Kitabı oku: «Das Erbe der Burgherrin», sayfa 2
Kapitel 3
Nahe der Burg Malberg ritten zwei Männer durch den Wald. Sie saßen auf braunen Stuten und trugen schwarze Waffenröcke über ihren Kettenhemden und darunter dunkelbraune, enge Beinlinge. Der eine hatte krauses, dunkles Haar, der andere helles glattes. Gemeinsam waren ihnen ihre gekräuselten Bärte, die von grauen Strähnen durchzogen wurden. Auf einer Lichtung stießen die Ritter Hartmut und Wolfgang auf eine kleine Horde von Räubern.
„Wir dachten schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen!“
Ein grobschlächtiger Kerl mit einer langen Narbe auf der rechten Gesichtshälfte, dunkelbraunen zotteligen Haaren und einem zerschlissenen braunen Wams trat den beiden Rittern entgegen.
„Aber Sveti! Wie kannst du so etwas von uns denken? Wir mussten nur dem Goldhändler noch gut zureden, damit er uns genug für den Rosenkranz gibt. Er wollte schon aufmucken.“
„Ich hoffe, es langt für unseren vereinbarten Anteil!“
„Ja, diesen Beutel bekommt ihr jetzt, den Rest später, wenn unsere Wege sich trennen.“ Hartmut hielt dem Räuberhauptmann einen prall gefüllten Lederbeutel entgegen. Dessen Augen begannen sogleich gierig zu funkeln. Schnell schnappte er sich das Gold mit seiner schmutzigen Hand und band sich den Beutel unters Wams.
„Lasst uns den Handel bei einem Fässchen Wein besiegeln. Wir haben heute gute Beute gemacht.“ Sveti zeigte auf einen Wagen, der mit Wein, Schinken, Käse und einem Berg Tuchballen gefüllt war.
„Ein Händler, der zum nächsten Markt unterwegs war, ist uns in die Falle gegangen.“
„Dann lasst uns heute feiern und morgen aufbrechen. Den Wagen können wir für unsere Gefangenen gut gebrauchen.“
„Das habe ich mir gedacht. Der Gaul macht einen guten Eindruck.“
Die Räuber zerrten das Weinfass vom Wagen und stießen es an. Sie füllten ihre Trinkhörner und prosteten sich zu. Auch von Schinken und Käse aßen sie reichlich. Sie hatten nicht jeden Tag das Glück, so reichhaltige Beute zu machen. Oft blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu hungern. Die beiden Ritter hielten sich zurück. Sie wollten sich für den nächsten Morgen einen klaren Kopf bewahren.
Die Männer unterhielten sich über ihre bevorstehende Mission.
„Nehmen wir nur die Gräfin mit oder auch den Jungen?“
„Beide, auch der Junge wird uns einen guten Preis einbringen.“
„Und mit der Gräfin werden wir unseren Spaß haben!“ Ein besonders schmieriger Räuber rieb sich die Hände.
„Du lässt deine schmutzigen Finger von ihr, Smolek. Die bekomme ich!“, rief der Hauptmann.
„Aber du wirst uns doch wohl auch ein bisschen Spaß gönnen!“
„Denkt dran, wenn ihr sie verkaufen wollt, muss sie in gutem Zustand sein, wenn ihr die Schwarzmeerküste erreicht. Nehmt euch von dem Geld lieber eine Metze unterwegs!“, lenkte Hartmut ein.
„Jungfrau ist sie doch ohnehin nicht mehr!“
„Trotzdem solltet ihr vorsichtig mit ihr umgehen.“
„Die Frauen an der Schwarzmeerküste sind eh die Besten, sag ich euch. Da kommen die Weiber von hier nicht mit und so eine verwöhnte Gräfin erst recht nicht.“ Sveti schwelgte in Erinnerungen an seine Heimat.
„Aber bis wir dort sind, das dauert noch Monate! Du wirst uns doch nicht so lange mit einem Weib durch die Lande ziehen lassen, ohne uns mal ran zu lassen?“
„Ach, seid doch ruhig! Nehmt lieber noch einen Schluck Wein!“
Die Räuber tranken einen nach dem anderen und die Stimmung wurde immer ausgelassener.
„Ich bin mal gespannt, ob das Schwarze Meer wirklich so schön ist, wie du immer sagst.“
„Zweifelst du etwa an meinen Worten?“
Sveti wollte sich auf den großen, hageren Räuber mit den blonden, langen Haaren stürzen, der von allen nur „der Lange“ genannt wurde.
