Kitabı oku: «Das Vermächtnis aus der Vergangenheit», sayfa 6

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Ellen raunt betroffen: „Wie? Was meinst du damit?“

„Beziehungsunfähig. Dabei liebe ich Marcel eigentlich! Zumindest war ich mir da immer sicher … mehr oder weniger. Aber dann hätte das mit deinem Bruder nicht passieren dürfen. Und mit Tim.“

„Wie … mit Tim? War der denn jetzt da?“

Ich nicke. „Er hat mir geholfen, meine Sachen aus Marcels Wohnung zu holen. Erneut entpuppte er sich als mein Retter in der Not. Aber das ist auch nicht gut. Nicht für mich und schon gar nicht für ihn.“

Wir kommen an der Schule an und Ellen zieht mich an die Seite, bevor wir den Schulhof betreten, um sich mit mir noch etwas ungestört unterhalten zu können.

„Ihr seid doch nicht … du bist doch jetzt nicht mit ihm zusammen, oder?“

„Nein, er weiß, wie ich über alles denke und was mein fester Entschluss ist.“

„Dein fester Entschluss?“ Ellen wirkt langsam ungehalten.

„Ich werde es in Zukunft wie Erik halten. Keine Beziehung! Keine Liebe! Am besten gar keine Männer mehr. Höchstens mal für eine Nacht und Tschüss.“

Ellen greift in ihre Tasche und zieht eine Zigarettenpackung hervor. Sie gibt mir eine und nimmt sich auch eine. „Poor, Carolin!“, sagt sie dabei. „Langsam machst du mich fertig! Woher willst du wissen, dass es bei Erik immer noch so ist?“

Ich sehe sie verwirrt an. „Ellen, es geht nicht um Erik! Wenn er sich jetzt entschließt, doch mit irgendeiner Tussi eine Beziehung eingehen zu wollen, dann soll er das in Gottes Namen tun. Ich rede hier von mir! Die letzten zwei Tage habe ich nur damit verbracht, mir mein neues Leben aufzubauen. Ich brauche niemanden.“

Ellen brummt: „So, du brauchst niemanden! Und bei deinen Eltern unterzukriechen bringt´s, oder was? Erik sagte mir, er hätte dir die Wohnung bei Daniel angeboten.“

Also kennt Ellen die Wohnung.

„Ich brauche die nicht. Für die nächsten Monate habe ich ein Dach über dem Kopf und das ist nicht das meiner Eltern.“

Ellen lässt fast die Zigarette fallen. „Wie? Du wohnst nicht bei deinen Eltern? Wo denn?“

„Ich habe mir meinen eigenen Panikraum geschaffen und niemand weiß, wo der ist. Ich werde es auch niemandem sagen“, verkünde ich, um das sofort unmissverständlich klarzustellen.

Ellen schüttelt den Kopf, dass ihre Locken wirbeln. Sie tritt ihre Zigarette aus. „Mein Gott, Erik hat echt abgefärbt. Und wo ist die Wohnung?“

Ich sehe Ellen fassungslos an. „Hörst du mir gar nicht zu? Ich werde niemandem sagen, wo die ist.“

Ellen grinst. „Niemandem - außer mir.“

Ich schüttele nur den Kopf und ihr Gesichtsausdruck schwenkt von überheblich zu schrecklich beleidigt um, als es klingelt.

„Komm, ich muss noch mit unserer Klassenlehrerin sprechen“, raune ich und gehe einfach los. Ellen wird mir schon folgen.

Aber sie würdigt mich keines Blickes, als unsere Wege sich trennen.

Ich finde meine Klassenlehrerin im Lehrerzimmer und bitte sie um ein Gespräch. Ich erkläre ihr, dass ich mich von meinem Freund getrennt habe und mich deshalb nicht in der Lage sah, die letzten drei Tage die Schule zu besuchen. Natürlich spiele ich die völlig am Boden Zerstörte und denke mir, wenn die wüsste. Aber das bringt zumindest, dass sie mein Fehlen entschuldigt und ich sogar das Gefühl habe, dass sie es gut findet, dass ich mit ihr so ehrlich darüber gesprochen habe.

Sie kommt direkt mit mir in die Klasse und alle sehen uns verwirrt an. Keiner weiß, was los ist und Ellen scheint nur Schmollen zu wollen.

Mich auf meinen Platz werfend, danke ich Tim für die Idee, mich meiner Lehrerin anzuvertrauen. Er hatte mir das vorgeschlagen und sein Vorschlag hat auch wirklich gut funktioniert. Ich bin froh darüber, weil ich so einem Verweis entgehe.

