Kitabı oku: «Der Zirkadian-Code», sayfa 5
Die drei Grundrhythmen
Die Uhren in den verschiedenen Organen arbeiten wie ein Orchester zusammen, um drei Grundrhythmen zu erzeugen, die die Grundlage für unsere Gesundheit darstellen – Schlaf, Essen und Bewegung. Diese Rhythmen sind miteinander verwoben und, was noch wichtiger ist, wir können sie steuern. Wenn alle einwandfrei funktionieren, sind wir vollkommen gesund. Doch wenn nur ein Rhythmus aus dem Takt gerät, sind die anderen beiden irgendwann auch betroffen und wir geraten gesundheitlich in eine Abwärtsspirale.
Die Rhythmen Ihres Körpers sind wie eine belebte Straßenkreuzung, die von Ampeln reguliert wird. Jede Aktivität, von der Arbeit des Gehirns bis hin zur Nahrungsverarbeitung, funktioniert genau wie ein Verkehrsstrom. Jede Funktion kommt aus einer bestimmten Richtung, aber am Ende läuft alles an einem Ort zusammen. Wenn wir kein richtiges Leitsystem haben, geraten wir aus dem Rhythmus. Da nicht alle Körperfunktionen gleichzeitig stattfinden können, stehen wir entweder endlos lange vor einer roten Ampel oder unsere Rhythmen geraten miteinander in Konflikt wie Autos, die auf der Kreuzung ineinander krachen. Wenn wir nicht auf die Ampeln achten oder gegen den optimalen Rhythmus anarbeiten, entsteht ein Durcheinander, unter dem am Ende unsere Gesundheit leidet.
Rhythmus Nr. 1: Schlaf – Die Wahrheit über Lerchen und Eulen
Viele Menschen glauben, dass sie ausgesprochen früh oder spät zu Bett gehen und entsprechend früh oder spät aufwachen. Sie schreiben diese Schlafgewohnheiten genetischen Ursachen zu und beschreiben sich dann entweder als Nachteulen, die lange aufbleiben können, oder als Lerchen, also Morgenmenschen, die früh wach werden.
In Wahrheit ist es so, dass die Frage, ob wir Morgenmenschen oder Nachteulen sind, sich mit dem Alter ändern kann. Kleinkinder werden in der Regel früh wach, weil sie schon früh am Abend einschlafen. Wenn Sie versuchen, Ihr Kind bis 21 oder 22 Uhr wach zu halten, dann stören Sie damit seinen natürlichen Einschlafrhythmus. Das Verschieben des natürlichen Schlafmusters von Kindern ist zu einem schwerwiegenden Gesundheitsproblem geworden und wirkt sich auf die Hirnentwicklung aus. Selbst Fälle von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) bei Erwachsenen werden mittlerweile mit spätem Zubettgehen, zu wenig Schlaf und dem hauptsächlichen Aufenthalt in geschlossenen Räumen in Verbindung gebracht.4 Natürlich bleiben Kinder manchmal abends länger wach, weil es nur normal ist, dass Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Das ist vor allem in China und Indien ein großes Problem, wo die Eltern aufgrund langer Arbeitswege abends oft erst spät zu Hause sind.
Auch Teenager gehen meist spät zu Bett und schlafen dann bis in den Morgen hinein. Die meisten Schüler im Highschool-Alter bleiben problemlos bis nach Mitternacht wach, bekommen dann aber nicht ausreichend Schlaf, wenn sie vor sieben Uhr morgens aufstehen müssen, um zur Schule zu gehen.
