Kitabı oku: «E-Mail an Georg Friedrich Händel», sayfa 2

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2. Kapitel

Georg Friedrich trieb die Lust auf Abenteuer

von Halle schon in jungen Jahren nach Weißenfels

Ja mein Lieber, nach dem Besuch in eurem tollen rekonstruierten Haus, jetzt aber wieder zu dir und deiner frühkindlichen musikalischen Entwicklung.

Du warst schon als 10-jähriger von Kopf bis Fuß auf Musik eingestellt, als eine besondere narzisstische Art könnte man dieses Verhalten auch nennen?

Aber du wolltest einfach nur musizieren, dich durch die Tonleitern grooven, egal wie und wo, vielleicht wäre ein Psychologe in dieser Vorpubertären-Phase für dich mein lieber Georg Friedrich nützlich gewesen oder ein Therapeut, nein natürlich nicht, das ist alles Quatsch, entschuldige bitte.

Du wolltest eben sehr früh, wie das bei Wunderkindern üblich ist, deine Talente entfalten, und mit einem Spaßfaktor deine Musik kreieren, erleben, geheimnisvolle neu Melodien spielen, als menschliches Bedürfnis nach Spiel, eine wunderbare Herausforderung war es für dich, und deinen Vater wolltest du ärgern, ich kann das gut verstehen, mein Lieber.

Ja, das aktiv Musikalische hat dich nicht wie andere Kinder gelangweilt, sondern unendlich fasziniert, es hat dich buchstäblich verhext, der Reiz der eigenen musikalischen Kreation verzauberte dich, und du, unser kleiner Georg Friedrich, hast ja als kleines Kind auch schon intensiv auf den Dachboden Clavichord gespielt, das angeblich eine Tante ins Haus gebracht hatte, so konntest du das Musikverbot deines Vaters elegant durchbrechen.

Schön, dass damals schon konspirativ im Hause Händel gearbeitet wurde, dass gefällt mir, es hat ja auch prima funktioniert, und du, lieber verehrter kleiner Georg Friedrich hast des nachts, wenn alle im Hause unten schliefen, oben auf dem Dachboden, auf dem Clavichord eifrig die Tasten bewegt, und schon echt cool musiziert, da wäre ich gerne Mäuschen gewesen, hätte gerne zugehört wie du in deinem kleinen Köpfchen vielleicht die Urform der „Wassermusik“ hast entstehen lassen?

Dein alter Herr muss aber irgendwann davon Wind bekommen haben, und mitten in der Nacht tobend mit der Rute in der Hand auf den Dachboden gesprungen sein, und dir dein geliebtes Clavichord entrissen haben?

Nein, ich glaube ganz so brutal ist es nicht zugegangen, aber Stress muss es diesbezüglich gegeben haben?

Kannst du dich eigentlich noch daran erinnern?

Bloß gut, dass du von dieser Kindheits-Story nicht traumatisiert wurdest. Nein, du hast dich einfach nicht traumatisieren lassen, unbeeinträchtigt von den Zwängen der elterlichen Erziehung hast du weiter musiziert wie wir das von Wunderkindern wünschen, um nicht zu sagen erwarten, denn du wolltest ja unbedingt eine Musiker-Karriere starten, nein, du wolltest die erste Geige spielen, wie David Garrett, nein, die erste Orgel wolltest du spielen, und erster Organist wolltest du schon im Teenageralter werden, ein frühes Credo war das bereits, aber vor allem wegen des Verbotes deines Vaters, musstest du protestieren, damit setztest du dich ja auch letztlich, man höre und staune, durch. Respekt mein Lieber, du warst eben damals schon richtig cool unterwegs.

Von Kopf bis Fuß warst du als Kind auf Musik eingestellt, aber das war ja erst die zaghafte Ouvertüre, der Anfang deiner polyphonen Üppigkeit und eindringlichen Rhythmik, und wie du später von den Konzert-Hörnern Besitz ergriffen hast, das war wirklich ein Markenkennzeichen deiner musikalischen Kunst, und niemand, kein anderer Komponist, konnte das je besser arrangieren als du, dass muss ich dir einfach mailen, sonst könnte ich nicht mehr schlafen.

