Kitabı oku: «Die Schlacht von Terria», sayfa 2
Wig nickte. Obwohl ihn so schnell nichts in Unruhe versetzte, war Wig beunruhigt. Olan hatte Recht, ein Kriegszug war etwas völlig anderes. Es bedurfte viel Disziplin und Vorbereitung. Als Hauptmann in der Armee kannte er seine Pflicht. ”Natürlich. Wir werden den Prinzen auf dem schnellsten Weg zu König Marken bringen.”
So geschah es. Schon bei Tagesanbruch machten sich Hendrik, Wamba und Wig auf. Wamba beschwerte sich, dass es kein ausgiebiges Frühstück gab. Doch Hendrik wollte unverzüglich aufbrechen. Er war schon wütend darüber, dass er nicht allein voran reiten sollte. Schließlich war er auf einer Mission, die keinen Aufschub duldete. Doch Wig setzte sich durch. ”Der Weg wird noch schmaler und gefährlicher, als der, den Ihr bereits hinter Euch habt. Ihr könnt nicht reiten. Dein Pferd würde straucheln und Ihr würdet an den tiefen Ästen hängen bleiben. Es ist nicht weit, wir schaffen es in ein paar Stunden. Also führt Euch Ross und folgt mir.”
Sie durchwanderten den Wald und Hendrik sah schließlich ein, wie recht Wig gehabt hatte. Dieser Weg war wahrlich nicht zum Reiten gedacht. Durch die dicht an dicht stehenden Bäume, konnten sie nur einer hinter dem anderen gehen. Ständig drohten sie über Wurzeln zu stolpern. Wie sicher Wig sich in diesem Gestrüpp zurechtfand, war bewundernswert. Wambas Klagelaute, der sich damit unablässig über die schnelle Gangart beschwerte, waren zudem nicht gerade ermutigend.
Der dicke Mann war kein Krieger, er war gewohnt sich mit Schriftstücken und der Verwaltung des Reiches zu beschäftigen. Auch er war beunruhigt ob der Nachricht über das Darkerheer, doch grübelte er selten über den folgenden Tag. Er lebte im jetzt und hier. Und jetzt gerade war das einzige was er dachte, dass er den fremden Prinzen zum Palast geleiten sollte und dass er dort ein ordentliches Mahl genießen wollte.
Als sie schließlich den Wald hinter sich gelassen hatten, waren alle drei erleichtert. Sie hatten es geschafft, Andria lag direkt vor ihnen.
Als sie die ersten niedrigen, weißen Häuser erreichten, starrten die Menschen neugierig aus den Fenstern. Kinder stoben davon, um zu berichten.
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Die Ankunft des Fremden auf dem weißen Ross, sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Es gab nicht viele Pferde im Tal. Die wenigen Tiere standen allesamt im Stall des Königs. Sie waren die letzten Nachkommen derer, die einst König Atowar und seine Krieger in die Schlacht getragen hatten. Der jetzige Herrscher war zu alt um noch auszureiten. Da die Tiere daran gewöhnt waren gefüttert zu werden, machten sie aber keine Anstalten in freier Wildbahn zu leben. Die meisten Almachen hatten jedoch eine Heidenangst vor den langbeinigen Tieren. So standen die Almachenpferde die meiste Zeit nur träge im Stall oder grasten mal ein Stündchen, sich selbst überlassen auf den königlichen Weiden. Die Gäule blieben meist für sich. Sie wurden versorgt und gepflegt und lebten ansonsten wie Wildtiere. Kaum ein Bewohner des kleinen Städtchens hatte sie überhaupt schon mal zu Gesicht bekommen. Jetzt jedoch ritt dieser junge Mann mit dem prächtigen Tier, mitten auf der Hauptstraße von Andria und eine immer größer werdende Menge Menschen folgte ihm.
Voran schritten Wig und Wamba, immer darauf bedacht genügend Abstand zu den Hufen zu halten. Wig schwenkte seinen Hut und rief fortwährend: ”Weg da, macht Platz” - obwohl die Leute ohnehin respektvoll zurückwichen und eher hintendrein, als vorneweg mitliefen.