„Hört auf zu streiten und legt euch besser zum Schlafen nieder“, beschwichtigte Wolfgang. „Morgen wird ein anstrengender Tag.“
Als der letzte Räuber eingeschlafen war, senkte sich tiefe Nacht über das Lager. Am Morgen mussten die Ritter jeden einzeln wachrütteln.
„Ich hoffe, diese Männer reißen sich in den nächsten Wochen zusammen, sonst werden wir niemals unsere Mission erfüllen“, flüsterte Hartmut unbemerkt Wolfgang zu.
„Das Gold wird sie antreiben.“
„Es war eine gute Idee, ihnen zuerst nur die Hälfte zu geben und den Rest später. Ansonsten hätten sie uns wahrscheinlich erschlagen und wären mit ihrer Beute im Wald geblieben, ohne einen Finger dafür zu rühren.“
„Da hast du recht!“
Als alles zusammengeräumt war, gaben sie den Befehl zum Aufbruch. Die Räuber waren müde und verkatert und gingen noch grober miteinander um als am Abend zu vor. Sveti saß zusammen mit dem Langen auf der Pritsche des kleinen Gespanns, auf dessen Ladefläche noch die Reste der Vorräte und die Tuchballen lagen, und trieb die anderen zur Eile an.
„Warum müssen wir laufen und der da darf beim Hauptmann auf dem Wagen sitzen?“, fragte Smolek herausfordernd und zeigte auf den Langen.
„Einer muss halt den Wagen lenken.“
„Und wer sagt, dass ausgerechnet du das sein musst?“
„Kannst du etwa mit einem Wagen umgehen?“
„Schlechter als du bestimmt nicht!“
„Vielleicht können wir noch ein paar Gäule besorgen. Dann muss keiner laufen“, schlug Sveti vor.
„Wir sollten unterwegs möglichst wenig Aufsehen erregen, je näher wir der Homburg kommen“, lenkte Hartmut ein.
„Wie lange werden wir unterwegs sein?“, wollte Hagen, ein buckliger Räuber mit braunen Haaren, wissen.
„Wenn wir uns ranhalten, fünf oder sechs Tage.“
„Dann haben wir noch genügend Zeit, Beute zu machen.“
„Denkt daran, dass die Leute des Erzbischofs überall ihre Augen haben.“
„Im Hunsrück gibt es genug Stellen, wo man unbemerkt eine ganze Reisegruppe in einen Hinterhalt locken kann. Solange niemand entkommt, haben wir nichts zu befürchten.“
Wolfgang und Hartmut sahen sich an. Ihr Herr war weit und breit bekannt und sie konnten es sich nicht leisten, dass man sie erkannte und mit einer mordenden Räuberhorde in Verbindung brachte.
Sveti hatte die Blicke der Ritter bemerkt und wandte sich ihnen zu:
„Haltet im Wald Abstand und stoßt erst später wieder zu uns, wenn wir die Gäule haben.“
Hartmut nickte zustimmend. Die nächsten beiden Tage verliefen ohne Probleme. Sie überquerten die Mosel und Hartmut beglich für die ganze Gruppe den Brückenzoll. Als die dichten, grünen Wälder des Hunsrücks näher rückten, beschleunigten die beiden Ritter ihre Pferde und vergrößerten den Abstand zu der kleinen Räuberhorde.
„Wir sehen uns bald wieder!“, rief ihnen Sveti hinterher.
Als von den Räubern nichts mehr zu sehen und zu hören war, wandte sich Hartmut an Wolfgang:
„Hoffentlich geht das mit den Unholden gut. Ich habe keine Lust so zu enden wie Walther.“
„Sobald sie die Frau und den Jungen haben und auf der Donau sind, trennen wir uns von ihnen und reiten zurück. Dem Herrn von Malberg habe ich erzählt, ich müsste in einer dringenden Familienangelegenheit nach Koblenz und habe ihn gebeten, dich als Geleitschutz mitnehmen zu dürfen. Wir müssen nur darauf achten, dass wir auf dem Rückweg einen kleinen Umweg reiten, damit wir nicht aus der falschen Richtung kommen. Den Rosenkranz wird der Goldhändler schon am anderen Ende der Welt versetzt haben. Keiner wird Verdacht schöpfen.“
„Ich hoffe, du behältst recht.“
Die Ritter trieben ihre Pferde weiter an bis zum Abend und rasteten auf einer kleinen Lichtung.