Als es zur ersten Pause klingelt, bleibe ich erst sitzen, unsicher, ob Ellen nun wieder mit mir sprechen will. Doch sie bleibt hart und unerbittlich.

So stehe ich irgendwann auf und gehe auf die Toilette. Ich bin verunsichert. Dass Ellen so wütend ist, weil ich ihr nicht sagen will, wo sich mein neues Domizil befindet, damit habe ich nicht gerechnet. Aber ich kann auch herumzicken. Da ich sowieso schon mit allem gebrochen habe, was mir bisher etwas bedeutete, so kann ich es auch mit ihr tun.

Als ich wieder ins Klassenzimmer komme, ist sie allerdings weichgekocht. Während ich mich neben sie auf meinen Stuhl setze, raunt sie: „Nah gut, wenn du es im Moment nicht sagen willst, dann akzeptiere ich das. Aber irgendwann …“

Ich sehe sie nur grinsend an und bin erleichtert: „Danke! Du weißt, was du weißt, wissen auch gleich alle anderen.“

Ellen setzt sich auf und brummt: „Wie - alle anderen? Ich würde doch nie …“

Ich lächele sie beruhigen an und mache eine wegwerfende Handbewegung. „Ist doch egal.“

„Nein, ist es nicht“, brummt sie und ist wieder gekränkt.

Ich erkläre ihr meine Unterstellung damit: „Du hast Marcel auch geschrieben, dass ich nicht in der Schule war.“

„Ich habe mir Sorgen gemacht“, verteidigt sie sich.

„Und die Nummer? Woher hattest du die? Von mir nicht.“

Ellen sieht mich nachdenklich an und brummt: „Die hat Erik mir gegeben. Er hat sich halt auch Sorgen gemacht.“

Ich starre sie an.

„Woher hat Erik die Nummer von Marcel?“, frage ich verdattert.

„Frag ihn selbst! Das weiß ich doch nicht.“

Da unsere Lehrerin den Raum betritt, ist das Gespräch beendet.

Ich beschließe nach zwei Stunden, in denen ich mich kaum auf den Unterricht konzentrieren konnte, Erik nicht zu fragen. Wie auch immer er an die Nummer gekommen ist, es ist egal. Seine Stalkerneigungen sind mir schließlich hinreichend bekannt. Und da ich nicht mehr mit Marcel zusammen bin, und Erik auch nicht wiedersehen werde, hake ich das Thema ab. Mein Entschluss, mich wenigstens die nächsten zwei Monate allein durchzuschlagen und meine Freiheit zu genießen, ist in meinem Kopf verankert.

Aber mein Herz spielt nicht mit. Von ihm geht der Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit aus, und es schreit nach Marcel.

Wenn es das gerade nicht tut, dann will es tiefe Gefühle und Leidenschaft, und schreit nach Erik.

Ich spreche meinem Herzen alles Mitspracherecht ab.

In der nächsten Pause gehen Ellen und ich wieder gemeinsam nach draußen und sie fragt vorsichtig: „Und was machst du am Wochenende? Es ist das letzte Wochenende, wo meine Eltern nicht zu Hause sind. Komm doch einfach heute mit zu uns und bleib, solange du willst. Wir können das ganze Wochenende Party machen und du das mit Marcel vergessen.“

Ich schüttele den Kopf. „Danke, das ist lieb. Aber zu meinen guten Vorsätzen für die nächste Zeit zählt auch, deinem Bruder aus dem Weg zu gehen.“

„Warum?“ Ellen ist erschüttert.

„Keine Männer mehr!“, erinnere ich sie an meinen Vorsatz.

„Und deshalb kommst du nicht mit zu mir?“

„Genau! Ich werde euer Haus nicht mehr betreten und ihn sein Leben leben lassen.“

Ellen lacht auf. „Und du glaubst, dass Erik damit einverstanden ist?“ Sie schüttelt den Kopf, als könne sie meine Naivität nicht verstehen.

„Das wird er wohl müssen“, brumme ich nur.

Nach Schulende sieht es allerdings anders aus. Als wir aus dem Schulgebäude treten, steht der Mustang an der Straße und ich frage mich, woher Erik weiß, wann wir Schulschluss haben. Es fällt die letzte Stunde aus, weil eine Lehrerin krank ist und dennoch steht er passend da und wartet.

Ich werfe Ellen einen bösen Blick zu, die den geflissentlich ignoriert.