Zunächst aber wolltest du ja dein musikalisches Können öffentlich zur Schau stellen, aber dieses wiederum konnte man seinerzeit nur bei den vornehmen Abendgesellschaften an den Adelshöfen, deshalb musstest du auch mit deinem Vater ungedingt zu seinem Arbeitgeber mitreisen, denn dein Vater fuhr ständig von Halle nach Weißenfels, um dort dem Herzog neue medizinische Dimensionen zu eröffnen. Der Herzog war nämlich mit Kurpfuschern „Fremdgegangen“, deshalb war Dr. Händel später so quasi im Dauer-Notdienst-Einsatz bei dero Gnaden tätig.

Ja, aber dieser Umstand war deine ultimative Chance, und du bist doch tatsächlich einmal bei strömenden Regen der Kutsche deines Vaters eilig hinterher gelaufen, und konntest sie sogar hechelnd wie ein moderner Marathon-Läufer einholen. Selbstbewusst und richtig standhaft sagtest du zu deinem verdutzten Vater: „Ich will ungedingt nach Weißenfels mitfahren, um dem Herzog in der Residenz vorzuspielen!“ Warst du damals eigentlich schon obrigkeits- und -promigeil oder nur scharf auf öffentliche musikalische Auftritte bei Hofe?

Diese Frage musst du mir aber jetzt schon beantworten, denn es ist eine Kernfrage, sonst bin ich sauer, verstehst du.

Aber diese tiefe innere Kraft, ist ja etwas grundlegend Gutartiges, und es muss etwas mit deinem späteren Charakter, sowie deiner Persönlichkeitsstruktur zu tun gehabt haben, da bin ich mir sicher – auch ohne Psychologie studiert zu haben.

Naja, du wolltest eben mal raus aus Halle, das kann verstehen, ist akzeptiert, mein Lieber.

Aber diese vernehme Hofgesellschaft, speziell seine herzögliche Gnaden hatte damals schon ein „Herz für begabte Kinder“, wohlgemerkt für begabte Kinder, vor allem als du dem Herzog August von Sachsen-Weißenfels vorgespielt hast, fiel ihm dein sensationelles musikalisches Talent auf.

Ja, du unser Wunderkind hattest auch kein Lampenfieber, keine zitternden Knie, kein rasendes Herz, und auch keine Xenophobie. Schon in frühester Jugend konntest du dich ohne Stress inszenieren, sogar ohne deine Eltern oder Kommunikations-Coach, ja das war oder ist eben wahre Lebens-Kunst, die man weder lernen oder studieren kann, eben wie vom anderen Stern, deshalb sind sicher jetzt auch deine Konzerte im Himmel, im Olymp ausgebucht.

Georg Friedrich konnte das Fremde sofort in sich aufnehmen, es unterstreicht seine Genialität als sagenhaften Kinderstar.

Vehement, und mit leidenschaftlichem Temperament, fast wie ein begeisterter Italiener, musste der Herzog auf Händels Vater eingeredet haben, und so lenkte Vater Händel in den Musik-Deal des Sohnes ein, ob er wollte oder nicht. Dein Vater, Dr. Händel, sollte ab jetzt ohne wenn und aber, so quasi als kategorischen Imperativ, seinem Sprössling eine musikalische Ausbildung angedeihen lassen, er wäre sonst in Ungnade beim gnädigen Herzog August gefallen, na ja und das wollte der berühmte „Arzt des Volkes“, wie man in der Ex-DDR zu erfolgreichen Ärzten offiziell sagte, nicht riskieren, auf keinen Fall, das wäre ja Harakiri gewesen.

Und glücklich fuhr der junge Georg Friedrich nun in der nächsten Zeit pausenlos zum Weißenfelser Hof, er war quasi vom Dachboden on the Stage des Herzogs avanciert, natürlich um dem adligen Publikum begeistert Vorzuspielen, ja so schnell kann’s gehen. Vielleicht ist er sich da wie ein Anarchist im Wunderland vorgekommen, aber auf jeden Fall ist er zum Nachtschwärmer geworden. Diese abendlichen Auftritte waren doch eine tolle Melange für ihn aus Musik-Darbietung, Schauspiel und Nervenkitzel, die ihn erregten und Emotionen transportierten. Er konnte dann kaum noch zu Bett gehen, er bedauerte das natürlich nicht, es war wie eine Liebesgeschichte mit lang-lang-anhaltender psychologischer Wirkung.

