Kitabı oku: «Himmel», sayfa 2

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2

In dem Traum schlief Kate.

Sie schlief, aber nicht dort, wo sie eingeschlafen war. Der Ort unterschied sich von allen Orten, die sie je gesehen hatte, obwohl er ihr im Traum vertraut war. Sie kannte das Bett, das Haus, die große Stadt. Sie musste nicht überlegen, wo sie sich befanden. Doch es war nicht Kate, die all das kannte. Es war die Person, als die sie schlief.

Oft träumte sie im Traum – oder die Person, als die sie schlief träumte. In diesen Träumen kamen meistens Pferde vor, auf denen sie ritt, die buckelten und drohten, sie abzuwerfen, oder die unheimlich in den Himmel aufstiegen; manchmal spielte sie ein Saiteninstrument, dessen Saiten rissen und gegen ihre Finger peitschten. Einmal schien sie zu wissen, dass ein Mann in ihrem Traum-im-Traum ihr Vater war, doch sein Gesicht blieb verschwommen; natürlich hätte sie ohnehin wissen müssen, wie ihr Vater aussah. Da es aber nicht Kates Vater war, wusste sie es nicht. Sie hatte nie erfahren, wie er aussah; sie verfügte nur über das vage Wissen, dass er tot war.

Manchmal näherte sie sich dem Aufwachen als diese andere Person an diesem anderen Ort, und ihr wurde bewusst, dass sie nackt unter schweren Decken lag, die Luft angenehm kühl auf ihrem Gesicht. Etwas juckte sie. Da war eine gewisse Enge – das Bett schien von irgendetwas umschlossen –, und eine Vielfalt von Gerüchen. Irgendwo erklang das Gurren einer Taube und bescherte ihr müßige, zusammenhangslose Träume von Kuchen. Dann kämpfte Kate gegen den Schlaf an, doch die Person war müde, todmüde, wie von schwerer körperlicher Arbeit, erschöpft, wie Kate selbst es niemals war. Also konnte sie nicht anders, als selig wieder in einen tiefen Schlaf zu verfallen.

In dem Traum war Kate von einer zauberhaften Freude ergriffen. Die Person fühlte Furcht, Ärger und Sorge, aber selbst sie waren ein Wunderland der Empfindungen, wie eine Reihe schöner Farben. Wenn Kate erwachte, hielt dieses Gefühl auch im wahren Leben noch ein paar Minuten an.

Kate hatte den Traum zum ersten Mal geträumt, als sie noch ein Kind gewesen war. Anfangs träumte sie ihn nur einige Male im Jahr, nun aber kam er fast jede Nacht. An jedem Morgen, nachdem sie den Traum geträumt hatte, fühlte sie eine besondere, erhabene Wichtigkeit – als wäre der Traum eine geheime Mission, von dem das Schicksal von Millionen Menschen abhinge; als läge in ihm der Schlüssel zur Rettung der Welt verborgen.

3

Ben frühstückte mit Sabine. Kate war verschwunden, während er geschlafen hatte, wobei sie jede Minute zurückerwartet wurde, da mit ihr auch der Hund verschwunden war, und sie den Hund vermutlich lediglich ausführen, nicht stehlen wollte. Das Frühstück wurde von einer Hausangestellten zubereitet, einer Frau mittleren Alters mit pechschwarzem Haar, die Sabine kameradschaftlich auf Französisch ansprach. Als Ben ihrer Unterhaltung lauschte, ging es um das Aussterben der [Wort, das er nicht verstand] im Mittelmeer, das durch die Umweltverschmutzung verursacht wurde. Die Umweltverschmutzung hatte Algenblüten zur Folge, die den [Wort, das er nicht verstand] den Sauerstoff wegnahmen. Die Einleitung von durch die Landwirtschaft verunreinigtem Wasser war reduziert worden, doch für die [Wort, das er nicht verstand] war es bereits zu spät. Das ist furchtbar, sagte die Hausangestellte, und Sabine in demselben, betrübten Ton: Furchtbar. Dann erzählte Sabine, dass ihr Onkel – sie umfasste mit einer unbestimmten Geste die Wohnung des Onkels – nicht an Umweltverschmutzung glaube. Er meint, dass alle Chemikalien gleich sind, sagte Sabine. Er meint, dass die Luft aus Chemikalien besteht.