Der fremde Mann war nicht nur wegen seines Reittieres bemerkenswert. Auch er selbst schien höchst interessant. Er war jung, vielleicht etwas über zwanzig Winter. Gut gebaut und hochgewachsen. Er hatte sehr helle Haut und edle Gesichtszüge. Seine Kleidung war ebenso fremdartig. Die blaue Tunika, die in der Taille von einem goldbeschlagenen Gürtel zusammengehalten wurde. Die hohen schwarzen Stiefel aus weichstem Leder. Die Schuhe trugen ebenso die goldenen Zeichen, wie der Gürtel, in dem lässig ein langer gekrümmter Dolch steckte. Die zurückgeschlagene Kapuze des schwarzen Umhangs gab kurz geschnittenes braunes Haar frei. Nur an der linken Seite hatte er eine lange Strähne, die zu einem kunstvollen Zopf geflochten war. Die Frauen und Mädchen Andrias betrachteten den hübschen, jungen Mann mit Wohlgefallen. Die Männer dagegen, bewunderten das fein gearbeitete Zaumzeug des Pferdes und das auffällige Schwert, das am Sattelknauf festgebunden war.
Der kleine kugelrunde Wamba schnaufte vor Anstrengung. So sehr bemühte er sich seiner Führerrolle gerecht zu werden. Vor dem Prinzen einher zu schreiten und ihn anzukündigen. Seit Jahren war er nicht mehr so gerannt. Doch um nichts in der Welt hätte er es sich nehmen lassen, Hendrik dem König vorzustellen. So ein Ereignis! Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Halbglatze und sein Gesicht war inzwischen puterrot. Doch wie eine Maschine, machte er so große Schritte wie nur möglich und gönnte sich keine Pause. Er – Wamba - würde mit dem König sprechen, ihm den fremden Prinzen vorstellen! Wäre er nicht so erpicht darauf gewesen, jede Sekunde zu genießen, er wäre vermutlich ohnmächtig niedergesunken.
Schließlich und endlich waren sie am Palast angekommen. Wig brauchte die große Glocke am Tor nicht zu läuten. Dem König war bereits von der seltsamen Prozession berichtet worden. Auf einen Stock gestützt, humpelte er in den weiten Hof vor dem Schloss und blieb schließlich zwei Meter von Hendriks Gefolge entfernt stehen. Sofort zogen alle die Hüte vom Kopf und verbeugten sich. Wamba machte einen Schritt nach vorne und dienerte noch tiefer als alle anderen. ”Mein König, dies ist Prinz Hendrik von den Auen. Er wünscht Euch dringend zu sprechen, es ist von größter…”, hier schnitt der König ihm mit einer Handbewegung das Wort ab: ”Genug jetzt, Wamba. Dein Vater war mir einst ein treuer Gefährte und ich schätze auch dich. Doch glaube ich, der Prinz kann für sich selbst sprechen. Auch denke ich, dass er vielleicht hereinkommen möchte um sich auszuruhen.”
Hendrik war inzwischen vom Pferd gesprungen und hatte sich vor dem Älteren verbeugt. ”Zum Ausruhen bleibt keine Zeit. Doch für einen kühlen Trunk und etwas zu essen wäre ich dankbar. Es war eine lange Reise.”
Der König nickte, legte einen Arm um die Schultern des jungen Mannes und führte ihn, gestützt auf seinen Stock, ins Schloss. ”So sei mir willkommen, Großneffe! Iss und trink mit mir und berichte was dich her führt.”
Die Menge zerstreute sich langsam. Wamba hatte todesmutig, die schlaff herunter hängenden Zügel des Pferdes ergriffen und zog es in Richtung der Stallungen. Zu seiner größten Erleichterung, kam ihm auf halben Weg der königliche Pferdeknecht entgegen und versorgte das Tier. Wamba tupfte sich mit einem riesigen weißen Taschentuch ein paar Schweißperlen von der Stirn. Unschlüssig stand er im Hof. Sollte er jetzt einfach nach Hause gehen? Oder konnte er es wagen, dem Prinzen ins Schloss zu folgen? Vorsichtig näherte er sich der Eingangshalle. Es war ein langer offener Säulengang, der am Ende in den Thronsaal führte. Dazwischen lag nur noch das Zimmer des Sekretärs, der die Besucher anmeldete. Zu Wambas Erleichterung, sah er Wig am Ende des Säulengangs und eilte auf ihn zu. ”Gehen wir hinein?” fragte er ihn. Wig zuckte die Schultern: ”Ich weiß nicht. Ich denke, ich werde sogleich in die Waffenkammer gehen. Es ist nötig, dass ich mir erst mal einen Überblick verschaffe. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie es dort aussieht. Es ist auch schon fast ein Jahr her, dass wir das letzte Mal eine Waffenübung hatten.”
