Kitabı oku: «Die Bewusstseinsrevolution», sayfa 2

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KAPITEL 2

Maya und der Traum

Maya

Das Wort »Maya« aus dem Sanskrit wird gewöhnlich mit »Illusion« übersetzt. Es bezieht sich auf etwas Magisches, eine Erscheinung, die nicht real ist. In der Vedischen Literatur Altindiens wird das Wort in einer Weise benutzt und diskutiert, die andeutet, dass die Welt wie ein Traum ist, ein Traum, der in gewisser Weise zwar greifbar, dabei aber gleichzeitig irreal und wechselhaft ist. Maya ist sowohl das Paradigma, auf dessen Grundlage du in der Welt handlungsfähig bist, als auch die Kette, die dich an die Welt fesselt. Die Dämonen, die in der hinduistischen Mythologie Illusionen erzeugen und den Menschen Streiche spielen, bedienen sich zu diesem Zweck der Kraft des Maya. Dabei sehen diese Dämonen oft so aus, als seien sie andere Wesen oder sogar Götter, die gleichsam ein Theaterstück aufführen oder ein bestimmtes Ergebnis erzielen wollen.

»Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust«, sagt Faust in Goethes Drama, und wenn es dir auch so geht und du spürst, dass es in deinem Wesen zahlreiche Stimmen und Personen gibt, dann ist es am besten anzunehmen, dass keine von diesen realer ist als die andere. Und alle zusammengenommen funktionieren nicht besser und nicht schlechter, als dies bei anderen Menschen der Fall ist. Sie sind nur Spielmuster. Eine Illusion als wirklich zu akzeptieren, ist lediglich eine Form des Spieles. Wenn du aber die Illusion für den Grund des Seins hältst, dann führt das Spiel schnell zu Trug und Verblendung.

Ein Beispiel dafür ist der Prozess der Konditionierung, dem wir in der Regel von der frühen Kindheit an ausgesetzt sind und der dazu dienen soll, dass wir uns in der Welt zurechtfinden, indem wir die Regeln und Konventionen der Welt lernen. In Wahrheit sind diese Konventionen nichts anderes als Regeln für ein bestimmtes Spiel, das gespielt werden soll, und deren Einhaltung es dir erlaubt, mitzuspielen. Die Regeln sind letztlich nur ein schmückender Rahmen für das Spiel. Der Trick ist hier, dass man die Illusion als Spiel wahrnimmt und das Spiel als Illusion. So kann man an der konventionellen Welt in dem Bewusstsein teilnehmen, dass man schon aus dem Traum erwacht ist.

Wenn du dann am Ende deines jetzigen Lebens Rückschau hältst, dann wirst du nicht sagen müssen, dass du zu viel getan oder zu viel riskiert oder zu viel geliebt hast. Im Gegenteil. Falls du noch einmal die Chance hast, wiedergeboren zu werden, wirst du sagen, du musst noch mehr tun, noch mehr riskieren, noch mehr geben, noch mehr Kontakte knüpfen und Verbindungen herstellen, und noch mehr lieben. Das Spiel des Lebens will mit vollem Einsatz gespielt werden. Das heißt aber nicht, dass du dich erwartungsvoll an ein bestimmtes Ergebnis klammern sollst und dann verzweifelst, wenn du es nicht erzielen kannst.

Vom ersten Tag unseres Lebens an lernen wir die Illusion des Getrenntseins, die Illusion des Todes und die Illusion des Duftes von allem, was dazwischenliegt. Dadurch werden wir zum Mitschöpfer dieser Illusionen. Viele unserer inneren Impulse und Antriebe stehen im Widerspruch zueinander. Nehmen wir zum Beispiel den Trieb zur Anpassung, welchem der Trieb entgegensteht, herauszuragen und sich von der Masse abzuheben. Beide scheinen notwendig zu sein, aber beide stehen im Konflikt. Dieses Beispiel veranschaulicht ein wesentliches Paradox unseres menschlichen Lebens, unserer Teilnahme an der Illusion des Maya.

In eine Gemeinschaft eingegliedert zu sein, ist überlebensnotwendig. Diese Notwendigkeit, sich anzupassen und sich in die Gesellschaft sowie in soziale Gruppen zu integrieren, hat aber zur Folge, dass Menschen leicht Opfer von Gehirnwäsche werden, besonders wenn schwerfällige, bürokratische Strukturen in Regierung, Wirtschaftsunternehmen, Militär und bestimmten religiösen Organisationen im Spiel sind.