An dieser Stelle bemerkten Sabine und die Hausangestellte, dass Ben zuhörte, und lächelten ihm zu. In seinem sorgfältigen Französisch sagte er: Auch wir bestehen aus Chemikalien.

Sie lachten freundlich, als wollten sie bewirken, dass er sich wohl fühlte. Dann brachte ihm die Hausangestellte einen Teller mit Rührei, sagte »Bon appétit« und ging.

Sabine sagte zu Ben: »Kate kommt bestimmt gleich wieder.« Dann schlug sie die New York Times auf und begann zu lesen. Das erschreckte ihn, sowohl wegen der Unhöflichkeit als auch deshalb, weil er die Times nicht hatte dort liegen sehen. Dazu dieses nackte Gefühl, ohne Lektüre dort sitzen gelassen zu werden, während jemand anderes las. Er fühlte sich bleiern und lächerlich, gleichzeitig akzeptierte er dieses Gefühl als Teil jener neuen Welt, der Welt mit Kate. Es gab so viele Geheimnisse, in die er nicht eingeweiht würde. Er würde sich dumm fühlen müssen, weil es ihm zu ernst war.

Plötzlich legte Sabine die Times ab. »Ach, scheiße, mir fällt gerade ein, dass Kate noch eine Weile brauchen könnte.«

Ben machte ein wissendes Gesicht und kaute sein Rührei.

»Nicht, dass ich dich rausschmeißen will«, sagte Sabine. »Du kannst hier warten. Aber ich glaube, sie bringt den Hund zu Nick.«

Er schluckte. »Zu Nick?«

»Nick ist ihr Ex. Hat sie dir nicht von Nick erzählt?«

»Nein.«

»Also wegen Nick musst du dir keine Sorgen machen. Mit Nick ist es aus. Nick hat Kate für eine Katalogbraut verlassen. Die Katalogbraut von jemand anderem. Eine Thailänderin, glaube ich. Aber Kate bringt den Hund zu ihm, weil er nicht gut drauf ist und sie der Meinung ist, dass ihn das aufheitert.«

Ben zwang sich zu einem beiläufigen Lächeln. »Nick hat jemandem die Katalogbraut ausgespannt?«

»Nein, sie hatte ihren Mann schon verlassen. Sie ist eine durchgebrannte Katalogbraut. Ich weiß, das klingt komisch, aber so komisch ist das gar nicht. Wir kennen ziemlich viele Katalogbräute, weil eine Freundin von uns eine Organisation gegründet hat, um ihnen zu helfen. Allein drei wohnen gerade hier.«

In diesem Moment war oben eine Toilettenspülung zu hören. Ben stellte sich sofort eine Katalogbraut vor, blass und heimwehkrank, wie sie sich von der gluckernden Toilette wegdrehte und ihr traditionelles Thai-Gewand richtete.

»Aha«, sagte er. »Das ist bestimmt seltsam.«

»Nicht wirklich.« Sabine zuckte die Achseln. »Alle möglichen Leute übernachten hier. Im Moment wohnen hier eine Kongressabgeordnete aus Maine, plus zwei Umweltaktivisten, plus die Katalogbräute und Martin und noch ein paar andere. Ich bin der einzige Mensch in der linken Szene, der freie Zimmer hat. Ich bin eine Art rotes Hotel.«

»Du bist in der Politik?«

Sabine zog ein Blöde-Frage-Gesicht, stand mit einem Mal auf und ging zur Spüle. Sie nahm eine große Metallkanne vom Regal und füllte sie mit Wasser auf. Einen Moment lang stellte Ben sich vor, dass sie drauf und dran war, ihm das kalte Wasser über den Kopf zu kippen. Doch sobald die Kanne voll war, trug sie sie schwerfällig und überschwappend zum Fensterbrett, auf dem Ben eine Sammlung eleganter Pflanzen bemerkte. Sie schienen das Wasser sehnsüchtig zu erwarten.

