Kitabı oku: «Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort», sayfa 7

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„Nein!“ Unhöflich falle ich George ins Wort. „Ich brauche Sie hier. Als verlässlichen Zuträger und Ermittler. Und natürlich, um Sie aus dem Schussfeld zu halten. Sollte mir ein Unglück geschehen, sind Sie der Einzige, der Anklage erheben und dafür sorgen kann, dass mein Tod gründlich untersucht wird.“

Es ist überhaupt nicht schön, über den eigenen Tod zu reden, und ich bekomme das Gefühl, als ob der düstere Sensenmann bereits hinter mir steht. Mir sträuben sich nämlich die Nackenhärchen. Das kann aber auch an dem kühlen Luftzug liegen, der über den Bahnsteig streicht. Ein weiterer Zug fährt ein, spuckt Menschen aus und nimmt neue auf.

„Also gut.“ George seufzt resigniert. „Doch Sie überlegen sich etwas zu Ihrem Eigenschutz, ansonsten gehe ich gegen Ihren Willen zu Kilbourne. Und wenn ich den Eindruck gewinne, dass wir dabei sind mit fliegenden Fahnen unterzugehen, weihe ich den DCI ebenfalls ein.“

Ist er nicht süß?

„Deal“, brumme ich halbherzig.

„Ich meine das ernst, Sir. In Ihr Haus wurde eingebrochen. Sie werden abgehört. Und zwei Ihrer Vorgänger sind tot.“

„Okay, okay. Ich hab’s ja verstanden. Pfefferspray reicht wohl nicht?“

„Sir!“

Bloody hell!

Der gibt garantiert erst Ruhe, wenn ein Panzer in meinem Garten steht.

###

In meinen vier Wänden habe ich lautstark mit der Winkelspinne Ethel diskutiert, was für ein Buch ich vor dem Schlafengehen lesen sollte. Für dieses Alibi habe ich mir in Exeter extra ein paar Romane gekauft. Mit einem Ms. Marple-Klassiker und dem Laptop mache ich es mir im Bett gemütlich. Freilich schmökere ich keineswegs in dem Krimi, sondern nehme mir Georges Datenträger vor. Das Buch nutze ich lediglich, um für die Wanze im Zimmer ab und an mit den Seiten zu rascheln oder um eine Zeile vor mich hinzumurmeln. Der heimliche Lauscher soll schließlich glauben, dass ich relaxe, statt ihm auf der Spur zu bleiben. Um das Klappern der Tastatur zu übertünchen, schalte ich das Radio ein. Danach sichte ich still und leise die einzelnen Dateien. Zunächst schaue ich mir die Tatortfotos an. Charlie Welshams Leiche, die an dem Deckenbalken hängt, bietet ein echt trauriges Bild. Es gibt Nahaufnahmen von der rohen Spur an seinem Hals, die der Strick hinterlassen hat. Beim Erhängen ist nicht etwa Charlies Genick gebrochen, sondern er ist qualvoll erstickt. Armer Kerl ... Der Autopsiebericht bescheinigt den Tod durch Ersticken. Außerdem steht dort, dass sich eine Menge Antidepressiva in seinem Blut befunden hat. Das ist mir neu, passt allerdings zu einigen aufgenommenen Niederschriften der Bloomweller, dass Welsham eher trüben Gemüts war. Allmählich weiß ich wirklich nicht mehr, was ich glauben soll. Aufmerksam lese ich die Protokolle über die Befragungen Einzelner zu Charlies Tod. Es gibt etliche Aussagen, dass Welsham ein trauriger, einsamer Mann gewesen ist. Die Talbott-Schwestern und Mrs. Holland von der Bäckerei erklärten übereinstimmend, dass sie versucht hatten, Welsham in die Bloomweller Gesellschaft zu integrieren. Er hat die Angebote abgelehnt und das Alleinsein vorgezogen. Einzig Nathan und Mrs. Maggie Fitzgerald erzählten der Polizei, dass Welsham völlig normal gewesen sei. Das wiederum führt mich zu Colemans und Patrick Fitzgeralds Aussage, Welsham hätte ein Alkoholproblem gehabt. Die Gerichtsmedizinerin, Mrs. Marcie Durchester, hat zu meiner Verwunderung in ihrem Bericht keine Trinkerleber erwähnt. Nach diesem Protokoll hatte Charlie nicht einmal eine gereizte Magenschleimhaut geschweige denn einen Tropfen Alkohol im Blut. Also haben Coleman und der Wirt gelogen. Ich blättere in dem Roman und lege ihn danach auf den Nachttisch zurück. Gedanklich bin ich mittlerweile bei Coleman und Nathan. Die beiden haben sich laut der Unterlagen eine wilde Schlägerei geliefert, weshalb Welsham sie über Nacht in die Zellen des CID-Büros gesperrt hat. Aufgrund der Geringfügigkeit des Vergehens – beide hatten nichts weiter als ein paar blaue Flecken, eine aufgeplatzte Oberlippe und ein Veilchen – hat er auf einen Strafantrag verzichtet und die Angelegenheit mit ein paar Stunden hinter Gittern auf sich beruhen lassen. Kein Wort über den Grund des Streits. Aber drei Tage später fiel Nathan nochmal unangenehm auf, weil er sich nun mit Welsham selbst in die Haare geriet. Mrs. Pratcourt hat das auf der Straße geführte Wortgefecht beobachtet und ausgesagt, dass Nathan schrecklich wütend gewesen sei. Mr. Welsham dagegen hat ihn zu beruhigen versucht. Daraufhin trat Nathan gegen den Brunnenrand und ging aufgebracht davon.

