Kitabı oku: «Žižek in Teheran», sayfa 5
36
Der Zeigefinger und der Daumen am Hals des Nehru
Bewegen sich nicht mehr
Die Schrift ist ein
Gerücht
Zwischen der Erd’
Und dem Meer
Und den himmlischen Höhen gelegen
Mitten im Raum
Ist ein Ort
Wo, was irgend sich zeigt,
Sei noch so groß die Entfernung
Und jeglicher Laut
Zum gehöhleten Ohr dringt
Dieser Vers (ist nicht von mir, LeserIn
Noch auch von Hafes)
Kommt dir womöglich bekannt vor
Einer der Immer-kleiner-Werdenden, rechts vom Nehru, zitiert ihn
Mit dem ganzen Pathos Teherans
Welches im
Hin-und-Herwiegen des Kopfes sich zeigt
Wie junge Bombayanerinnen beim Reden
Jedoch ohne Anmut
Dem Zitierenden seine Hand
Scheint etwas unsichtbares Ovales zu halten
Wie die Hand eines Fürsten, der vom Balkon aus
Auf das Volk hinabwinkt
Nur daß der Rezitierende
Nicht ausschaut wie ein Fürst
Sondern untere Mittelschicht.
Alles hätte ich dem Gefängnisarzt zugetraut, LeserIn
Nur nicht, daß er Ovid zitiert
Letztens auf der Couch hatte er weder Bart, noch Brille
Hinter dieser kreisen ihm
Wie die Hypnose-Augen der Dschungelbuch-Kaa.
Die Augen.
Der Gefängnisarzt ist der einzige Bärtige der Runde
Abgesehen vom Nehru
Ich schätze ihn auf Anfang Vierzig
Den Nehru auf Fünfzig
Die aber keine Runde ist, sondern eine Reihe
Die anderen Immer-kleiner-Werdenden, den Nehru Flankierenden
Sind glattrasierte Yuppies
Dem Gefängnisarzt sein Bart
Ist weiß gesprenkelt wie der des Nehru
Aber ungepflegt.
37
Der Gefängnisarzt, ein Agent des Regimes?
Hat er mich verpfiffen?
Mein Analyse-Patient?
Die Analyse abgebrochen, um mich zu verpfeifen?
Aber
Was gibt’s bei mir zu verpfeifen?
Jetzt werde ich –
Ich werde ihn jetzt verpfeifen
Ich bin Analytiker
Er hat, statt zu assoziieren
Die Schrift zu verbreiten versucht.
Wenn er aber Die Schrift zu verbreiten versucht
Kann er doch nicht Geheimpolizist sein, islamischer
(Wenn auch humanistisch gebildet)
Oder doch?
Mein Analysand, mein ehemaliger
Fährt fort Ovid zu zitieren
Fama erkor sich die Statt und wohnt in der obersten Feste
Tag und Nacht ist es offen und ganz
Aus tönendem Erze
Hallet es ganz und erwidert den Laut
Das Gehörte verdoppelnd
Was Die Schrift betrifft, sagt der Nehru
Gibt es Verfasser, Verbreiter und Mitwisser
Und als er Mitwisser sagt
Schaut er mich an
Mit dem ganzen Pathos Teherans.
Ich … weiß nicht, wovon Sie reden
Was ist Die Schrift?
Nehru lächelt
Aber franziskanisch
Wir wissen, daß Sie wissen, und Sie wissen …
Nichts weiß ich, ich war in der Deutschen Schule
Jetzt das Internat Islamischer Mädchen
Der Kardan wurde ermordet
Schirin ist die Mörderin, das süße islamische Mädchen
Das interessiert Sie nicht? Nein?
Kennen Sie Kardan?