Da ich weiß, was Erik tun wird, wenn ich die Flucht ergreife, setze ich auf Angriff. Das half bisher bei ihm immer am besten. Ich gehe zu ihm und sehe, wie er aus dem Wagen steigt.

„Hallo Erik!“, murre ich, als ich bei ihm ankomme und tue so, als wäre ich jetzt schon genervt. Aber ein Blick in sein Gesicht und ich drohe schon einzubrechen.

„Hey, alles wieder in Ordnung?“, fragt er mit viel zu weicher Stimme und bringt mich damit noch mehr aus der Fassung. Ich hasse es, dass er das immer wieder schafft.

„Ja, ist es. Und nur damit du Bescheid weißt … ich habe mich von Marcel getrennt und habe beschlossen, mich auch von allem anderen aus meiner Vergangenheit zu trennen. Dich eingeschlossen.“ Den letzten Satz schleudere ich ihm regelrecht entgegen.

Erik müsste zufrieden sein, dass ich jetzt nicht voller Erwartung vor ihm stehe und von ihm fordere, was er sowieso nie geben wollte.

Der lacht aber nur auf. „Gut, wenn du meinst. Aber zu so einer Entscheidung gehören bekanntlich zwei.“ Damit macht er einen Schritt auf mich zu und baut sich vor mir auf.

Ich kann seinen Zedernholzduft riechen und alles von mir drängt in seine Richtung. Ich brauche nur die Hände ausstrecken …

Ich reiße mich zusammen und sehe nur kurz auf.

Sein Blick durchdringt mich. Das ist nicht die Reaktion, die ich von ihm erwartet habe. Sollte ich ihm nicht völlig egal sein? Bisher waren ihm das alle anderen auch … wenn er sie erst mal in seinem Bett hatte.

Ich muss das hier beenden.

„In dem Fall reicht meine Entscheidung“, brumme ich nur, drehe mich schnell von ihm weg und gehe. Mein Weg führt mich direkt zur Bushaltestelle, an der die Busse in die Stadt fahren.

Ellen ist auf einmal neben mir. „Hey, was ist los? Wo willst du hin?“

„Ich fahre in die Stadt“, sage ich.

„Und warum kann Erik uns nicht mitnehmen? Ich bin gleich mit Daniel verabredet, und er wollte mich da absetzen.“

„Er kann dich doch mitnehmen. Ich fahre mit dem Bus.“

Ellen bleibt stehen.

Ich ignoriere das und gehe weiter zur Bushaltestelle. Zu meinem Glück kommt sofort ein Bus und ich springe hinein, mich aufatmend in einen Sitz werfend. Dass ich es tatsächlich bis in den Bus geschafft habe, ohne dass Erik mich einfach packte und in sein Auto zerrte, kann ich fast nicht glauben. Ich hatte damit gerechnet, dass Ellen ihn auf mich hetzt, wie einen Kampfhund. Schließlich hassen die beiden es, wenn es nicht nach ihrer Nase geht und ich hatte mich doch schon drei Tage aus ihrem Zugriffsbereich gestohlen. Aber ich sitze im Bus und kann es nicht fassen. Und in meinem tiefsten Inneren wütet etwas, das enttäuscht schmerzt. Das wars dann wohl mit Erik.

„Carolin!“, höre ich Sabine rufen und sehe sie bei den anderen aus meiner Klasse sitzen. Sie waren wohl hinten in den Bus eingestiegen, während ich vorne reingesprungen war.

Ich stehe auf und gehe in den hinteren Teil des Busses, wo mich Sabine, Michaela, Susanne und Andrea empfangen. Sie werden mich hoffentlich von diesen Gefühlen ablenken, die mich niederzudrücken versuchen.

Ich werfe mich zu Sabine in den Sitz.

„Geht es dir wieder besser? Ellen sagte, du hättest die Grippe.“

Ach echt?

„Naja, ich war halt etwas angeschlagen“, antworte ich wage.

„Und, mit deiner kleinen Familie alles in Ordnung? Hat Marcel wenigstes einen brauchbaren Krankenpfleger abgegeben?“, fragt Andrea, deren braune Rehaugen mich aus ihrem runden Gesicht anstrahlen. Sie wartet erneut auf eine romantische Geschichte mit Blümchen und Herzchen und so.