„Ich schwör’s Ihnen, das werden Sie bereuen!“, hatte er Welsham zum Abschied zugebrüllt. Das waren die einzigen Worte gewesen, die Mrs. Pratcourt von dem Streit verstehen konnte.

Mit der Spitze des Zeigefingers tippe ich mir nachdenklich gegen die geschürzte Oberlippe. Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass Nathan plötzlich im Ranking der möglichen Täter nach oben rückt. Ist er einer der Guten oder gehört er zu IHNEN und führt mich geschickt in die Irre? Er weiß, wo mein Zweitschlüssel hängt. Dieses Wissen hätte er an den Wanzenverstecker weitergeben können. Ich ziehe eine Grimasse, weil ich nicht will, dass er einer von IHNEN ist. Ich will ihn wenigstens vorher küssen, verdammt und verflucht!

Alastair!, denke ich und versuche möglichst streng mit mir zu sein, während die verräterische Libido hemmungslos kichert. Vielleicht sollte ich mir einen DVD-Rekorder, ein paar schmutzige Filmchen und eine Packung Kleenex besorgen, damit ich endlich …

Halt! Nein!

Das geht ja wegen der blöden Lauscher nicht.

Boah!

Mein Liebesleben ist so was von im Arsch!

Na ja, wenigstens etwas ...