Sagen wir so, sagt der Nehru, nicht nur wir
Interessieren uns für Die Schrift
Die Schrift interessiert sich auch für uns
Der Gefängnisarzt nickt
In der Tiefe des Raumes hüpft die Snack auf und ab
Damit ich sie
Trotz der Mauer, bestehend aus Nehru und den Immerkleiner-Werdenen
Sehe.
Die Snack ist klein
Ich mag das
Und sie will mir (beachte den Doppelsinn, LeserIn!) etwas bedeuten
Indem sie die Hände auf- und abbewegt
Ihre Lippen formen seltsame Formen
Die Bewegungen dieser Hände und Lippen sind nicht pathetisch
Sondern hysterisch.
38
Sie sind entlassen, sagt Nehru.
Und der Mord?
Die Hände der Snack
Scheinen die Luft zusammenzukehren
Und zum Himmel hinauf
Die Snack ist zum einen begeistert
Ihre Begeisterung will sie, zweitens, auf mich übertragen
Sie strahlt
Sie sind entlassen, sagt Nehru
Die Kollegin wird Ihnen helfen.
Die Kollegin ist natürlich die Snack
Eine Verbeugung respektive die Andeutung einer solchen
Und Nehru und der Rattenschwanz verlassen im Gänsemarsch
Wie sie gekommen sind
Den Warteraum der Polizeiambulanz.
Der Gefängnisarzt
Wendet mir im Weggehen das Gesicht zu
Das mir dämlich vorkommt
Und mysteriös.
Die Snack
Gerade daß sie vor Freude nicht tanzt
Nähert sich wieder
Mit der Bar
Freut sie sich, daß sie mich los ist?
Nein, LeserIn, sie freut sich offensichtlich für mich
Kommen Sie!
In einem Nebenraum, dunkel, entnimmt sie
Einer Lade der Snackbar einen Schlüssel und befreit mich
Während sie fortfährt, zu strahlen
Von den Handschellen
Um meinerseits zur Heiterkeit beizutragen, sage ich Sollte ich
nicht einen Revers unterschreiben?
Das Strahlen verschwindet sogleich
Falls du, LeserIn, männlich bist, kennst du das
Sie scherzt und scherzt und kein Ende
Aber wehe, du scherzt zurück
Schluß mit lustig
In der, ohne das Strahlen der Snack, noch dunkleren Dunkelheit
Legt sie mir eine Augenbinde an
Daß sie mich mit verbundenen Augen hergebracht haben
In einem Kleinbus vermutlich
Sagte ich, LeserIn?
Oder?
39
Freunde
Habe ich in Teheran keine
Aber Genossen
Am Tisch
Die meine Kochkunst
Heute Rindfleisch mit Aprikosen und Pflaumen
In der Sprache Teherans unaussprechlich
Genießen.
Zutaten (für vier Personen)
Gelbe Linsen
Die aber keine Linsen sind
Sondern kleine Kichererbsen, geschält und halbiert
Haben die Größe von Linsen, aber dicker
Und lecker
Über Nacht eingeweicht, kochst du sie zwanzig bis dreißig Minuten
Wofür du aber den Dampfdrucktopf nehmen kannst
Getrocknete Hülsenfrüchte solltest du grundsätzlich
In einer Schüssel waschen
Oben schwimmende Teile sind zu entfernen
Rindfleisch
In zwei Mal zwei Zentimeter große Stücke schneiden usw. usw.
Der Greißler
Ist ein andrer als der Greißler
Im Teheran der Kindheit
Der gleiche Gestank
Der hier
Will aber Konversation
Ich liebe die Supermärkte von Teheran
Je größer, je lieber
Er stinkt
Und das Lächeln ist nett
Und erinnert
Und erzwingt Sympathie
An das Lächeln
Des Chefredakteurs jener Zeitung
Des Sprachrohrs des Führers
Der Republik, der Islamischen
Von Teheran
Erzwingt Sympathie
Wie der Vergewaltiger mitunter angeblich
Earth shattering orgasms.
