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Die Gehirnhälften und ihre Funktionen


Links Rechts
verbal Nonverbal
Sprache Phantasie
lesen, schreiben erinnert an Formen und Gesichter
mathematisch, intellektuell Intuitiv
detailliert Räumlich
kontrolliert Emotional
analytisch Ganzheitlich
deduktiv Schöpferisch
logisch Visionär
rational bildhaft, metaphorisch
verarbeitet Informationen linear verarbeitet Informationen zirkulär
historisch Zeitlos
differentiell Existentiell
gerichtet Frei
realistisch Impulsiv
abstrakt Konkret
diskret Kontinuierlich

Ich möchte an dieser Stelle noch hinzufügen, dass die Hemisphären für die jeweils gegenüberliegende Körperhälfte zuständig sind. Die linke Hemisphäre steuert also die rechte Hand und umgekehrt.

Ist Ihnen vielleicht einmal in Filmberichten oder auch Kinofilmen aus den USA aufgefallen, dass hier sehr viele Linkshänder zu Hause sein müssen? Mir fallen dann immer sofort die Statistiken zur Vergabe von Nobelpreisen ein. Naturwissenschaftliche oder medizinische Entdeckungen haben nicht nur mit dem logischen Denkvermögen ihrer Urheber zu tun, hierzu bedarf es auch der Vision. Und wie gesagt, sehe ich dann die Häufigkeit der Vergabe solcher Preise an US-Forscher, mache ich mir so meine Gedanken. Oder: Versuche haben ergeben, dass die linke Gesichtshälfte, die also von der rechten Hemisphäre „beaufsichtigt“ wird, mehr über unsere Gefühle aussagt als die linksdominierte rechte Seite.

Sie kennen bestimmt jene Situation, die sich noch vor 30, 40 Jahren hätte wie folgt abspielen können. Eine Familie wird zu einer anderen Familie auf den Sonntag zum Kaffee eingeladen. Man trifft ein, man begrüßt sich und hört auf einmal die Formulierung: „Wirst Du wohl Frau Müller die „schöne Hand“ geben!“

Genau, der Sohn der eingeladenen Familie war Linkshänder, die linke Hand muss dann wohl in der Zwangsläufigkeit dieser Logik die „unschöne Hand“ gewesen sein. Und so was gehört sich doch einfach nicht.

Inzwischen sitzt man im Freien am Kaffeetisch, es ist schließlich ein herrlicher Spätsommertag. Selbstgebackener Zwetschgenkuchen wird aufgetragen. Und wieder vergrault eine Formulierung die eigentlich perfekte Stimmung: „Nimm’ bitte die Kuchengabel in die „gute Hand!“ Heute wissen wir, dass solche Situationen fast schon an Psychoterror grenzen. Generationen von Schulkindern haben sich auf diese Art und Weise von vornherein nie eine persönliche Handschrift aneignen können, weil Eltern und Pädagogen ihnen den Füller an die „richtige“, also die rechte Hand delegiert haben. So sind Talente verkümmert, Fehlleistungen haben sich artikuliert.

Wir haben in Gehirn eine ähnliche Situation: Der Mensch ist rechts- oder linkshirnig veranlagt. Er bevorzugt zum Lösen von Denkproblemen die eine oder andere Gehirnhälfte. Im Laufe unseres Lebens prägen die Spuren von Kultur und Ausbildung tiefe Gräben in die Denkbahnen unseres Gehirns. Sehr früh haben wir gelernt, dass die beste Idee sich schließlich auflöst, wenn wir sie nicht mitteilen können, sie also in ein sprachliches Gewand kleiden. Und so kam es, dass ein Übergewicht unserer Denkbahnen den Weg in die linke, sprachlich denkende Gehirnhälfte weist. Dieser individuelle Entwicklungsprozess ist – so sehe ich das – eingebettet in einen noch größeren, kulturgeschichtlichen.

Linkshirniges Denken bemüht sich, unsere Welt, unser eigenes Ich und das unserer Mitmenschen sachlich - logisch zu erfassen und zu entziffern. Diesem Denken verdanken wir unsere Fähigkeit zu sprechen, zu lesen und zu schreiben. Dieses Denken bemüht sich um kausale Zusammenhänge und kommt so gesehen eigentlich nie zur Ruhe. Hat rationales Denken einen Sachverhalt als Ursache – Wirkungs – Zusammenhang erfasst, wird es sich sofort darüber im Klaren sein, dass auch die erkannte Ursache nichts anderes ist als die Wirkung einer dahinter stehenden Ursache usw.