Ich gähne. Es war ein langer Tag und langsam werde ich müde. Trotzdem nehme ich mir jetzt den Bericht über Toby Pearce vor. Pearce war DS in Bloomwell, bevor Welsham ihn ablöste. Und bei ihm sind sich die Bloomweller einig: Er trank gerne, war laut und ungehobelt. Das Wort sensibel war ihm fremd. Dafür war Pearce unerbittlich. Der geringste Verstoß gegen die Ordnung wurde von ihm gnadenlos verfolgt und geahndet. Er war gewiss ein guter Polizist gewesen, dafür hatte er sich eine Medaille in Unbeliebtheit verdient. Nach einem langen Abend im Pub war er nachts allein durch die Straßen heimwärts getorkelt. Genau wie Welsham hatte er in dem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Haus gewohnt. Es hätte mich nicht gewundert, wenn man dieses Häuschen inzwischen als verflucht bezeichnen würde. Im Dunkeln und im Suff gefangen, war Pearce an seinem Heim vorbeigewankt und auf die kleine steinerne Bogenbrücke geraten, die einen Bachlauf überspannt. Kurz vor der Brücke hat die Spurensicherung Erbrochenes gefunden, das man Pearce zuordnen konnte. Wahrscheinlich hatte sein Körper versucht, das Übermaß an Alkohol loszuwerden und ihm war übel geworden. Möglicherweise musste er sich auf der Brücke erneut übergeben. Er hat sich übers niedrige Geländer gebeugt und dabei das Gleichgewicht verloren. Oder er war auf seinen unsicheren Beinen gestolpert und in die Tiefe gestürzt. Der Bachlauf ist steinig, wie die Tatortfotos belegen. Einige richtig gewaltige Felsbrocken befinden sich darin. Es ist daher keine große Kunst, sich bei einem Sturz das Genick zu brechen oder den Schädel einzuschlagen. Im Autopsiebericht steht, dass Pearces Blutwerte einen Alkoholpegel von 2,1 Promille angezeigt haben, sein Genick, ein Wirbel, das Becken und ein Oberschenkel gebrochen waren und er etliche Prellmarken auf dem Rücken hatte. Kein Wunder, da er rücklings aufgeschlagen war. Sollte er von hinten gestoßen worden sein, hat der Aufprall diese Spuren zumindest überdeckt. Natürlich kann Toby Pearces Tod auch tatsächlich ein Unglück gewesen sein. Darauf wetten will ich lieber nicht.

Ich muss ein weiteres Mal gähnen. Ein Blick zur Uhr zeigt mir, dass die Geisterstunde herum ist und sich sämtliche Gespenster nach anstrengendem Herumgespuke längst zur Ruhe begeben haben.

„Nur noch rasch …“, brumme ich und blättere in dem Roman. Danach studiere ich aufmerksam die Liste mit den Unglücksfällen. In den letzten fünfzehn Jahren hat es unglaubliche zwanzig davon mit Todesfolge in und um Bloomwell gegeben. Na ja, nicht ganz. Brian O’Kelly hatte seinen Absturz überlebt. Allerdings hat sein Hirn gelitten und er ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Aufzählung führt ein Samuel Firth an, der vor einen einfahrenden Zug gestolpert ist. Ein weiterer Dorfbewohner wurde versehentlich auf der Jagd nach Fasanen und Wachteln erschossen. Ein anderer starb an einem unerwarteten Herzinfarkt, obwohl er bis dahin fit und munter war. Mrs. Goose sammelte Pilze für eine herzhafte Suppe und hat sich ungewollt vergiftet. Mein Haus hatte bis zu ihrem Tod ihr gehört und der Lady habe ich es obendrein zu verdanken, dass auf dem Sofa ein Häkeldeckchen liegt. Ein Ehepaar hatte einen schrecklichen Autounfall und ist in seinem Wagen verbrannt. Wie Nathan hießen sie Scatterfey und mit Sicherheit waren sie miteinander verwandt. Bedeutet das, dass ich Nathan wieder von der Liste der Verdächtigen streichen kann? Weitere Leute sind ertrunken, die Treppe hinabgestürzt und nach einem Kettensägenschnitt ins Bein verblutet. Neben Welsham gibt es sogar einen zweiten Selbstmord. Ein junges Mädchen namens Mariska Chapple hat sich in der Garage ihrer Eltern umgebracht. Sie hat sich bei laufendem Motor ins Auto gesetzt und vorher einen Schlauch vom Auspuff ins Wageninnere gelegt. Ihre Autopsie ergab, dass sie im vierten Monat schwanger war. Das Geheimnis um ihre Schwangerschaft ist auf einem Dorffest herausgekommen und hat sich unter den Einwohnern wie ein Lauffeuer verbreitet. Der Verlust eines jungen Mädchens und werdenden Mutter ist bitter. Ich kann ihre Eltern verstehen, die daraufhin weggezogen sind, um dem Dorftratsch und den Erinnerungen zu entgehen. George war fleißig und hat herausgefunden, dass zwei Drittel der Verstorbenen zugezogene Bewohner Bloomwells waren. Ob das etwas zu bedeuten hat?