Uns, LeserIn, erinnert dies Lächeln
Dies sympathische, eines Franziskaners aus Rom
Natürlich
An das des Nehru.
40
Meine Tischgenossen sind Angehörige
Der Neuen Unterschicht von Teheran
Aus
NachDenkSeiten
Die kritische Website
… diese Menschen wüssten gar nicht mehr, wie das ist, morgens aufstehen, sich rasieren, vernünftig anziehen und zur Arbeit fahren …
… Tattoos und Piercings, dicke Kinder, Bewegungsmangel und Fehlernährung, Videotheken, Gameboy und Premiere-Abonnement, Tabak, Alkohol und Lottospiel, ungezügelte Vermehrung bei Unfähigkeit zur Erziehung („Armut macht Kinder“), Unterschichtenfernsehen.
Das Schlimmste: Sonntags gehen diese Leute nicht mehr in guten Anzügen, sondern in Jogginganzügen auf die Straße …
(Hans Otto Rößer, Krieg dem Pöbel. Die neuen Unterschichten in der Soziologie deutscher Professoren)
Meine Tischgenossen kommen aber
Um Gottes Willen
Nicht täglich
Tischgenosse 1
Eigentlich bildender Künstler
Bildnerische Kunst interessiert mich
Nicht die Bohne
Und produziert braune Handytaschen mit der Aufschrift
Converse All Star
Die sich von den überall in Teheran erhältlichen
Braunen Handytaschen mit der Aufschrift
Converse All Star
Durch nichts unterscheiden.
Tischgenosse 2
Importiert Getränke aus Japan
D.h. er versucht
Getränke aus Japan zu importieren
Scheitert jedoch an den
Von den Revolutionsgarden, den Islamischen, kontrollierten
Teheraner Konzernen
Die sämtliche Importe
Aus
Und die spärlichen Exporte
Nach
Japan kontrollieren.
Tischgenosse 3
Ist Segellehrer
Ausgebildet am Wörthersee
Wo er seine Jugend verbracht hat
Mangels Interessenten arbeitslos
Und wegen des Fehlens natürlicher Voraussetzungen für das Segeln
Im Staate Teheran.
Ihre Tage
Verbringen die Tischgenossen
Beim Greißler
Weit und breit kein Supermarkt im Grätzl
Stell dir das Stehcafé beim Greißler
Wie das Stehcafé bei Tchibo vor
Drei Stehcafé-Tische
Ich kam mit den dreien
Auf der Straße, vor der Greißlerei, ins Gespräch
Über den unbedingten Willen des Greißlers
Zur Konversation.
Die Geburt der Tischgenossenschaft
Aus dem Geist des Unbehagens
Am unbedingten Willen des Greißlers
Zur Konversation.
Ich koche, die Tischgenossen essen
Und schweigen
Aber ich begrüße sie herzlich
Und verabschiede sie
Während ich das Eß-, zugleich Wartezimmer, verlasse
Begebe ich mich durch die Küche
In das Analysezimmer
Wo der Gefängnisarzt
Auf der Couch liegt und wartet
41
Daß er, ohne mir den April zu bezahlen, verschwunden ist
Sagte ich, LeserIn, oder?
Dann erscheint er in der Polizeiambulanz
Als Geheimpolizist, als islamischer
Wenn auch humanistisch gebildet (Ovid)
Im Gefolge des Nehru
Wie sind Sie reingekommen?
Durch die Hintertür.
Hätte er den vorderen Eingang benützt
Hätte er den Weg über das Wartezimmer (zugleich Eßzimmer)
Und über die Küche nehmen müssen
Hingegen man durch die Hintertür
Vom Garten aus direkt ins Analysezimmer kommt.
Wir hatten keinen Termin ausgemacht.
Sie werden doch meinen Analyseplatz nicht vergeben haben?