Wamba war enttäuscht. Er wäre zu gern bei dem Gespräch mit dem König dabei gewesen. Außerdem hing ihm der Magen schon in den Kniekehlen; gegen ein Mahl am Tisch des Königs, hätte er daher nichts einzuwenden gehabt. ”Wir werden es noch früh genug erfahren, falls wir in den Krieg ziehen müssen. Geh lieber in die Atowarstraße und sag den anderen Hauptleuten, Elmar und Sonji, Bescheid. Wir müssen uns bereit machen!” Wig verschwand daraufhin sogleich in den weiter entlegenen Teilen des Palastes. Wamba dagegen, machte sich seufzend auf, die schlechte Nachricht zu verbreiten.
Schatten über Almach
Hendrik hatte sich etwas erfrischt und an der kleinen Tafel Platz genommen. Hastig aß und trank er was die Diener herbei trugen.
”Nun mein Junge”, der König ergriff das Wort: ”Was bringt dich in solcher Eile und Aufregung zu mir?”
Hendrik schluckte den letzten Bissen hinunter. ”Es sind die Darker, Majestät. Sie kamen aus ihren Höhlen gekrochen und morden und plündern wie man es noch nie erlebt hat. Sie haben ein riesiges Heer und marschieren bei Tag und Nacht.”
König Marken unterbrach ihn mit ungläubigen Gesichtsausdruck: ”Die Darker hat man nie zu mehr als einer Rotte gesehen und das Tageslicht fürchten sie.”
Hendrik schüttelte betrübt den Kopf. ”Nicht mehr. Es scheint, sie haben sich geeint und sie überfallen jeden der ihnen in den Weg kommt. Auch bei Tage, glaubt mir. Unsere Nachbarn, das heißt, die wenigen die fliehen konnten, berichteten uns von ihren Gräueltaten. Sie stehen jetzt wohl bereits an den Grenzen von Wendorra.
Mein Vater, König Argen, schickt mich zu Euch, um Euch zu warnen und Eure Hilfe zu erbitten. Er selbst steht an der Spitze unseres Heeres um den Eindringlingen entgegen zu treten. Doch unsere Kundschafter berichten, dass sie uns zahlenmäßig dreimal überlegen sind. Mein Vater fleht Euch an, auch um Eurer selbst willen, an unserer Seite zu kämpfen. So wie unsere Völker es vor vielen Jahren schworen. Er hat mich geschickt Eure Kämpfer zu führen, es sei denn, Ihr wollt sie selbst befehligen.”
König Marken lachte kehlig auf. ”Ich bin ein alter, kranker Mann. Ich kann nicht mal ohne Stock gehen, geschweige denn ein Heer führen! Nein, mein Junge! Dein Vater hat gut daran getan, dich zu schicken.
Ach, Argen, mein lieber Neffe! Ich habe deinen Vater leider nie kennen gelernt, doch er scheint die Klugheit seines Vaters geerbt zu haben. Wilkar war ein großer König.” Er schmunzelte bei der Erinnerung an lang vergangene Zeiten
”Und über meine Großmutter hörte ich wahre Wunderdinge, sie war Eure Schwester, nicht wahr?”
Marken strich sich erinnernd über den weißen Bart. ”Ja, meine Schwester, die kleine Philomena.” Er lächelte. ”Ich erkenne einige Züge von ihr an dir. Das Kinn, die Art wie du den Kopf hältst - genau wie sie.” König Marken amüsierte sich über Hendriks zweifelnden Gesichtsausdruck.
”Bitte erzählt mir von ihr. Wie kam es, dass mein Großvater eine Almachen-Prinzessin heiratete?”
Marken schmunzelte und versank in der Erinnerung an seine jüngere Schwester: ”Philomena war ein hübsches, fröhliches Mädchen. Fast noch ein Kind, noch keine 15 Jahre. Sie hatte langes, welliges Haar in der Farbe von reifem Weizen und wenn sie durch den Schlossgarten tänzelte, sah sie aus wie eine Fee.
Doch es war nicht ihre Schönheit die König Wilkar gefangen nahm. An seinem Hof gab es viele liebreizende Frauen, weit schönere als Philomena. Es war ihre kindliche Anmut und dieses Lächeln das ihn bezauberte.