Allmählich werden meine Lider schwerer und schwerer. Es wird Zeit, dass ich an der Matratze horche. Darum klappe ich den Laptop leise zu und versenke ihn in seinem Versteck im Wäschekorb. Den USB-Stick von George klebe ich mit Hilfe von doppelseitigem Klebeband zum gekauften hinter den Spiegelschrank im Bad. Ethel wird die beiden Datenträger hoffentlich bewachen. Ich pinkle, wünsche meiner Hausspinne eine angenehme Nacht, lege das Buch auf den Nachttisch und krieche unter die leichte Decke. Und schon versinke ich in düsteren Träumen.

Freitag, 07. Juni

Das Piepsen der Vögel im Garten ist wie ein Presslufthammer im Schädel. Obwohl ich das Gesicht ins Kissen drücke, brennt mir die Morgensonne den Inhalt meiner Denkmurmel weg. Zu meinem Leidwesen bin ich nicht in der Lage, aufzustehen und die Fensterläden zu schließen. Mir ist schwindlig und übel. Der Kopf schmerzt unerträglich.

Ab und an erwischt mich eine Migräneattacke. Heute ist so ein Tag. Um die passenden Medikamente zu nehmen, ist es zu spät. Sie helfen bloß, wenn man die Migräne herannahen spürt. Dieser Anfall hat sich heimtückisch im Schlaf angepirscht. Am liebsten würde ich mir den Schädel an der Wand einschlagen, damit der Schmerz endet. Ich kann mich aber nicht bewegen, lediglich daliegen und leiden.

Irgendwann bekomme ich mit, wie die Haustür geöffnet wird. Jemand hat mein Heim betreten. Zusätzlich zum Kopf beginnt das Herz zu wummern.

Schritte.

Türen klappern, ein Wasserhahn wird aufgedreht.

Weitere Schritte, ein Murmeln. Zu meinem Entsetzen kommt der Eindringling wenige Sekunden später die Treppe hinauf. Ich wälze mich auf den Rücken, ziehe die Decke bis zur Nasenspitze und blinzle gegen die grelle Helligkeit an. Die Tür wird aufgestoßen und …

„Aaaaaaaah!“

Der erschrockene Schrei bohrt sich wie ein glühender Dreizack durch Schläfen und Stirn. Und mir dämmert die Erkenntnis, dass heute Freitag und Mrs. O’Kelly zum Putzen gekommen ist. Nun steht sie vor mir, in Kittelschürze, mit Gummihandschuhen und einem Eimer Wasser, auf dem Schaum schwimmt.

„Mr. Culpepper! Was machen Sie hier? Sollten Sie nicht im Büro sein? Hach! Das war knapp an einem Herzinfarkt vorbei.“

Kopfschmerzen! Bitte nicht reden.

„Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind weißer als eine frisch gekalkte Wand.“

„Migräne“, wispere ich und sinke tiefer ins Kissen.

„Oh, Sie armer, armer Mann!“

Der Eimer wird scheppernd abgestellt. Mrs. O’Kelly trampelt zum Fenster und schlägt die Fensterläden zu. Wohltuende Dunkelheit senkt sich über das Zimmer.

„Bleiben Sie liegen …“

Keine Chance, dass ich aufstehe, Teuerste.

„… ich lasse heute die obere Etage aus und putze nur unten durch.“

Danke.

„Den Staubsauger benutze ich nicht, da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Ich verwende den Besen und einen Wischmopp.“

Pschscht!

Äh?

Weshalb verschwindet sie im Bad?

Es kommt, wie es kommen muss …

„Mr. Culpepper! Da sitzt eine Spinne, so groß wie ein Omnibus!“

Ich fahre senkrecht in die Höhe. Schwindel packt mich und mein Schädel brüllt auf.