Aber später bekam er ja auch einen richtig guten Musiklehrer, den Maestro Friedrich Wilhelm Zachow, der ein solider Organist an der Marktkirche in Halle war, und fortan den jungen Georg Friedrich intensiv unterrichtete, um ihn das Rüstzeug für seine musikalische Laufbahn zu geben. So konnte Georg Friedrich später mühelos öffentliche Auftritte mit vokaler Kirchenmusik und Kantaten-Aufführungen bestreiten, es wurden seine musikalischen Laufstege, sein ultimativer Catwork, das offizielle Musizieren wurde zur Droge des jungen Musikgenies. Schade nur, dass wir nicht wissen, wie sich der junge Musicus damals modisch präsentierte. Ob er tatsächlich in sportlicher Eleganz auftrat oder in vornehmen Kniehosen und Rüschen-Hemden mit hohem Kragen? Ja das wäre der ultimative Schick, dein Look, dein Style gewesen, ja und so hat er dann mit glühenden Blick begeistert in die Orgel- Tasten gegriffen. In dieser Pose konnte er sich überzeugend mit eigener Kirchenmusik präsentieren, seine Auftritte waren keine musikalischen Dressur-Akte, sondern gaben ihm mächtig Auftrieb, steigerten enorm sein Selbstbewusstsein. Keiner kam je leichfüßiger daher, um zu musizieren, für ihn waren eben die Sterne strahlender als strahlend, er hatte eben eine intensivere Betrachtungs- und Verarbeitungsweise als andere. Es war sein Lebensgefühl, als würde er mit einem Maserati durch Neapel düsen, vielleicht war es auch sein ultimatives Lebens-Elexier, wer, der Maserati?

Nein natürlich die Musik, denn seine Lust auf Selbstdarstellung zeigte er bereits so dominant in frühester Jugend, da besaß er auch schon ein sensibles Feeling, wusste was ankam, wenn er so in die hungrigen Augen seiner frühen Fans beim Spielen sah, da beschlich ihn plötzlich eine unbändige Reiselust. Er wollte sofort hinaus in die weite Welt, nur das konnte all seine Wünsche, Träume und Fantasien befriedigen, aber nicht nur das, verehrter Georg Friedrich.

Aber um auf internationale Tournee zu gehen, musste er doch noch einige musiktheoretische- und praktische Grundlagen trainieren oder erlernen, um seine Musikpassionen formvollendet darbieten zu können.

Und wie schon bemerkt nahm er Unterricht bei seinem geschätzten Lehrer Zachow, zweifellos lernte er in Halle in der Marktkirche rasant schnell die Grundsätze der Harmonie, außerdem versteht sich das von selbst, jeder gute Musiker muss die hohe Kunst des Kontrapunktes beherrschen, und die Fähigkeiten der freien Improvisation wurden aus ihm herauskristallisiert, aber nicht nur auf seinen geliebten Tastinstrumenten, sondern auch auf der Oboe, sowie Violine, eigentlich auf allen Instrumenten. So begabt war der junge Georg Friedrich, dass er schon als Teenager fast auf allen Instrumenten spielen konnte. Unglaublich aber wahr, das konnte bis heute nicht getoppt werden, schon gar nicht von der Generation Relax. Oder?

Traurig, ja richtig traurig eigentlich, dass ich so unbegabt bin, obwohl ich auch in Halle an der Saale geboren wurde, früher dachte ich immer deine Genialität hat etwas mit der Saale zu tun?

Ja, sicherlich bei dir Georg Friedrich, aber leider nicht bei mir, dabei ist Wasser mein Lebens-Elexier, schließlich war ich mal Leistungsschwimmerin in der ehemaligen DDR, mein Lieber, außerdem ist es ja unser Urelement, na ja aber Talent kann man eben nicht erschwimmen und schon gar nicht erzwingen, ob nun mit Wasser oder ohne.