Sabine begann zu gießen, und sagte: »Ich hätte nicht über Nick reden sollen. Das ist echt zum Kotzen. Ich kann Leute, die lästern, nicht ausstehen, und dann mache ich es selbst.«

»Du hast ja nicht richtig gelästert.«

»Komm schon, klar hab ich gelästert. Ich meine, es ist nicht meine Absicht, dir Kate auszureden. Aber dann muss ich von Nick oder irgendeinem Scheiß anfangen. Das ist schon fast zwanghaft.«

Und dann, als wollte sie beweisen, dass sie recht hatte, erzählte sie eine andere Geschichte über Kate, wobei sie immer wieder vergaß, die Pflanzen zu gießen und einfach dastand; die schwere Kanne zitternd in ihren kleinen Händen. Die Geschichte fing damit an, wie Sabine und Kate sich mit zwölf auf der American International School of Budapest kennengelernt hatten. Damals sei es darum gegangen, dass Kate geglaubt oder zu glauben vorgegeben habe, aus einer anderen Welt zu stammen. Sie habe eigentümliche Kopfbedeckungen aus alten Handtüchern geschneidert und behauptet, dass die Frauen dort so etwas tragen würden; einmal habe sie ein Schloss aus Brot gemacht, nach dem Vorbild eines Schlosses aus ihrer Welt. Sie habe diese Welt Albion genannt. Kate habe erzählt, dass die Albioniten hervorragende Sänger seien; am liebsten sängen sie vierstimmig, dabei stünden sie in Gärten voller fremdartiger Pfauen und blühender Bäume. Dass Kate dort eine schlafende Prinzessin sei, wie Dornröschen, nur ernsthafter. Dass sie jahrelang geschlafen habe und deshalb nur wenig über ihr Leben in Albion wisse, außer, dass sie in Albion ein Pferd habe (wie Sabine im irdischen Budapest).

Kate habe befürchtet, dass unsere Welt in Wahrheit Kates Traum sei, ein verzauberter Traum, den sie in Albion träume. Das sei ihr Gesprächsthema gewesen, wenn Kate bei Sabine im Haus des Botschafters übernachtet habe (Sabines Vater sei zu jener Zeit der amerikanische Botschafter in Ungarn gewesen). Sie hätten im Dunkeln gelegen und wilde Überlegungen angestellt: Wenn Kate in Albion aufwachen würde, verschwände unsere Welt mit all ihren Bewohnern? Trüge Kate die Schuld daran, wenn alle Menschen stürben, weil sie ihren Tod erträumt hatte? Könnte Kate ihren Traum steuern und somit den Himmel auf Erden bringen?

Bald seien andere (in der Schule beliebte) Mädchen in das Geheimnis eingeweiht worden, und sie hätten sich konspirativ versammelt, um sich gegenseitig ihre Einschätzungen der Lage mitzuteilen, Bilder von Albion zu malen und darüber zu spekulieren, ob sie nicht vielleicht ebenfalls ein schlafendes Ebenbild in Albion hätten. In dieser Hinsicht sei Kate stets großzügig gewesen; wenn eines der Mädchen behauptet habe, selbst von Albion zu träumen, habe Kate nie versucht, es ihr auszureden, sondern den Erzählungen aufmerksam gelauscht. Sie habe daran glauben wollen. Dennoch sei Kate die offizielle Träumerin gewesen, und die Mädchen hätten sich in Sabines Zimmer eingeschlossen, einen Sitzkreis um Kate herum gebildet und inspirierende Gesänge angestimmt, damit sie eine bessere Welt erträumte. Kate habe in der Mitte gelegen, die Handflächen auf die Augen gepresst. Ihr Wünschen sei von einer solchen Heftigkeit gewesen, dass ihre Zehen sich gebogen hätten. Einer ihrer klassischen Inspirationsgesänge sei Träum den Krebs weg, träum den Krebs weg – Albion! gewesen. Andere Gesänge hätten die Armut beenden, Untreue abschaffen und Hurrikane verhindern sollen. Damals hätten sie in den Spätnachrichten Hinweise auf ihren wohltätigen Einfluss entdeckt, wobei in der Retrospektive die Nachrichten zu dieser Zeit voller Schreckensmeldungen gewesen seien.

