vor dem Fenster stand, blickte ich beiläufig in genau dieses Fenster. Was ich dort erblickte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Alles was ich sehen konnte, war durch die dunkle Spiegelung des Fensters getrübt, doch sah ich genug, um zu verzweifeln.

Die dunkle Gestalt. Sie war wieder da. Und wieder stand sie genau hinter meinem Spiegelbild. Die Gestalt hob ihre rechte Hand, in der sie ein großes Messer hielt. Es war mein großes Küchenmesser, das hinter mir in einer Schublage liegen sollte. Ich wusste, würde ich mich umdrehen, wäre hinter mir niemand zu sehen, und würde ich die Schublade öffnen, wäre das Messer an Ort und Stelle, doch ich widerstand der Versuchung mich umzudrehen. Ich wollte mich dem Wesen aus der Spiegelwelt stellen. Doch wurde ich nur erneut Zeuge, wie das Ding mein Spiegelbild ermordete, indem es diesmal das Messer meinem Ebenbild in den Rücken rammte.

Ich schrie auf, nahm meinen Teller und warf ihn in das Fenster, das darauf klirrend zerbarst. Es ging zwar alles furchtbar schnell, doch noch bevor ich das Fenster zerstören konnte, sah ich für den Bruchteil einer Sekunde, wie mich das Ding auf der anderen Seite anstarrte und dabei mit dem Finger auf mich zeigte. Die Botschaft, die diese Geste vermitteln sollte, war eindeutig. Sie lautete: »Das nächste Mal bist Du dran!«

Ich kauere jetzt schon seit Stunden im Korridor meines Hauses auf dem Boden und schreibe diese Worte nieder. Ich weiß nicht, ob ich diese Nacht überleben werde.

Bald müsste die Sonne aufgehen. Ich habe Angst davor, dass das Wesen aus der Spiegelwelt entkommt und mich findet.

An dieser Stelle enden Arthur Farrels Aufzeichnungen.

Seine Leiche wurde drei Tage später in seinem Haus gefunden. Sein lebloser Körper lag quer über seinem Bett. Sein Gesicht war von tiefen Schnitten durchsetzt, die von den Glasscherben des Schlafzimmerfensters stammten. Als Todesursache wurde zunächst der massive Blutverlust angenommen, doch bis heute hält sich hartnäckig die Auffassung, dass Farrel durch einen plötzlichen Herzstillstand infolge eines massiven Schreckens gestorben war.

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Nach Farrels Tod gab es nur noch sehr vereinzelt Berichte oder Gerüchte über Poltergeisterscheinungen. In den folgenden Jahrzehnten will immer wieder jemand einen Geist gesehen oder unerklärliche Phänomene erlebt haben. Aber etwas Vergleichbares mit den Schilderungen von Farrel hat es nie wieder gegeben. Was immer auch in Lost Haven vorgefallen war, nach fast genau zehn Jahren hatte es ein Ende gefunden.

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts scherte sich kaum jemand noch um den Gespenster-Mythos von Lost Haven, und so versank das Dorf an der Ostküste des Atlantiks zunehmend in der Bedeutungslosigkeit. In den neunzehnhundertfünfziger Jahren gab es nur noch knapp vier Dutzend Einwohner.

Erst ab den sechziger Jahren begann das Interesse an Lost Haven wieder aufzuflammen. Geistergeschichten kamen mehr und mehr in Mode. Ende der siebziger Jahre entwickelte sich gar ein richtiger Tourismus. Immer mehr Menschen wollten auf den Spuren der Poltergeister wandeln. Lost Haven wurden mystische Kräfte zugeschrieben. Die Grundstückspreise stiegen allmählich, und immer mehr Menschen, meist Leute mit zu viel Geld, bauten sich ein Sommerhaus oder zogen ganz nach Lost Haven. Der Ort erfuhr eine regelrechte Ummodellierung, denn die meisten der alten Häuser aus dem vorigen Jahrhundert waren derart zerfallen, dass sie rücksichtslos abgerissen und durch neue ersetzt wurden. Trotz der Bemühungen, das Landschaftsbild nicht allzu sehr zu verändern, hatte das Neue Lost Haven mit dem alten verschrobenen Fischerort von einst wenig gemein. Der New Haven Harbour wurde auf der Westseite der lang gezogenen schmalen Bucht komplett neu gebaut. Der alte Hafen an der Ostseite wurde aufgegeben. Einige kleine Straßen kamen neu hinzu, wie die Kennington Street, in der ich jetzt wohne, östlich der Bucht. Die verbliebenen Straßenzüge wurden verändert und bekamen neue, tourismusfreundliche Namen verpasst. Diese ganzen Transformationen haben das alte Lost Haven zwar zerstört, aber den Ort immerhin vor dem Vergessen bewahrt.