Was die Notwendigkeit zur individuellen Selbstverwirklichung angeht, so gibt es eine große Herausforderung bei der Steuerung dieses Impulses. Allzu oft führen Versuche, die eigene Autonomie zu stärken, Führungsqualitäten zu entwickeln und seine Individualität zum Ausdruck zu bringen, zu Ablehnung, Konfrontation und Entfremdung. Eine solche Reaktion kann durchaus ein Hinweis darauf sein, dass man beim Versuch, aufzufallen und sich hervorzutun, zu weit gegangen ist und ein schlechtes Urteilsvermögen bewiesen hat. In diesem Fall haben dann die gesellschaftlichen Normen die Funktion, eine negative Rückmeldung zu geben. Einerseits heißt das, dass man an die Normen der Mehrheit angepasst wird. Andererseits aber dient eine solche Reaktion also Barometer der persönlichen Entwicklung und unterstützt somit den eigenen Reifungsprozess.

Dann aber gibt es immer wieder Konflikte, die dadurch entstehen, dass jemand im Verlauf der Selbstverwirklichung allzu deutlich sieht, was in einer Gesellschaft wirklich los ist. Es wird deutlich, dass das Militär den Willen des Individuums zu brechen sucht, dass die Wahlen manipuliert werden, dass das Gesundheitswesen so organisiert ist, dass es krank macht und krank hält, dass die Medien eher Instrumente der Gehirnwäsche sind als echte Informationsquellen, und schließlich, dass die Religionen nur dann im Geschäft bleiben können, wenn es ihnen gelingt, den menschlichen Verstand im Zaum zu halten. Den Verstand, aber nicht die Seele …

Die Ironie liegt dabei darin, dass die genannten gesellschaftlichen Gruppen meist aus durchaus gutwilligen und hilfsbereiten Menschen bestehen. Die meisten Priester und Kleriker wollen dir wirklich den Weg in den Himmel zeigen. Beamte und öffentliche Bedienstete haben deinen Vorteil im Sinn und Ärzte wollen eigentlich, dass du gesund wirst. Journalisten sind vorwiegend daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden, und die Mehrzahl der Politiker will die Welt wirklich verbessern. Das Problem liegt also nicht in der Schlechtigkeit der Menschen, sondern in den Dysfunktionen der Strukturen und Systeme, in die diese Menschen eingebettet sind.

Solche Strukturen schaffen Abhängigkeiten, und das ist eine Erkenntnis, mit der nicht so einfach umzugehen ist. Was tun, wenn man diese Wahrheit sieht? Entweder spielst du das Spiel wider besseres Wissen mit oder du leistest Widerstand. Die Stimme deiner tieferen Weisheit mahnt dich zur Vorsicht, im Wissen, dass etwas nicht stimmt. Das heißt nicht unbedingt, dass es einen klar identifizierbaren Gegner oder ein deutlich umrissenes Problem gibt. Also spielst du das Spiel mit und du fühlst die Wärme seiner einzelnen Bestandteile sowie deiner Mitspieler – eine Wärme, die echt und einladend ist. In der Folge wird deine Seele mit Bequemlichkeit erpresst und der Preis dafür ist die Betäubung deiner ursprünglichen und authentischen Stimme. Du wirst dazu verführt, eine Scharade der Normalität zu akzeptieren, und erntest dafür nur Apathie und Gleichgültigkeit. Es entsteht eine mechanische Puppe, die nach künstlichen Glücksgefühlen verlangt. Es entsteht der rhythmische Schlag einer seelenlosen Musik, die dich bis zur völligen Vergesslichkeit hypnotisiert. Es entsteht die zweidimensionale Verlockung der Technologie, die ein Happy End verspricht. Mit den Worten Terence McKennas: »Kultur ist nicht dein Freund.«

Das ist das Maya, von dem es zu erwachen gilt, und du bist der Einzige, der dich davon erwecken kann. Ein Koan im Zen-Buddhismus ist ein Rätsel ohne logische Antwort. Der Sinn eines Koans ist es zu zeigen, dass es niemals endgültige Antworten gibt. Im Leben geht es nicht um den Nettoprofit und es gibt auch keine Wissenschaft, die seinen Sinn auf eine einzelne Aussage oder Theorie reduzieren kann. Das Koan ist sowohl weise als auch humorvoll und diese Mischung kann dich aus der Scharade erwecken.

Große Kunst kann dieselbe Wirkung haben. Ein Lied, ein Gedicht, ein Gemälde oder eine poetische Sprache erlauben deinem Herzen, zu vernehmen, was deine Ohren nicht hören können, und deiner Seele, zu erblicken, wofür deine Augen blind sind. Das Paradox der Sprache liegt darin, dass sie uns beschränkt, aber gleichzeitig auch befreien kann. Die Aufgabe des Künstlers ist es also, eine Sprache zu verwenden, die das konventionelle Bewusstsein durchdringt und die üblichen Ausdrucksformen überwindet, so-dass du den Telefonanruf Gottes beantworten kannst. Das Licht der Morgendämmerung enthüllt sich und weckt dich aus dem Schlaf der Illusion.