Schließlich habe ein schwieriges Mädchen (die Enkelin eines ungarischen Filmstars) zu rebellieren begonnen und behauptet, Kate würde lügen. Sie habe ins Feld geführt, dass »Albion« lediglich ein altes Wort für England sei; Kate habe sich nicht einmal einen neuen Namen ausgedacht! Das Mädchen sei aus der Gruppe verstoßen worden, doch sie habe die Albion-Geschichte überall herumerzählt. Dann hätten andere (in der Schule unbeliebte) Kinder begonnen, die Köpfe zusammenzustecken und darüber zu kichern – daran erinnere Sabine sich am lebhaftesten: das Ausgelachtwerden, das ganze Durcheinander des Beliebt- oder Unbeliebtseins, und wie sie dadurch plötzlich zu der Erkenntnis gekommen sei, dass sie nie an Albion geglaubt habe. Es sei nur ein Spiel gewesen, eine Fantasiewelt, wie kleine Kinder sie sich ausdächten.

Dann habe es eine hässliche Szene gegeben, wo Sabine und die anderen beliebten Kinder Kate in eine Ecke getrieben hätten, um von ihr das Geständnis zu erzwingen, dass sie eine Lügnerin sei. Als sie sich geweigert habe, hätten sie Kate beschimpft, und eine von ihnen habe ein belegtes Sandwich auseinandergerupft, das sie gerade aß, und die Einzelteile in Kates langes Haar geschmissen. Kate habe geweint, von ihrer Darstellung jedoch nicht abweichen wollen. Panik sei aufgekommen und habe die Mädchen brutal werden lassen. Ein Mädchen habe Kate mit einer brennenden Zigarette bedroht. Ein anderes habe zu Kate gesagt, sie würde den Krankenwagen rufen, damit er Kate in die Psychiatrie bringe, wo man sie ans Bett fesseln würde. Sabine selbst habe den Raum verlassen, anstatt Kate zu verteidigen – sie sei hinausgerannt, obwohl sie sich in ihrem Haus befunden hätten. Sie sei zu ihrem Freund gerannt, wo sie sich zum ersten Mal betrunken habe, aber das sei eine andere Geschichte.

Sabine habe nie wirklich an Albion geglaubt. Nichtsdestotrotz habe sie den Verlust bedauert. Es habe sich angefühlt, als hätten sie es beinahe wahr werden lassen; als seien sie beinahe jene Götter gewesen, die den Lauf der Geschichte bestimmen würden. Danach habe die Welt ihren Zauber verloren, sie sei ein tristes, lebloses Ding geworden, und sie selbst seien nur mehr unbedeutende Kinder gewesen.

An dieser Stelle hielt Sabine inne. Mittlerweile hatte sie die Gießkanne abgestellt und saß auf dem Fensterbrett. Sie sagte: »Das ist Kate.«

»Okay«, sagte Ben (und verspürte das brennende Bedürfnis, Kate zu verteidigen), »aber was meinst du damit? Was ist Kate?«

Sabine schwieg einen Moment, möglicherweise biss sie auf ihre Zunge. Von oben waren die Geräusche von Menschen zu hören, Schritte, zuschlagende Türen und Stimmen. Irgendwo ging eine Dusche und irgendwo anders ein Föhn. Ben versuchte zu erraten, worauf Sabine hinauswollte, war aber abgelenkt, da Bilder in seinem Kopf entstanden – von Katalogbräuten, die unter Duschen standen und Kongressabgeordneten, die sich die Haare föhnten.