Wenn sie einen Menschen mit ihren unschuldigen himmelblauen Augen ansah und ihm zulächelte, dann war es als ob die Sonne im Herzen aufging. Gleich ob Knecht oder König, jeder hatte dann das Bedürfnis niederzuknien und den Göttern zu danken, dass sie dieses herrliche Wesen geschaffen hatten.“ Er schluckte, gerührt von der Erinnerung.
„Unser Vater hatte beschlossen eine Reise mit uns zu machen. Wir fuhren, mit einem kleinen Hofstaat, in Kutschen durch das ganze Reich und in alle benachbarten Länder. Zuletzt sogar jenseits der großen, blauen Berge. So kamen wir auch nach Wendorra, der Heimat des schönen Volkes.
König Wilkar war sofort für Philomena entflammt, als er sie bei dem festlichen Empfang zu Ehren seiner königlichen Gäste, an seine Tafel führte. In dem Moment als sie ihm das berühmte Lächeln schenkte. Noch am selben Abend bat er Philomena, seine Frau und Königin zu werden. Meine Schwester, geblendet von der Schönheit und dem Glanz des schönen Volkes, stimmte sofort zu. Sie war noch so jung und hatte bis zu dieser Reise noch nicht viel von der Welt gesehen. In Wendorra zu leben, seine Königin zu sein, erschien ihr als das höchste Glück.
Unser Vater war außer sich, als Philomena ihm sagte, sie wolle als Königin im Lande des schönen Volkes bleiben. Er schäumte und schrie vor Wut. Er warf Sachen an die Wand und drohte König Wilkar schreckliche Dinge an.
Er vergötterte meine Schwester und wollte nicht erlauben, dass sein Kind viele Tagesreisen von ihm entfernt leben sollte.
Am Abend darauf, ging Philomena noch mal zu Vater und sprach lange mit ihm. Sie bettelte und flehte, und überzeugte ihn schließlich, nur in Wendorra ihr Glück finden zu können. Als sie anfing zu weinen gab Vater nach. Er konnte sein kleines Mädchen nicht weinen sehen. Niemals.
Noch in der gleichen Nacht wurde der Hochzeitstermin festgesetzt und die Vorbereitungen begannen.
Es war ein rauschendes Fest. Philomenas Kleid war ganz aus kostbarer weißer Spitze und die Schleppe war ganze 25 Meter lang. Ein Kleid wie es nur in Wendorra gefertigt werden konnte! Drei Tage und Nächte hatten alle Näherinnen des Landes daran gearbeitet.
Wunderschön sah sie aus, noch schöner und strahlender als je zuvor. An Vaters Arm schritt sie den langen purpurnen Teppich entlang zur großen Festhalle. Als sie ihr glückliches Lächeln sehen ließ, da weinte nicht nur unser kleiner Hofstaat, da weinte das ganze Land Tränen der Rührung.
Eine ganze Stunde brausten die ”Hoch“-Rufe nach der Hochzeitszeremonie. Das schöne Volk war im Freudentaumel, es hatte wieder eine Königin!”
Marken unterbrach sich. ”Aber ich schwatze und schwatze hier von Dingen, die bald vierzig Jahre her sind. Ich denke, ich sollte erst meinen Sekretär rufen und den Befehl geben, damit die Armee sich bereit machen kann. Warte kurz.” Der König erhob sich ätzend und verließ den Raum. Gab die entsprechenden Anweisungen und kam leise schlurfend zurück.
„Jetzt will ich dir noch mehr erzählen, lieber Großneffe. Leider wird es wohl zwei Tage in Anspruch nehmen, ehe wir zum Abmarsch bereit sind“, entschuldigte sich Marken. „Unser Heer war das letzte Mal mit meinem Großvater im Kampf und es wird etwas dauern, bis wir wieder mit diesem Gedanken vertraut sind.”
Hendrik sah ein, dass es nicht schneller ging, Almachs Heer in Bewegung zu setzen. ”Mein Vater und unser ganzes Volk wird überaus dankbar sein, dass ihr mit uns in die Schlacht ziehen wollt.”
”Aber natürlich werden wir das, mein Junge, natürlich. So wurde es doch beschlossen, damals bei der Hochzeit von Philomena und Wilkar.
Wo war ich vorhin stehen geblieben?” versenkte sich Marken wieder in seine Erinnerungen. ”Ja, es war ein rauschendes Fest. So viel Pracht habe ich danach nie wieder gesehen. Euer Volk versteht es wahrlich Feste zu feiern!