„Schade, dass wir nichts vom Wein der Räuber haben!“
„Ja, hätten wir uns nur einen Schlauch voll abgefüllt.“
Wolfgang erlegte mit seiner Armbrust einen kleinen Hasen, während Hartmut ein Feuer entfachte. Sie brieten das Fleisch und genossen ihr Mahl.
Am nächsten Morgen packten sie ihre Sachen zusammen und ließen die Pferde gemächlich traben. Sie wollten den Abstand zur Räuberbande nicht zu groß werden lassen.
Ein kleiner Reisezug kam ihnen entgegen. Die Pferde hatten auffallend grüne Satteldecken.
„Seid gegrüßt, werte Ritter. Sagt, lässt sich der Wald gut passieren, oder wimmelt es von Räubern?“, wollte der Anführer des Zuges wissen.
„Wir sind niemandem begegnet, alles ganz ruhig“, erwiderte Hartmut.
Als der Reisezug außer Sicht war, blickte Wolfgang herüber:
„Es wird nicht mehr lange dauern, bis uns unsere Freunde wieder eingeholt haben.“
Am Nachmittag hörten sie Stimmen hinter sich.
„Da sind sie schon und wie immer machen sie einen Höllenlärm.“
Die Ritter warteten, bis die Räuber sie eingeholt hatten. Nur noch der Lange saß auf dem Wagen. Die anderen hatten schmucke Pferde mit grünen Satteldecken und grinsten über beide Ohren.
„Meint ihr nicht, dass diese Satteldecken ein wenig zu auffällig sind?“
„Wir werden sie dort drüben in die Büsche werfen und stattdessen von dem Stoff aus dem Wagen nehmen.“
Sie zügelten die Pferde und hielten an. Nach einer kleinen Brotzeit machten sie sich auf den Weg und ritten ihrem Ziel entgegen.
Kapitel 4
Konrad und Mechthild machten sich zusammen mit sechs Mannen auf den Weg nach Kirkel. Es war früh am Morgen und die Sonne wärmte nur schwach. Mechthild fröstelte und sie zog ihren Umhang enger um sich. Sie ritten über die große Geleitstraße, die durch das Bruch links und rechts der Blies führte, und überquerten bei Limbach den Fluss. Die Straße führte an wenigen Gehöften vorbei, bis sie den Weg hoch Richtung Burg einschlugen. Kurz vorm Burgtor trennten sich Konrad und Mechthild von ihren Männern und bogen in den Weg zum Wald ein, zur Hütte der Kräuterfrau.
„Wie lange war ich schon nicht mehr hier? Ich sollte Leni öfter besuchen.
In meinem Herzen ist sie immer noch meine Mutter“, meinte Konrad nachdenklich.
„Vielleicht solltest du sie bitten, zu uns auf die Homburg zu kommen. Ein Gemach könnten wir für sie herrichten und dann müsste sie sich um nichts mehr kümmern.“
„Das ist ein guter Einfall, doch ich denke, Leni wird sich nicht so leicht dazu überreden lassen. Sie hat fast ihr ganzes Leben in dieser Hütte verbracht.“
„Aber Thea kann sich auch nicht immer um sie sorgen. Sie hat als Kräuterfrau viel zu tun und muss sich ständig um die Kranken kümmern. Sie kann nicht den ganzen Tag bei Leni bleiben.“
„Da hast du recht. Wir werden mit ihr reden. Thea hilft uns bestimmt.“
Sie erreichten die Hütte im Wald und banden ihre Pferde an dem kleinen Stall an.
Konrad musterte den Kräutergarten. Es war zwar noch früh im Jahr, doch der Garten war sonst um diese Jahreszeit besser gepflegt. Früher hatte sich Konrad selbst um ihn gekümmert, als er noch bei Leni gewohnt hatte. Jeder Winkel war ihm vertraut. Thea schaffte es wohl nicht, sich um ihre kranke Vorgängerin zu kümmern, die Kranken von Kirkel und Homburg zu behandeln und dazu noch das kleine Anwesen in Ordnung zu halten. Am liebsten hätte er sich eine Harke genommen und angefangen, im Garten zu arbeiten. Stattdessen betrat er mit Mechthild die kleine Kate.