Schließlich sagte Sabine langsam, geradezu bedächtig: »Ich glaube, was ich sagen will, ist Folgendes: Kate lebt nicht in der realen Welt, und ab einem bestimmten Punkt kommen die Leute nicht mehr damit klar und verletzen sie. Wie Nick; er war total verliebt in Kate, doch dann hat er es nicht mehr ausgehalten und sie für Phuong verlassen. Jetzt ist Nick schlecht drauf, und Kate geht zu ihm, als hätte sie sein Leben ruiniert. Was gewissermaßen auch stimmt. Nick ist völlig fertig. Aber trotzdem.«

»Also warnst du mich vor ihr?«, sagte Ben mit bewusst ungläubigem Tonfall.

»Nein«, sagte Sabine. »Das war nicht meine Absicht. Hört es sich so an? Mein Gott, ich bin so ein Arschloch.«

Das war der letzte richtige Satz, den Sabine sagte, denn im Anschluss flog eine Tür auf und die Küche füllte sich jäh mit Sabines Gästen. Da waren der Gartengestalter vom vorigen Abend, die Kongressabgeordnete aus Maine, eine nigerianische Katalogbraut, der ein Schneidezahn fehlte, sowie ein zierlicher Mann mit starker Körperbehaarung, der ein wenig wie ein mürrischer Hamster aussah und dessen Identität nicht geklärt wurde. Dann kamen noch mehr Leute. Die meisten von ihnen trugen identische Kaschmirbademäntel, die Sabine vermutlich für ihre Gäste bereithielt, und strahlten einen schludrigen Bonheur aus; sie freuten sich daran, hier zu sein. Als alle Stühle belegt waren, setzten sie sich auf den Boden oder hockten sich auf die Küchentheke. Die Hausangestellte tauchte wieder auf, ein wenig nervös, und das Eierbraten begann von Neuem, während die Hausgäste eine Menge Krach machten und lachten. Sie diskutierten über Arbeitsrecht und Baseball und darüber, ob die Antarktis schmelzen würde. Sie zitierten Ökonomen des 20. Jahrhunderts mit dem Zusatz: »Was totaler Scheiß ist.« Sie erzählten Geschichten von dem Team, das Präsidentin Chens Regierungswechsel vorbereitet hatte, von dem Kampf um das bedingungslose Grundeinkommen und wie ein Mitglied nicht nur gedroht hatte zu kündigen, sondern sich auf dem Parteitag bei lebendigem Leibe zu verbrennen, sollte das Grundeinkommen nicht ins Parteiprogramm aufgenommen werden. Eine Umweltaktivistin interpretierte die Wahlkampfrede eines rechten Kandidaten als schallendes, theatralisch vorgebrachtes Sopranstück zur Melodie von »O Sole Mio«, und die nigerianische Katalogbraut musste so sehr lachen, dass ihr das Rührei aus der Nase kam. Währenddessen unterhielten sich andere über die Chlamydien der Geliebten eines anderen rechten Politikers, kitzelten einander und schimpften: »Revisionist!«, standen auf, um bei der Zubereitung des Frühstücks zu helfen, wurden mit dem Pfannenwender bedroht und schlichen mit einem humoristisch übertriebenen Ausdruck der Niedergeschlagenheit zu ihren Plätzen zurück.

Und Ben ließ sich mitreißen, schwamm auf der Welle seiner aufbrausenden Begeisterung. Dies waren Kates Leute, die besser waren als Leute im Allgemeinen, so wie Kate besser war als Frauen im Allgemeinen. Selbst wenn es um den Haarschnitt der Kongressabgeordneten ging, war ihr Gespräch gewöhnlichem Gerede über Frisuren merklich überlegen: Sie machten botanische Anspielungen, nannten den Haarschnitt anti-intellektuell, lachten dabei sehr fröhlich und erfreuten sich ihrer Gesellschaft. »Es hat was von einem Flokati«, fasste der mürrische Hamster zusammen, und die Kongressabgeordnete erwiderte: »Nun ja, wenn ich ehrlich bin, ist der Flokati meine Lebensgrundlage.« Ben lachte und aß kaltes Toastbrot und stellte sich vor, selbst – zusammen mit Kate – Teil dieser heiteren Welt zu sein, und seine Vermutung, dass sie seine Antwort, sein Fluchtweg sein könnte, wurde zur Gewissheit.