Nur, diese Ruhelosigkeit führte schließlich zu einer Wissenschaftsgläubigkeit, die für ein Denken jenseits rationaler, sachlich – logischer Bahnen gelegentlich nur noch ein mitleidiges Lächeln aufbrachte. So kam es, dass ein Übergewicht unserer Denkbahnen den Weg in die linke, sprachlich denkende Gehirnhälfte weist. Das Ergebnis ist folgenschwer. Die linke Hirnhälfte erledigt „Denkprobleme“, die eigentlich ureigenstes Betätigungsfeld der rechten Hemisphäre wären und sind.

Ich möchte unbedingt festhalten: Diese Entwicklung hat kein „Abschalten“ der Leistungen der rechten Hirnhälfte zur Folge. Sehen Sie, ich sagte oben, dass wir dem linkshirnigen Denken u.a. die Fähigkeit zuordnen, sprechen, lesen und schreiben zu können. Sinn, Bedeutung und Inhalt von Sprache liefert die rechte Hemisphäre. Spätestens das geschriebene Wort besteht aus Buchstaben, deren zu Hause die linke Hirnhälfte ist. Die Bedeutung (Semantik) der einzelnen Wörter ist wiederum in der rechten Hirnhälfte angesiedelt.

Es ist auch nicht so, dass die Menschheit spätestens seit Descartes und Newton nur noch linkshirnig denkt. Aber ich stimme Sperry uneingeschränkt zu wenn dieser meint, dass letztlich die moderne Gesellschaft die rechte Hemisphäre diskriminiert.

Ziehen Sie bitte nicht die Schlussfolgerung, diese Entwicklung jetzt in ihr Gegenteil verkehren zu müssen. Motto: Die Ratio ist tot, es lebe die Irratio! Vielerorts geschieht das bereits, Sie brauchen sich zu diesen Themen nur einmal im Internet umzuschauen.

Das erinnert mich immer an die sehr verfängliche Bezeichnung „alternative Medizin“. Alternativ meint hier das Wählen zwischen zwei oder mehreren Dingen, wobei sich alternativ immer auf Alternative bezieht, also dem Aspekt des Entweder-oder. Alternative Medizin insistiert also auf die Entscheidung zwischen Schulmedizin und, sagen wir, Naturheilkunde. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass es eine Vielzahl medizinischer Heilungserfolge ohne klassische operative Eingriffe nicht geben wird, andererseits aber beispielsweise homöopathische Therapien durchaus angezeigt sind.

Auch hier sollten wir uns am Gedanken der Polarität orientieren, dem Aspekt des sowohl – als - auch. In meinem Verständnis gilt das auch für die Diskussion der Fähigkeiten von linker und rechter Hirnhemisphäre. Deren Begabungen sind nichts Mystisches, Vages oder Besonderes. Sie sind eine Fähigkeit, die jeder Mensch von Geburt an hat. Es ist die Fähigkeit, Dinge gefühlsmäßig in ihrem Wesen zu erfassen (ganzheitlich) und das übrigens sehr schnell. Manche Menschen thematisieren diese Fähigkeiten als Eingebung, Instinkt, innere Stimme oder Bauchgefühl, manche nennen sie Intuition. Leider werden sie in der weiteren Betrachtung noch immer dem Verstand gegenübergestellt. Dabei stellt sich dieses Verhältnis doch sehr einsichtig dar. Was geschieht, wenn Ihnen z.B. ein Kollege etwas erklärt? Die durch die Lippenbewegungen des Kollegen hervorgerufenen Schallwellen dringen an Ihr Ohr. Ihr Innenohr und viele Teile Ihres Gehirns müssen erst einmal herausfinden, ob es sich um sprachliche oder nicht-sprachliche Signale handelt. Wenn es sich um Sprache handelt, werden die Signale sofort an die Großhirnrinde geleitet. Das geschieht, bevor Ihnen irgendetwas bewusst wird. Zu derselben Zeit, wie die linke Gehirnhälfte, die für die Sprache zuständig ist, herauszufinden versucht, was Ihr Kollegen mitzuteilen hat, nimmt Ihre rechte Gehirnhälfte wahr, ob das Mitgeteilte freundlich, ironisch oder aggressiv gesagt wird.