„Seid gegrüßt, ihr beiden. Na, Mutter wie geht es dir?“
Konrad trat an Magdalenas Bett. Er schob einen Schemel heran, setzte sich vor seine Ziehmutter und ergriff ihre Hand. Magdalena lächelte, als sie Konrad erblickte. Ihr Gesicht wirkte ledern und faltig, die grauen, langen Haare hatte sie nach hinten gekämmt. Sie sah alt und krank aus, nur ihre blauen Augen strahlten jung und frisch.
„Ach Konrad, schön dich zu sehen, aber du hättest nicht den weiten Weg nehmen müssen. Thea übertreibt mal wieder.“
Thea trat aus dem angrenzenden Arbeitsraum und begrüßte das Grafenpaar. Die Kräuterfrau war in den letzten Jahren ein wenig rundlich geworden. Im Haus hatte sie ihre braunen Haare locker zusammengebunden, ihre grünen Augen lächelten, als sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischte.
„Hört nicht auf Leni. Es geht ihr wirklich nicht gut. Sie kann kaum noch aufstehen. Ihre Gelenke schmerzen ständig.“
„Jetzt, wo es wärmer wird, wird es schon besser werden und bald grabe ich den Garten um!“
„Leni, es ist schon wärmer geworden und deine Gelenke sind nicht besser.“
Leni hatte nichts entgegen zu setzen.
„Mutter, Mechthild und ich wollten dir einen Vorschlag machen. Komm mit uns auf die Homburg. Die Mägde richten dir eine schöne Kammer mit Glasfenstern und einem weichen Bett her. Da wirst du es wärmer haben und musst dich um nichts mehr kümmern.“
„Das ist sehr nett von euch, doch ich kann Thea nicht allein lassen. Stell dir vor, wenn sie einmal meine Hilfe braucht.“
„Thea macht schon seit Jahren ihre Arbeit allein und zudem sehr gut. Außerdem bist du nicht aus der Welt.“
Leni wollte sich aufrichten, doch sie ließ sich gleich wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Kissen sinken. Thea eilte herbei und legte ihr gemeinsam mit Konrad ein weiteres Kissen ins Kreuz.
„Danke, aber im Moment könnte ich wirklich nicht zur Homburg reiten.“
„Wir würden dich selbstverständlich auf einem Wagen mitnehmen.“
„Aber auf der Homburg wäre ich nicht so gut versorgt wie bei Thea.“
„Ein bisschen kenne ich mich auch noch mit den Heilkünsten aus. Du warst schließlich eine gute Lehrerin und wir könnten einen kleinen Kräutergarten auf der Burg anlegen.“
„Außerdem würde ich regelmäßig nach dir sehen und dir Kräuter gegen die Schmerzen bringen“, fügte Thea hinzu.
„Ich weiß einfach nicht, ob ich meine gute, alte Hütte so einfach verlassen kann. Mein ganzes Leben habe ich hier verbracht.“
„Gerade das ist doch ein Grund für eine Luftveränderung. Außerdem könnten wir es auch so machen, dass du jetzt, wo es dir so schlecht geht, mit uns kommst und später, wenn es dir wieder besser geht, kannst du wieder zurück.“
Leni starrte vor sich hin. Sie wusste, wenn sie jetzt ging, käme sie nie wieder zurück.
„Mutter, du musst auch an Thea denken. Für sie ist es eine große Belastung, wenn sie sich um dich, die Kranken und den Kräutergarten kümmern muss. Der Garten hat schon bessere Tage gesehen.“
Diese Worte bewegten Leni dazu, einzulenken.
„Also gut. Ihr habt recht. Ich werde mit euch kommen, doch es wird eine Weile dauern, bis Thea meine Sachen gepackt hat.“
„Lasst euch nur Zeit. Mechthild und ich gehen hinüber zur Burg und machen Johann und Sophie unsere Aufwartung. Am Nachmittag holen wir dich ab.“
Konrad und Mechthild nahmen ihre Pferde und ritten hinüber zur Kirkeler Burg.
„Gut sieht sie wirklich nicht aus“, meinte Mechthild, als sie das Anwesen hinter sich gelassen hatten.
„Da hast du recht. Sie tut mir so leid, wenn sie so erschöpft daliegt. Sie war immer so stark gewesen.“
Schweigend ritten sie weiter, bis sie das Burgtor passierten. Ein Knecht kam ihnen entgegen und kümmerte sich um die Pferde.