Ein Bodhisattva ist eine Art von Buddha, der seine Erleuchtung und seine »Buddhaschaft« bewusst verschiebt und in den Zyklus des Lebens zurückkehrt, um andere bei ihrem Erwachen zu helfen. Der Teil deiner selbst, der den Ruf zum Erwachen erhört, und der bereit ist, andere zu erwecken und das Licht mit ihnen zu teilen, das ist der Bodhisattwa in dir. Sein Modus Operandi ist Mitgefühl und er kann in unzählig vielen Formen auftauchen. Er erscheint als Träumer, als Geliebter, als Künstler, als Heiler, Mutter, Arbeiter oder auch als Gärtner. Eines der bekanntesten Beispiele ist das des mythischen Bodhisattvas Avalokiteśvara, dessen Namen im Sanskrit so viel wie »Herr, der nach unten schaut« bedeutet.

Ein bestimmtes Thema kommt häufig in verschiedenen Kulturen und Schriften vor, unabhängig von Religion und Rasse. Es ist der Gedanke, dass Menschsein bedeutet, die Verantwortung für die Fortdauer des Lebens zu tragen. Beginnt nicht jeder Tag im Leben mit dem Erwachen? Wer oder was ist es in dir, der dich erweckt? Vielleicht ist es gerade jener »Herr, der nach unten schaut«, der tief in deiner Seele wohnt, an einem Ort, der jenseits deines gegenwärtigen Lebens liegt. Dort gibt es einen Brunnen des Wissens, der gleichzeitig innerhalb und außerhalb deiner selbst ist. Du bist in diesem Brunnen und er ist in dir. Dieser Brunnen ist der »Herr« und du bist dieser Brunnen. Er ist das Auge, das immer geöffnet ist, selbst wenn es geschlossen ist. Er ist der Atem, den du jetzt atmest, der dich in die Welt gebracht hat, und der auch dann fortdauert, nachdem du gegangen bist und aufgehört hast, ihn zu tragen. Er ist das Licht, das dir zuwinkt aus einer unauslöschlichen Quelle des Lebens jenseits deiner selbst. Deus factus sum – Ich bin zu Gott geworden. Du bist es.

Die Kosmologie ist die Erforschung und das Studium der natürlichen Ordnung des Universums oder des Multiversums, wobei die Theorie des Urknalls eine zentrale Rolle spielt. Schon Pythagoras verwendete das Wort »Kosmos« in Bezug auf das physikalisch beobachtbare Universum. Der Naturforscher Alexander von Humboldt publizierte ein Werk mit dem gleichen Titel, dessen Untertitel lautet: »Entwurf einer physischen Weltbeschreibung.« Schließlich benutzte auch der amerikanische Philosoph Ken Wilber in seinem Magnus Opus Eros, Kosmos, Logos (ebenso wie in dem kürzeren, leichter zugänglichen Eine kurze Geschichte des Kosmos) den Begriff »Kosmos«, der auch im englischen Original mit »K« geschrieben wird, und er bezieht sich dabei auf die gesamte Evolution allen Seins, einschließlich der Materie, des Lebendigen und des Geistigen. Wilber bezieht also die Evolution des Bewusstseins in seine Beschreibung des Kosmos mit hinein, im Gegensatz zu der Beschränkung auf die Materie in einem Buch wie Eine kurze Geschichte der Zeit des Physikers Stephen Hawking.

Wichtig ist hier folgender Gedanke: Jenseits des physischen Kosmos, der ohnehin schon spektakulär ist, gibt es eine prachtvolle, wunderbare Realität, aus der die physische Materie hervorspringt. Bewusst an dieser Realität teilhaben bedeutet, den Reichtum der physikalischen Wirklichkeit zu vermehren. Es gibt Geist und es gibt Gehirne, genauso wie es den Traum gibt und einzelne Träume. Aufzuwachen heißt nicht, dass etwas von dem Traum hinweggenommen oder dass der Traum reduziert wird. Aufzuwachen heißt, dass das Schauspiel des Lebens illuminiert wird und immer weitere Schichten des kosmischen Kontextes sichtbar werden.

