Kitabı oku: «Kein Sommernachtstraum», sayfa 3
2 UHR
Das ältere Pärchen legte den Schlüssel bei Ezra auf die Theke. Die beiden hatten Zimmer 8. Sie lächelte glücklich und sagte: „Das Wasser läuft nicht mehr in unserem Bad.“ Sie hatte brennend rotes Haar und hellgrüne Augen und einen unglaublichen Hut auf dem Kopf. Er hatte einen Bart wie eine Seekuh und lächelte nicht – nein, niemals. Er maß Ezra herausfordernd mit bösem Blick. Sie zwitscherte: „Es ist so schwierig ohne Wasser. Ich glaube doch, dass das geregelt werden muss …“ Sie schaute Ezra erwartungsvoll an, vielleicht wie einen Schutzengel. „Wissen Sie, das Dingsda steckt.“ Sie machte eine Drehbewegung mit der Hand. Ezra vermutete daraufhin, dass das „Dingsda“ der Hahn war. Ließ sich anscheinend nicht mehr drehen. Ezra versprach, der Sache auf den Grund zu gehen.
„Was ist denn heute Menü?“, fragte sie. Ihr Partner schaute feindlich.
Ans Essen hatte er noch nicht wirklich gedacht. Ezra musste improvisieren. Hatten die womöglich mit Pension gebucht? Er konnte sich kaum vorstellen, dass die beiden vom Geheimdienst waren, also wahrscheinlich Statisten oder irrtümlich echte Gäste, ohne Wissen.
Die glaubten womöglich, in einem echten Hotel zu sein.
Für Leute vom Geheimdienst konnte er offen improvisieren, aber für Statisten, die sie eingesetzt hatten, um dem Hotel Leben zu geben und für echte Gäste, die sie eingeladen hatten, oder die sich verirrt hatten, musste womöglich Essen bereitgestellt werden. Keiner hatte ihm gesagt, was das Angebot gewesen war. Es musste wohl ein Angebot gegeben haben, wenn die ein Hotel vortäuschen wollten, nicht wahr?
Er wollte so gerne herausfinden, wer zur Ausstattung gehörte, wer zur Organisation und wer zufällig da war. Die vom Geheimdienst sahen wahrscheinlich überhaupt nicht danach aus. Die kamen sicher nicht mit den üblichen hellen Mänteln und schwarzer Brille.
Wer war wer?
Die sahen vielleicht ganz unwahrscheinlich aus, so wie diese beiden. Wenn die beiden doch vom Geheimdienst waren, wäre ein nicht vorhandenes Nachtmahl nicht schlimm. Aber bei gewöhnlichen Gästen, die glauben sollten, dass hier im Wald ein normales Hotel steht, mussten die Abmachungen eingehalten werden … Welche Abmachungen?
Während sich in Ezras Kopf die Planung drehte wie ein Ringelspiel, das immer schneller wurde, beschloss er, sich auf das zu besinnen, was möglich war. Es war viel zu spät, um ein fertiges Mittagessen zu zaubern. Keine Chance. „Wir haben Halbpension ab 18 Uhr“, murmelte er und blätterte in seinem Buch, in dem nichts stand. Nur die Spinnweben waren inzwischen abgewischt. Die Dame schaute ihn erwartungsvoll an. Er musste etwas erfinden, das gut klang und bis 18 Uhr zu schaffen war. Zwei kleine Menüs mussten reichen. Leise Panik stieg aus seinem Magen Richtung Hals. Er konnte sich leicht vertun und etwas vorschlagen, das nicht zu beschaffen war. Unsicher murmelte er: „So viel ich von der Küche erfahren habe, gibt es Suppe, Ente mit Rotkraut oder Palatschinken mit Füllung nach Wunsch…“ Klang das gut genug?
„Was sagst du?“, fragte sie zu ihrem Partner hin. Er grunzte unwillig. „Er möchte gerne die Ente, und ich auch“, zwitscherte sie. Könnten Sie das in der Küche melden?“ In welcher Küche, dachte Ezra, zeigte sich aber voll gutem Willen.