Es ist ein wirklicher, das heißt für mich subjektiv gewisser Vorgang, daß ich die Seele, und zwar wahrscheinlich die ganze Seele des Professors, vorübergehend im Leibe gehabt habe. Es war ein ziemlich umfangreicher Ballen oder Knäuel, den ich am ehesten mit einem entsprechenden Volumen Watte oder Spinngewebe vergleichen möchte, der mir im Wege des Wunders in den Bauch geschleudert worden war, vermutlich um darin seinen Untergang zu finden. Diese Seele im Leib zu behalten …
Aufhören!, brülle ich
Auf-hö-ren! Oder ich …
Noch nie, LeserIn, hat die Analytikerstimme
Sich über die Zimmerlautstärke erhoben
In der Analyse schon gar nicht
Und wie hätte mir, die Grundregel zu unterlaufen
(Daß die PatientIn alles, was ihr in den Sinn kommt, sagen soll)
Je in den Sinn kommen können?
Der Gefängnisarzt lacht
Oder Sie holen die Polizei?
42
Über die Zimmerlautstärke
Hat sich die Analytikerstimme noch niemals erhoben
Und schon gar nie hat der Körper des Analytikers
Sich auf den eines Analysanden gestürzt
Ob Geheimpolizist, islamischer, oder nicht
Um ihn zu würgen
Keine Gegenwehr
Und aus einem
Nachträglich nicht mehr zu rekonstruierenden
Grund
Fehlt ihm, LeserIn, jetzt, da ich ihn würge
Die Brille
Der Wegfall der Mikroskopbrille
Wie ich die Brille des Gefängnisarztes nenne
In Anlehnung an eine Erinnerung an das Gymnasium in Graz –
(Schon mal überlegt, LeserIn, warum es ausgerechnet
Erinnerung heißt?
Mit Betonung auf inner?
Wörtlich genommen hieße Erinnerung, mit Betonung auf inner
Daß etwas von außen nach innen gelangt
Er
Inner
Ung
Und dort bleibt.
Wenn wir aber Erinnerung sagen
Meinen wir nicht das.
Wörtlich genommen wäre
Er
Inner
Ung
Das Wahrnehmen und Speichern von etwas
Mit anderen Worten, daß etwas, von außen kommend
Eben nach innen gelangt, also eigentlich die Voraussetzung für Erinnerung
Die Voraussetzung also, daß später das stattfinden kann, was wir meinen, wenn wir Erinnerung sagen.)
Noch einmal
Der Wegfall der Mikroskopbrille
Macht den Gefängnisarzt auf einmal sympathisch
Er schielt ein wenig
Hingegen mit Mikroskopbrille
Weder schielt, noch sympathisch
Vergrößert die Mikroskopbrille doch dem Gefängnisarzt seine Augen
Und sie kreisen mitunter
Die Brille nenne ich Mikroskopbrille
Wie gesagt, in Anlehnung an eine Erinnerung
An das Gymnasium in Graz
Einen der Kameraden
Einer widerwärtiger
Als der andere
Nannten sie Mikroskopbrille
Weil die Brille vergrößerte ihm die schielenden Augen
Die kreisten mitunter wie wild.
43
Und schon gar nie
Hat dem Analytiker sein Körper
Sich auf den eines Analysanden gestürzt
Ob Geheimpolizist, islamischer, oder nicht
Um zu würgen.
Geh! Heim! Polizist! Islamischer!
Hätte ich sollen sagen
In Wahrheit drücke ich mich weit unfeiner aus
Über den armen Geheimpolizisten
Ergießt sich a tirade (a protracted speech, usually marked by intemperate, vituperative or harshly censorious language).
Gedicht
Mutterhure
Vaterhund
Vaterhure
Muttermund
Gudrun
Kundry
Radegund
Laßt mich, würge ich, ENDLICH IN RUHE
Mit eurer Schrift, eurer scheißheiligen!
Als ich scheißheiligen sage, knattert es
Aus dem Gefängnisarzt seinem Gesicht
Ein Lachen?