Gene – Das Gedächtnis des Körpers

Es scheint mir immer mehr, schrieb der große Maler Vincent van Gogh, dass die Menschen die Wurzel von allem sind. Nur: In „Schuldzuweisungen“ haben wir Menschen es inzwischen zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Denken wir hier nur einmal an die so genannte Erbsünde. Besonders nach katholischer Dogmatik hat sich diese Sünde auf alle Menschen weitervererbt und ist schuld an allem Bösen in dieser Welt. Andersgläubige und -denkende wurden und werden für Missernten, Seuchen und Naturkatastrophen verantwortlich gemacht.

Es kann der Frömmste nicht im Frieden leben, trällerte ein deutscher Schlagersänger, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, also dem Anderen. Überhaupt, die Anderen. Es waren immer die Anderen. Und so stehlen wir uns tagtäglich aus der Verantwortung, aus der Verantwortung für unsere Umwelt, aus der Verantwortung für den Anderen, aus der Verantwortung für uns selbst. Und wenn der Andere nicht greifbar ist, greifen die Menschen gerne nach unpersonellen Optionen. „Das liegt ihm eben im Blut“, sagte man früher. Heute macht man Gene (Abschnitt auf einem DNA- Molekül und „Bauplan“ für einen bestimmten Eiweißstoff/Protein, der einen Erbfaktor bzw. ein Erbmerkmal bestimmt) als die Hauptverantwortlichen für dieses oder jenes menschliche Verhalten haftbar: Gene für Kriminalität, Gewalt, Sucht und Aggression, aber auch Gene für Musikalität, Intelligenz, künstlerische Veranlagungen. Der Nobelpreisträger James D. Watson äußerte euphorisch: „Früher haben wir gedacht, unser Schicksal stünde in den Sternen. Heute wissen wir, es liegt in den Genen.“ Und der britische Biologe Matt Ridley beschreibt den Menschen als Opfer, Spielball, Schlachtfeld und Vehikel für den Ehrgeiz seiner Gene.

Was war geschehen? Im Jahre 2000 wurde einer faszinierten Weltöffentlichkeit mitgeteilt, dass die Entzifferung des menschlichen Genoms (Gesamtheit der Erbinformationen) gelungen sei. „Wir haben den ersten Entwurf unseres eigenen Lebensbuches, und wir haben es Seite für Seite gelesen“, so Francis Collins, Direktor des Nationalen Genomforschungsinstitutes der USA.

Der Euphorie folgte alsbald eine gewisse Ernüchterung, denn die Entzifferung des menschlichen Genoms bot eine Reihe von Überraschungen. Die erste war, dass auf dem allergrößten Teil der menschlichen Chromosomenfäden überhaupt keine Gene sitzen. Auf langen Abschnitten fanden die Molekularbiologen nur scheinbar sinnlose Wiederholungen bestimmter Basen. Viel bedenklicher stimmte dann schon die zweite Überraschung. Es gibt schlichtweg viel weniger „Menschen-Gene“ als geglaubt. Mit 32 000 bis 39 000 Genen steht der Mensch nicht viel besser dar als der Fadenwurm (18 000) oder das unscheinbare Pflänzchen der Ackerschmalwand (26 000). Die Gene von Mensch und Maus unterscheiden sich weniger, als man wünschen und vermuten möchte. Von den Unterschieden in den Genen zwischen Mensch und Schimpanse wollen wir erst gar nicht sprechen. Nun sollten wir an dieser Stelle nicht resignieren. Angesichts dieser scheinbar geringfügigen genetischen Unterschiede zwischen Mensch und Menschenaffe sollte sich uns doch eine ganz andere Frage stellen: Was denn nun ist eigentlich genau das „Menschliche“ am Menschen?