„Wir suchen die Steinkreise“, rief sie noch fröhlich von der Türe. Steinkreise? Welche Steinkreise? Wer braucht einen Steinkreis und wozu? Die Frage konnte ihn nur kurz beschäftigen, denn eilig begab er sich auf die Suche nach seinen helfenden Hausgeistern. Kochen war nicht wirklich seine Stärke. Zur Not konnte er das auch, aber es würde den Stress gewaltig erhöhen, wenn er jetzt ein warmes Nachtmahl bis 18 Uhr zaubern müsste.
Er fand alle im unbewohnten Obergeschoß bei einer friedlichen Zigarette mit Kaffee. Ezra verteilte Lob, um die drei in gute Stimmung zu versetzen, die Reinigung war ziemlich weit fortgeschritten. Schließlich kam er auf das Problem mit der Küche zu sprechen. Bisher hatte er nur Würstchen und Toast bereitgehalten wegen seiner schwarzen Tafeln. Diese Auswahl hätte er selbst auch mit unzulänglichem Equipment anbieten können. Nun war die Lage aber ernst. Das Menü musste um 18 Uhr fertig sein, und dort, wo einst die Küche gewesen war, war derzeit ein dunkles Loch. Das Wasser lief in ein Becken, das vor vielen Jahren in einem Mantel aus weißem Email geglänzt hatte, und ein alter Holztisch mit speckiger Platte stand fragend unter dem Fenster. Es gab noch Omas Küchenkredenz – mit Spitzendeckchen vor den Fenstern, die langsam zerfielen. Ezra hatte bisher nicht hineingeschaut, ob darin Geschirr war. Er hatte Teller und Schalen in einem großen Karton aus dem Kaufhaus heimgetragen. Auch hatte er einen Eiskasten mit großer Kühleinheit und eine Truhe in einen Raum gestellt, den er zur Speisekammer erklärt hatte. Er hatte gebetet, dass die Steckdosen Leben in sich hatten, denn wie hätte er sonst Würstchen und Toast bereithalten können? Die Steckdosen lebten, auch die in der Speisekammer. Hurra!
Er hatte eine Mikrowelle mit Grill besorgt und einen Wasserkocher, mehr war nicht möglich gewesen in der kurzen Zeit. Was nun? Wie zwei Menüs für seine Gäste zaubern? Auf jeden Fall heimlich bei der Ausstattung!
Wo waren die Steinkreise? Musste er das womöglich wissen?
Aber jetzt musste er zuerst hier und sofort das Problem mit dem Essen lösen.
Er näherte sich dem gefährlichen Thema achtsam. „Wir haben bereits Gäste, die auf ein warmes Nachtmahl hoffen …“, eröffnete er den Damen. „Ich bin nicht sicher, wie wir das meistern könnten?“ begann er. Alle drei schauten ihn groß an. „Wenn wir das nicht bewältigen, könnte man in ärgster Not ein Catering kommen lassen und erklären, dass der Strom in der Küche ausgefallen ist.“ Seine Stimme klang bedauernd, sie deutete ein Versagen an, Hilflosigkeit, eine Verfehlung, Mangel … All das versuchte er, den Damen nahezubringen. Die Küche musste in Gang kommen, das war klar. Und was machte er, wenn die Damen nicht wollten? Einfach verweigerten? Er fand es verständlich, wenn sie verweigerten. Das durfte aber nicht passieren. Denn vielleicht kamen noch andere Gäste und hatten das Bedürfnis nach einem warmen Nachtmahl. Und eingetragen war auch noch jemand …
Die drei sahen ihn noch immer groß an. Auch in ihrem Fall war absolut nicht klar, was man ihnen gesagt hatte, welche Erklärung und welche Regeln. Fragen konnte er nicht gut. Aber inzwischen mussten sie bemerkt haben, dass vor Ort eine Gaststätte improvisiert wurde.
Wie loyal und wie arbeitseifrig waren sie?
Frauen, so hatte er in seiner Kindheit gelernt, hatten einen freundlichen, positiven und großzügig spendenden Bezug zu Küchen … Ezra wünschte sich eine Küche, die zumindest Essen spenden konnte. Wer wärmt schon gerne Würstchen für Gäste heimlich in seiner Schafkammer auf einem Campingkocher? Er fühlte, er musste den Ehrgeiz seiner Damen wecken …
Eine der Damen – sie war ziemlich groß und breit – erhob sich. Ezra hatte kurz schreckliche Visionen vom einem Arbeiterführer in Protesthaltung. Sie holte tief Luft und stemmte ihre Hände in die breite Hüfte. Ezra merkte, wie sein Rücken hart wurde.