Kann einer lachen, LeserIn, wenn man ihn würgt?
Später wird er sagen
Zu scheißheiligen sei ihm Eisheiligen eingefallen
Als Reim
Darüber er hätte er gelacht.
Scheißheilige Eisheilige
Pankratius, Servatius, Bonifatius
Und danach fehlt nie
Die kalte Sophie
44
Laßt mich, würge ich also, endlich in Ruhe
Mit eurer scheißheiligen Schrift
Keine Ahnung, ich bin Analytiker, was es mit eurer
Scheißheiligenschrift auf sich haben soll
Bitte nicht würgen, würgt der Gefängnisarzt aus sich heraus
Ich glaube es Ihnen.
Ich muß alles wissen, sage ich respektive brülle
Und würge
Alles, sage ich, Die Schrift, der Elektrische, und warum ist er tot? Ihr habt ihn getötet, nicht wahr? Und was es mit dem Haus des Vergessens der Bibliothek usw. auf sich hat und mit der Schirin und Narges und …
Alles!, würgt der Gefängnisarzt (wird immer blauer), ja, alles!
Aus sich heraus
Und
Ich bin eh kein –
Schweigen
Ja?
Kein Geheimpolizist.
45
Klein ist der Gefängnisarzt
Korpulent und kompakt
Es sitzt sich gut auf ihm
Druckelastisch
Ideal für mein Gesäß ohne Sitzfleisch
Je mehr ich würge
Desto orthopädischer sitzt es sich
Auf dem Gefängnisarzt
Jetzt, da ich nicht mehr würge
Und brülle auch nicht
Läßt die Muskelspannung
Nach und nach
Nach
Und versinke, weich
Um nicht zu sagen, daß mein Gesäß
Mit dem Gefängnisarzt seiner Haut zusammenwächst
Zum Einheitsorgan.
Apropos Nicht-mehr-Brüllen
Sagt der Gefängnisarzt
Spricht langsam
Und tief
Es existiert ein fundamentales Mißverständnis, welches darauf beruht, daß Gott den lebenden Menschen eigentlich nicht kannte
NICHT SCHON WIEDER!
und nicht zu kennen brauchte, sondern weltordnungsmäßig nur mit Leichen zu verkehren hatte. Bei jeder Einstellung meiner Denktätigkeit erachtet Gott augenblicklich meine geistigen Fähigkeiten für erloschen, den
Blödsinn
für eingetreten und die Möglichkeit eines Rückzugs für gegeben. Irgendein Geräusch in meiner Umgebung, meist in Roheitsausbrüchen bestehend, wird gewundert. Gleichzeitig tritt, fast augenblicklich, das sogenannte
Brüllwunder
auf, bei welchem meine dem Atmungsvorgange dienenden Muskeln von Ariman dergestalt in Bewegung gesetzt werden, daß ich genötigt bin, den Brüllaut auszustoßen, sofern ich nicht besondere Mühe auf seine Unterdrückung verwende. Zuzeiten erfolgt das Brüllen in so rascher und häufiger Wiederholung, daß für mich ein nahezu unerträglicher Zustand sich ergibt und in der Nacht das Liegenbleiben im Bett unmöglich wird.
Der Zweck scheint ein doppelter zu sein – einesteils sich den Eindruck eines vor Blödsinn brüllenden Menschen zu verschaffen und andernteils die vom oberen Gott, Ormuzd, gesetzten inneren Stimmen an dem durch das Brüllen entstehenden Geräusch ersticken zu lassen, damit Ariman auf die in meinem Körper entstehende Seelenwollust rechnen kann, um sich dagegen zu sichern, daß er in meinem Körper ohne Seelenwollust eingehe.
46
NICHT SCHON WIEDER!, sag’ natürlich ich, LeserIn
Um in Folge dem Gottesirrsinn respektive Gottes Irrsinn
Gebannt zu lauschen.