Weiterhin entdeckten die Wissenschaftler, dass genetisch gesehen sämtliche Menschen auf der Welt zu 99,9% identische Kopien sind. Nur etwa jedes tausendste Gen ist individuell unterschiedlich ausgeprägt. Was verbirgt sich hinter dieser Entdeckung? Sie erbringt den Beweis dafür, dass die Unterschiede zwischen uns Menschen keinesfalls nur ein Produkt unserer Gene sind oder: Es sind nicht allein die Erbanlagen, die über unser Schicksal entscheiden. Wir haben keinen Grund, ausschließlich Gene für unser Leben verantwortlich zu machen. Menschen sind nicht, wie es der Molekularbiologe Jens Reich einmal treffend formulierte, Marionetten ihrer Gene. Oder um mit seinem Bild zu sprechen: „Selbstverständlich beeinflussen das Design und die konkrete Bauweise eines Klaviers den Charakter der Musik, die auf ihm spielbar ist. Aber ob es der Flohwalzer oder Beethovens Sonate op. 111 ist, hängt nicht vom Baumeister des Klaviers, sondern vom Interpreten ab. Analog verhält es sich mit der genetischen Determinierung von Verhalten und kognitiven Inhalten. Selbstverständlich sind wir von der Ausstattung abhängig, die vom individuellen Entwicklungsprozess hervorgebracht wird, der seinerseits ohne genetische Information nicht ablaufen könnte – aber von da bis zur Psyche des Einzelnen ist es ein weiter Weg, der sich nur als individueller Aneignungsprozess des Ererbten in seiner Lebenswelt analysieren lässt … Jeder von uns ist gewissermaßen ein kompliziert konstruiertes Klavier, das auch bei jedem deutliche Unterschiede in der Ausführung aufweist. Aber für die Musik, die wir auf dem Klavier spielen, also für seine Lebensgeschichte, ist letzten Endes jeder selbst verantwortlich.“

Unsere Erbanlagen ähneln, obwohl dieser Vergleich immer wieder strapaziert wird, nicht so sehr einem Computerprogramm als vielmehr einer Partitur. Hier klingen spezifische Umweltbedingungen mit. Ein kleiner Fehler – eine Note an der falschen Stelle – kann manchmal kaum etwas verändern, im anderen Fall: Alles zerstören. Kürzlich las ich in einem Zeitschriftenartikel die bemerkenswerten Sätze, dass es doch paradox erscheinen muss: Sowenig der „Mensch“ in einzelnen Genen oder sogar allen zusammen eingefangen ist, so sehr liegt doch in unserem Genom alles verschlüsselt, was den Menschen verkörpert: Die Konstruktionsanleitung für sein ganzes Wesen, von der Form der Nase bis zum Geschlechtstrieb, von der Fähigkeit zu denken und zu sprechen bis hin zur selbstlosen Liebes- und Leidensfähigkeit. Zu lieben und zu leiden, zu denken und zu sprechen ist uns nicht deshalb möglich, weil wir unter einem biogenen Zwang existieren, sondern weil wir eine genetische Natur besitzen, die uns solche Freiheit zu selbst gestaltetem und selbst verantwortlichem Leben ermöglicht. Denn Gene erzwingen tatsächlich sehr wenig, aber sie ermöglichen ungeheuer viel. Darin liegt ihre wahre Macht.

Lebens- und Überlebensinstinkte

Eines steht wohl fest: Der Mensch mit seinem vergleichsweise großen Gehirn ist in der Natur wohl eine Ausnahme. Die meisten Tiere kommen bestens mit kleinen Hirnen und beschränkten Fähigkeiten zurecht. Ist womöglich der intelligente, kreative und lernbegierige Mensch nur ein Irrweg der Evolution? Tiere, die instinktiv Gefahren erkennen und ihnen aus dem Weg gehen, sind uns Menschen gegenüber nicht selten im Vorteil. Das zum einen. Und zum anderen. Der Schauspieler Armin Rohde sagte einmal sinngemäß während eines Interviews: Es funktioniert ja noch irrsinnig viel aus dem Stammhirn, aus Zeiten. Wir haben noch ganz viel in uns, was heutigen Gegebenheiten überhaupt nicht mehr angemessen ist. Wir sind einigermaßen gut gekleidete Gorillas. Aber da sind noch ganz viel archaische Verhaltensweisen, Reflexe aus vergangenen Zeiten.

Ich lasse beide Gedanken ganz einfach im Raum stehen und lenke Ihr Interesse auf das dahinterstehende Thema, das Stammhirn.