„Nun“, meinte sie, „dann werden wir die Küche wohl vorziehen müssen.“
Wundervoll! Ezra war erleichtert. Es hätte auch anders kommen können.
Alle begaben sich in den Raum, wo die Aktion stattfinden musste. Dort war bisher nichts passiert. Nur der Staubsauger hatte kurz die rußgeschwärzten Spinnweben von den Wänden und dem Boden geleckt. Der Rest war im Urzustand. Die wellige Platte des Tisches zeigte ein Wischmuster und mitten drauf lag ein seltsamer Stein, den Ezra zuvor noch nicht gesehen hatte. Wieso lag der da? Sah aus wie eine sehr große hellgrün glitzernde Kröte mit anthrazitfarbenen Flecken.
Die drei Damen stellten ihre Kübel auf dem Boden ab und sahen sich um. Sie waren inzwischen an desolate Verhältnisse gewöhnt. Der Boden bestand aus unregelmäßig gereihten Holzstöcken. Die Zeit hatte eine interessante Landschaft geformt, mit Rissen und Höhenunterschieden, die mit einem herkömmlichen Küchenboden nur wenig gemeinsam hatte. Ezra sah ein kurzes aber sehr beunruhigendes Bild von einer Hygiene-Kontrolle. Das schob er beiseite – keine Zeit.
Gemeinsam stellten sie über den Kübeln einen Einkaufszettel zusammen und Ezra sprang ins Auto, um alles heranzuschaffen. An sein Empfangspult heftete er ein Papier, dass er um 17.00 Uhr wieder zur Verfügung stehen würde.
NACHMITTAG
Ezra kam aus der nächsten größeren Stadt zurück – hatte sicherheitshalber gleich dort eingekauft, wo voraussichtlich auch die schwierigen Güter zu haben waren. Sein Kofferraum war voll. Seine Sitze waren angeräumt und er versuchte, mit einer Hand zu lenken und mit der anderen die Güter am Beifahrersitz am Rutschen zu hindern. Durch den unruhigen Streckenabschnitt im Wald hatte er sich sehr verspannt, saß verkrampft, lenkte mit der Linken und hatte die rechte Hand in den Turm am Beifahrersitz verkrallt. Der Turm schwankte bedenklich und drohte sich aufzulösen, als eine seltsame Gestalt mit einer Kamera hinter einem Baum hervorsprang und ihn fotografierte. Er fuhr ziemlich schnell und konnte nur ungenau einen dünnen Menschen mit Halstuch erkennen und wunderte sich. Er landete in seinem Hotel und sah vor dem Haus einen gelben Sportwagen stehen. Eigentlich hatte er im Moment niemanden zu erwarten gehabt. Mit vollen Armen lief er in die Küche und fragte sich, wer angekommen war. Ein solches Fahrzeug war einem bestimmten Typus Mensch zuzuordnen. Schauspielern vielleicht…
Im dunklen Raum sah es inzwischen schon deutlich freundlicher aus, wenn auch weit entfernt von dem, was für eine Wirtshausküche üblich war.
Als er alles ausgeräumt hatte war es 17.05 Uhr. Da kam ein hoher, schmaler Mann mit Halstuch und lehnte sich an den Empfang. War das der Mann aus dem Wald?
„Guten Tag“, grüßte Ezra beflissen aber auch ein wenig außer Atem. In der Küche hatte er die Damen zurückgelassen, die Rotkraut in einem neuen Topf auftauten und Ente grillten. Eine mobile Herdplatte brachte Wasser zum Sieden und würde nachher auch die Pfannkuchen braten müssen. So nahm alles seinen improvisierten Lauf. Und wer war dieser Gast nun?
Der Fremde sagte statt einer Begrüßung: „Da hat sich Red wieder mal übertroffen.“
Ezra war absolut nicht sicher, was darauf zu sagen war. Er lächelte daher, das war immer gut. Und was weiter? „Wie darf ich Sie eintragen?“, murmelte er, das Gästebuch vor sich.