Dann waren Schritte im Flur zu hören, und Ben sah grinsend zur Tür, in Erwartung weiterer Katalogbräute. Doch als die Tür aufging, trat Kate ein.

Sie trug noch das zerknitterte Kleid von gestern, da sie aber von draußen in einen Raum voller Bademäntel und nackter Füße kam, erschien sie äußerst selbstsicher und souverän, als hätte sie den anderen etwas voraus, als sei sie gekommen, um diesen Tag zu ihrem Tag zu machen. Der Hund trottete neben ihr her und sah huldvoll zu ihr auf. Ihre Haare waren vom Wind zerzaust. Sie war schön, wie sie es gestern Abend noch nicht gewesen war, schön im konventionellen Sinne, und Ben fühlte sich wie aus dem Gleichgewicht gebracht. Es gab eine unangenehme Pause. Zum ersten Mal kam ihm in den Sinn, Kate könnte erwartet haben, dass er nach Hause gegangen war. Sie hatte ihn loswerden wollen. Ihr Verschwinden war ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, nicht gerade subtil. Sabine musste es gewusst haben und hatte ihn warnen wollen. Er war ein Idiot.

Ein unerträgliches Gefühl des Ausgestoßenseins überkam ihm. Er wollte alles einfangen, diesen Morgen und das unbekümmerte Lachen, Kates vom Wind zerzaustes Haar, durch das er mit seinen Händen gefahren war, das ihm gehörte, die glückselige Nacht, von der er ein Teil gewesen war. Sogar den Hund, der ihn nun mit offenem Maul anstarrte, als versuchte er, ihn einzuordnen.

Dann sagte Kate: »Ben! Hast du heute Zeit?«

Für einen kurzen Moment bereitete Ben sich noch auf seinen Abgang vor. Dann fiel der Groschen, scheppernd, aufregend. Ben stand von seinem Stuhl auf. Alles verfiel in Schweigen, als Kate auf ihn zuging und dabei die Hundeleine auf den Boden fallen ließ. Mit vertrauter Geste legte sie ihm eine Hand auf die Brust und sagte: »Ich dachte, wir könnten ins Kino gehen.«

»Kino«, wiederholte er. »Ja, plötzlich habe ich richtig Lust darauf.«

»Wir könnten auch so ziemlich alles andere machen.«

»Ja, darauf hätte ich auch große Lust.«

Dann spürten sie, dass man ihnen zuhörte, und sie blickten sich zu dem Tisch mit den Hausgästen um, bereit, sich in stillschweigenden Beglückwünschungen zu sonnen.

»Wie süß«, sagte Sabine hinter ihnen. »Aber – Kate? Du solltest nicht einfach so meinen Hund mitnehmen.«

4

Wenn Kate verliebt war, wurde der Traum stärker. Sie schlief noch immer in ihrem Traum. Die Person, als die sie schlief konnte nicht aufwachen. Doch Kate konnte ihre Traumwelt erahnen; sie erwuchs rund um ihr Bett zu einer Stadt. Jenseits der Stadt lagen Felder, und das Traumvieh schüttelte die Hörner unter der trüben Traumsonne; Schiffe segelten über ein leuchtendes Traummeer. Am stärksten war der Traum, wenn Kates Herz gebrochen war. Dann schlief sie ein, als ob sie aus dem Leben und wieder ins Leben hineinfallen würde, und der Traum nahm eine Wendung ins Numinose, wie es auch in der Realität passiert, selbst im blinden Schlaf war er klar und lebendig. Sie hatte keine zufriedenstellende Erklärung dafür, doch sie spürte, dass der Traum durch die Liebe beflügelt wurde.