Aber immerhin durfte ich Gitarre spielen lernen, schließlich gehörte ich ja zur Beat-Generation, dass wäre für den jungen Georg Friedrich sicherlich auch der Hype gewesen auf einer Gitarre seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, leider 300 Jahre zu spät, mein Lieber, wir wollen ja auch mal unseren musikalischen Spaß haben.

Aber du bist ja schon vor den Beatles zum Weltstar avanciert, und das in England, in London, im Mekka dieser hyper ventilierenden Musik-Stadt, ein Wahnsinn, unglaublich, das kommt alles nie wieder, dass irgend jemand aus Halle an der Saale fortgerissen vom Kontinent und in England so berühmt wird, geliebt und bedrängt wird von Männern und Frauen, und sogar als Bürgerlicher mit dem König und der Königin auf du und du steht und nicht mal politische Differenzen hat. Gute Reise weiterhin mein lieber Georg Friedrich, wir spielen fleißig deine Musik, sie hat Drang zum emotionalen Drama, zu einem blendendem Image hat sie vielen verholfen, und sie wirkt auf uns empathisch, einfach vital, mal adagio oder auch passionato, mal will man verführen und dann wieder erobern, fast wie Rivalen im Morgengrauen …

3. Kapitel

Georg Friedrichs Familie und seine frühen

musikalischen Aktivitäten und Träume

„Wie lange soll ich bloß noch hier in Halle an Saale ausharren“, das wirst du dich pausenlos als talentierter junger Mann gefragt haben, denn unser schönes Halle war ja in der Barock-Zeit nicht gerade die ultimative Musik-Hochburg, und auch nicht das Dissidenten-Zentrum der ehemaligen DDR.

Ja, du wolltest einfach mehr, nicht das Meer, aber eben hinaus in die Welt, endlich Freiheit spüren, du hattest keine Angst oder Skepsis gegenüber fremden Ländern, ganz im Gegenteil, du wolltest endlich Reisen, Aufbruch um jeden Preis, um die euphorischen Ankunft in einer neuen Welt zu erleben.

Dieser Wunsch hatte sich ganz fest in dein aufnahmebereites Gehirn eingebrannt, sonst hättest du sicherlich auch Neurosen bekommen, ein Schreckensbild der Normalität, nicht nur bei Hochbegabten und Genies.

Ein junger Mann deines Schlages verwandelt doch in der Fremde den Wind in Stürme, und wer sächsisch kann, ist überall in der Welt zu Hause, vor allem natürlich als genialer junger Musiker und Avantgard-Künstler, da spielt auch misstönender Gesang, ob Ost oder West keine Rolle, weil in der Kunst oder Musik geht es nicht nur um Geld, sondern um Provokation gepaart mit Durchsetzung von Talent, Kreativität. Oder? Was hast du für eine Position über Musik und Kreativität, würde mich sehr interessieren, kannst du nicht mal aus dem Olymp eine Mail schicken?

Interessant wäre noch, ob unser Georg Friedrich zu diesem Zeitpunkt in Halle an der Saale lange blonde Haare trug, als er als junger zorniger Mann unterwegs war, aber keiner kann es genau sagen, oh pardon, er war ja nicht zornig, und mit Polizisten war er auch nicht in Straßenschlachten verwickelt, und schon gar nicht hat er die Hymne der amerikanischen Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung gesungen. „The Anser ist blowing in the wind …“ von Bob Dylan.

Vielleicht doch? Mayby, sometimes?

Ja, aber unser Georg Friedrich und Bob Dylan, sie wären gemeinsam der musikalische Hype zu allen Zeiten gewesen, wenn sie sich 1987 in Berlin zur 750 Jahrfeier kennen gelernt hätten. Zwei, die sich von assyrischen Gipslöwen und vom antiimperialistischen Kulturgut befreit haben und zwar schon in ihrer Jugend, und sie hätten sich auch mit Erfolg von der „Ensemble Musik“ strikt distanziert, wie sich das linientreue musikalische Treiben in der ehemaligen DDR nannte, und in Berlin im „Haus der Jungen Talente“, kurz Hdj T live abspielte.