„Ich bin George Köhler. Red und ich haben eine lange Geschichte.“
Köhler? Köhler? Er hatte eine lange Geschichte mit Warhol? Hatte Ezra da nicht irgendwas gelesen? Aber der Name war zu häufig, um ihn gleich zuordnen zu können. Was war da gewesen? Ein Gefühl von Krach, Kampf und Krieg klopfte an, betrat aber nicht sein Bewusstsein. Er konnte sich einfach nicht erinnern.
Herr Köhler bekam Zimmer 11. Zimmer 9 hatte ein Loch im Boden, erinnerte sich Ezra. Er musste aufpassen, dass er das nicht irrtümlich vergab.
Was genau wollte sein Arbeitgeber mit diesem Waldhotel erreichen? Dr. Dilmon sollte sich hier in Ruhe erholen oder was? Dann war vielleicht ein romantischer Ausflugsort nicht das richtige? Oder doch?
Da war Lärm vor der Türe. Es klang wie ein sehr großer Schwarm Stare, die sich auf einem Baum mit reifen Kirschen niedergelassen hatten. Der Lärm schwoll an. In der Türe erschien ein Mann in Bergkleidung. Ihm folgte eine jugendliche Horde.
Ezra hatte eigentlich den Installateur anrufen wollen. Aber der fröhliche Haufen überschwemmte seinen Empfang. Der Herr in Bergkleidung hatte einige Mühe, den Lärm zu übertönen: „Wir wollten zur Antonihütte, aber hier gefällt es uns“, vertraute er Ezra an. Zwei Jungmänner hatten große Holzstöcke aus dem Wald gebracht und führten einen eleganten Degentanz damit auf. Ein blondes Mädchen sah bewundernd zu. „Wir würden gerne bis Sonntag hierbleiben. Gibt’s da vielleicht ein einfaches Lager? Wir sind nicht anspruchsvoll.“
Ezra litt schwer darunter, keine Ahnung zu haben, was in „seinem“ Hotel weiter geplant war. Er konnte sich aber nicht vorstellen, dass der Haufen eine Abordnung vom Geheimdienst war, daher musste er den Anschein von einem Waldhotel aufrechterhalten. Also überlegte er kurz, wie die Verhältnisse im frisch gereinigten Obergeschoß waren. Hotelverhältnisse waren bei Weitem nicht erreicht, so viel war klar. Er würde einfach einen hohen Preis verlangen, das war die bequemste Form, um die Gruppe wieder auf die Reise zu schicken…
Ohne Stammeln, immer das Gästebuch vor sich, verlangte er einen wahrhaft königlichen Preis für Zimmer ohne Bad und nur Matratzenlager. Nach einer kurzen Besprechung stimmten alle begeistert zu.
Das war eine Bescherung.
Dann lehnte sich der in Bergkleidung, offensichtlich der verantwortliche Lehrer, ganz nahe zu Ezras Ohr, um nicht so brüllen zu müssen: „Und jetzt hätten wir gerne Toast und Würstchen.“
Ezra spürte, wie Erschöpfung in seinen Rücken kroch.
Aber er lief in die Küche. „Schafft ihr zehn Schinken-Käse-Toasts und vier Mal Würstchen? Ich muss Gästematratzen besorgen, bin in einer halben Stunde wieder da.“
Die große Anführerin hatte sich ein Geschirrtuch um den Kopf gebunden und schälte gerade den mumifizierten Spitzenvorhang aus der Kredenz. Ezra war abgehetzt, obwohl er eigentlich souverän dreinschauen wollte. „Bring ich dann raus“, sagte sie über die Schulter.
Da überkamen ihn warme, freundliche Gefühle seinem Helfertrupp gegenüber.