Kurz überlege ich, was ich sagen soll. Ich entschließe mich für einen Teil der Wahrheit. „Nicht wirklich. Er trifft sich lieber mit irgendwelchen Tussis und ich habe vorgestern meine Sachen gepackt und mir eine eigene Bleibe gesucht.“

Allen fällt die Kinnlade runter. Andrea sieht ihren romantischen Liebeshimmel schon wieder völlig zerstört. „Aber ihr seid doch das Traumpaar!“

„Blödsinn! Siehste doch. Wir waren alles andere als ein Traumpaar“, knurre ich aufgebracht. Doch meine aufgewühlten Gefühle gelten nicht Marcel und seiner Neuen, sondern Erik, der mich mit seinem Auftauchen wieder ins Chaos gestürzt hatte. Warum kann er mich nicht in Ruhe lassen … und vor allem weit weg von mir bleiben?

„Und nun?“, fragt Michaela und ich höre eine unausgesprochene Frage in ihrer Stimme. Sie fragt sich bestimmt, was es mit Eriks Auftritt am Montag auf sich hatte, als er mich aus der Schule trug.

„Ich habe beschlossen, wenigstens zwei Monate solo zu bleiben.“

Susanne raunt nur ungläubig: „Das möchte ich sehen. Hattest du nicht so etwas auch behauptet, als die Schule anfing?“

Die anderen Stimmen ihr zu.

„Das war etwas anderes. Diesmal weiß ich, dass ich das durchziehen muss. Fragt mich aber bitte nicht, warum. Ich möchte über den ganzen Scheiß nicht reden. Ich bin fürs erste fertig mit Männern.“

Michaela kann es sich einfach nicht verkneifen. „Was war Montag mit Ellens Bruder? Warum bist du abgehauen und wieso hat er dich ins Auto getragen?“

Ich muss schnell schalten, weil keiner etwas davon wissen soll, was zwischen mir und Erik bisher alles gelaufen war. „Ach, die wollten auf eine Rennstrecke und ich hatte vorher eine große Klappe gehabt und wollte dann doch nicht mehr mit. Aber es war halt so abgemacht, dass Ellen bei Daniel mitfährt und ich bei Erik. Das war alles.“ Ich versuche das Ganze völlig harmlos klingen zu lassen.

Sabine grinst: „Oh Mann! Mit der Karre auf einer Rennstrecke? Da wäre ich auch geflüchtet.“

„Ich nicht!“, seufzt Michaela sehnsuchtsvoll und ich weiß, sie würde alles dafür geben, mit Erik noch einmal Zeit verbringen zu dürfen. Aber nachdem sie sein Schlafzimmer verlassen hatte, wollte er von ihr nichts mehr wissen. Wie bei allen anderen zuvor.

Wir kommen am Neumarkt an und steigen aus.

„Was machst du heute Abend?“, fragt Susanne.

Ich hebe nur unwissend die Schultern. „Keine Ahnung. Mal sehen. Vielleicht gehe ich mal wieder in den Hyde Park.“

„Oh ne, in den Schuppen kriegen mich keine zehn Pferde“, raunt Sabine, und Michaela und Andrea sagen lieber nichts. Ich hatte damit gerechnet und es auch ein wenig geplant. Ich muss mich erst erholen, bevor ich wieder losziehe.

„Ich schau mal. Vielleicht bleibe ich auch zu Hause.“

„Wenn du bei Marcel ausgezogen bist, wo wohnst du denn dann jetzt?“, fragt Michaela.

Was soll ich ihnen antworten? Ich will keine langen Erklärungen abgeben.

„In Tims Wohnung. Er hat sie mir überblassen.“ Da keiner weiß, wo die ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass sie mein Domizil verraten.

Michaela und Sabine sehen sich grinsend an. „Ach, in Tims Wohnung! Sieh an.“ Sabine lacht. „So viel zu - keine Männer mehr.“

„Ich wohne nur in seiner Wohnung. Mehr nicht.“

Andrea raunt: „Tim? Nicht dein Ex, oder?“

„Oh doch!“, säuselt Sabine. „Der ist noch schwer hinter ihr her. Ihr hättet an Ellens Geburtstag dabei sein sollen. Was für eine Show! Und dann die Story von dem Fluch!“

„So Mädels, ich muss weiter“, sage ich schnell. Ich will nicht, dass die Geschichte jetzt auf den Plan kommt.

„Wohin willst du denn?“, fragt Susanne.

„Ich gehe mir jetzt einen Job suchen“, antworte ich nur und eile in die Unterführung, die mich zur Fußgängerzone bringt. Die anderen sehen mir perplex hinterher.

Froh, ihnen entronnen zu sein, gehe ich durch die Fußgängerzone und überlege, was ich jetzt machen soll.