„Sitzen lassen! Ethel ist ausdrücklich erwünscht.“

Mrs. O’Kellys erstauntes Gesicht taucht in der Tür auf. „Sind Sie sicher?“

„Extrem sicher. Was suchen Sie da?“

„Ein Schmerzmittel für Ihren Kopf.“

„Ein Beil finden Sie womöglich im Gartenschuppen.“

Sie lacht. Zu laut. Viel zu laut. Ich verkrieche mich erneut unter der Decke, um mich wie ein Engerling zusammenzurollen. Schränke werden polternd geöffnet, Schachteln und Dosen mit unerträglichem Kratzen hin- und hergeschoben. Wasser rauscht. Auf ihren Steppschuhen nähert sich Mrs. O’Kelly dem Bett.

„Ich habe keine Ahnung, wo Ihre Migränetabletten sind. Dafür konnte ich ein anderes Schmerzmittel entdecken. Ziemlich stark dosiert, wenn Sie mich fragen. Und ein Glas Wasser, damit Sie die Tablette hinunterspülen können.“

„Danke“, entgegne ich schwach.

„Ich bin dann unten. Rufen Sie mich, sollten Sie Hilfe benötigen.“

Ein mattes Handheben muss als Antwort reichen. Wenn ich nicke, explodiert etwas und gibt eine mächtige Sauerei im und rund ums Bett. Mrs. O’Kelly donnert mit ihrem Eimer über die Treppe und ich verleibe mir unter Aufbietung der letzten Kräfte die Tablette ein.

Es ist dunkel. Es ist relativ still. Ich sinke in eine Art Dämmerschlaf, in dem es nur das Pochen der Presslufthämmer hinter der Stirn gibt. Der Wecker auf dem Nachttisch tickt, tickt, tickt, tickt …

Blubb!

Leise klappe ich den Toilettendeckel herab und schlurfe mühsam und wie ein sehr alter Greis ins Bett zurück, nachdem das Ticken ein feuchtes Ende genommen hat. Die Übelkeit steigt meinen Magen hinauf und es braucht einige Überredungskunst, bis sich dieser Bereich wieder beruhigt. Wenigstens beginnt die Tablette langsam zu wirken. Das fiese Wummern wird zu einem hartnäckigen Klopfen. Die Augen klappen zu und ich gleite zurück in den Halbschlaf, der mir hoffentlich hilft, den Anfall zu überwinden.

Hammerschläge direkt überm Kopf reißen mich wenig später aus der samtigen Schwärze. Ich muss tatsächlich eingeschlafen sein.

Bumm! Bumm! Bumm!

Gequält presse ich die Hände gegen meinen armen Schädel.

„Was …?“, wimmere ich hilflos.

„Was machen Sie da?“, ruft Mrs. O’Kelly draußen.

„Das Dach heil“, tönt es rau von oben zurück.

Nathan!

Er hockt über mir und ich kann es dank der beschissenen Migräne nicht würdigen.

„Hören Sie sofort damit auf! Der DI ist krank und braucht Ruhe“, brüllt meine Putzfee aus voller Lunge. Ich weiß, sie meint es nur gut.

„Oh! Schlimm?“

Ein leises Tapsen zeigt an, dass Nathan übers Dach läuft.

„Sehr schlimm.“

„Genau“, brumme ich. „Furchtbar schlimm.“

Gleich darauf wird aus dem Geschrei draußen ein unverständliches Geflüster. Ich wünsche mir wirklich, dass es dabei bleibt, damit ich endlich meine Unpässlichkeit auskurieren kann. Eine Weile liege ich da und genieße die Stille und die dumpfen Schmerzen. Durch die offene Tür zum Bad erspähe ich Ethel, die über die Wand krabbelt. Zumindest sie beherrscht die Kunst der lautlosen Fortbewegung. Die Lider werden schwerer, der Körper will sich hartnäckig in erholsamen Schlaf flüchten …

„Mr. Culpepper?“ Mrs. O‘Kellys Stimme ertönt direkt neben meinem Ohr.