ABEND
Judith hatte sich einen Platz in den bequemen Fauteuils beim Empfang gesucht – ein Beobachtungsposten mit Rotwein und einer Zeitung. Sie war sich nicht sicher, wen oder was sie beobachten konnte, aber letztendlich war es kaum möglich, in das Zimmer von Dr. Dilmon zu gehen und dort einfach Fragen zu stellen. Der Empfang war wohl die wahrscheinlichste Stelle, an der sie zu beobachten war. Sie hatte fast ein schlechtes Gewissen, als sie sich in den mächtigen Fauteuil kuschelte und dabei mit der Hand über das weiche Leder glitt. Es fühlte sich luxuriös an. Der Sitz umschloss ihren Körper angenehm beschützend und sie nahm einen tiefen Schluck Rotwein, legte die Zeitung zurecht - und sah eine Katze. Eine reizende gefleckte noch ziemlich junge Katze, die an der Wand entlanglief, und aus ihrem Maul baumelte ein Mäuseschwanz.
Und dann sah sie einen schlanken sehr elegant gekleideten Herrn mit gelbem Halstuch durch die Halle schreiten und Kurs auf den Empfang nehmen.
Der junge blonde Mann, er hieß Ezra, das wusste sie inzwischen, sah die Katze. Seine Augen weiteten sich, seine Hände verkrampften sich und sein Blick heftete sich an der Katze fest. Die Pupillen wurden größer und ängstlicher. Er verließ seinen Empfang mit kleinen Stechschritten und baute sich zwischen der Katze und dem eleganten Herrn auf. Das war ein Versuch, die Maus vor dem an Schönheit und Reinlichkeit gewöhnten Blick abzudecken.
Das war schwierig, denn die Katze hatte die Maus gerade ausgelassen. Es war nicht klar, war sie ihr ausgekommen oder wollte sie spielen, jedenfalls versuchte sich die Maus in Sicherheit zu bringen – unter einem schweren Sitzmöbel, und die Katze sprang hintennach. Ezra war im Stress, das war zu sehen. Der elegante Mann bemerkte aber von der Aktion anscheinend nichts. „Ich fahre aus“, sagte er. „Hier ist ein Brief für Red.“ Er reichte ein gelbes Kuvert über den Empfang.
Da kam Frau Dr. Dilmon gerade langsam von der Treppe. Der Mann fixierte sie. Mit breitem Lächeln ging er auf sie zu. Es wirkte falsch, fand Judith. „Hortense, meine Liebe.“ Er streckte ihr strahlend die Hände entgegen. Sie schaute erstaunt, fragend. Der Blick eines Menschen, der den anderen noch nie im Leben gesehen hat.
Die Katze angelte heftig unter dem Fauteuil mit der Vorderpranke. Es machte dumpf bumsende Geräusche.
Der Mann mit dem Halstuch nahm keinen Blick von Hortense Dilmon. „Es ist natürlich eine Weile her, liebste Hortense, aber du musst dich einfach an uns erinnern!“ Sie ließ ihren Blick schnell über sein Gesicht gleiten, es glomm kein Funke auf. Sie schaute zu Boden. Ihre Hand wanderte zu ihrer Wange. „Unsere schöne gemeinsame Zeit“, rief er. Ihr Blick kam verloren hoch und sagte deutlich: Keine Ahnung. Schließlich versuchte sie ein Lächeln und reichte ihm eine unsichere Hand. „Entschuldigen Sie“, sagte sie leise, und dann lauter: „Ich muss gleich weiter.“ Sehr schnell ging sie aus der Empfangshalle in den nächsten Raum. Der elegante Mann blieb kurz stehen und eilte ihr dann nach. In der Türe blickte er in alle Richtungen, schien sie aber nicht mehr sehen zu können. Schließlich drehte er sich um und kam wieder zurück. Seine Lippen waren fest zusammengepresst und sein Kiefer hart. Jetzt fixierte er Ezra.
Judith hatte beobachtet, wie Ezra den Blick hob, der noch immer an der Katze festgefressen war, um dem eleganten Mann viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Sie sah klar, er wollte dessen Augen zu sich zu holen, weg von den Tieren. Die Maus schien inzwischen den sicheren Platz gefunden zu haben, denn die Katze schaute gespannt, voll konzentriert, in den Spalt unter dem Möbel.
