Kitabı oku: «Homunkulus Rex», sayfa 5

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Kapitel 9: Eskalation

Es kam, wie es kommen musste. Nämlich - wie Robert insgeheim befürchtet hatte - zum Schlimmsten.

Es war der Tag der folgenden Woche, in der Robert Hendrik samt guten Neuigkeiten erwartete. Robert2 ging am Morgen wider Erwarten nicht zur Arbeit.

»Wieso? Bist du krank?«

»Nein, mir geht es bestens. Ich habe mir heute einen Tag frei genommen.«

Robert beschwerte sich erst gar nicht darüber, dass Robert2 ihn darüber nicht vorher informiert hatte.

»Und willst du etwa dafür den ganzen Tag in der Wohnung herumlungern - mit mir

»Reg dich nicht gleich wieder auf. Ich werde heute den ganzen Tag mit Nicole verbringen. Heute ist der Tag.«

»Ja, sicher doch. Darauf falle ich nicht noch einmal herein.«

»Denk, was du willst. Ich liebe sie, und sie liebt mich.«

»Das hat sie dir wohl auch schon gesagt, oder was?«

»Nicht mit Worten. Aber.. diese Signale, die sie ausgesendet hat. Du weißt schon.«

Robert antwortete nicht, sondern schwieg wütend mit zusammengepressten Lippen. Er starrte in den Holoprojektor, in dem ein Fußballspiel vom Vortag wiederholt wurde.

»Ich verschwinde dann jetzt. Nicole und ich gehen abends zum Hafen am See und machen noch eine kleine zweistündige Rundfahrt mit dem letzten Schiff. Nur falls Hendrik fragt, wenn er noch heute kommt.«

Robert schwieg und nippte an einem Glas Wasser.

»Also bis nachher. Übrigens, du solltest dich mal wieder rasieren. Du siehst furchtbar aus.«

Als sein Klon die Wohnung verlassen hatte, nahm Robert das Glas und schmetterte es gegen die Wand. Ja, verdammt, er war eifersüchtig! War das nicht sein gutes Recht?

Oder war alles nur gespielt? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Er recherchierte die Abfahrtszeit des Schiffes für die kleine Seerundfahrt. Er könnte hingehen und sie heimlich beobachten.

Nein, das ist viel zu riskant. Ich werde doch jetzt kein Risiko eingehen. Nicht jetzt, so kurz vor dem Ziel.

Robert beschloss, es bei der Vernunft zu belassen. Er würde zuhause bleiben und auf Hendrik warten. Doch je länger er auf ihn wartete, desto mehr pochte der quälende Gedanke hinter seinen Schläfen. Der Gedanke, dass sich der Klon an Nicole ranmachte. Sie berührte. Sie vielleicht...

Er hielt es nicht mehr aus. Es war sechs Uhr abends. In einer halben Stunde würde das Schiff abfahren. Wenn er sich beeilte, könnte er zu Fuß rechtzeitig dort sein. Jede Spur von Vernunft war weggewischt. Er sah nur noch rot. Er schnappte sich eine Schirmmütze, setzte eine Sonnenbrille auf - zum Glück war der Himmel wolkenlos, so dass er nicht unnötig auffallen würde - und verließ die Wohnung. Das erste Mal seit Wochen.

Robert hatte sich nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, wo er auf seinem Weg zur Anlegestelle an der Seepromenade per Computerüberwachung registriert werden könnte. Er hoffte, dass es im besten Fall gar nicht geschehen würde, da er hauptsächlich über kleine Nebenstraßen lief. An der Promenade angekommen, setzte er sich auf eine Bank und schaute auf seine Uhr. Noch zehn Minuten. Keine Spur von Robert2 und Nicole. Er kam sich wie ein irrer Stalker vor. Er schaute sich nach Kameras oder Sensoren um, die hier sein könnten. Mit Sicherheit gab es welche. Doch sie waren zu gut versteckt.

Ruhig. Wenn in zehn Minuten keiner kommt, gehe ich sofort wieder nach Hause.

Erste Schuldgefühle ob seines irrationalen Verhaltens kamen in ihm auf.