„Seid gegrüßt, ihr beiden“, ertönte die Stimme von Burgherrin Sophie. Sie war die Mutter von Konrads Jugendfreund Johann, mit dem er als Kind immer im Kirkeler Wald unterwegs gewesen war. Sie trug ein hübsches, blaues Kleid mit einem hellblauen Gürtel, welcher ihre schlanke Taille zur Geltung brachte. Die dunkelblonden Haare wurden von einer kleinen weißen Haube nur leidlich bedeckt. Mechthild beschloss, in Zukunft ihre schönen Haare auch nicht mehr ganz zu verstecken. Die drei umarmten sich zur Begrüßung.
„Eure Männer haben uns berichtet, warum ihr gekommen seid. Ich hoffe, ihr bleibt zum Mittagsmahl. Ich habe der Köchin bereits Bescheid gegeben.“
„Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig“, meinte Konrad schmunzelnd, „aber wir wollten ohnehin zum Essen bleiben“, fügte er hinzu.
Da es schon fast Mittag war, begaben sie sich in den Rittersaal der Burg. Der Bau, der die große Halle beherbergte, war erst vor kurzer Zeit fertig geworden. Die Mauern waren frisch gekalkt und Fenster mit Glasscheiben sorgten für ausreichend Licht. Die Wände wurden von Jagdtrophäen und Teppichen geziert.
Nach und nach füllte sich der Saal. Die beiden Herren von Kirkel, Johann und Ludwig, sowie Ludwigs Gattin Irmgard begrüßten die Homburger erfreut. Genauso wie Homburg wurde die Reichsburg Kirkel von zwei Herren gemeinsam verwaltet. Die Brüder Johann und Ludwig glichen sich ausnehmend gut. Beide hatten einen leichten Bauchansatz, krauses, braungraues Haar und braune Augen. Sie trugen grüne Wamse und braune Beinlinge. Irmgard hingegen war ganz anders als Sophie. Sie hatte eine füllige Figur, trug ein braunes Kleid und eine strenge Haube, die ihre Haare vollständig verbarg. Auch wenn ihr Äußeres eher auf eine strenge Matrone schließen ließ, war sie ein herzensguter Mensch. Alle nannten sie Irmi.
„Geht es Leni wirklich so schlecht?“, wollte sie wissen.
„Ja, sie hat starke Schmerzen und kann kaum noch aufstehen.“
„Das tut mir sehr leid für sie. So viele Jahre hat sie sich rührend um uns alle gekümmert und war immer für alle da, sobald einem mal der Schuh drückte.“
„Wir wollen sie mit nach Homburg nehmen. Dann braucht sie sich um nichts mehr sorgen und Thea hat wieder mehr Zeit für die Kranken.“
„Vielleicht ist das wirklich das Beste für sie.“
Die Pagen füllten die Holzteller mit deftigem Eintopf und schenkten Wein aus, dessen Trauben an den Hängen der Kirkeler Burg wuchsen. Konrad prostete Johann zu.
„Hört ihr noch ab und zu von Eurem Sohn Johann?“
„Ja, natürlich, er hat selbst zwei Kinder, Else und seinen Sohn, ihn hat er wohl nach seinem alten Freund Konrad benannt.“
„Oh, tatsächlich? Das freut mich.“
Konrad war erleichtert, dass sein alter Jugendfreund ihm verziehen hatte, dass er Mechthild geheiratet hatte, in die dieser ebenfalls verliebt gewesen war. Lange Zeit hatte er geglaubt, dass der Freund ihm deshalb grollte.
„Er will uns bald besuchen kommen. König Ludwig stellt ihn für die Reise frei und er bringt seine ganze Familie mit nach Kirkel.“
„Ich freue mich darauf, endlich unsere Enkelkinder zu sehen!“, rief Sophie mit strahlendem Gesicht.
Mechthild musste unwillkürlich an das Kind denken, das gerade in ihr zu wachsen begonnen hatte. Sollte sie Konrad nicht doch schon einweihen? Aber nein, sie würde warten. Vielleicht würde sie es Leni sagen, aber erst in Homburg. Mit einer Kräuterfrau an ihrer Seite würde sie während der Schwangerschaft keine Probleme haben.