Der elegante Herr mit dem Halstuch schrieb etwas auf den Umschlag. Ezra stand unentschlossen daneben. Kurze Blicke irrten immer wieder zu der Katze. Sie konnte sich auch vorstellen, was ihn beschäftigte: Wenn er die Katze hinaustrug, blieb die Maus unter dem Sitz, unbeobachtet. Das war keine gute Lösung. Judith sah auf seiner Stirne den Konflikt, denn Mäusejagd im Foyer war auch keine Lösung. Hin- und hergerissen zwischen zwei unmöglichen Möglichkeiten, musste er den gereizten Mann beruhigen, der an seinem Pult stand.
„Hortense ist ein unbedarftes Mädchen“, sagte der in dem Moment ein wenig zu laut. „Wie ein kleines Kind. Von einer Minute zur anderen weiß sie nicht mehr, was sie wollte. Das war immer schon so“, warf der hin. Irgendetwas wollte er noch sagen, aber es kam nicht. Er wechselte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, und schließlich ging er hinaus zu seinem gelben Sportwagen.
Die Katze war vor dem Fauteuil, unter dem ihre Maus saß, in Warteposition gegangen.
ABEND
Ezra hatte beschlossen, die Katze die Maus bewachen zu lassen. Es war eine hübsche Katze und seiner Erfahrung nach waren die meisten Menschen Katzen eher zugetan als Mäusen. Auch wenn es einzelne Katzenfeinde gab, war in dieser Situation die Katze das kleinere Übel. Er musste das Problem in Angriff nehmen, wenn die Gäste in den Zimmern waren, gut aufgehoben und nicht im Empfangsraum – später – viel später. Jetzt machte er einen Abstecher in „seine“ Küche, um festzustellen, was dort alles nicht funktionierte. Aber der Zustand war nicht so schlecht. Er beorderte zwei Damen in den zweiten Stock, um die Matratzen aufzublasen und mit Wäsche zu versehen, für die Schulklasse auf Ausflug. Das Essen war großteils fertig. Er würde beim Bedienen helfen, sonst war das nicht zu schaffen.
„Habt ihr Essen auf die Zimmer gebracht?“, fragte er in die Runde. Eine der drei nahm gerade die Ente aus dem Grill „Die Dilmon ist eine hochnäsige Person“, sagte sie. „Am Nachmittag wollte sie einen Toast und als ich den hochgebracht habe, hat sie ihr Buch weggelegt und gesagt: ,Stellen Sie meine Schuhe auf den Balkon.‘ Als ob ich ihr persönlicher Dienstbote wäre.“
Ezras Ohr nahm diese Beurteilung von Frau Dr. Dilmon wahr, aber sein Hirn war mit der Verrechnung von Extraleistungen beschäftigt. Er überlegte, dass er einen Modus finden musste, um das zu überblicken. Natürlich war das kein echtes Hotel, aber man musste zumindest alle Funktionen eines echten Hotels einführen. Alles, was ein echtes Hotel ausmachte, musste bereit sein, um den Anschein eines echten Hotels nicht zu stören. „Bitte seid so lieb und steckt mir einen Zettel in die grüne Kluppe neben dem Telefon, wenn ihr etwas irgendwohin bringt. Ich glaube, das ist die einfachste Art, alles zu verrechnen. Gar nicht lange diskutieren, sondern einfach aufschreiben, was ihr wohin gebracht habt.“
Da sah er die Biologin an der Küche vorbeigehen.
Wieso war die in dem Gang? Was wollte die dort?
Er machte am Absatz kehrt und folgte ihr. Gerade sah er sie noch um die Ecke biegen, dann hörte er eine Stimme. Die kannte er, tief und vibrierend – Zimmer 5 – Red Warhol.
Sie sagte: „Da war so ein Typ, der behauptet, mich zu kennen.“
„Und, was hast du gesagt?“
„Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Er hat sich benommen, als ob wir mal zusammen gewesen wären. Kann ich mir aber nicht vorstellen, oder?“
Ezra wischte an der neuen Messingtürschnalle von der Speisekammer – für den Fall, dass einer um die Ecke schaute.
„Wie sah er denn aus?“
„Lang, dünn, mit auffallendem Halstuch – ich kann‘s mir einfach nicht vorstellen …“, fügte sie hinzu.