Wilkar war damals schon an die vierzig Jahre alt. Für dein Volk also schon ein alter Mann. Seine Frau war gestorben und auch die beiden Söhne hatten das Mannesalter nie erreicht. Alle drei wurden von einer schweren Krankheit dahingerafft. Philomena war für ihn und das ganze Land, die einzige Hoffnung auf einen neuen Thronerben.
Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Schon ein knappes Jahr später bekam Philomena einen Sohn, deinen Vater. Sie waren glückselig und dachten nicht, dass ihnen jemals etwas Schlimmes zustoßen könnte.
Doch wie du weißt, sterben die Menschen des schönen Volkes in der Blüte ihres Lebens, sie werden nie alt und gebrechlich. Ein Fluch und eine Gnade zugleich.“ Der alte Mann hüstelte bedeutungsvoll. „Wilkar also starb, als der Thronerbe gerade sechs Jahre alt war. Es war eine schwere Zeit für Philomena. Sie musste im Namen ihres Sohnes regieren. Sie, eine Fremde. Nicht alle erkannten sie als Regentin an. Es gab auch Missgünstige, die befürworteten, dass Philomena zurück nach Almach gehen sollte, dass gar ein entfernter Neffe des verstorbenen Königs dessen Nachfolge antreten sollte. Doch Philomena kämpfte. Sie war schließlich auch nicht aus schlechtem Holz geschnitzt und sie gewann. Sie blieb Regentin und Argen bestieg zwölf Jahre später den Thron. In dieser Zeit hat sie sich Respekt verschafft. Sie hat viel Gutes getan, für das einfache Volk und sie hat es verstanden das Reich zu seinem besten zu lenken. Als Philomena schließlich starb, war sie allseits hoch geachtet, wurde mir berichtet.
Es hat mir immer sehr leid getan, dass ich meine Schwester nie besuchen konnte. Aber nach dem Tod unseres Vaters musste ich die Staatsgeschäfte in Almach übernehmen. Ich hatte auch hierzulande manches Problem zu lösen.
Doch dann und wann hat Philomena mir doch Nachricht geschickt und mir berichtet, wie es ihr ergangen ist.
Doch sag mir”, der alte König unterbrach sich wieder. ”Wie geht es deinem Vater?”
”Er ist natürlich sehr besorgt wegen der Gefahr, die uns droht. Doch sonst geht es ihm gut. Er hat mir aufgetragen, Euch die besten Wünsche zu überbringen.”
Marken lächelte glücklich: ”Nach all den Jahren. Ich wünschte wirklich, ich könnte mit dir kommen und auch meinen Neffen Argen, endlich in die Arme schließen. Erzähl ihm von mir, Hendrik, sag ihm, wie gern ich ihn kennen gelernt hätte.”
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Zwei Tage später war das ganze Land in Aufruhr.
Wig und Wamba hatten überall die Kunde vom bevorstehenden Kriegszug verbreitet. Alle kampffähigen Männer versammelten sich im Hof des Schlosses. Es war ein ziemliches Durcheinander. In aller Hast wurden Waffen und Vorräte in große Planwagen verladen. Ein Schmied war damit beschäftigt Wagenräder auszubessern und Pferde zu beschlagen. Die Knechte des Königs versuchten verzweifelt, die königlichen Rösser, von denen die meisten natürlich noch nie einen Wagen gezogen hatten, an ihre neuen Aufgaben zu gewöhnen.
Elmar und Sonji waren einen halben Tag später als Hendrik in Andria angekommen und sofort ins Schloss beordert worden. Seitdem stellten sie ohne Pause ihre Regimenter zusammen und hielten Kampfübungen ab. Auch Wig hatte sofort befohlen die Schwerter, Speere, Schilde, Keulen, Pfeile und Bogen zu reinigen. Soweit nötig in Ordnung zu bringen und schadhafte Teile sofort auszuwechseln.
Alles rannte und schrie wild durcheinander. Prinz Hendrik versuchte in all dem Durcheinander den Hauptleuten die örtlichen Gegebenheiten in Wendorra zu beschreiben und bemühte sich, zusammen mit ihnen, so etwas wie einen Schlachtplan aufzustellen.
Am Abend vor der geplanten Abreise, trat auch König Marken noch einmal vor die Armee um zu den Männern zu sprechen. Alle standen plötzlich still und lauschten aufmerksam seinen Worten: ”Meine lieben Untertanen, ihr seid die Kämpfer Almachs. Ich bin stolz, euch heute so zu sehen und ich werde noch stolzer sein, wenn ihr zurückkehrt.