Aber plötzlich passiert etwas Unerwartetes im Leben von Georg Friedrich, ein starkes Rütteln aus dem Nichts. Es gibt eine kryptische Durchsage in seinem Gehirn, die da lautet: Ich will reisen, reisen, reisen und unterwegs sein, es ist das ultimative Lebensmotiv aller Sachsen, unsere DNA gewissermaßen, ich bin genauso reisewahnsinnig.

Aber nicht nur Georg Friedrichs Reise- und Lebenslust kennzeichnete seinen Charakter, sondern vor allem sein lebendiges Bedürfnis zu musizieren und zu komponieren, erzählt von menschlichen Gefühlen. Er beschwört geradezu die Notwendigkeit von Schönheit und Kreativität, aber nicht nur im stillen Kämmerlein, nein du brauchtest jetzt unbedingt einen fähigen Musiklehrer, denn dein unstillbares Bedürfnis Musik zu schaffen, musste sofort befriedigt werden, in diesen Momenten hattest du ungeheure Kraft, die umgewandelt werden musste in musikalische Taten, da gab es keinen Weg zurück. Dabei kamst du, wie bereits bemerkt, gar nicht aus einer musikalischen Familie, die riesige Stammbäume von erfolgreichen Musikern aufweisen konnte. Nein ganz im Gegenteil, deine Mutter war Pastorentocher durch viele Generationen hindurch, evangelisch versteht sich im Kern-Lutherland, und dein gestrenger Herr Papa war erfolgreich als Barbier und Arzt pausenlos unterwegs, und Zeit seines Lebens auch als Retter überall im Ausland tätig.

Als er dann zum zweiten Mal heiratete, war er zwanzig Jahre älter als seine blutjunge Frau, deine Mutter, mit der er noch vier Kinder bekam. Alle Achtung, eigentlich hattet ihr eine ganz moderne, interessante Familienkonstellation, wie sie heute fast normal ist, zumindest in der Bürgerlichen Mitte wie wir heute gerne die mittlere Schicht der Bourgeoisie nennen.

Ja, da staunst du, Patch-Work-Familien sind heute nicht nur Lebens- und Trainings-Trends, sondern sogar Life-Style, mein Lieber, nicht nur in London, nein auch in Halle an der Saale.

Ja, und was ich auch für die damalige Zeit verblüffend finde, dass dein Vater ununterbrochen als engagierter Barbier und Wundarzt arbeitete, was zu jener Zeit ein echter Knochenjob war, und eine Art Dienstleistung darstellte, und kein privilegiertes Leben versprach, unglaublich.

Aber dein Herr Papa ist in Europa viel herumgekommen, und über Arbeitsmangel konnte er sich im Dreißigjährigen Krieg nicht gerade beklagen. Jahre später arbeitete er als Feldarzt im sächsischen Regiment, danach avancierte er doch tatsächlich zum höhergestellten Schiffsbarbier und Arzt und war pausenlos in Hamburg und Lübeck unterwegs. Später segelte er bis nach Portugal, man könnte sagen, er war also schon damals so eine spezielle Art oder der Vorläufer von „Ärzte ohne Grenzen“, irgendwie bewundernswert, dass muss ich neidlos anerkennen.

Interessant zu bemerken an dieser Stelle, dass der Vater des Maestro auch schon diese typische sächsische Lebenseinstellung praktizierte: Immer auf Reisen, immer unterwegs, um sich permanent im Transitzustand zu befinden, eine Abfahrt mit stets offenen Ausgang, Risiko spüren, aber ohne abgetrennte Zonen für Business-Reisende. Ja, das war und ist wohl das Motto, Lebensprogramm aller Sachsen, auch mein Vater war mit dem Sport der ehemaligen DDR lebenslang im Ausland unterwegs, aber er konnte schon vor den Flügen Drinks, Snacks und Speisen zu sich nehmen, und im Flugzeug hinter getönten Fensterscheiben las er intensiv Zeitungen. Ein lesender Sportfunktionär war er und in Sachen Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften auch ganz ohne Grenzen unterwegs, dabei kam er aus einem kleinen Land, dass eine einzige unmenschliche Grenze darstellte, wo ihre Bewohner, eigentlich Gefangene waren und pausenlos indoktriniert wurden, Tag und Nacht, Sommer wie Winter, eben immer, irgendwie bizarr, aber auch grausam, für die, die eben nicht reisen durften, konnten, sollten – wie eben auch ich und Millionen andere.