Während er unruhig auf seinem Platz hin und her rutschte, zog ein riesiger Schatten an ihn heran. Langsam bewegte sich der Schatten voran und verdunkelte die ganze Promenade. Kaum war die Sonne weg, wurde es gleich merklich kühler. Mehr genervt als überrascht blickte Robert hoch zum Verursacher der Verdunkelung. Es war ein gigantisches schwebendes Kreuzfahrtschiff, das vollkommen lautlos durch die Lüfte streifte. Jene schwebenden Luxusliner waren der letzte Schrei beim betuchten Zielpublikum. Fuhr man früher mit einem nach Dieselabgasen stinkenden Seekreuzer über die Weltmeere, tat man das heute mit ultramodernen Hightech-Luftschiffen, die ihre einstigen brennstoffbetriebenen Vorgänger in Sachen Größe, Luxus und Entertainment bei Weitem übertrafen. Für Leute wie Robert war eine solche Kreuzfahrt auf einem dieser Luftschiffe unbezahlbar. Daher hatte er auch nie den Wunsch gehabt, einmal eine solche Reise zu unternehmen.

Und dennoch: Wenn eines dieser Riesenschiffe über einem in niedriger Höhe vorbeiflog, konnte man nur schwer seinen Blick abwenden. Partymusik von einem der zahlreichen Oberdecks drang in seine Ohren. Ein paar Jugendliche, die an ihm - auf dem Bodensatz der Gesellschaft - vorbeigingen, streckten wie auf ein unsichtbares Kommando dem Schiff den Mittelfinger entgegen und grölten irgendwas mit »Wichser« - nicht jeder hatte Bewunderung für die Luxuskreuzer der Lüfte und deren Passagiere übrig.

Robert hatte sich so lange ablenken lassen, dass er gar nicht merkte, wie auf dem See das kleine Ausflugsschiff die Anlegestelle verließ und zu seiner kurzen Rundfahrt aufbrach. Als er sein Versäumnis endlich bemerkte, war das Schiff schon fast zu weit weg, um die Gesichter der Fahrgäste erkennen zu können. Er sprang auf und lief eilig zum Wasser. Er machte ein Pärchen auf dem Sonnendeck aus, das sich küsste.

Das sind sie!, schrie es in seinem Kopf.

Sicher, wen er dort gesehen hatte, war er jedoch nicht. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass es Nicole und sein Klon waren.

Wutentbrannt ging er zurück in seine Wohnung. Hendrik war immer noch nicht dort. Niemand, mit dem Robert reden konnte. Dieser Klon trieb ihn noch in den Wahnsinn.

»Ich bringe diesen verdammten Scheißkerl um«, murmelte Robert mehrfach, während er ziellos durch seine kleine Wohnung stiefelte.

Um zehn Uhr abends war immer noch niemand gekommen. Wo blieb Hendrik?

Schließlich war Robert2 der Erste, der die Wohnungstür aufschloss. Robert lauerte ihm hinter der Tür auf, samt seiner angestauten Wut.

»Was hast du mit ihr gemacht?«, zischte er ihn an, als Robert2 ihm verdutzt in die Augen sah, kaum dass er einen Fuß in die Wohnung gesetzt hatte.

»Was denn jetzt?«

»Ich habe euch beide gesehen. Auf dem Schiff!«

»Unfassbar! Du hast uns nachspioniert? Wie armselig ist das denn?«

Robert packte seinen Klon an den Schultern und drückte ihn unsanft gegen die Wand. »Ich habe gesehen, wie du sie geküsst hast!«

»Jetzt leidest du aber unter Halluzinationen. Nichts dergleichen habe ich getan. Und selbst wenn, dann geht es dich nichts an.«

»Und ob es mich etwas angeht! Du nimmst mir meine Freundin nicht weg, hast du verstanden, du Scheißklon!«

Robert2 lachte verächtlich. »Die Leier schon wieder. Das wird langsam langweilig. Du hattest deine Chance, mein Lieber. Deine Minderwertigkeitskomplexe sind dein Problem, nicht meins.«

»Ich sollte dich erledigen. Ich sollte...«

Robert2 befreite sich blitzschnell aus Roberts Griff, packte ihn an seiner Kehle und drückte zu. Robert erschrak so sehr, dass er unfähig war, sich aus dem Würgegriff seines Klons zu befreien. Er bekam noch Luft, aber die Stärke und die eiskalte Entschlossenheit, mit der sein Klon ihn würgte, hatten ihn völlig überrascht.