Es fiel mir nicht leicht, euch in den Krieg zu schicken; doch diese Fehde ist auch unser Kampf. Es geht nicht nur darum, unseren Freunden in Wendorra beizustehen, es geht darum, alles zu verteidigen, was uns lieb und teuer ist. Darum gebt euer bestes und”, er machte eine kleine Pause: ”überlebt.
Wir, die wir zurück bleiben müssen, werden beten, dass ihr gesund zurückkehrt.
König Marken nickte bedeutungsschwer zu seinen Worten. Verneigte sich kurz vor den Männern und schlurfte, noch tiefer gebeugt als gewöhnlich, zurück ins Schloss.
Die Männer schwiegen noch einen Moment. Jeder, der den Ernst der Lage noch nicht begriffen hatte, tat es wohl in diesem Augenblick. So mancher junge Bursche schaute sich unauffällig nach seiner Mutter um, und dem einen oder anderen Familienvater steckte nun ein Kloß im Hals. Dann setzte wieder Gemurmel ein und das Chaos griff erneut um sich. Die Familien der Kämpfer waren zum Großteil eingetroffen um sich von ihren Männern, Brüdern und Söhnen zu verabschieden. Ihnen noch ein paar gute Worte und Ratschläge mitzugeben. Oder ihnen, den einen oder anderen Leckerbissen, den sie auf der Reise genießen sollten, einzupacken.
Auch Elmars Frau, Missa und die Töchter hatten sich bei Sonji und Elmar eingefunden. Marga und Jossi weinten und hingen an Sonjis Hals. Die kleine Lilly umklammerte die Hüfte ihres Vaters, und Missa redete unentwegt auf Elmar ein. ”Hast du den warmen Mantel eingepackt?”
”Missa, es ist Sommer.”
Doch seine Frau ließ keine Einwände gelten: ”Nimm ihn trotzdem mit. Es kann kalt werden in den Bergen und wer weiß, wie es in Wendorra aussieht. Ich werde ihn dir morgen früh mitbringen und auch noch eine extra Ration von dem Kirschkuchen, den du so gerne magst.”
Elmar rollte die Augen: ”Wir haben genug Verpflegung. Was sollen denn meine Männer denken, wenn du mich so verhätschelst.”
Sie rümpfte die Nase mit den tausend Sommersprossen darauf: ”Dass ich gut für dich sorge, wenn du schon in diesen Krieg ziehen musst”, sie schniefte. ”Du wirst dich doch nicht umbringen lassen, nicht wahr? Versprich es mir!” Tränen rollten ihre dicken Backen herab.
Elmar umarmte sie: ”Mach dir keine Sorgen, ich komme zurück. Ich verspreche es dir. Sorg du für die Mädchen.” Missa nickte und wischte sich umständlich die Tränen aus dem Gesicht. ”Ich seh dich dann morgen.”
Sie umarmte auch Sonji: ”Pass, um Himmels Willen, auf ihn auf”, flüsterte sie ihm ins Ohr. Missa kannte keinen furchtloseren Kämpfer als Sonji. Sie würde ihm alles anvertrauen, auch das Leben ihres geliebten Mannes.
”Keine Sorge, das werde ich.” Sonji klopfte ihr begütigend auf den Rücken. Er wunderte sich etwas, dass Missa sich um ihn selbst so gar nicht zu sorgen schien. In Missas Leben schien es nur ihren Ehemann zu geben. Trotzdem würde er alles nur Mögliche tun, um Missa nicht zu enttäuschen.
Elmar küsste seine Töchter noch einmal und schickte seine Familie nach Hause. Er sah ihnen nicht nach. Sah nicht, wie die vier bedrückt nach Hause schlichen, sondern wandte sich sofort wieder seinen Aufgaben zu.
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In dieser Nacht hatte keiner viel geschlafen. Der bevorstehende Kriegszug lastete auch auf dem hartgesottensten Almachen. Das hier war ein Abenteuer, bei dem keiner wusste, ob er je wieder nach Almach zurückkehrte. Nach der Rede des Königs hatte das wohl inzwischen jeder begriffen. Entsprechend schlaflos, wälzten sich die Männer hin und her.
Sobald der Morgen grau erwachte, bellte die Stimme von Sonji über den Schlosshof. Weckte auch den letzten noch Dösenden.