Wenn wir älter werden, in den Jahren zwischen 30 und 50, werden wir ganz von selbst wieder zu Frühaufstehern. Das bedeutet, dass es uns leichter fällt, abends einzuschlafen und wir wahrscheinlich morgens von selbst zu Tagesanbruch wach werden. Im Anschluss an die Pubertät besteht die Tendenz, dass Frauen früher wach werden als Männer. Dieser Unterschied löst sich im mittleren Alter auf, wenn die Produktion der Geschlechtshormone nachlässt – auch ein Signal dafür, auf welche Weise der Geschlechtshormonpegel Schlafmuster beeinflusst.5
Wir sind darauf programmiert, als Babys mindestens neun Stunden zu schlafen und für den Rest unseres Lebens ein Schlafmuster von sieben Stunden beizubehalten, aber unser gesamtes Uhrensystem lässt mit der Zeit ein wenig nach und wird weniger effektiv. Mit zunehmendem Alter lässt der innere Trieb nach ununterbrochenen Schlaf- oder Wachphasen nach. Wir werden durch Geräusche oder Licht schneller geweckt und haben Probleme, wieder einzuschlafen. Genau dann wird das Pflegen einer inneren Uhr durch bessere Gewohnheiten zu einem kritischen Faktor.
Während viele Menschen davon ausgehen, dass Veränderungen ihres Schlafzyklus von den Genen beeinflusst werden, ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Genmutation sehr gering. Nur äußerst wenige Menschen weisen eine Genmutation auf, die ihre innere Uhr so massiv verstellt, dass sie Probleme haben, sie über neue Gewohnheiten umzustellen. Das Untersuchen dieser Menschen hat uns allerdings wichtige Einblicke in den menschlichen zirkadianen Zyklus gegeben.
Eine Frau namens Betty hatte ein Schlafproblem, und es war so gravierend, dass sie nach einer Lösung suchte. Zwar bekam Betty die viel zitierten sieben Stunden Schlaf am Tag, aber zu Zeiten, die nicht der Norm entsprachen. Jeden Abend ging sie um 19 Uhr ins Bett und wachte gegen 2 Uhr nachts auf. Ihr Schlafverhalten war ein großes Problem für sie, denn es grenzte die Zeit ein, in der sie ein normales Sozialleben führen konnte. Betty suchte viele Schlafspezialisten auf, die sie alle untersuchten und ihr dann bestätigten, dass sie kerngesund sei, da sie ja ihre sieben Stunden Schlaf bekomme. Doch obwohl sie sich wirklich große Mühe gab, gelang es ihr nicht, ihr Schlafmuster zu ändern.
Der letzte Arzt, an den sie sich wendete, war Christopher Jones von der University of Utah, der zunächst auch glaubte, dass Bettys Schlafroutine kein Problem darstelle, bis sie ihm berichtete, dass mehrere ihrer Familienmitglieder genau das gleiche Muster aufwiesen. Jones kam sofort auf die Idee, dass es sich hier um eine genetische Mutation innerhalb der Familie handeln könnte. Er erzählte dem Molekularbiologen Louis Ptacek und seiner Frau Ying-Hui Fu, ebenfalls Molekularbiologin, Bettys Geschichte und beide nahmen sich des Falls an. In den nächsten Jahren fanden Ptacek und Fu eine einzige Veränderung an Bettys Per-Gen – dem gleichen Gen, das bei den Fruchtfliegenexperimenten von Seymour Benzer und Ron Konopka verändert worden war. Zum ersten Mal konnte die Mutation eines einzigen Gens bei einem Menschen eindeutig mit einer Veränderung des Schlaf-Wach-Rhythmus oder zirkadianen Rhythmus in Verbindung gebracht werden.6
Diese einzige und äußerst selten vorkommende Mutation bewirkte, dass Bettys Uhr schneller lief als normal und dies auch nicht zu ändern war. Am Morgen beginnt unsere Gehirnuhr ab dem ersten Sonnenlicht die Stunden zu zählen, die wir wach sind. Meist stößt sie uns nach 12 Wachstunden an, uns langsam aufs Schlafengehen vorzubereiten. Nachdem wir dann 16 Stunden am Stück wach waren, wollen die meisten von uns schlafen. Aber Bettys Uhr lief schneller. Für ihr Gehirn entsprachen 12 Stunden Wachsein bereits 14 Stunden und wenn sie 14 Stunden wach war, glaubte ihr Gehirn, es seien 16 Stunden. Deshalb war es für sie nahezu unmöglich, wach zu bleiben.