»Ich ertrage dein armseliges Gewinsel nicht mehr«, sprach Robert2 leise und voller Hass. Mit seiner Hand am Hals von Robert ging er langsam ein paar Schritte vor und zwang Robert dabei, rückwärts vor ihm herzugehen. »Du bist doch viel zu feige, um mich zu töten, weil du ein jämmerlicher Versager bist. Ich möchte am liebsten vor Scham vergehen bei dem Gedanken daran, dass ich dein genetisches Abbild bin. Ich sollte dich umbringen, oder besser noch: Wir bringen uns beide um. Was hältst du davon? Du hasst mich. Ich hasse dich. Da wir beide identisch sein sollen, hassen wir uns also nur selbst.

Wie wäre es? Du sprichst die drei magischen Worte und wiederholst sie einmal. Dann bekomme ich einen Hirnschlag, bei dem ich einen höllischen Todeskrampf kriegen werde, der meine Hand an deinem Hals in einen Schraubstock verwandelt. So könnten wir uns gegenseitig auslöschen. Das wäre doch gerecht, oder nicht?

Na los: Sprich die Worte: Erinnerst du dich? Verstand über Materie. Nur deine Stimme kann mich töten.«

Robert glaubte in die Augen eines Wahnsinnigen zu blicken, während er zunehmend nach Luft rang. Und es waren seine Augen, in die er sah, was ihn nur umso mehr schockierte. Unter dem eisernen Griff seines Klons lief er rot an. Adern traten ihm an Stirn und Hals hervor.

»Meine Stimme, deine Stimme. Spielt doch keine Rolle. Sie sind identisch. Also spreche ich die Worte: Mens agitat molem. Mens... agitat...«

Ein Klickgeräusch unterbrach den Klon. Das Türschloss der Wohnungstür wurde geöffnet. Es war Hendrik. Er hatte jederzeit Zugang zur Wohnung.

Robert2 lockerte für einen kurzen Moment seinen Griff. Robert nutzte das aus und drehte sich aus der würgenden Hand heraus.

»Was ist hier los?« Entsetzen lag in Hendriks Gesicht.

Robert rang nach Luft und taumelte zurück. Robert2 stand regungslos da und sah Hendrik fragend an.

»Was zum Teufel geht hier vor?«

Robert2 schwieg.

»Dieses Monster wollte mich umbringen! Er ist vollkommen wahnsinnig«, keuchte Robert mit dünner Stimme.

»Was?«

Robert2 sagte immer noch nichts. Er hielt es nicht für nötig, sich zu verteidigen.

»Was haben Sie gemacht?«, ging Hendrik den Klon an. Der verweigerte eine Antwort. Hendrik zückte eines seiner merkwürdigen medizinischen Geräte aus der Jackentasche und machte einen Scan bei Robert2.

»Ich messe ein starkes chemisches Ungleichgewicht. Kein Wunder, dass er durchgedreht ist. Keine Sorge, Herr Mester, dagegen kann ich etwas tun.« Er holte eine Spritze hervor und verabreichte sie dem Klon. Robert2 leistete keinen Widerstand. Dann gab er ihm noch zwei Tabletten. »Setzen Sie sich jetzt auf die Couch und warten Sie ab, bis die Wirkung eintritt. Das dauert nur ein paar Minuten. Und nehmen Sie die beiden Tabletten. Die sollen unterstützend wirken.«

Robert2 gehorchte anstandslos, schluckte die Tabletten und Robert traute seinen Augen nicht.