„Was macht euer Arnold zu Hause? Freut er sich darauf, als Page zu uns zu kommen?“
„Ja, er kann es kaum erwarten. Am liebsten würde er den ganzen Tag Ritter spielen, kämpfen und mit der Armbrust schießen.“
„Das hat er wohl von seinem Vater geerbt“, meinte Johann und dachte an den Jungen der Kräuterfrau, der der beste Armbrustschütze weit und breit gewesen war und unbedingt Ritter werden wollte.
Das Mahl neigte sich dem Ende zu und Konrad und Mechthild verabschiedeten sich von den Herren von Kirkel. Sie sammelten ihre Männer und machten sich auf den Weg in den Wald zu Lenis Hütte, die nun Theas Hütte sein würde. Johann und Ludwig hatten ihnen ein Fuhrwerk und einen Wagenknecht zur Verfügung gestellt, um Leni nach Homburg zu bringen. Sie polsterten die Fläche des Wagens mit Fellen und Decken aus und luden die alte Kräuterfrau vorsichtig samt ihrem Bündel auf. Leni blickte wehmütig auf ihr kleines Anwesen und verabschiedete sich herzlich von Thea. Als sich der Wagen in Bewegung setzte, traten ihr Tränen in die Augen. Auch Thea stand am Gartenzaun und winkte weinend dem Zug hinterher.
„Ich komme bald und bringe dir Kräuter und Samen mit!“, rief sie Leni hinterher.
Kapitel 5
Als die Kräuterfrau am Morgen erwachte, wusste sie zuerst nicht, wo sie war. Das weiche Bett und die wohlige Wärme erfüllten sie mit Wohlbehagen. War sie etwa im Himmel? Aber nein! Sie war bei Konrad auf der Homburg! Johanna, die Hauswirtschafterin, hatte ihr eine schöne, gemütliche Kammer hergerichtet, die sogar mit einem kleinen Kachelofen ausgestattet war. Sie reckte und streckte sich. Sogleich machten sich ihre Schmerzen wieder bemerkbar. Trotzdem schlug sie langsam die Decke auf und erhob sich. Sie setzte vorsichtig einen Fuß neben den anderen und ging mühsam zu dem Schemel, der vor dem Waschtisch stand. Sie wusch sich Gesicht und Hände und kämmte sich die Haare, als es an der Tür leise klopfte.
„Herein“, rief sie.
Agnes, Mechthilds Zofe, trat ein.
„Guten Morgen, Magdalena. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen.“
„Ja, sehr gut. Guten Morgen, Agnes.“
„Ich werde Euch beim Ankleiden helfen. Meint Ihr, Ihr könnt hinunter zum Morgenmahl gehen, oder soll ich Euch etwas zum Essen in Eure Kammer bringen?“
„Wenn du mich ein wenig abstützt, schaffe ich es nach unten. Ich würde gerne bei den anderen speisen.“
Agnes zog der Kräuterfrau ein Überkleid an und versteckte die grauen Haare unter einer Haube. Dann führte sie sie vorsichtig die Treppen hinunter zum Rittersaal, wo sie gleich von Konrad in Empfang genommen wurde.
„Guten Morgen, Mutter.“ Der Graf küsste seine Ziehmutter auf die Stirn und führte sie zum Herrentisch. Mechthild machte einen Platz zu ihrer Linken frei.
„Na, hast du dich schon eingewöhnt? Oder vermisst du die harte Pritsche in deiner Hütte?“
„Ich habe einfach wunderbar geschlafen und heute Morgen dachte ich schon, ich wäre im Himmel, bis mir wieder bewusst wurde, wo ich mich befand.“
„Siehst du? Und gestern wolltest du zuerst nicht mit.“
„Wie wäre es, wenn wir heute gleich nachsehen, wo wir einen kleinen Kräutergarten anlegen können? Die Sonne scheint so schön,“ meinte Mechthild.
„Ihr wollt einen Kräutergarten anlegen?“, mischte sich Margareta ein, die zur Rechten Konrads saß. „Da kann ich mithelfen. Im Kloster hatten wir auch einen schönen Heilkräutergarten.“
So kam es, dass sich Margareta, Leni, Mechthild und Konrad nach dem Morgenmahl auf den Weg in den Garten machten, um ein Stück Land auszusuchen, welches in einen kleinen Heilkräutergarten verwandelt werden sollte. Konrad und Mechthild hakten Leni unter und halfen ihr.