Einige Jahre später entdeckte Fu eine Familie, die eine andere Mutation des Gens Dec2 aufwies, die potenziell zu einem reduzierten Schlafbedürfnis führte. Menschen mit dieser Mutation wachen bereits nach fünf Stunden Schlaf erholt auf und sind in ihrer Leistungsfähigkeit in keinerlei Hinsicht eingeschränkt.7
Doch selbst wenn Sie mit solchen Genproblemen zu kämpfen haben, können gesunde Gewohnheiten die schädlichen Auswirkungen aufheben. Obwohl es Betty schwerfiel, bis spät am Abend wach zu bleiben und Freunde zu treffen, nutzen andere Betroffene diese Verschiebung aus, indem sie eher mit der Arbeit beginnen und so früher nach Hause gehen können. Doch die meisten Menschen, vor allem Langschläfer, haben nicht mit Gendefekten zu kämpfen, sondern eher mit Gewohnheiten, die ihrem Zirkadian-Code zuwiderlaufen.
Ich kam einmal mit einem erfolgreichen Geschäftsmann ins Gespräch, der mir erzählte, wie schwer es ihm fiel, nachts einzuschlafen und mehrere Stunden am Stück zu schlafen. Er war davon überzeugt, „schlechte Schlafgene“ zu besitzen. Aber nachdem ich mich mit ihm für einige Minuten über seine täglichen Gewohnheiten und Essenszeiten unterhalten hatte, wurde mir klar, dass sein Schlafproblem durch die drei Tassen starken Kaffee verursacht wurde, die er jeden Tag zwischen dem späten Nachmittag und seiner Bettgehzeit trank. Sobald er damit aufhörte, nachmittags Kaffee zu trinken, begann er um 22 Uhr einzuschlafen und ganze sieben Stunden durchzuschlafen.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass schlechte Gewohnheiten der Grund sind, dass wir uns für Morgenmenschen oder Nachteulen halten, liefert das Experiment von Ken Wright Jr. an der University of Colorado in Boulder. Er leitete einen Campingausflug für Menschen, die sich selbst dem gemäßigten Spektrum der Nachteulen zuordneten: Sie gingen spät zu Bett und wurden morgens spät wach. Vor dem Ausflug überwachten alle Teilnehmer ihre Schlafmuster und nahmen Speichelproben, um herauszufinden, zu welchem Zeitpunkt ihr Körper die größte Menge des Schlafhormons Melatonin produzierte. Wright fand heraus, dass bei vielen der Nachteulen die Melatoninproduktion verspätet einsetzte. Ihr Schlafhormonspiegel stieg nicht vor 22 Uhr an und erreichte seinen Höhepunkt erst nach Mitternacht.
Nachdem die Gruppe zwei Tage in der Wildnis gecampt hatte, wurden erneut Speicheltests gemacht. Zur Überraschung aller hatte sich bei den Nachteulen der Melatoninrhythmus normalisiert, der nun – im Vergleich zur Zeit vor dem Ausflug – entsprechend früher am Abend einsetzte. Die Teilnehmer konnten jetzt vor 22 Uhr schlafen gehen. Ihr Melatoninspiegel stieg bereits gegen 19 oder 20 Uhr an, anstatt erst zwei bis drei Stunden später, und sie konnten nicht mehr so lange wach bleiben.8 Die Veränderung hing nicht mit unbequemen Schlafgelegenheiten zusammen, sondern mit dem Fehlen von hellem Licht am Abend und dem Auslassen anderer schlechten Angewohnheiten, etwa dem Arbeiten bis in die Nacht hinein und Koffein am späten Abend. Durch das Fehlen von hellem Licht bei Nacht konnten diese Menschen wieder ihren normalen zirkadianen Rhythmus aufnehmen.