Michelle fasst einen Entschluss

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Keine Sorge, ich werde Sie jetzt nicht mit Belanglosigkeiten aus meinem Leben langweilen. Deshalb beschränke ich mich auf das Wesentliche.Ich will Ihnen nur erklären, warum es mich nach Lost Haven verschlagen hat.

Mein Name ist Jack Rafton. Nun, eigentlich stimmt das gar nicht. Jack Rafton ist mein Künstlername, den ich vor acht Jahren angenommen habe. Wenn ich es mir recht überlege, hat meine Ex-Frau Michelle mir Jack Rafton vorgeschlagen und ich habe zugestimmt, weil mir selber nichts einfiel.

Mein erster großer Roman erschien etwa vier Jahre nach seiner Fertigstellung endlich bei einem großen Verlag. Und ich war so stolz. Das können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich steckte mitten in meinem Ingenieurs-Studium, hatte aber immer eifrig nebenher geschrieben. Stolz und zittrig war ich, als ich meine erste Lesung in einer kleinen Buchhandlung hielt. Gerne erinnere ich mich an diese Zeit zurück.

Der Roman, um welchen es in meiner ersten Lesung vor zwölf Jahren ging, trug den Titel 'Angststurm' und war ein richtiger Erfolg. Er war über acht Monate in den Bestsellerlisten.

Ein gutes Jahr nach Erscheinen meines Erstlings wurde mein zweiter Roman veröffentlicht. Er konnte nicht ganz an den Erfolg des ersten anknüpfen, sicherte mir jedoch auch weiterhin das allseits beliebte Prädikat Bestsellerautor. Aber das war alles ziemlich unwichtig für mich. Denn in dem Jahr, in dem mein zweiter Bestseller erschien, wurde meine Tochter Amy geboren.

In den folgenden drei Jahren erschienen von mir immerhin noch drei weitere Romane. Inhalt: Monster, Panikattacken, gut aussehende, schreiende Teenager und natürlich ein paar grausam zugerichtete Leichen und viel Blut. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich augenscheinlich so abfällig meine 'Werke' zusammenfasse. Aber aus heutiger Sicht würde ich eigentlich keinem unbedingt empfehlen, eine dieser Geschichten zu lesen, wenn er nicht gerade etwas Besseres zu tun hat. Mein erster Roman war gut, und ich bin auch noch heute stolz auf ihn, aber der Rest war letztlich Zwang. Es war mein Lebensunterhalt.

Dann, fünf Jahre nach meinem Durchbruch, gab es einige Veränderungen. Paul, mein Agent und Freund starb bei einem Autounfall. Als ich die Nachricht von Pauls Tod erfuhr, war ich geschockter, als ich es mir selbst zugetraut hätte. Paul und ich hatten uns oft zum Lunch getroffen. Nicht nur, um über meine Bücher zu diskutieren, sondern auch, um sich einfach nur entspannt über unsere Alltagssorgen zu unterhalten.

Nachdem Paul gestorben war, wurde mir bewusst, dass er die letzten fünf Jahre eine der wenigen Bezugspersonen in meinem Leben gewesen war. Denn, als mein erstes Buch zum Erfolg wurde und mein Gesicht im Fernsehen zu sehen und mein Name in den Zeitungen zu lesen war, gab es zwar viele Menschen, die gern meine Freunde sein wollten. Die Freunde, die ich jedoch vorher schon hatte, wandten sich im Lauf der Zeit von mir ab. Eine Tatsache, an der ich selbst sicherlich nicht ganz unschuldig war. Der Erfolg verändert einen, und er verändert die Sichtweise anderer auf einen selbst. Was mir also nach Pauls Tod blieb, waren im Grunde nur meine eigene kleine Familie. Meine Frau Michelle und meine Tochter Amy.