„Was haltet ihr von der Stelle dort drüben?“ Konrad zeigte auf einen freien Platz zwischen Gemüsebeet und Stallung. „Dort ist es geschützt.“
Leni begutachtete das Gelände kritisch.
„Ich glaube, du hast recht. Das ist der beste Platz.“
Konrad rief nach dem Gärtner, der sogleich erschien.
„Bernhard, würdest du hier das Stück umgraben? Wir wollen einen Kräutergarten anlegen für Magdalena, meine Ziehmutter.“
„Ich hole gleich einen Spaten, Herr.“
Der Gärtner machte sich auf den Weg und kam kurze Zeit später mit dem Werkzeug zurück. Er legte gleich los.
„Was willst du alles in dem Garten anpflanzen?“
„Auf jeden Fall Mohn, Mädesüß und Beinwell gegen meine Schmerzen.
Aber wir können auch für andere Beschwerden etwas da haben. Kamille, Johanniskraut, Salbei, Eibisch und Frauenmantel, aber auch Melisse, Pfefferminze, Thymian, Fingerkraut, Ringelblume und Löwenzahn lassen sich sehr leicht kultivieren und man braucht sie oft.“
„Das ist ein guter Einfall. Dann können wir alle Burgbewohner versorgen.“
„Ich hoffe, Thea kommt bald und bringt die Samen.“
„Der Boden kann ruhig ein paar Tage ruhen, bevor Bernhard mit der Einsaat beginnt.“
„Dann kannst du dir noch eine Kammer einrichten, wo du deine Salben und Tinkturen herstellst.“
„Und ich dachte, hier wäre mein Altersruhesitz!“, lächelte Leni glücklich.
„Konrad, lässt du uns eine Bank bringen? Dann können Leni und ich uns ein wenig in die Sonne setzen und von unserem Garten träumen“, schlug Margareta vor. Konrad rief nach zwei Knechten, die sogleich eine schwere Holzbank herbeischafften. Margareta und Leni ließen sich dankbar nieder.
Arnold, der Mechthild gesucht hatte, kam zu der kleinen Gruppe.
„Da bist du ja, Mutter. Ich habe dich schon überall gesucht. Spielst du mit mir? Jutta und Katharina wollen nur mit ihren Puppen spielen, darauf habe ich keine Lust.“
„Ich komme gleich, mein Junge. Hast du schon gesehen, dass Bernhard einen Heilkräutergarten für Großmutter Leni anlegt? Wenn er den Samen einsät, kannst du ihm helfen. Leni erklärt dir dann, gegen was die Kräuter helfen.“
„Oh, da freue ich mich schon darauf. Aber jetzt würde ich gerne das kleine Fohlen füttern.“
Mechthild und Arnold verabschiedeten sich und gingen zu den Ställen.
Auch Konrad machte sich auf den Weg zu seinen Geschäften.
„Ach, Margareta, es ist so schön, wie ihr euch alle um mich kümmert. Aber manchmal bezweifle ich, ob das mit dem Heilkräutergarten wirklich notwendig ist. Ich wollte nichts sagen, solange Konrad noch dabei war. Aber ich fühle mich oft so schwach, dass ich kaum Hoffnung habe, dass ich noch in den Genuss der neu gepflanzten Kräuter kommen werde.“
„Ach, Leni, du wirst dich bei uns so gut erholen, dass du noch viele Jahre von deinen Kräutern profitieren kannst.“
„Hoffen wir es. Ich habe gar nicht gewusst, dass der kleine Arnold so an seiner Mutter hängt. Mechthild verbringt wohl viel Zeit mit ihm.“
„Ja, sie unternimmt ständig mit ihm Wanderungen durch den Wald, spielt mit ihm Ritter und zeigt ihm die Gegend. Manchmal denkt man, Mechthild wäre selbst noch ein Kind. Sie ist so übermütig.“
„Du magst wohl nicht, dass sie so viel Zeit mit ihrem Kind verbringt?“
„Das ist es nicht. Sie verhält sich nur nicht wie eine Gräfin und kümmert sich nur sehr selten um den Haushalt. Außerdem zieht sie mit dem Jungen meilenweit alleine durch den Wald. Das ist doch gefährlich. So oft hört man von Überfällen. Wenn sie nur einen Ritter mitnehmen würde. Aber sie weigert sich immer strikt, wenn ich ihr diesen Vorschlag mache. Ich habe Angst um den Kleinen - und um Mechthild.“
„Vielleicht siehst du die Dinge zu schlecht. Ich war früher auch oft alleine unterwegs zu meinen Patienten. Mit der Zeit lernt man, auf verdächtige Geräusche zu achten und sich bei Gefahr zu verstecken.“
„Aber denkst du wirklich, die beiden würden auf das Knacken der Äste achten, wenn sie laut singend durch den Wald ziehen?“
„Da hast du recht. Ich hatte mir einen Hund zugelegt, der mich beschützte und Angreifer in die Flucht schlug. Über Jahre waren mir Jaschko und später Bodo treue Begleiter.“ Leni schmunzelte bei dem Gedanken an die beiden Hunde.