Dieses Experiment ist einer der Gründe, warum ich glaube, dass wir unsere Gesundheit selbst in der Hand haben. Gewohnheiten zu korrigieren, ist der Schlüssel zur Verbesserung unseres Zirkadian-Codes. Ich habe den Effekt am eigenen Leib erlebt. Als ich mit einigen Kollegen im Masai-Mara-Nationalpark in Kenia zeltete – ohne elektrisches Licht und umgeben von wilden Tieren –, hatten wir keine Veranlassung, bis spät in die Nacht wach zu bleiben. So gut wie dort hatte ich schon seit Jahren nicht mehr geschlafen und ich wachte mehrere Tage lang rund eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang erfrischt auf. Als ich nach San Diego zurückkehrte, stellte sich mein altes Schlafmuster wieder ein – ich ging spät nachts ins Bett und versuchte, eine Stunde nach Sonnenaufgang wach zu werden. Als ich mit meinen Kollegen darüber sprach, zeigten sie mir die vielen Unterschiede zwischen dem Leben in San Diego und dem im Masai-Mara-Nationalpark auf: In Kenia war ich am Tag jeder Menge Licht ausgesetzt, während es nachts fehlte. Auch war es stiller, die Temperaturen sanken bei Nacht und ich hatte früher zu Abend gegessen. All diese Faktoren hatten zu besserem Schlaf beigetragen.
Rhythmus Nr. 2: Essenszeiten und ihre Auswirkungen auf die innere Uhr
Wenn die wichtigste Aufgabe des zirkadianen Systems darin besteht, die Energieaufnahme zu optimieren und das Überleben zu sichern, was passiert dann mit ihm, wenn Nahrung zur falschen Zeit zur Verfügung steht? Was geschieht beispielsweise, wenn Nagetiere nur am Tag Nahrung erhalten, wenn sie eigentlich schlafen und fasten sollen? Ignoriert der SCN-Taktgeber die Nahrung? Das hätte – gelinde gesagt – ungünstige Auswirkungen auf die Gesundheit, denn wenn die Tiere das Futterangebot ignorieren, sterben sie. Wenn Mäuse lernen, dass Futter nur am Tag zur Verfügung steht, beginnen sie eine Stunde vor Ankunft der Nahrung aufzuwachen, um nach Futter zu suchen. Man könnte also sagen, sie entwickeln einen Mechanismus zur Vorhersage von Futter. Nachdem sie gefressen haben, schlafen sie allerdings wieder (wie sie dies für gewöhnlich tagsüber tun) und sind erst nachts wieder aktiv. Ihre SCN-Uhr, die ihren täglichen Schlaf-Wach-Rhythmus kontrolliert, funktioniert also weiterhin einwandfrei, abgesehen von einer kurzen Phase am Tag, wenn sie aufwachen, um zu fressen.
Wenn Mäuse tagsüber fressen, was von der Natur ja so nicht vorgesehen ist, was geschieht dann mit der Nahrung? Wird sie verdaut und in der Leber verarbeitet, wo die Leberuhr den Stoffwechsel steuert? Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir geglaubt, dass die Leber zwar eine Uhr hat, deren Funktion aber zumindest teilweise vom Gehirn gesteuert wird, das ein Signal an die Leber sendet. Gleichzeitig waren wir skeptisch, denn es würde eine Menge Energieaufwand und Mühe für die Leber bedeuten, so sehr vom Gehirn abhängig zu sein. Und es gab ein weiteres Paradoxon: Wenn ein Tier jeden Tag zur falschen Zeit Nahrung aufnimmt und seine Leberuhr auf eine Verstoffwechselung in der Nacht programmiert ist, wäre die Leber nicht in der Lage, am Tag aufgenommene Nahrung zu verarbeiten.
Wir führten also 2009 ein einfaches Experiment durch. Wir nahmen einige nachtaktive Tiere, in diesem Fall Mäuse, und fütterten sie nur am Tag. Dann sahen wir uns ihre Leberfunktion an und stellten fest, dass sich nahezu jedes Leber-Gen, das sich innerhalb von 24 Stunden ein- und ausschaltet, komplett an der Nahrungsaufnahme orientierte und Zeitpunkt und Licht keine Rolle spielten.9 Es war also das Futter, das die Leberuhr steuerte, nicht das Gehirn.