»Das ist alles? Ein chemisches Ungleichgewicht? Wollen Sie mich verarschen?«

»Ich versichere Ihnen, danach wäre mir jetzt als Letztes zu Mute.«

»Und wieso tauchen Sie hier mit einer schon fertigen Spritze auf? Haben Sie etwa gewusst, dass er durchdrehen würde?«

»Das nicht, aber ich hatte so eine Ahnung.«

»Eine Ahnung? Warum?«

Hendrik strich sich nervös durchs Haar, ging zum Wohnzimmerfenster und sah sich besorgt draußen um, ehe er antwortete. »Weil wir in verdammten Schwierigkeiten sind.«

»Was soll das heißen? Reden Sie!«

»Ich bin mir nicht sicher. Kann sein, dass man bei den Behörden auf Sie aufmerksam geworden ist.«

Roberts Albtraum war Realität geworden. Er wurde kreidebleich. »Was? Aber wie das denn?«

»Ich weiß es nicht. Offensichtlich hat jemand gegen Sie einen Verdacht geäußert. Ich vermute, einer Ihrer Arbeitskollegen. Wir müssen jetzt unsere Pläne rasch ändern, sonst sind wir geliefert.«

Robert war entsetzt. »Verdammter Mist! Was machen wir denn jetzt?«

»Nur die Ruhe«, beschwichtigte Hendrik, wirkte dabei aber alles andere als ruhig. »Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren. Wir werden einfach früher aufbrechen müssen, das ist alles. Noch ist nichts verloren.«

»Und wann?«

»Spätestens am Sonntag. Meine Leute arbeiten schon daran. Wir müssen jetzt nur noch die zwei Tage durchhalten und uns still verhalten.«

Robert dachte an seinen dummen Ausflug zum Hafen. Gott, was für ein Idiot er doch gewesen war! »Und Sie meinen, dass bis dahin nichts passieren wird? Bin ich in meiner Wohnung noch sicher?«

»Im besten Fall wird nichts passieren. Mit ein bisschen Glück werden erst gar keine Ermittlungen aufgenommen. Ihre Identität, Ihr Werdegang, Ihr soziales Umfeld aber werden routinemäßig überprüft werden. Hier sollte es aber keine Probleme geben.«

»Und was passiert im schlimmsten Fall?«

»Dann werden Sie Besuch von der Polizei oder der AKE bekommen.«

»AKE?«

»Der Anti-Klon-Einheit. Eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine Sonder-Abteilung mit weit reichenden Befugnissen. Sie ist direkt dem Innenministerium unterstellt. Die kommen aber nur, wenn wirklich ein begründeter Verdacht besteht. Hoffen wir, dass dem nicht so ist.«

Robert musste sich auf einen Stuhl setzen, da ihm die Knie weich wurden. In was hatte er sich da hineingeritten? Wer hatte ihn verraten? Und warum konnte sein Klon derart ausflippen aber gleich darauf Hendrik aufs Wort gehorchen?

Hier stimmt etwas nicht, dachte er und sah finster zu Hendrik.

»Wir kriegen das hin, das verspreche ich ihnen«, sagte der. »Wir werden nicht zulassen, dass man Jagd auf Sie macht.«

Kapitel 10: Der Jäger

Die Abteilung AKE, wie sie landläufig genannt wurde, im Gebäude des Innenministeriums, hatte gerade einmal zwanzig Mitarbeiter, sechs davon besaßen eine Spezialausbildung für den Außendienst. Der Leiter der Abteilung war vor Kurzem in den Ruhestand getreten. Wegen Budgetstreitigkeiten gab es zurzeit nur einen stellvertretenden Leiter, einen Quereinsteiger, der mit seiner neuen Rolle alles andere als glücklich war und so schnell wie möglich aus der Abteilung wieder weg wollte.