Als erstes kaufe ich mir eine Kugel Pfefferminzeis. Das ist für meine angeschlagene Psyche. Dann schlendere ich weiter, schaue mir ganz in Ruhe die Schaufenster an und genieße, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Es gibt weder eine Ellen, die mich von A nach B zerrt, noch einen Marcel, der erwartet, dass ich pünktlich zu Hause bin.

Wow! Ungewohnt! Aber durchaus angenehm. Noch nie konnte ich mir so ausgiebig und in Ruhe die Auslagen der unzähligen Geschäfte anschauen.

Ich beschließe, die ganze Fußgängerzone hinaufzuschlendern, bis ich an das kleine Cafe komme, dass einen Zettel im Fenster hängen hat, dass dort Aushilfen gesucht werden.

Erst habe ich Schwierigkeiten, es wiederzufinden. Es ist in einer kleinen Nebenstraße in der Altstadt und ich hatte es nur durch Zufall gesehen, als wir an Ellens Geburtstag zu einer der Kneipe gegangen waren.

Ich bin ziemlich nervös, als ich das Cafe betrete. Aber ich möchte es wenigstens versuchen.

Eine Frau mittleren Alters, mit langen schwarzen Haaren, braunen Augen und braun gebrannter Haut, sieht mir freundlich entgegen und bringt zwei Männern, die an einem der vielen Tische sitzen, Kaffee.

Ich stelle mich an den Tresen und warte bis sie zurückkommt.

„Guten Tag!“, grüßt sie und ich antworte ihr: „Hallo, mein Name ist Carolin Maddisheim und ich wollte fragen, ob sie noch eine Aushilfe suchen.“

Die Frau wirkt überrascht und sieht mich von oben bis unten an. Dann lächelt sie und antwortet: „Ja, schon. Hast du denn so etwas schon mal gemacht?“

Ich schüttele verlegen den Kopf.

„Was für Arbeitszeiten stellst du dir denn vor?“

„Ich kann jeden Tag ab fünfzehn Uhr“, antworte ich schnell und Hoffnung steigt in mir auf.

„Oh, jeden Tag. Das hört sich gut an. Die meisten können nur bestimmte Tage oder zu Zeiten, wo ich niemanden gebrauche.“

„Ich arbeite, wenn ich gebraucht werde. Aber bis halb drei habe ich immer Schule.“

„Schule? Auf welche Schule gehst du denn?“

„In die Hauswirtschaftsschule in Haste.“

Die Frau lacht. „Das ist gut. Da war meine Tochter auch.“

Da noch keine weiteren Gäste da sind, unterhalten wir uns über die Lehrer und wie das jetzt in der Schule läuft. Ich fühle mich sofort wohl und scheinbar mag mich die Frau, die sich als Alessia vorstellte. Ihr gehört das Cafe, dass sie eigentlich allein betreibt. Aber da sie auch Oma ist und für ihre Enkel etwas mehr Zeit haben will, sucht sie jemanden, die ihr hilft.

Als erneut Gäste kommen, schiebt sie mich hinter den Tresen und zeigt mir alles. Sie geht zu den zwei Pärchen und fragt, was sie wünschen und gibt ihnen die Karte.

Ich schaue mir in der Zwischenzeit die Kühltheke mit den verschiedenen Kuchen an. Natürlich erkenne ich viele, weil wir einige davon in der Schule schon selbst gebacken haben. Und auch die Kaffeesorten kann ich benennen und weiß, wie sie hergestellt werden. Hier macht das allerdings eine Maschine, die auf Knopfdruck alles liefert.

Alessia kommt zur Theke zurück und zeigt mir, wie sie die Kuchen auf die Teller stellt, Kuchengabeln gekonnt in die Kuchenstücke steckt, dass sie halb auf dem Teller liegen, aber trotzdem nicht durch die Gegend purzeln. Dann stellt sie die Unterteller und Kaffeetassen auf kleine Tabletts, legt Zucker und Milch dazu und stellt an jede Tasse ein Glas kaltes Leitungswasser. Dann zeigt sie mir die Bedienung der Kaffeemaschine.

Die Gäste möchten zwei Cafe latte Macchiato und zwei Cappuccino. Ich sehe Alessia zu, wie sie alles zubereitet und zu dem Tisch bringt. Dann geht sie zu den anderen Gästen, die bezahlen wollen. Als sie wieder an den Tresen kommt und ich dem Pärchen zusehe, wie es sich von den Stühlen erhebt und er ihr in die Jacke hilft und sogar die Tür aufhält und uns ein freundliches: „Bis bald!“, zuruft, lächele ich Alessia an. „Die sind aber nett.“

Sie schmunzelt und um ihre braunen Augen ziehen sich unzählige kleine Fältchen. „Die kommen jeden Nachmittag.“

Ich gehe zu dem kleinen Tisch und hole die zwei Kaffeetassen an die Theke. Alessia putzt den Tisch ab.