Die Untersuchungsergebnisse änderten unsere Sicht auf den zirkadianen Rhythmus und seine Beziehung zu Licht und Nahrung. Anstatt zu glauben, dass die Organe des Körpers alle Informationen über den richtigen Zeitpunkt aus der Außenwelt über die Blaulicht-Sensoren im Auge bezogen, wussten wir nun, dass der Körper auch auf andere Hinweise reagierte. Genauso wie das erste Morgenlicht unsere Gehirnuhr stellt, stellt der ersten Bissen am Tag unsere Organuhren. Tatsächlich kann die Nahrungsinformation ein so starkes Signal sein, dass sie das Hauptsignal der SCN-Uhr überschreibt.
Denken Sie einmal an Ihr Frühstück am Morgen. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Sie morgens immer zur gleichen Zeit hungrig werden, ganz gleich, wie viel sie am Abend zuvor gegessen haben? Das hängt damit zusammen, dass Ihre Gehirnuhr oder die Uhr in Ihrem Hungerzentrum dem Körper sagt, wann er hungrig sein sollte. Gleichzeitig sprechen Gehirn und Darm miteinander und die Uhr im Darm instruiert das Gehirn, sich auf ein Frühstück vorzubereiten. Die Bauchspeicheldrüse ist bereit, Insulin abzugeben, die Muskeln sind bereit für die Aufnahme von Glukose, und die Leber ist bereit, Glykogen zu speichern sowie Fett herzustellen und einzulagern.
Wenn Sie in der Regel um acht Uhr morgens frühstücken, dann haben Sie quasi eine Verabredung mit Magen, Leber, Muskeln, Bauchspeicheldrüse und so weiter – und alle werden bereit sein, das Frühstück um 8 Uhr zu verarbeiten. Dieser erste Bissen ist auch eine der Verbindungen Ihrer Uhr zur Außenwelt: Das Frühstück wird zum Signal, das die innere Uhr mit der Zeit in der Außenwelt synchronisiert. Solange Sie mehr oder weniger um acht Uhr frühstücken, laufen Ihre innere Uhr und die Außenwelt synchron.
Aber nehmen wir einmal an, sie stehen eines Tages früher auf, weil sie auf einen frühen Flug von Hamburg nach Istanbul gebucht sind, und ihre Routine wird unterbrochen. Anstatt um acht Uhr zu frühstücken, „müssen“ Sie dies schon um sechs Uhr tun. Schließlich hat man Ihnen beigebracht, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages ist und man es keinesfalls ausfallen lassen sollte. Wie Sie so vor Ihrer Müslischale sitzen, werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass Sie gar nicht wirklich hungrig sind, und zwar deshalb, weil Ihr Gehirn kein Signal an den Magen gesendet hat, die Verdauungssäfte für Ihr Essen vorzubereiten. Ihre Leber und die restlichen Organe sind ebenfalls noch nicht so weit.
Aber egal: Sie wissen es besser und essen trotzdem etwas. Mit dem ersten Bissen schaltet Ihr Magen in den Notfallmodus und verarbeitet die Nahrung. Der Körper muss alles stehen und liegen lassen, was er sonst um diese Uhrzeit erledigt und seine Aufmerksamkeit der ankommenden Nahrung zuwenden. Oder er ignoriert sie und sie bleibt einige Stunden lang unverdaut liegen. In der Regel aber entscheidet sich der Körper für die erste Option. Er hält alle Aktivitäten an, die er normalerweise vor dem Frühstück abarbeitet, beispielsweise das Entleeren des Darms und das Verbrennen gespeicherter Energie. Wenn also ein frühes Frühstück erscheint, muss der Körper die Entleerung stoppen und den Fettverbrennungsschalter umlegen, damit er nun die frische Nahrung, die Sie gerade essen, als Energiequelle nutzt.