Sobald er mit dem Deklamieren der Gottespassage fertig ist
Wendet er mir
Sein mittlerweile hochrotes Gesicht zu
Nein, nicht der Gefängnisarzt
Ist mit der Gottespassage fertig
(Fürs erste jedenfalls)
Sondern
Gott mit ihm
Der Gefängnisarzt scheint nämlich tatsächlich
Aus einer Art Trance aufzuwachen
Als hätte nicht er gesprochen
Sondern der Gottesirrsinn aus ihm
Jetzt spricht er wieder normal
Aber solches vorzuspielen
Lernt man doch als Geheimpolizist, nicht wahr, LeserIn?
Und wozu das alles?
Ich will alles wissen.
Ja, sagt der Gefängnisarzt
Die Schrift, sage ich.
Ja, sagt der Gefängnisarzt, derweil die Gesichtsfarbe wechselt
Von Rot auf Gelb.
Ich habe ihn auswendig gelernt, den Text
Ja?
Um ihn aus dem Gefängnis zu schmuggeln.
Da erst habe ich erfahren, daß der Gefängnisarzt der Gefängnisarzt ist.
47
Ich bin der Gefängnisarzt, sagt der Gefängnisarzt
Sozialarbeiter eigentlich, aber im Gefängnis sagen sie Gefängnisarzt zu mir.
Du erwartest eine Erklärung, LeserIn?
Der Gefängnisarzt ist der Gefängnisarzt
Auch wenn er Sozialarbeiter ist, eigentlich
Das sollte reichen.
Der Gefängnisarzt berichtet
In den Sechzigerjahren
War Vater ein Teheraner Hippie
Bei einem Yogi in Bombay lernte er Hypnose
Zurück in Teheran nannte er sich
Kabuk
Und trat im Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens
(U.a.) als Hypnotiseur auf
(Stell dir einen Mann vor, in weißem Anzug, LeserIn
Und Krawatte, in den besten Jahren, und Hitlerbart
Hippies kamen unter dem Kaiser
Im Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens zwar vor
Aber nicht als wissenschaftliche Autorität in Sachen Hypnose zum Beispiel)
In den Siebzigerjahren wirkte Vater als Architekt
Inspiriert durch die
Habitat-Siedlung
Des Tel-Avivischen Architekten
Moshe Safdie
Plante er das berühmte Habitat-Gefängnis
Mit seinem Partner Aschkan Namwar
Im Norden von Nord-Teheran
Ist heute von unserem Gefängnis die Rede
Fällt immer der Name Namwar, nie der Name des Vaters
Als die Islamischen in Teheran die Macht übernahmen
Hat Namwar sich mit der Macht arrangiert
Ich sage unser Gefängnis
Ich war elf, als das Gefängnis gebaut wurde
Im Sommer nahm mich Vater
Oft zur Baustelle mit
Einmal
Bin ich fast verunglückt
Ich will Architekt werden, sagte ich
Ich bin ein politischer Architekt!
Sagte Vater
Mein Gefängnis ist ein Gefängnis für glückliche Menschen!
Kann ein Gebäude glücklich machen?
In meinem Gefängnis kann es keine politischen
Häftlinge geben!
Mein Gefängnis steht im Widerspruch zu jedem Regime!
Morgens
Wenn ich beim Verlassen des Ausgangs der U-Bahn-Station
Die Bauklötze, die zusammengewürfelten, des Habitat-Gefängnisses sehe
Höre ich im Geiste die Stimme des Vaters
Seine Parolen skandieren.
In der Regel verwenden Regime ihre Gefängnisse
Nicht als Denkmäler
Nicht so die Republik, die Islamische, von Teheran
In keinem Prospekt der Teheraner Tourismusbehörde
Fehlt ein Bild des Habitat-Gefängnisses
Des futuristischsten aller Gefängnisgebäude der Welt.