Mit ca. 500 Millionen Jahren ist es der evolutionär älteste Teil des Gehirns. Man nennt es auch das Reptiliengehirn. Und es funktioniert tatsächlich und prinzipiell so wie bei unseren tierischen Vorfahren. Hier sind grundlegende motorische Funktionen, Gleichgewicht und das so genannte RAS (retikulär aktivierendes System; bereitet das Großhirn über den Thalamus - System der Eingangsfasern zur Großhirnrinde - auf eintreffende Nachrichten vor und trifft gleichzeitig die Vorauswahl aus den Umgebungsinformationen, es filtert quasi die Umwelt und bestimmt, was wir bewusst wahrnehmen und was nicht) beheimatet. Es repräsentiert genetisch determinierte Verhaltensweisen, die dem Überleben des Individuums und der Arterhaltung dienen.

Halt, werden Sie jetzt sagen, also unterliegen wir ja doch der Macht der Gene. Moderne lerntheoretisch begründete Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse werden Ihnen sofort entgegnen: Die Instinkte des Menschen – und um die geht es hier letztlich – sind weitgehend durch erworbene Lernvorgänge sowie durch Erfahrungen aus Objektbeziehungen überlagert. Überlagert ja, aber sie sind da. Sie könnten sonst nicht atmen, husten, schwitzen, keinen Schmerz empfinden, kein Säugling könnte saugen, sie könnten nicht schlafen und Kinder hätten Sie ohnehin nicht.

Im eigentlichen Sinn des Wortes „denkt“ das Reptilienhirn nicht, es „handelt“. Das hat einen großen Vorteil. Es sichert uns nämlich unser Überleben. Gut, dank unserer Kulturstufe stellt sich unser tägliches Dasein nun nicht mehr als der unmittelbare Kampf ums Dasein dar. Wir beschaffen uns unsere Nahrungsmittel im Supermarkt und nicht in der Savanne oder im Dschungel. Hier lauerten und lauern tatsächlich tödliche Gefahren.

Sehen Sie, soweit Sie Besitzer eines Führerscheins sind, werden Sie sich alle an jene Ausführungen erinnern, die Sie irgendwann mal im Zusammenhang mit dem Bremsweg gehört haben. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das anders aus, ganz anders. Vor ihrem Fahrzeug taucht urplötzlich ein Kind auf und Sie haben nur eine etwaige Vorstellung von der Entfernung zwischen dem Kind und Ihrem Auto. Es klingt simpel, aber dennoch ist es so: Sie berechnen jetzt nicht Ihren Bremsweg, Sie treten sofort voll auf „die Eisen“. Ihrem Reptilienhirn sei Dank.

Ein Beispiel für „Nichtführerscheinbesitzer“. Stellen Sie sich bitte vor, Sie würden Ihre Hand auf eine rot glühende Herdplatte legen. Ehe Sie bewusst begriffen haben, was da passiert ist, haben Sie Ihre Hand schon weggezogen. Hätten Sie versucht, diese Krisensituation im Kontext Ihrer Großhirntätigkeit zu meistern, wären Sie anschließend Gast einer medizinischen Notaufnahmestation gewesen. Die Problemlösung fand an anderer Stelle statt. Ihrem Reptilienhirn sei Dank.

Sie sind der neue Mitarbeiter in einer Werbeagentur und Ihre erste Präsentation steht auf der Tagesordnung. Sie bemerken, wie Ihnen beim Reden zunehmend der Mund trocken wird. Ein angebotenes Glas Wasser lehnen Sie dankend-verschämt ab, denn mit der Kontrolle der Feinmotorik Ihrer Hände steht es auch nicht zum Besten. Ihrem Reptilienhirn „sei Dank“.

Ich unterstelle einmal, dass Sie ein Mensch sind, der Kritik nicht wirklich vertragen kann. Sie nehmen Kritik persönlich, fühlen sich angegriffen. Wenn Sie sich an dieser Stelle umdrehen und im wort- wörtlichsten Sinne des Wortes einfach gehen, hat sich Ihr Reptilienhirn (Flucht) zugeschaltet.