„Meinst du, du hättest Lust hier zu arbeiten?“, fragt sie mich nach meinem ersten Eindruck und ich nicke.

„Magst du heute schon hierbleiben und weiter zuschauen?“

„Ja, gerne“, sage ich begeistert.

So vergeht der Nachmittag wie im Flug. Ich darf schon einige Café Macchiato caldo, Café Latte Macchiato und Cappuccino mit Milchschaumverzierungen machen, und alle Kuchensorten kann ich bald aus dem FF.

Alessia freut sich über meine Wissbegierde und hält mich für ein Coffeemaker-Talent. Außerdem gefällt ihr, wie ich mit den Gästen umgehe, die mir alle sehr freundlich begegnen. Sie sagt, dass nicht jeder die Ausstrahlung hat und den Leuten ein Lächeln auf die Gesichter zaubert. Dann erzählt sie mir von ihrer Heimat Italien und den sonnigen Gemütern dort.

Als wir um halb acht alles sauber haben und sie hinter uns die Tür abschließt, freue ich mich schon auf den nächsten Nachmittag, an dem ich kommen darf.

„Wie ist es mit Montag?“, fragt sie.

„Ich komme gerne“, freue ich mich über meinen Job und bin richtig glücklich.

„Dann bis Montag.“

Sie geht und ich bleibe unschlüssig stehen und weiß erst nicht, was ich als Nächstes machen möchte. Am liebsten würde ich jemanden anrufen und von meinem neuen Job erzählen. Aber wen? Meine Eltern wage ich nicht anzurufen, weil sie bei Julian waren und bei ihnen die Stimmung bestimmt wieder voll am Boden ist. Marcel fällt auch aus. Tim ist bestimmt mitten in seinen Auftrittsvorbereitungen und Ellen soll noch gar nichts davon wissen. Also gibt es niemanden.

Ich schlendere erneut durch die Fußgängerzone und überlege, ob ich mir ein Hähnchen vom Kochlöffel gönnen soll. Alessia hatte mir zwanzig Euro in die Hand gedrückt, obwohl ich nichts haben wollte. Ab Montag bekomme ich acht Euro die Stunde. Ich freue mich riesig darüber und nehme mir schon mal vor, mich bis dahin noch über alle Kaffeesorten und Kuchen ausführlich schlau zu machen. Ich möchte unseren Gästen etwas bieten.

Ich nehme mir die andere Seite der Geschäfte vor und bestaune die Auslage … und träume auch schon davon, mir mal was kaufen zu können.

Beim Kochlöffel suche ich mir im oberen Stockwerk einen Platz und esse ein halbes Hähnchen. Ich esse es sogar ganz auf. Tim wäre stolz auf mich.

Als ich den Imbiss wieder verlasse, ist es kurz nach acht und ich beschließe nach Hause zu fahren. Auf halbem Weg zum Bahnhof klingelt mein Handy. Es ist Ellen und ich nehme ab. „Hallo Ellen.“

„Hey, wo steckst du? Hast du Lust mit uns heute noch irgendwohin zu gehen? Du darfst auch aussuchen.“ Sie klingt gut gelaunt und in Partystimmung.

Ich würde schon gerne. Aber ich weiß, dass Erik auch da sein wird … oder zumindest durch Ellen erfahren wird, wo er uns findet.

Ich möchte ihn nicht sehen. Schon der Gedanke an ihn lässt mein Herz wehleidig aufseufzen. Sein Lachen und sein Blick hatten mich heute schon genügend verunsichert und ich weiß, sie können mich in meinen Grundfesten erschüttern.

„Ne, lass mal. Ich fahre jetzt nach Hause.“

Einen Augenblick ist es still in der Leitung. Die Ruhe vor dem Sturm.

„Du bist noch in der Stadt? Dann fährst du auf keinen Fall nach Hause. Komm, ich gehe heute auch mit dir ganz allein los. Keiner kommt mit. Nur du und ich. Bitte!“

Wer es glaubt.