Der letzte große Klon-Fall war nun schon drei Monate her. Die meisten jener Fälle wurden bereits von der Polizei aufgeklärt, noch bevor der Klon überhaupt in Produktion ging. Die Notwendigkeit der Abteilung wurde von der Politik und der Öffentlichkeit oft angezweifelt. Viele, von den wenigen, die in jener Abteilung arbeiteten, sahen das nicht anders. Nur einer von ihnen war ein glühender Verfechter der AKE: Marc Gardé. Ein Mann Anfang dreißig, der eine steile politische Karriere hätte machen können, wenn er nicht so versessen auf das Jagen von Klonen gewesen wäre. Er wollte den Chefposten, und er hatte vor, die AKE nicht abzuwickeln, sondern im Gegenteil zu vergrößern und ihre Kompetenzen auszubauen. Seine Gegner hielten ihm vor, dies sei aufgrund der geringen Zahl an Klon-Fällen absurd. Doch Marc wusste besser als die meisten, dass die Dunkelzahl an illegalen Klon-Produktionen dramatisch hoch war. Reiche und berühmte Menschen, die viel in der Öffentlichkeit unterwegs waren, machten von der Möglichkeit, ein Duplikat von sich selbst zu erschaffen, häufig Gebrauch. Und aufgrund ihres Einflusses und ihrer Kontakte zu Politik und Behörden kamen sie damit fast immer straffrei davon. Diese Menschen und ihre Klone bloßzustellen, war Marcs Ansinnen. Er hasste deren öffentlich zur Schau gestellte Ignoranz gegenüber Gesetzen. Nur wenn Marc einen neuen Klon-Fall medienwirksam aufklären und den Täter dingfest machen würde, hätte er eine reelle Chance, zum Abteilungsleiter aufzusteigen und dann seine Arbeit mit Unterstützern aus dem Umfeld der Sprung-Evolutionären auf die Reichen und Schönen dieser Welt auszuweiten. Er könnte zum Star-Klonjäger werden, so jedenfalls erträumte er es sich.

Marc war Mitglied der Sprung-Evolutionären. Denn wie alle deren Mitglieder war er selbst vom Scheitel bis zur Sohle genetisch optimiert worden: Er war schlank, gut aussehend, athletisch, verfügte über eine überdurchschnittliche Intelligenz und eine schnelle Auffassungsgabe.

Marc saß in seinem Büro und verfolgte am Holo-Projektor eine Live-Übertragung aus dem Parlament, als zwei Kollegen mit einem Tablet hereinkamen.

»Marc! Wir haben hier etwas. Das dürfte dich interessieren«, rief einer von ihnen aufgeregt.

»Was denn? Wieder irgendein illegal geklontes Wauwauchen?« Tier-Klone waren leider ebenfalls Bestandteil von Marcs Arbeit. Diese waren zwar nicht grundsätzlich verboten, aber es gab immer mehr künstlich designte Tierarten, deren Überlebensfähigkeit oft stark begrenzt war.

»Nein. Ein Mensch. Wir haben eine ziemlich gut begründete Meldung bekommen.«

»Name?« Marc sah weiter zum Holo-Projektor. Ein echter Klon-Fall - daran glaubte er nicht. Das wäre zu schön.

»Robert Mester. Er arbeitet in einem Server-Verteilerknoten in der Innenstadt. Er lebt alleine und hat keine Verwandten mehr.«

»Und?«

»Unser Tippgeber hat Mesters jüngstes Verhalten als atypisch beschrieben. Unkonzentriertheit, leichte Erregbarkeit, spontane Phasen von Hyperaktivität, Stimmungsschwankungen und noch einiges mehr. Alles typische Auffälligkeiten von der letzten Generation von Klonen, die heute zum Spottpreis vor allem im asiatischen Raum angeboten werden.«

»Hm. Hat die Polizei schon bei ihm geklingelt?«

»Nein. Ich habe gerade mit denen telefoniert. Die glauben nicht, dass dies ein echter Fall sein könnte. Wie sollte sich jemand wie Mester einen Klon leisten können? Sie wollen der Sache nicht nachgehen.«

Marc überflog die wichtigsten Daten über Robert Mester. »Da haben die wohl Recht. Der Typ ist doch der geborene Loser. Der hätte nicht mal genug Geld, um seinen Wellensittich zu klonen. Wenn die Polizei sich damit nicht beschäftigen will, dann...« Marc fiel etwas auf. »Hier ist ein Vermerk, dass seine Tante vor Kurzem verstorben ist.«

»Ja, das stimmt.«

»Was ist mit ihrem Erbe geschehen?«

»Ging vermutlich an ihre Verwandten. Sie lebte in Wladiwostok. Da bekommen wir seit der diplomatischen Eiszeit nur schwer Informationen her.«

»Wenn sie Nachkommen hätte, stünden die auch in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Mester. In seiner Datei steht aber, er habe definitiv keine Verwandten mehr. Er wurde kurz nach seiner Geburt anonym in einer Babyklappe abgegeben. Die Genanalyse hat nur seine Tante als Verwandte identifizieren können.«

»Möglich, dass es keine Verwandten gibt. Die Datei kann aber auch unvollständig sein.«

Marc drehte sich auf seinem Bürostuhl einmal um sich selbst. Dann las er noch einmal die ganze Anzeige durch, die Mesters angeblich anormales Verhalten beschrieb.