Sie gehen spät am Abend durch eine wie ausgestorben wirkende Stadt. Plötzlich stehen vier, fünf junge Männer vor Ihnen, die Sie nach der Uhrzeit fragen, aber die Uhr meinen. Hier macht es dann wenig Sinn zu sagen: „Passt auf, Jungs, ich verstehe Eure Probleme, lasst uns darüber reden. Habt wahrscheinlich eine harte Kindheit gehabt …“ Vertrauen Sie hier lieber auf Ihr Reptiliengehirn und rennen, so schnell Sie können.

Ich habe es schon angedeutet. Natürlich müssen wir heute nicht mehr lendenschurzbekleidet und keulenbewehrt angesichts von Gefahren zwischen Angriff und Flucht „entscheiden“. Wir haben da inzwischen ganz andere Probleme, der moderne Mensch ist mit einer Vielzahl von Stressquellen konfrontiert:

• die Welt, in der wir leben (Lärm, Verkehr, Wetter, Luftverschmutzung usw.)

• existenzielle Faktoren wie z.B. Angst um den eigenen Arbeitsplatz oder finanzielle Probleme

• soziale Faktoren wie z.B. Konflikte mit anderen Menschen

• Konflikte in den zwischenmenschlichen Beziehungen

• Termine, die wir halten müssen, Bewerbungen oder Gespräche mit Vorgesetzten

• körperliche Faktoren wie Krankheiten, hormonelle Schwankungen, schlechte Ernährung

• unsere eigenen Gedanken und die Art und Weise, wie wir subjektiv auf unsere Umgebung oder auf Ereignisse reagieren

Das sind die Gefahrensituationen, denen wir heute ausgesetzt sind. Wir nennen sie auch Stressoren. Ich will nur am Rande erwähnen, dass diese Gefahrensituationen nicht ausschließlich von „außen“ her an uns herantreten. Sie können durchaus auch hausgemacht sein, hierzu rechne ich z.B. überzogene Selbstansprüche.

Eigentlich kommt der Ausdruck „Stress“ aus der Werkstoffkunde und benennt den Zustand eines Materials, das unter Druck (stress=Druck) steht. Dies entspricht unserem Alltagsverständnis von Stress als Situation unter Druck und Zustand besonderer psychischer oder körperlicher Anspannung. Die Stressreaktion des Körpers sorgt nun dafür, dass der Mensch in kürzester Zeit „flucht- oder kampfbereit“ ist. Der Mensch befindet sich in einer solchen Stresssituation in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft, die sich in unterschiedlichen körperlichen Reaktionen zeigt. Alle Sinnesorgane werden auf die Wahrnehmung weiterer Gefahrensituationen eingestellt. Die Hirnanhangdrüse schüttet vermehrt Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin aus. Dadurch erfolgt in Sekunden eine Mobilisierung des Körpers. Pulsschlag, Blutdruck und Atemfrequenz steigen. Die Leber setzt Zucker (Glucose) als Energielieferant frei. Die Gerinnungsfähigkeit des Blutes nimmt zu, die Durchblutung der Haut und der Verdauungsorgane wird gedrosselt. Die Muskeln spannen sich an und das Nervensystem wird in Unruhe versetzt.

Das war bei unseren Vorfahren auch schon so. Sie hatten dasselbe biologische Gegenprogramm zu Stress, nämlich „Entspannung“. Sie gestaltete sich allerdings etwas anders als heute und bot in der Tat nur die Entscheidung in der Alternative Kampf oder Flucht. Die Stresssituation war das Entscheidungsfeld zum Überleben. Diese Direktheit kommt heutzutage so nicht mehr vor. Wir müssen uns der Problematik etwas subtiler stellen.

Zunächst haben wir da den so genannten Eustress (positiver Stress). Hier wird eine schwierige Situation (Gefahr) als Herausforderung gesehen, die es zu bewältigen gilt und die untere Umständen sogar genießen können. Wir sind hochkonzentriert und motiviert. Stress wird hier als Triebkraft zum Erfolg (Kampf).

Beim negativen Stress, dem so genannten Distress, überfordert uns die schwierige Situation (Gefahr) völlig. Es werden keine Handlungsmöglichkeiten gesehen (Flucht). Langfristig kann dieser negative Stress krankmachen.

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
240 s. 18 illüstrasyon
ISBN:
9783961450077
Telif hakkı:
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