Aber das ist noch nicht alles. Die Uhren in Ihrem Magen, der Leber, den Muskeln, der Bauchspeicheldrüse und so weiter nehmen das unerwartete Frühstück ebenfalls zur Kenntnis und kommen durcheinander. Diese Uhr glauben dann vielleicht, sie gingen falsch und es wäre schon acht Uhr. Um die „verlorene Zeit“ aufzuholen, werden die Uhren in diesen Organen nun versuchen, schneller zu gehen. Aber Ihre zirkadiane Uhr hat viele Zahnräder und es ist nicht so einfach, den Lauf all dieser Uhren in unterschiedlichen Organen zu beschleunigen und wieder in Einklang zu bringen. Ihre Selbstregulierungskapazität ist meist auf rund eine Stunde pro Tag begrenzt.
Wenn Sie am nächsten Tag zum Frühstück gehen, ist es zwar acht Uhr morgens in Istanbul, aber Ihr Körper glaubt immer noch, es sei sechs Uhr morgens in Hamburg, und Ihr Magen ist noch nicht für die Nahrungsaufnahme bereit. Er schaltet wieder in den Notfallmodus und versucht, die Nahrung zu verarbeiten. Und er versucht auch erneut, die Uhren vorzustellen.
Ungefähr ab dem vierten Tag haben sie einen komplett neuen zirkadianen Rhythmus aufgebaut, der an die neuen Umstände angepasst ist. Aber wissen Sie was? Ihr Kurzurlaub ist leider schon wieder zu Ende und Sie fliegen nach Hause. Wenn Sie nun am nächsten Morgen um acht Uhr in Hamburg an Ihrem Frühstückstisch sitzen, denkt Ihr Körper, es sei zehn Uhr. Die Organe waren auf eine Frühstückszeit von sechs Uhr vorbereitet, aber da kam keine Nahrung. Also begannen sie die nächsten Punkte auf ihrer Liste abzuarbeiten. Und wieder müssen Magen, Leber, Muskeln, Bauchspeicheldrüse und so weiter alles stehen und liegen lassen und ihre Aufmerksamkeit der Verarbeitung Ihres Frühstücks widmen. Dieses Mal entscheiden sie sich fürs Multitasking. Und erneut versuchen die Uhren, sich anzupassen, indem sie in den folgenden Tagen langsamer laufen.
Dieses Beispiel macht deutlich, wie beliebige Frühstückszeiten Ihre Organe verwirren und ihre Funktionsweise beeinträchtigen. Mithilfe der zirkadianen Uhr ist jedes Organ darauf programmiert, für einige wenige Stunden Nahrung zu verarbeiten, beginnend beim Frühstück. Wenn Sie um acht Uhr frühstücken, dann arbeitet das System etwa acht bis zehn Stunden optimal. Jedes Mal, wenn wir etwas essen, nimmt der gesamte Vorgang von Verdauung, Aufnahme und Verstoffwechselung einige Stunden in Anspruch. Selbst ein kleiner Bissen benötigt rund eine oder zwei Stunden, um verarbeitet zu werden. Nach etwa zehn Stunden setzen der Darm und die anderen Stoffwechselorgane zwar die Verarbeitung der Nahrung fort, aber die Effizienz lässt nach, da sie nicht darauf programmiert sind, rund um die Uhr zu arbeiten. Die Uhren in den verschiedenen Organen sind nicht so effizient. Die Produktion von Verdauungssaft und Darmhormonen verlangsamt sich, ebenso wie die Verdauung, und Sie haben das Gefühl, unter Verdauungsbeschwerden oder Sodbrennen zu leiden.
Leider gilt das, was wir hier am Modell des zeitverschobenen Frühstücks demonstriert haben, auch für ein spätes Abendessen. In diesem Fall ist die Störung sogar noch gravierender. Ein Essen, das um 18 Uhr eingenommen wird, benötigt bereits einige Stunden, um verarbeitet zu werden. Wird dasselbe Essen jedoch um 20 Uhr eingenommen, dauert die Verarbeitung wesentlich länger, da wir uns nun außerhalb des optimalen 10-Stunden-Fensters befinden. Diese „Zusatzarbeit“ führt dazu, dass der nächste Punkt auf der To-do-Liste des Körpers verschoben wird oder sogar ganz unter den Tisch fällt.