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Mein neuer Agent, der Paul ersetzte, war jung und überdreht. Bei unserer ersten Begegnung bombardierte er mich ständig mit dämlichen Marketing-Schlagworten wie 'Pageturner' und 'Unputdownable'. Er glaubte fest daran, dass mit seiner Hilfe mein neuer Roman ein Erfolg werden würde. Der Verlag wollte mein neues Buch zur nächsten Herbstsaison rausbringen. Zum Schreiben hatte ich etwas mehr als 10 Monate Zeit. Viel Zeit, die ich nicht genutzt habe.

Mein letztes Buch, das ich dann schließlich schrieb, war von Anfang an beschissen. Dieser und damit mein bislang letzter Roman, den ich unter dem Arbeitstitel 'Leichenschmatzen' geschrieben hatte (das erklärt eigentlich schon alles, oder?), bekam von der Fachpresse eigentlich ganz ordentliche Kritiken. Die Leser aber, die dank Internet Rezensionen schrieben, bloggten oder sich in Foren austauschten, verrissen das Buch gnadenlos. Zu Recht. Es war einfach jämmerlich. Und es war der Schlussstrich unter meine Karriere als Autor. Der Verkaufszahlen waren die schlechtesten, die der Verlag in jenem Jahr für einen seiner Romane verbucht hatte. Obwohl ich mich bemühte, mit dem Verlag in Kontakt zu bleiben, wollte man dort erst mal nichts mehr von mir wissen.

»Nimm dir mal eine Auszeit, Kumpel«, riet mir mein neuer Agent eines Nachmittags am Telefon und legte danach auf. Ich war nicht sein Kumpel. Erst nach diesem Telefonat wurde mir bewusst, dass mein Leben als Autor beendet war. Es war nicht nur eine vorübergehende Schwäche oder gar eine Schreibblockade. Es war endgültig.

Was danach geschah kann ich kurz zusammenfassen: Ich stürzte ab, war die meiste Zeit über betrunken, und es dauerte nicht mehr lange bis mich meine Frau Michelle aus unserem Haus geworfen hat.

Ihre einzigen Worte, die mir noch im Gedächtnis geblieben sind, waren: »Wenn du mir nicht Amy und das Haus lässt, mach ich dich so fertig, dass du wünschen wurdest, mich nie kennengelernt zu haben! Glaubst du, du würdest einen Prozess gegen mich gewinnen? Jack Rafton, der alkoholkranke Versager will das Sorgerecht für seine Tochter? Glaubst du das wirklich? Ich sag dir was: Versuch es doch! Dann gehe ich zur Presse und erzähle denen, wie schlimm deine Sucht ist.«

Mir wurde klar, dass ich Amy eine Schlammschlacht zwischen ihren Eltern nicht zumuten konnte. Ich wollte nicht, dass sie litt.

Und so gab ich auf. Einfach so. Ich überließ Michelle das Haus. Im Gegenzug sicherte sie mir zu, Amy an den Wochenenden mit zu mir nach Lost Haven mitnehmen zu dürfen - dort hatten wir unser Ferienhaus, das fortan mein neues, einsames Zuhause sein sollte. Das fiel Michelle nicht schwer zu versprechen, denn sie wusste ganz genau, dass Amy das Haus in Lost Haven ablehnte, weil sie glaubte, dort eines Nachts, als wir unseren letzten Sommerurlaub verbracht hatten, von einem Geist heimgesucht worden zu sein. Seither fürchtete sie sich vor dem Haus. Nach meinen Erlebnissen in den letzten Wochen hier kann ich ihr das nicht verübeln.

Nachdem ich schließlich nach Lost Haven gezogen war, war die Realität die, dass ich Amy nur sehr selten zu Gesicht bekam. Dafür sorgte ihre Mutter und deren Eltern, die sie in ihre Pläne penibel eingeweiht hatte, und die sie erfolgreich gegen mich aufgehetzt hatte.

Ja, natürlich. Ich hätte um Amy kämpfen müssen. Aber ich war viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Mit dem Trinken und mit meinem Selbstmitleid. Ich war erbärmlich.

Aber genug davon. Ich stehe jetzt hier in Lost Haven am Abgrund, blicke aufs Meer und warte, dass das, was mit den anderen geschehen ist, auch mit mir geschieht. Ich habe noch ein wenig Zeit. Gehen wir also gedanklich zurück zu dem Punkt, an dem vor einigen Wochen alles angefangen hat.

Ja, ich erinnere mich. Ich wollte ein Geschenk für Peter kaufen...

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