„Ellen, dass klappt eh nicht. Das weißt du. Daniel und Erik sind immer überall aufgetaucht, wo wir waren.“

Sie brummt: „Nah und! So schlimm ist das doch nicht. Ich kann denen doch nicht verbieten, auf Partys zu gehen.“

„Das brauchst du auch nicht. Ich fahre jetzt nach Hause und wünsche euch viel Spaß.“

Abermals ist es einige Zeit still in der Leitung, weil Ellen sich bestimmt weitere Argumente einfallen lässt. Doch sie brummt nur: „Wenn du meinst. Aber dann morgen! Morgen bestehe ich drauf, dass du mir wieder etwas von deiner Zeit schenkst.“

„Ich schau mal. Wir telen dann noch. Ich muss mich morgen noch mit Marcel treffen. Ich habe es ihm versprochen. Mal sehen, wie ich dann drauf bin.“

„Aha! Wozu müsst ihr euch treffen?“

„Er will mit mir noch mal über alles reden.“

„Und dich erneut um den Finger wickeln?“, giftet sie.

„Ich glaube nicht, dass ich mich noch von irgendjemandem um den Finger wickeln lasse“, antworte ich nur.

„Okay“, sagt sie und lässt das Thema lieber fallen. „Du lässt dich also nicht erweichen und kommst mit mir mit?“

„Nein“, sage ich nur kurz angebunden, weil etwas in mir mit meiner Antwort nicht zufrieden ist.

„Dann ruf mich bitte morgen an. Oder ich rufe dich besser an. Du machst das eh wieder nicht. Mittlerweile kenne ich dich, wenn du so drauf bist. Also bis morgen. Und solltest du doch noch Lust haben mitzukommen, dann ruf einfach an. Wir holen dich dann ab, egal woher.“

„Danke. Rechnet da aber nicht mit“, sage ich und muss schmunzeln. Ellen kann so schlecht lockerlassen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Wie ihr Bruder.

„Schönen Abend noch“, raune ich und werde doch etwas wehmütig. Etwas drängt mich zuzusagen und ich weiß genau, was es ist. Deshalb gebe ich nicht nach.

„Dir auch, Carolin“, sagt sie und ihre Stimme klingt gar nicht mehr unternehmungslustig und in Partystimmung. Sie denkt sich bestimmt, dass ich jetzt traurig nach Hause schleiche und wegen Marcel und allem Drumherum unglücklich bin. Sie hat natürlich nicht ganz unrecht. Marcel fehlt mir. Und Erik auch.

Ich lege auf, den Bahnhof schon vor mir sehend. Hoffentlich erreiche ich noch den Bus um halb neun.

Ich laufe los und schaffe es gerade noch zum Busbahnhof, als mein Bus vor der Haltestelle hält. Es ist der letzte Bus, der abends noch fährt und mit dem ich bis nach Alfhausen komme. Ich kann dorthin nicht mit dem Zug fahren, wie nach Bramsche. In Alfhausen hält kein Zug.

Ich springe hinein und zeige meine Busfahrkarte.

Der Busfahrer registriert das, schenkt mir aber nicht mal ein Lächeln.

Ich setze mich in den zweiten Sitz und lehne mich zurück. Von Alfhausen komme ich abends auch nicht mehr weg. Ohne Auto ist man da genauso aufgeschmissen, wie bei meinen Eltern zu Hause.

Endlich fährt der Bus los und ich bin froh, dass ich es mir jetzt nicht noch einmal überlegen kann. Das Gefühl, doch lieber in der Stadt bleiben zu wollen, schleicht immer noch durch meine Adern, aber ich versuche das zu ignorieren. Heute nicht mehr … und fertig.

In Alfhausen muss ich noch einige Zeit laufen, bis ich zu dem Haus komme, in dem nun mein neues Wohndomizil liegt. Heute scheinen die anderen Nachbarn auch zu Hause zu sein. Sie haben einen separaten Eingang auf der anderen Hausseite.

Ich schließe die Haustür auf und gehe die Treppe hoch. Als ich die Wohnungstür aufschließe, empfängt mich nichts als leise Einsamkeit.

Ich gehe sofort zu meinem Laptop und fahre ihn noch, um wenigstens das Leise schnell abzustellen.

Als Musik die Wohnung erfüllt und in jedem Zimmer Licht brennt, geht es besser. Mein nächster Weg führt unter die Dusche und danach setze ich mich in mein Handtuch gewickelt wieder vor den Laptop. Im Internet finde ich alles über Kaffee, Kaffeesorten, und auch über die Kuchen und Torten, die in dem Cafe angeboten werden. Zu allem gibt es auch eine Entstehungsgeschichte. Einiges schreibe ich mir heraus und merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Damit ich die Nachbarn nicht störe, höre ich meine Musik über kleine Kopfhörer, die Tim mir aus seinem Auto gegeben hatte … mit dem dazugehörigen MP3 Player, den er für mich gekauft hatte und auf dem noch immer das Lied „Three Words“ ist. Ich war überrascht, was für einen Klang ich mit den kleinen Hörern habe und forsche nun weiter nach allem, was ich in dem kleinen Cafe an Wissen gebrauchen kann.