»Vielleicht sollten wir ihm doch mal einen Besuch abstatten.«

»Na endlich! Ich wusste es! Wenn Marc Retortenfleisch wittert, ist er nicht mehr zu halten«, freute sich der andere Kollege. Sein Name war Thomas Stobeck. Er arbeitete meist mit Marc eng zusammen. Stobeck war ebenfalls genetisch optimiert worden, doch bei ihm hatte es Komplikationen gegeben. Er erblindete infolge mangelhaft durchgeführter Genmanipulation in jungen Jahren vollständig und besaß nun zwei Augenprothesen, die von echten Augen nur dadurch zu unterscheiden waren, dass sie je eine metallisch glänzende Iris besaßen – Discountmodelle. Für mehr hatten seine Eltern damals kein Geld. Dafür konnte Stobeck jetzt bis zu zweimal besser sehen als ein genetisch nicht optimierter Mensch.

»Freu dich noch nicht zu früh. Ist nur so ein Gefühl, aber an dem Fall könnte was dran sein. Mehr als eine Befragung dürfen wir ohnehin nicht machen.«

»Außerdem müssen wir der zuständigen Dienststelle der Polizei Bescheid geben, dass wir ihn aufsuchen, sonst machen sich die Datenschützer gleich wieder in die Hose. Den Fall habe ich nämlich durch meine Kontakte aufgegriffen. Von sich aus hätte die Polizei uns nichts mitgeteilt«, sagte der erste Kollege.

»Mach das. Thomas und ich gehen diesen Mester morgen besuchen.«

»Gut. Wir gehen jetzt in der Kantine essen. Kommst du mit? Oder sollen wir dir etwas mitbringen?«

»Mir ist jetzt nicht nach Essen zumute. Was ich brauche, ist eine schöne Portion frisches Retortenfleisch auf einem Silbertablett, das ich diesen unverbesserlichen Gutmenschen im Parlament, die unsere Abteilung schließen wollen, vor die Füße werfen kann.«

Stobeck grinste. »Na dann, Marc. Gute Jagd.«

Kapitel 11: Die Beute

Robert hatte mit Hendrik die halbe Nacht lang diskutiert. Seine größte Sorge war sein Klon. Robert2 hatte ihn umbringen wollen - daran bestand für Robert kein Zweifel.

»Er ist völlig ausgeflippt. Sie hätten seine Augen sehen sollen. Wie die eines Verrückten.«

»Noch einmal: Er wusste wahrscheinlich gar nicht, was er tat. Seine Biochemie hat ihn dazu getrieben. Das ist eine seltene Fehlfunktion, die bei unseren Klonen vorkommen kann.«

»Davon haben Sie mir aber in unserem Verkaufsgespräch nichts gesagt. Sie haben mich betrogen!«

»Nein! Das habe ich nicht. Wie gesagt. Es kommt äußerst selten vor. Aber es kommt eben vor. Bedauerlicherweise war es in Ihrem Fall so gravierend, dass jemand Sie angezeigt hat.«

»Sie meinen den Klon.« Robert vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Ich möchte gar nicht daran denken, was er auf der Arbeit gemacht hat. Wenn er da so eine Nummer abgezogen hat wie hier, bin ich geliefert.«

»Wir haben nichts über arbeitsrechtliche Konsequenzen gehört. Was immer er getan hat, es kann gar nicht so schlimm gewesen sein.«

»Und jetzt benimmt er sich wieder normal?«

»Ja. Wir werden an seinem Steuerungsimplantat noch einige Justierungen vornehmen, das ist nicht aufwendig. Und mehr wird auch nicht nötig sein.«

»Und wann soll das geschehen?«

»Gleich morgen. Vielleicht sogar noch heute Nacht. Meine Leute arbeiten bereits an der Programmierung.«

»Also nichts anderes als eine Art Patch? Ein Software-Update? Und das soll ich glauben?«