Vielleicht denken Sie jetzt: „Na und? Ich schlafe trotzdem gut!“ Aber der Haken dabei ist folgender: Unsere Zellen können nicht zur gleichen Zeit Körperfett herstellen und abbauen. Jedes Mal, wenn wir essen, wird das Fettproduktionsprogramm angeschaltet. Die Zellen in Leber und Muskeln produzieren Fett und lagern es ein. Das Fettverbrennungsprogramm wird erst dann langsam gestartet, wenn die Organe feststellen, dass keine Nahrung mehr kommt, und das ist erst einige Zeit nach Ihrer letzten Mahlzeit des Tages. Und es dauert wiederum mehrere Stunden, bis der Körper eine ordentliche Portion des gespeicherten Fetts wieder abgebaut hat.
Nehmen wir einmal an, Sie haben um 20 Uhr zu Abend gegessen und waren eine halbe Stunde später fertig. Weil Ihre innere Uhr die ganze Zeit tickt, ist Ihr Fettherstellungsprozess bereits verlangsamt und um 22:30 Uhr bekommen Sie noch Lust auf einen kleinen Snack. Ein Stück Obst, ein Müsliriegel, ein paar Nüsse – was Sie essen, ist ganz egal. Sobald diese Nahrung in Ihrem Magen ankommt, muss die Magenuhr, die schon das „Küche für heute geschlossen“-Schild herausgehängt hatte, sich wieder an die Arbeit machen, um diesen Snack zu verarbeiten. Am Morgen wäre Ihr Snack innerhalb einer Stunde oder weniger verarbeitet, aber nun war Ihr Magen nicht darauf vorbereitet und die Verarbeitung dauert mehrere Stunden. Ihr Fettherstellungsprozess dauert bis nach Mitternacht an und der Fettverbrennungsprozess kann erst gegen Morgen beginnen. Doch sobald Sie dann Ihr Frühstück zu sich nehmen, wird der Schalter schon wieder umgelegt und auf Fettproduktion gestellt.
Und vielleicht denken Sie nun wieder: „Wo liegt das Problem? Reden wir hier nicht nur von ein paar Gramm zusätzlichem Fett nach einem spätabendlichen Snack? Stellt sich der Verdauungsrhythmus nicht am nächsten Tag sowieso wieder von selbst ein?“ Tatsächlich ist es wesentlich schlimmer, als Sie denken. Es ist für den Körper schon schwierig genug, Hormone, Gene und Uhren bei jemandem zu kontrollieren, der eine relativ geregelte Essensroutine hat. Doch wenn die Nahrungsaufnahme zu willkürlichen Zeiten und über Tag und Nacht verteilt erfolgt, bleibt der Fettherstellungsprozess die ganze Zeit aktiv. Gleichzeitig überflutet die Glukose, die aus verdauten Kohlenhydraten stammt, unser Blut und die Leber kann sie nicht mehr effektiv aufnehmen. Hält dies einige Tage an, steigt der Blutzuckerspiegel kontinuierlich und erreicht die gefährliche Zone von Prädiabetes oder Diabetes.
Wenn Sie sich also fragen, warum Diäten bei Ihnen einfach nicht anschlagen, dann könnten Ihre Essenszeiten etwas damit zu tun haben. Selbst wenn Sie Sport getrieben, Kalorien gezählt, Fette, Süßigkeiten und Kohlenhydrate vermieden und hohe Mengen an Eiweiß zu sich genommen haben, ist die Wahrscheinlichkeit dennoch hoch, dass Sie Ihre inneren Uhren nicht beachtet haben. Wenn Sie spätabends noch etwas essen oder immer zu vollkommen unterschiedlichen Zeiten frühstücken, bringen Sie Ihren Körper ständig aus dem Takt. Aber keine Sorge, dieses Problem lässt sich relativ leicht lösen: Legen Sie sich feste Essensgewohnheiten zu und bleiben Sie dabei. Timing ist alles.