Ich stöhne.

„Da sind zwei Herren vom Lieferdienst. Die haben Sie in der Dienststelle gesucht und wurden hierhergeschickt. Sie bringen einen Fotokopierer.“

Kopierer? Ich habe keinen Kopierer bestellt. Ach! Wenn ich mich richtig erinnere, hat George etwas davon gesagt, dass er einen ordern würde. Und jetzt soll ich mir das Ding unter den Arm klemmen und ins Büro tragen oder hier womöglich zur Badewanne stellen, damit Ethel ihre acht Beine ablichten kann?

„Lassen Sie mich kurz mit ihm reden, Kendra.“

Ist das mittlerweile ein Clubtreffen oder warum steht Nathan plötzlich ebenfalls am Bett? Wenigstens ist es dunkel und er kann meinen desolaten Zustand nicht richtig erkennen. Hoffe ich ...

„Alastair, wo ist dein Schlüssel fürs Büro? Ich kümmere mich um den Kopierer, okay?“

Mühsam öffne ich ein Auge. „Tablette!“

„Eine zweite?“ Mrs. O’Kelly schaut skeptisch, schnappt sich trotzdem das leere Wasserglas und verschwindet ins Bad.

„Jacketttasche im Flur“, bringe ich matt hervor.

„Ich habe übrigens dein Türschloss ausgetauscht. Die neuen Schlüssel liegen auf dem Garderobenschrank. Sag mal, was ist eigentlich mit dir los?“, will Nathan wissen. Hat meine Putzfee ihn nicht darüber informiert?

„Migräne.“

„Ach du liebe Güte! Du brauchst Ruhe.“

Es gibt bestimmt mildernde Umstände, wenn ich ihn töte.

„Gute Besserung, Kleiner.“ Mit dem frommen Wunsch verschwindet er. Zumindest trampelt er nicht wie ein Elefant die Treppe hinunter. Als Mrs. O’Kelly mit Wasser und Medikament zurückkehrt, ertönt von draußen das Röhren eines Motors. Offenbar fährt dort ein schwerer Wagen weg. Hat Nathan mich wirklich Kleiner genannt? Der spinnt wohl!

„Sie sollten etwas schlafen, Mr. Culpepper.“

Gierig schlucke ich die Tablette, die sie mir reicht, und spüle mit Wasser nach.

„Kann ich Sie denn in dem Zustand allein lassen?“ Sie klingt besorgt, was richtig nett ist.

„Kein Problem.“

„Ich habe Ihnen etwas zu Essen gemacht. Geben Sie ein bisschen Milch oder Wasser hinzu, wenn Sie es in der Mikrowelle aufwärmen, ja?“

Sie gibt mir wahrhaftig einen Kuss auf die Stirn, als wäre ich ihr kleiner Junge und sie meine Mum. Seltsamerweise schlafe ich unmittelbar darauf ein und werde von niemandem mehr gestört.