Schließlich waren sie bereit.
Die Kämpfer standen in Reih und Glied. Die Wagen waren fertig beladen und startbereit.
Auch Olan hatte die Kunde vom Kriegszug in seiner kleinen Waldhütte erreicht. Kampf und Gewalt lag entgegen der Natur des Weisen. Nach langer Meditation und Zwiesprache mit den Göttern, war er jedoch zu dem Schluss gelangt, dass er gebraucht wurde. Auch für ihn würde es eine Aufgabe im Kampf gegen die Dunkelheit geben.
Ganz Andria säumte die Straße, auf der sie ausziehen würden. Frauen, Kinder und alte Männer huschten noch schnell dazwischen, um ihren Lieben noch ein kleines Paket zuzustecken. Eine letzte Umarmung anzubringen. Doch schließlich waren auch die letzten zurückgetreten und winkten ihnen zu.
Der kleine Treck setzte sich in Bewegung.
An der Spitze, Prinz Hendrik auf seinem prachtvollen Schimmel. Gefolgt von Elmar, Sonji und Wig als Hauptleute der Armee. Danach die tapferen Streiter der Almachen und zum Schluss, die Knechte des Königs mit den Versorgungswagen.
Der alte Monarch und die restlichen Almachen standen am Straßenrand, schwenkten Blumen und jubelten Ihnen zu. Manche Frauen weinten, trotzdem versuchte man, den Kämpfern Mut zu machen.
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Missa war völlig aufgelöst. Sie hielt Jossis Hand umklammert und drückte sie so fest, dass die Kleine empört aufschrie. Ihre älteste Tochter Marga stand bei ihren Freundinnen und winkte des jungen Burschen zu, die versuchten einen möglichst wagemutigen Eindruck auf die jungen Frauen zu machen. Lilly dagegen war ganz verschwunden. Missa vermutete sie bei den anderen Kindern, die noch ein Stück mit den Kämpfern mitliefen.
Die alten Männer, die zurückblieben, stimmten ein Lied an, das vom Heerzug aufgenommen wurde. Es war ein uraltes Schlachtlied aus Atowars Zeiten. Den Refrain: ”Hurray, hurray, Almach ein Hurray...” konnte man noch hören, als die kleine Armee längst aus dem Blickfeld der Almachen verschwunden war.
”Die Götter mögen euch beistehen”, murmelte König Marken, bevor er auf eine junge Dienerin gestützt, zurück in den Palast humpelte.
Der König war sehr nachdenklich. Hatte er das Richtige getan? Es war ihre menschliche Pflicht, den Wendorrianern beizustehen und keiner der Hauptleute oder Edlen hatte etwas Gegenteiliges geraten. Trotzdem war der alte Mann sehr besorgt.
Die tapfere Armee Almachs bestand doch zum großen Teil aus Bauern, Jägern und Handwerkern. Ihren Platz in der Armee nahmen die Männer nur ein, wenn eine Waffenübung abgehalten wurde oder Lumpengesindel aus Almach vertrieben werden musste.
Die Offiziere waren fähige Männer. Autoritätspersonen, die von allen geschätzt und geachtet wurden. Aber auch die Hauptmänner hatten noch nie einen echten Kampf - Mann gegen Mann - bestreiten müssen. Marken seufzte tief. Man konnte nur auf die Götter vertrauen.
Er schickte die Dienerin fort und versenkte sich ins Gebet. Er betete darum, dass die Gottheiten seine Männer beschützten. Nicht zuließen, dass der Tod seiner Untertanen auf seinem Gewissen lastete.
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Olan der Weise saß auf dem Bock eines Wagens. Er war zu alt um noch mitzumarschieren und zu störrisch um das Reiten zu versuchen.
Er sang nicht. Gedankenverloren starrte er in die Wolken als wolle er die Zukunft daraus lesen.
Was sie vorhatten, war Wahnsinn, ohne Zweifel. Doch waren sie nicht verpflichtet dem schönen Volk zu helfen? Und was drohte, wenn sie nichts taten? Wenn sie aber in dieser Schlacht siegreich wären, blieben Almach und alle anderen Länder dies und jenseits der Berge verschont. Wenn nicht, Olan mochte den Gedanken nicht zu Ende denken.