»Ja, das müssen Sie mir glauben.«

Robert pfiff verächtlich. »Ich bin so ein Idiot! Ich habe einen schweren Fehler gemacht. Ich hätte das Geld meiner Tante nehmen sollen und alles auf den Kopf hauen, statt mich auf diesen Wahnsinn einzulassen.«

»Wir stehen das gemeinsam durch. Geben Sie jetzt nicht auf. Sie wussten, dass es Probleme geben könnte. Verlieren Sie sich jetzt nicht in Ihrem Selbstmitleid.«

»Pah! Sie haben gut reden! Was mache ich denn, wenn diese Typen von der AKE hier aufkreuzen? Sagen Sie schon! Was?«

»Das wird ganz bestimmt nicht passieren. Und wenn doch...« Hendrik holte ein winziges Kügelchen aus einem kleinen Kästchen.

»Was ist das? Noch eines Ihrer lustigen Gadgets?«

»Könnte man so sagen. Das stecken Sie sich bitte ins Ohr. So kann ich oder einer meiner Kollegen auf einer geheimen und verschlüsselten Frequenz mit Ihnen Kontakt aufnehmen und Sie im Fall der Fälle warnen, falls Sie ungebetenen Besuch bekommen. Und natürlich werden wir Ihnen auch sagen, was Sie tun sollen.«

Robert drehte das winzige Gerät zwischen Zeigefinger und Daumen. Er schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Ich gehe jetzt. Ich muss meinen Leuten helfen, da wir jetzt alles viel schneller vorbereiten müssen.«

»Sie lassen mich mit diesem... diesem Freak alleine? Was ist, wenn er wieder auf mich losgeht?«

»Er wird sich dank der Spritze normal benehmen. Die wirkt mindestens 24 Stunden. Vielleicht komme ich noch heute Nacht mit der neuen Software. Haben Sie keine Angst. Wir kümmern uns um alles. Schon vergessen? Bisher haben wir jeden Auftrag erfolgreich beendet.«

Robert verzog abfällig das Gesicht und sagte nichts.

»Und stecken Sie sich den Sender ins Ohr, damit ich Sie jederzeit kontaktieren kann. Verstanden?«

»Ich weiß schon, was ich zu tun habe. Gehen Sie und machen Sie Ihren Job.«

Hendrik war sichtlich verlegen. Es schien ihm wirklich leidzutun, dass der Klon ungebetene Aufmerksamkeit erregt hatte. »Ich komme so schnell wieder, wie ich kann.«

Robert würdigte ihn keines Blickes mehr und ging in sein Schlafzimmer. Die Tür verriegelte er, falls der verrückte Klon reinkommen wollte. Schlaf würde er in dieser Nacht nicht mehr finden.

In derselben Nacht gegen zwei Uhr morgens meldete sich Hendrik über den Empfänger in Roberts Ohr, dass innerhalb von zehn Minuten jemand von seinen Leuten mit der neuen Software vor seiner Tür stehen würde. Es war eine Frau, die kein Interesse daran hatte, mit Robert zu reden, sondern sofort mit dem Überspielen der neuen Software beginnen wollte. Robert verstand nicht ganz, wie sie das anstellen wollte. Anscheinend baute sie eine Art Funkverbindung zum Computerchip im Gehirn des Klons auf und spielte das Software-Update auf.

»Und das war es jetzt?«

»Ja, alles wieder normal. Er wird Sie nicht mehr körperlich angehen oder sich auffällig verhalten. Wenn doch etwas ist, sagen Sie uns sofort Bescheid. Ich gebe Ihnen eine neue Telefonnummer.«

»Ich bin begeistert«, maulte Robert.

Der Klon sagte nichts.

»Legen Sie sich schlafen«, riet ihm die Frau und verschwand auch schon wieder. Robert2 legte sich auf die Couch. Er atmete ruhig, als wäre nichts gewesen.

Wer ein reines Gewissen hat, kann auch gut schlafen, dachte Robert verärgert. Er ging in sein Schlafzimmer und legte sich auch aufs Ohr. Überraschend fand er doch ein wenig Schlaf. Der nächste Tag würde ihm mehr abverlangen, als er ahnte.

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