Dann näherten sich die Schritte der beiden der Ecke. Ezra nahm langsam und deutlich sichtbar sein Tuch von der Türschnalle und begab sich offiziell zu seinem Empfang. Als er an den beiden vorbeiging, sagte Warhol: „Bleib bescheiden, Mädchen, einfach passiv freundlich. Ist kein Grund zum Stress, du musst Ruhe bewahren, auch wenn es dir schwer wird…“ Red Warhol ging festen Schrittes voran, sie folgte zögernd.
Da fiel Ezra der Brief ein. „Eine Nachricht liegt für Sie am Empfang“, sagte er über die Schulter. Die Dilmon hatte einen sehr schönen spanischen Schal um den Körper geschlungen, den zog sie jetzt fester um sich. Warhol drehte um und folgte Ezra. Er nahm den Brief aus dickem gelblichen Büttenpapier und riss ihn achtlos mit dem Daumen auf. Lässig schaute er das Blatt an und dann wurde sein Blick konkret. Auf der Stirne bildeten sich einige feste Falten. Er war wütend, eindeutig sehr wütend. Er knallte den Brief auf Ezras Theke. Drehte sich um, drehte sich dann aber zurück und nahm den Brief wieder auf und ging knackig hinaus - in einer schwarzen Wolke. Ezra schaute ihm nach. Er hätte gerne erfahren, was in dem Brief stand.
Da kam die rothaarige Dame mit ihrem unwirschen Partner zurück. Sie waren aus gewesen. Sie hatte extrem hohe Stöckelschuhe an, extravagante Schuhe in blasslila mit einer kecken Schleife am Außenrand. Konnte wohl kein Waldlauf gewesen sein, dachte Ezra. Er fand es seltsam, dass das Pärchen gerade diesen Ort besuchte, hier mitten im Wald, mit eleganten Stöckelschuhen…
Er schaute die lila Schleife an. Die beiden passten nicht in den Wald. Er nicht und sie schon gar nicht. Wenn jemand so auffallend nicht passt, konnte der wohl kein gewöhnlicher Tourist sein? Oder? Vielleicht konnte er aber gerade dann kein Statist vom Geheimdienst sein? Oder? Das doch am wenigsten. Die würden doch wohl perfekt passen?
Sie tänzelte auf Ezra zu. Ezra schenkte ihr das Hotellächeln und sah aus dem Augenwinkel, dass die Katze noch immer den Sessel bewachte – die Maus war also noch gut aufgehoben.
„Wann gibt´s denn Nachtmahl?“, zwitscherte die Dame mit den roten Haaren fröhlich.
Ezra ließ kurz die düsteren Bilder aus der Küche vorbeilaufen. 18 Uhr hatten sie natürlich nicht geschafft. Die Frage kam gottseidank deutlich später: „Ich denke, in einer halben Stunde…“ sagte er beflissen.
„Oh fein“, strahlte sie, „und wo ist der Dingsda?“ Ezra überlegte fieberhaft, was sie gemeint haben könnte. Sie wartete, und als nichts kam, versuchte sie es genauer: „Na, der Dingsda, wo man isst.“ Sie sah Ezra erwartungsvoll an. Ihr Partner hatte die buschigen Brauen tief über die Augen gezogen und schaute unwillig.
Ezra erkannte, dass nach dem Speisesaal gefragt worden war. Er war gefordert.
Für ihn war das eine von den besonderen Problemzonen. Sie hatten nur einen sehr kleinen Raum als Essraum herrichten können, weil es einfach keine andere Möglichkeit gab. Nur vier kleine Tische passten dort hinein, und das mit Mühe. Durch die Invasion der Schulklasse war das sicher zu wenig. Zimmer 2 hatte Frau Dr. Dilmon, Zimmer 3 die elegante grauhaarige Journalistin von der Pressekonferenz – er hatte sie seither noch nicht zu Gesicht bekommen. Wo war die übrigens? Zimmer 4 würde noch einen Bewohner bekommen, der war in dem seltsamen Gästebuch vorgemerkt. Zimmer 5 Warhol, Zimmer 6 hatte ein zerbrochenes Fenster. Zimmer 7 gehörte dem Mann mit seinem kleinen schwarzen Buch. Zimmer 8 dem Pärchen, Zimmer 9 hatte das Loch im Boden, Zimmer 10 der Psychologin. Das nächste für den Mann mit dem gelben Sportwagen – wie hieß der doch gleich? George …? Die Tische reichten einfach nicht und jetzt auch noch die Horde 17-Jährige...