Ja unsere Väter waren immer auf Achse, und permanent hektisch mit dem Koffer in der Hand unterwegs, und so groovten sie sich durch Europa, manchmal sind im Trubel der Heiterkeiten Koffer abhanden gekommen, leider mit unseren Souvenirs, na ja das konnte dir später auf deinen Reisen natürlich nicht passieren, denn du hattest ja eine Entourage, die alles für dich organisierte, denn du mein guter Georg Friedrich bist ja für die damalige Zeit recht komfortabel gereist, aber nicht so komfortabel wie mein Vater. Dafür wohntest und lebtest du in „Bella Italia“ luxuriöser, als mancher Fürst in Deutschland, und als jeder Sportfunktionär aus der ehemaligen DDR auf jeden Fall, aber gerade das finde ich bizarr, und ist auch die gerechte Belohnung, weil du so coole Musik komponieren konntest, und dass wussten und wissen die Italiener eben zu schätzen.

Für sie war deine Musik wie aus einem Zaubergarten, du Georg Friedrich konntest eben wie kein Zweiter die Kunst, nein die Gunst der Stunde nutzen, und wenn du erst nach England kommst. dann fliegen dir die Royals und Celebrities nur so zu, da erlebst du ein heißes Blitzlichtgewitter ohne Ende, eine Öffentlichkeit vom Feinsten, da wirst du tatsächlich zu Everybody’s Darling gekürt, vor allem wäre Georg Friedrich heute mit William and Harry befreundet, in stilvoller Country-Fashion könnte man sich locker bei der Queen auf dem Lande zur Tea-Party eingeladen, sie wäre very emused. Du solltest, müsstest natürlich nach dem Small Talk auch ein bisschen Orgel spielen, später würde dich Prinz Charles und Camilla zu Opern-Premieren, Dinner-Partys und zu Frühlingsfahrten für Gourmets einladen, aber das wäre für dich natürlich eine Herzenssache. Oder?

Natürlich, du lechzt ja geradezu danach mit den Royals in die Shakespeare-Stadt, Stratford on Avon, Oxford oder Bath zu reisen, das kann ich ja auch alles verstehen. Du möchtest nicht nur ihre Schafherden bewundern, sondern mit ihnen auch das königliche Landleben pur genießen. Good Luck, mein Lieber.

Aber jetzt nicht vorgreifen, sondern noch mal Back to the Roods. Der erste Tatort unseres kleinen Georg Friedrich in Halle an der Saale war der elterliche Dachboden.

Dort oben konntest du des nachts ungestört wie wild und verrückt auf dem Clavichord klimpern, bis dein nächtliches musikalisches Treiben entdeckt wurde, dein Vater war richtig wütend, und verbot dir jegliche Aktivitäten diesbezüglich, denn er wollte auf keinen Fall, dass du, sein Sohn Musiker wird.

Er hatte wie schon erwähnt die höhere Beamten-Karriere für dich fest im Visier. Du solltest verständlicherweise Rechtswissenschaft studieren, um als Anwalt erfolgreich die Quadratur der Prozesse zu gewinnen. Sofort solltest du zum Bürger 1. Klasse avancieren, mit Ferienhaus auf den Kykladen-Inseln, der nicht darum buhlt anerkannt zu werden, sondern der einfach anerkannt ist, also um jeden Preis wollte dein Vater eine Musikerkarriere verhindern, weil Musiker zu jener Zeit eben nur bessere Dienstboten waren, man kann ja deinen den Vater im Grunde verstehen, alle verantwortungsvollen Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder, aber oftmals ist es eben nicht das Beste, was Eltern dafür halten. Ja, so war das eben auch bei dir.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.