„Das ist gar kein schlechter Einfall. Konrad könnte Arnold einen Hund schenken. Der würde Alarm schlagen, so bald ein Fremder sich nähert.“
„Später beim Essen machen wir Konrad gleich diesen Vorschlag. Er wird froh sein, wenn er dieses Problem endlich lösen kann.“
Die beiden Frauen genossen die Sonne. Leni sah in Gedanken ihre Kräuter wachsen.
Derweil empfingen Konrad und Friedrich im Rittersaal einen Reisenden, der vollkommen abgehetzt und aufgeregt zur Burg hinauf gerannt kam.
„Eine Räuberbande hat mir im Vierherrenwald aufgelauert und mich ausgeraubt! Beinahe hätten sie mir noch die Kleider vom Leibe gerissen! Ich bin gerannt und gerannt und konnte nur mit Müh und Not entkommen. Und das am helllichten Tage! Ihr müsst was dagegen unternehmen! Das geht so nicht weiter!“
„Ihr habt recht. Wir müssen etwas tun, sonst kommen die noch ins Dorf und überfallen unsere Hörigen!“, stimmte Friedrich zu.
„Wir werden eine Versammlung einberufen. Die Ritter sollen kommen.
Dann werden wir beratschlagen, was zu tun ist“, schlug Konrad vor.
Zwei Pagen gingen los und kehrten nur kurze Zeit später mit den Homburger Rittern, Waffenknechten und Knappen zurück. Konrad eröffnete die Versammlung.
„Gerade wurde ein Reisender in unserem Wald überfallen. Immer wieder hört man von solchen Übergriffen. Wir müssen etwas tun. Kannst du uns die Männer beschreiben, die dich überfallen haben?“
„Sie waren zu sechst. Eine ganze Horde. Zwei Kerle waren dabei, die waren so groß und so stark wie Bären und hatten zottelige, braune Bärte. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Der Rest des Haufens wirkte eher ausgehungert, verlaust und zerlumpt. Einer hatte blondes struppiges Haar und stechend blaue Augen.“
„Von nun an sollen immer zwei schwer bewaffnete Ritter zusammen mit einem Trupp Knechte und Knappen durch den Wald patrouillieren. Zu zehnt dürften sie die Räuber von einem Überfall abschrecken“, schlug Friedrich vor.
„Niemand soll mehr allein durch den Wald gehen. Alle Besorgungen sollen nur noch in Gruppen gemacht werden.“
„Hanricus und Wilher werden sich einen Trupp zusammenstellen und als Erste durch den Wald ziehen.“ Die beiden bestimmten sogleich ihre Begleiter und verließen den Rittersaal.
Beim Abendmahl berichteten die Grafen den Damen von den Ereignissen.
„Mechthild, du gehst nicht mehr allein in den Wald! Ein Ritter wird dich immer begleiten! Es ist zu gefährlich, auch für unseren Sohn.“
„In diesem Fall hast du recht, Konrad. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich werde mich daran halten.“ Mechthild lächelte Konrad beruhigend an.
„Leni und ich wollten euch vorschlagen, dass ihr euch einen Hund besorgt. Ein Hund wäre für Arnold bestimmt ein schönes Geschenk und er würde den einen oder anderen Räuber gewiss abschrecken“, warf Margareta ein.
„Ich soll einen Hund haben?“, fragte Arnold begeistert. „Ich wollte schon immer einen Hund. Bitte Vater, sag ja.“
„Also von mir aus. Wir werden uns morgen gleich nach einem geeigneten Hund umsehen. Aber der Ritter geht trotzdem mit.“