„Wir haben mehrere Möglichkeiten zur Auswahl“, sagte Ezra daher gefällig. Er begleitete das Paar zur Türe von dem winzigen Speiseraum und sagte: „Sie könnten hier einen Tisch auswählen oder im Foyer“ – er hatte die Tische von der Pressekonferenz neu angeordnet. Die konnten zur Not als Esstische durchgehen. „Wo Sie möchten, wählen Sie. Ich kann Ihnen aber auch einen Tisch ins Freie stellen lassen – es ist ein sehr schöner Abend…“ Die Möglichkeit war ihm gerade eingefallen. Wenn er ihnen das schmackhaft machen konnte, konnte er das Gedränge aus dem Speisesaal bekommen und auch das aus seinem Empfangsraum. Hatte er nicht noch zwei Gartentische mit einigen Sesseln im Haus mit dem Baum schlummern gesehen?
Mit besonders freundlicher Stimme gurrte er: „ ...und sagen Sie mir Ihre Entscheidung. Ich komme dann gleich wieder. Ich stelle nur die Gartentische auf.“
Mit dem Schlüssel bewaffnet eilte Ezra in den Hof und näherte sich dem Haus, wo er glaubte, die Gartentische gesehen zu haben. Da hörte er ein seltsames Geräusch – wie Wind in Telegrafendrähten. Es war aber kein Wind, gar keiner. Er hörte einen singend-fiebrigen Ton – sehr seltsam. Ezra blickte nach oben. Die Bäume ließen nur einen schmalen Ausschnitt des späten Himmels frei. Einige rosa Abendwolken lugten in das Loch und dann sah er etwas Dunkles über die Bäume fliegen. Es war ziemlich groß. Das schaltete plötzlich etwas wie einen fahlen Suchscheinwerfer ein. Der tauchte einen kreisrunden Bereich im düsteren Hof in ein blassblaues Licht. Blassblaue Kiesel waren in dem Kreis zu sehen, der über den Boden wanderte. Ezra konnte nicht erkennen, was da herumschwirrte. Er dachte, dass seine Jugendlichen irgendetwas Ferngesteuertes über dem Hotel fliegen ließen. Wahrscheinlich hatte die Horde, die am Nachmittag gekommen war, irgendetwas mitgebracht… Wo hatten die das große Ding gehabt? Doch wohl nicht im Rucksack? Oder war es aufblasbar? Ein surrender Zeppelin? Es sah aber eher rund aus, nicht länglich, wie Zeppeline nun mal sind. Es verschwand singend hinter den Baumriesen.
Er sperrte die frisch gestrichene Türe auf. Am Innenrand des Türstockes hingen noch Spinnweben, die verklebte Sorte, in der sich im Laufe der Zeit Holzbrösel gefangen hatten. Sich darum zu kümmern, hatte er keine Zeit gehabt. Er schaltete seinen eigenen Suchscheinwerfer ein, sein Handy. Im Lichtkegel lag dort alles Mögliche auf einem Haufen, aber auch drei Gartentische und einige Sessel. Eilig räumte er die Gartenmöbel in den Hof. Stellte die drei Tische auf und verteilte die Sessel einigermaßen regelmäßig. Er hatte nur sein allgegenwärtiges Tuch bei der Hand und wischte kurz die gröbsten Spinnweben weg. Dann stürmte er in die Küche: „Wo sind die Tischtücher?“, rief er.
Die Tische wurden mit hübschen, neuen Tüchern zugedeckt. Morgen musste er das Ganze ernsthaft reinigen lassen. Da war es dann hell, jetzt war es am dunkel werden und daher romantisch, man sah vor allem nicht so genau.
Als er zurück zu seinem Pult lief, hatte das Paar sich entschlossen, einen Tisch beim Empfang zu belegen – das war wohl gut, wenn seltsame Flugobjekte mit Scheinwerfern über dem Hof kreisten. Es war nicht zu erwarten, dass die beiden Freude damit hatten.
Er würde die jugendliche Horde in den Hof verbannen zu ihren Flugobjekten...
ENDE ERSTER TAG