###

Wie gerädert stehe ich am frühen Abend, bekleidet mit Pyjama und Morgenmantel, in der Küche. Nach der Migräne fühle ich mich immer, als hätte ich vierundzwanzig Stunden lang durchgesoffen. Bloß der Spaß beim Trinken fehlt. Inzwischen hat mich die Aussicht auf eine kleine Mahlzeit aus dem Bett gelockt. Vor mir auf dem Tisch steht ein liebevoll angerichtetes Tablett mit einem Becher, einer Rosenblüte in einer Minivase und einem abgedeckten Teller. Daneben befindet sich eine Thermoskanne und die Tageszeitung. Neugierig lupfe ich den Mikrowellendeckel. Porridge! Mrs. O’Kelly hat mir ein herrliches Porridge gekocht, mit Mohn bestreut, angeröstete Mandeln und Banane dazugegeben und das Ganze mit Ahornsirup beträufelt. Mit aufkeimendem Appetit schnuppere ich. Da rieche ich eine angemessene Portion Zimt. Ich liebe Zimt. Und Mrs. O’Kelly. Die liebe ich mittlerweile auch. Bevor ich mich setze und diese verheißungsvolle Aufmerksamkeit verspeise, hole ich mir noch das Handy. Es hat überraschenderweise Empfang und prompt sind von meiner Schwester wohlmeinende Grüße eingegangen, die ich selbstverständlich erwidere. Danach schenke ich mir Tee ein, gebe einen Schuss Milch hinzu, klemme mir die Zeitung unter den Arm und trage das Tablett ins Schlafzimmer. Die Fensterläden öffne ich, um frische Luft und Licht hereinzulassen. Im Kopf verspüre ich lediglich einen dumpfen Druck, der mir anzeigt, dass die Migräne vorbei ist und ich mich morgen unter Menschen wagen kann. Das ist gut, weil Nathan ja mit mir angeln gehen will. Oder mich ermorden.

Verschwindet!, befehle ich den ungewollten Gedanken. Heute wird nicht mehr gegrübelt. Das führt bloß zu neuerlichen Kopfschmerzen.

Ich mache es mir wieder im Bett bequem, ziehe das Tablett auf meinen Schoß, löffle das Porridge und lese dabei das Tagesblatt. Es ist gemütlich und ruhig. Die Stille wird nur von einem Klirren des Löffels gegen den Tellerrand oder dem Rascheln der Zeitung unterbrochen. Ich bin einsame Abende gewohnt und genieße üblicherweise meine Freiheit. Seltsamerweise fehlt mir heute irgendetwas. Es ist zu still. Zu ruhig. Daran ändert selbst das Zusammenknüllen und in die Ecke werfen der Zeitung nichts. Kurzentschlossen greife ich zum Smartphone. Hurra! Das Ding hat weiterhin Empfang. Schnell wähle ich die Nummer meines Exfreundes, bevor ich es mir anders überlege.

„Hi James, hier ist Alastair. Wie geht’s?“

„Alastair? Alastair? Ja ... Ich kannte da tatsächlich mal einen Alastair.“

Ich verdrehe die Augen. „Hör schon auf. Wie geht’s dir?“

„Du rufst mich nach einer Ewigkeit an, um mich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen?“

„Tja, wo du so fragst ...“

„Wusste ich es doch“, murmelt es aus dem Gerät.

„Ich habe gehofft, dass du nach wie vor Kontakt zu diesem Kerl in Dinton hast. Kannst du mir bei dem einen Kauftermin verschaffen? Es ist einigermaßen dringend.“

„Ist nicht dein Ernst!“ Schallendes Gelächter schlägt mir entgegen.

„James! Hör auf zu lachen. Ich finde nämlich an meiner Bitte überhaupt nichts komisch.“

„Du fragst ausgerechnet mich?“, erkundigt sich James.

„An wen sollte ich mich sonst wenden?“

„Dienstlich oder privat?“, fragt mein Ex vorsichtig.

„Überwiegend privat und ein kleines bisschen dienstlich.“

„Ist wohl ein heißes Pflaster, wohin es dich verschlagen hat?“

Aha! James hat offenbar von der Versetzung gehört.

„Ein heißes Pflaster würde ich Bloomwell nicht unbedingt nennen.“

„So heißt das Kaff also. Klingt nach Bingoabenden und Bridgeturnieren.“

„Was ist nun?“, will ich ungeduldig wissen.

„Ja, ist okay. Ich rufe meinen Kumpel an und erkundige mich, ob er Interesse hat, sich mit dir zu treffen. Ich melde mich, sobald ich es weiß.“

„Ruf mich morgen an, dann bin ich unterwegs. In Bloomwell ist der Empfang eine Katastrophe.“

„Mach ich. Bye.“

„Danke und bye.“

Jetzt heißt es warten. Zumindest dürfte ich mit dieser spontanen Entscheidung George glücklich machen.

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