In seinem langen Leben hatte er manch bittere Zeit erlebt. Seine erste Erinnerung an Hunger und Verzweiflung lag im Winter seines vierten Lebensjahres. Ein Winter, in dem es im Dorf nur Elend und Not gab. Da Hagelstürme die Ernte vernichtet hatten und ein schweres Fieber die Menschen hinwegraffte. Er freilich wusste damals nichts davon. Er erinnerte sich an die beißende Kälte, an das seltsame Gefühl im leeren Bauch. An die Nacht, da er hatte mit ansehen müssen, wie sein Vater zum letzten Mal röchelte, ehe der vor Fieber glühende Körper für immer still lag. Das Weinen der Mutter als sie ihm sagte, es wäre kein Brot mehr da. Dann das gütige Gesicht der Großmutter, die ihm eine Schale Baumrindensuppe mit duftenden Kräutern einflößte, woraufhin er in einen tröstenden Schlaf gefallen war.
Manches Mal in seinem Leben hatte er Tod und Elend gesehen, oft hatte er helfen können. Dank der guten Ausbildung, die er durch Mutter und Großmutter genossen hatte. Doch nie hatte Olan ein Schlachtfeld gesehen und er hatte immer gehofft, nie eines sehen zu müssen.
Reichte es nicht, was die Natur und die Götter ihnen auferlegten? Mussten die Menschen noch zusätzliches Leid schaffen?
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In der zweiten Nacht lagerten sie auf halber Höhe des Gebirgszugs. Es war eine Nacht voller Wind und klatschendem Regen. Das ganze Gebirgsmassiv schien in Aufruhr. Das unheimliche Heulen des Sturmes kündigte bereits den nahenden Winter, obwohl es doch erst Zeit war, die Ernte einzubringen. Doch hier in den Bergen mahnte der eisige Nordwind, Mensch und Tier, sich auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten.
Die Pferde waren erschöpft vom steilen Anstieg. Das Gewicht der Wagen war bergauf doppelt so schwer. Sonji überwachte persönlich die Sicherung der Fuhrwerke. Keiner der Karren sollte in die Tiefe stürzen und wertvolles Material mitreißen.
Als er seine Inspektion fast beendet hatte, hörte er ein leises Niesen aus einem der Wagen. ”Gesundheit”, murmelte er abwesend in seinen struppigen Bart. Dann jedoch stutzte er. Drehte sich auf dem Absatz um und schlug die Plane zurück. ”Potz Blitz!”, entfuhr es ihm. ”Was zum Teufel machst du denn da drin?” Er griff in das Fuhrwerk und zog eine wild strampelnde Lilly heraus. ”Was du hier machst, hab ich dich gefragt!” zischte er wütend. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt, ein kleines Gör auf einem Feldzug!
Lilly heulte auf. ”Lass mich runter, Onkel Sonji! Du tust mir weh!”.
Er stellte sie auf die Füße. ”Na warte, wenn dein Vater das erfährt!” Wütend zerrte er sie in die Mitte des Lagers. ”Was ist das denn?” Der erste, der ihnen begegnete, war Prinz Hendrik. ”Ich würde es für ein ungezogenes, kleines Kind halten”, schnaufte Sonji.
”Das ist ja ungeheuerlich! Wo kommt die Kleine denn her?”.
”Wo kommt wer her?” Elmar krabbelte aus seinem Zelt und wurde augenblicklich leichenblass. ”Lilly?”, er setzte sich, wo er gerade gestanden hatte auf die blanke Erde. ”Lilly? Wie? Warum?”. Elmar suchte nach Worten.
Der Rest der Armee versammelte sich und alle starrten überrascht auf das kleine Mädchen, das plötzlich mitten unter ihnen aufgetaucht war. Der erste der die Fassung wieder fand, war der Weise. Er beugte sich zu Lilly herab. Putzte ihr die laufende Nase und lächelte sie freundlich an. ”Na meine Kleine, du hast dich wohl im Wagen versteckt und wolltest mit auf die große Fahrt, hm?” Das Mädchen schniefte laut und nickte. ”Ich hab so schlecht geträumt. Der Mann hat gesagt, ich soll mit Papa gehen, sonst passiert was ganz schreckliches.”
Olan stutzte: ”Welcher Mann?”.
”Der in meinem Traum, ein großer Mann, ganz schwarz angezogen.”
”Der schwarze Mann”, lachte Sonji. ”Du meine Güte!”
Doch der Weise fand es gar nicht zum Lachen: ”Was hast du noch geträumt?”