Nach ihrem ersten Kuss träumte sie also das Bett, in dem ihr anderes Selbst lag, die muffigen Samtvorhänge, die es umgaben. In der Nacht, nachdem sie das erste Mal Sex gehabt hatte, träumte sie eine Katze, die neben ihr schlief, sich streckte und ihr eine kleine, aber deutlich spürbare Pfote in die Rippen drückte. Nachdem ihr erster Freund fremdgegangen war, träumte sie den Lorbeerduft der Weihnachtsgirlanden und wusste, dass sie einen ganzen Tag darauf verwendet hatte, sie anzufertigen; sie konnte ihre steifen, wunden Hände spüren. Als Nick sie für Phuong verlassen hatte, erwartete sie, dass der Traum seinen Verlust kompensieren würde, und ihre Traurigkeit war eine Ekstase, eine Schuld, eine geheime Erregung.

Tatsächlich kam der Traum in diesen Wochen näher. Namen tauchten in ihrem Bewusstsein auf, fantastische Namen der Traumorte und Traummenschen. In ihrem Schlaf hörte sie die Glocke von St. Sepulcrum schlagen; sie erklang, wann immer jemand zur Hölle gefahren war. Da war eine Schauspieltruppe, deren Anführer ein gewisser Lord Strange war – einmal war sie auf einem Pferd mit schwarzer Mähne geritten, um die Schauspieltruppe zu sehen; sie hatte eine samtene Maske getragen. Und es gab Nonesuch Palace, wo sie einer Königin zu Füßen gesessen und auf einer Elfenbeinflöte gespielt hatte. Die Königin hatte einen Umhang aus silberner Spitze getragen, der mit riesigen Spinnen bestickt war; ihr Name war Cynthia, und sie herrschte über den Mond. Sie hatte einen wehen Zahn und ihre Wange war geschwollen. Die Hofadligen brachten ihr Tränke und Arzneien, doch nichts konnte ihren Schmerz lindern.

Emilia musste etwas tun. (Emilia war Kates Traumname). Es galt, einen Auftrag zu erfüllen oder eine Nachricht zu übermitteln – im Traum hatte Emilia keine Zeit zu verlieren. Doch Emilia konnte einfach nicht aufwachen. Nur Kate konnte aufwachen, in New York, was weder hier noch dort war – es bedeutete, zu fiedeln, während Rom in Flammen stand.

Kate erwachte also in New York und sollte aufstehen. Sie sollte ihren Traum vergessen, ihn unter der Dusche von sich abwaschen. Sie sollte sich einen Job suchen.

Sie dachte: Wenn ich Nick wirklich lieben würde, könnte ich aufwachen. Sie würde denken: Wenn er mich lieben würde. Außerdem würde sie denken, dass auch andere Menschen wiederkehrende Träume hatten und es nicht unbedingt etwas zu bedeuten hatte. Der Gedanke kam ihr, aber sie glaubte nicht daran. Sie glaubte an den Traum.

Zu glauben war schließlich etwas Wunderbares. Das war das Problem mit den Atheisten (dachte Kate); sie hatten womöglich recht, doch ihr Unglaube war utilitaristisch, freudlos, wie ein brutalistisches Gebäude. Niemand würde darin leben wollen. Niemand konnte wollen, dass sie recht hatten.

Sie glaubte. Und in der echten Nacht, die sich über New York City gelegt hatte, spazierte sie den Fluss entlang und betrachtete den Mond. Er war bleich und echt. Ein Fels. Auf ihm gab es keine Cynthia, die in der kühlen Luft von Nonesuch Palace tanzte, keine Silberkönigin mit in der Mondbrise flatternden Spinnen, kein Mädchen, das auf dem mit Stroh und Blumen übersäten Boden saß, in einer Flut kunstvoll bestickter Röcke, und auf einer Elfenbeinflöte spielte.

Einstweilen hatte sie keinen Job. Sie hatte ihr Studium abgebrochen. Ihr Leben führte nirgendwohin. Doch man kann nichts tun, dachte Kate. Der Traum war ihr einfach passiert. Er war eines jener Vorkommnisse, bei denen das Beste daraus zu machen bedeutete, sie vor anderen zu verheimlichen.

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