Es ist nach zwölf, als ich müde die Ohrhörer abnehme und mir aus dem Kühlschrank einen Saft hole. Ich verdünne ihn mit Wasser und will mich gerade wieder an meinen Laptop setzen, als mein Handy von irgendwoher erstickt brummt.

Ich gehe in den kleinen Flur und finde meine Tasche achtlos neben die Tür geworfen. Da meine Jacke auch noch obenauf liegt, klingt das Handy eher als läge es im Sterben.

Ich hebe meine Jacke auf und werfe sie auf einen der Küchenstühle. Meine Schultasche stelle ich auf einen der anderen Stühle und wühle zwischen den Schulbüchern nach dem Handy, das ich nach Ellens Anruf nur achtlos in die Tasche geworfen hatte, um schnell den Bus zu erreichen.

Es hat aufgehört zu klingeln, als ich es herausziehe. Mit Erstaunen sehe ich, dass das nicht der einzige Anruf war und dass auch mehrere SMSen im Laufe des Abends eingegangen sind. Zwei sind von Marcel. Die öffne ich, nachdem ich mich wieder auf den Stuhl warf und die Kopfhörer in die Ohren schob.

Du fehlst mir. Die Wohnung ist so schrecklich einsam ohne dich und Diego ist unendlich traurig … wie ich“, lese ich die erste.

Oh Mann, mein armer Marcel. Mir schießen Tränen in die Augen.

Die zweite ist noch gar nicht lange her.

Noch eine Nacht ohne dich. Nicht auszuhalten. Du hast mir versprochen, dass wir uns morgen sehen. Bitte schreib mir oder ruf mich an, wann.“

Mir ist noch mehr zum Heulen. Zumal auch so ein schnulziges Lied läuft, dessen Text ich zwar nicht verstehe, dass aber schrecklich wehmütig klingt.

Ich reiße die Kopfhörer aus den Ohren und schreibe ihm eine SMS zurück. „Hallo Marcel! Du hast morgen Nachmittag Training, nicht vergessen. Ich komme vormittags eben nach Bramsche und melde mich dann bei dir.“

Leider muss ich mich noch den drei anderen SMSen widmen, die ich lieber ignorieren würde, jetzt wo ich Marcels gelesen habe. Seine reichen eigentlich schon für ein mittleres Gefühlschaos. Aber bevor ich sie öffne, klingelt mein Handy wieder. Ich erschrecke fürchterlich, als der Klingelton durch die Wohnung schrillt und sehe auf das Display.

Ellen2.

Es hört nicht auf zu klingeln und ich hebe ab. „Ja!“, brumme ich ins Telefon und kann nicht fassen, dass mein Herz seine Taktzahl erhöht.

„Ich bins, Erik“, höre ich Erik knurren.

„Weiß ich“, antworte ich nur, nicht weniger bissig.

„Sorry, ist mir eigentlich klar. Ich war nur etwas verwirrt, dass du auf einmal rangehst. Ich versuche es schon den ganzen Abend. Hast du meine SMSen nicht gelesen?“ Er klingt wütend.

„Nein, ich habe gerade erst das Handy aus der Tasche geholt, weil Marcel mir geschrieben hat.“

„Ach, den hörst du?“, brummt Erik ungehalten.

„Das war Zufall, weil ich meine Kopfhörer kurz abgesetzt habe.“

Erik fragt leiser und sich scheinbar zur Ruhe zwingend: „Kopfhörer?“

„Ja, damit ich niemanden mitten in der Nacht mit meiner Musik störe.“ Ich wundere mich, dass ich schon wieder so mitteilsam bin. Erik schaltet bei mir scheinbar irgendeinen Knopf an und ich funktioniere, wie er das will.

„Wen kannst du stören? Wohnt noch jemand da, wo du bist?“ Er klingt ein wenig lauernd, obwohl er sich mittlerweile um eine neutrale Stimmlage bemüht.

„Nein, aber ich habe Nachbarn und weiß nicht, wie hellhörig das hier ist.“

„Sagst du mir wenigstens den Ort, in dem du jetzt wohnst?“ Er klingt ein wenig ungehalten, obwohl er auch das zu kaschieren versucht. Scheinbar hat Ellen ihm schon gesagt, dass ich keinem meine neue Adresse geben werde.

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