Eines Nachmittags – ich war gerade kurz vorher nach Kalifornien gezogen – ging ich in einen Laden in South Central Los Angeles, um ein Getränk zu kaufen. Ich unterhielt mich mit dem Kassierer, der halb blind war. Da klingelte die Ladenglocke und ein Bekannter des Kassierers kam herein. »Was gibt’s Neues, was ist los«, begrüßte er diesen. Darauf der Kassierer: »Genau, das ist die Frage! Was ist los? Was ist wirklich los? Das möchte ich auch wissen.«

Und das ist in der Tat die Frage: »Was ist eigentlich wirklich los? Woher kommt die Wärme, die das Feuer wärmt, das es ihm seinerseits erlaubt, das Zimmer zu heizen? Wer oder was ist das »es« in »es regnet«? Beobachte einen Schwarm Vögel oder Fische. Erlebe, wie sich die Herzschläge von Mutter und Kind synchronisieren. Dann wirst du vom Spirit, vom Geist berührt, von dem ewigen Du, von der Einheit, die ist und die immer war. Der Geschmack und die Konsistenz des Samadhi – der tiefsten Versenkung jenseits allen Denkens – ist um dich herum. Es ist der Geschmack einer unendlich reichen Leere, der Geschmack eines gewaltigen Nichts, in dem alle Möglichkeiten unvermeidlich sind.

Luft schmeckt nach Wasser, Wasser schmeckt nach Milch und Milch schmeckt nach Honig. So wie in dem Laden in Los Angeles gibt es auch in dir einen Blinden und einen Freund. Manchmal muss der Freund den Blinden aufsuchen und ihn darum bitten, ihm zu helfen, die Welt anders zu sehen. Die Antwort auf das Rätsel liegt im Prozess des Erwachens selbst. Du brauchst es nicht auf einem Berggipfel im Himalaja zu suchen oder darauf zu warten, dass ein Guru es dir zuflüstert. Nein, du findest es im Laden an der Ecke, 24 Stunden am Tag geöffnet. Der Schlüssel ist immer schon in deiner Tasche.

Der Traum

Eine schöne Seite der Nichtdualität ist die Wiedergeburt der Dualität, die Freude des Auf-die-Welt-Kommens. Was in einem nicht linearen Traumzustand oder im Zustand meditativer Versunkenheit geschieht, kann wunderbar unbeschreiblich sein. Das Göttliche ist ohnehin nicht in Worten ausdrückbar. Aber auch das Greifbare, das Erfahren und Erleben bringen Wachstum, Schmerzen und viel Schönheit.

Du kennst diesen Moment, wenn du im völligen Wachzustand auf den Mond schaust, der die unsichtbare Sonne hell reflektiert, und du den Mann siehst und dann den Hasen, wenn dann urplötzlich diese Ahnung aus deinem Inneren aufsteigt und du das Selbst siehst, das ewige Selbst, das jenseits deiner selbst ist und alles Selbst durchdringt.

Die Wahrnehmung der Zeit ist ein Produkt der Evolution, ein im Entstehen begriffener, funktionaler Aspekt der linearen Organisationsweise des menschlichen Geistes. Ihr Zweck ist es, das Überleben in dieser relativen Welt zu ermöglichen. Das Sterben ist also nicht so tragisch, wie nicht wiedergeboren zu werden. Und da bin ich, da bist du – da ist die glorreiche Wiedergeburt von allem, genau dort im Licht des Mondes, der Tod und die Wiedergeburt, von Augenblick zu Augenblick. Es ist so, als folge man einem Stern, dessen Funktion es ist, dich gerade so weit in die Irre zu führen, dass du wiedergefunden werden kannst. Das genau ist der Telefonanruf Gottes.

Was die menschliche Kognitionsfähigkeit angeht, so ist die Ironie ja die Tatsache, dass der Verstand beständig versucht, etwas zu »fassen«, und zu be-«greifen«, was außerhalb seiner Reichweite liegt. Der Verstand ist eine außerordentliche Maschine, machtvoll, aber gleichzeitig beschränkt. Der Verstand ist allenfalls in der Lage, eine Straßenkarte zu erstellen, auf der die Pforten in eine andere Welt markiert sind. Jenseits dieser Pforten gibt es keine Straßen mehr, nur noch unbefahrenes Gelände. Erfahre die Gesamtheit der Existenz, indem du sie mit dir selbst füllst. Und da du selbst ein Teil dieser Existenz bist, füllt sie gleichzeitig auch dich. Alles ein und dasselbe.

Das Bewusstsein geht der Realität voraus. Die materielle Welt entsteht aus dem einen, einzigen Bewusstsein, aus dem nichtdualen So-Sein. Es wächst und entwickelt sich … um sich dann erneut selbst zu transzendieren. Die Physikalität der Existenz ist nur ein Aspekt dieses Entwicklungsprozesses. Und da ist es: Es deutet auf etwas hin, was im Jenseits liegt und gleichzeitig alles durchdringt. Genau hier, im tiefen Purpur eines Blütenblattes, dem Dunkelblau des weiten Ozeans, der Elektrizität, die freigesetzt wird, wenn man in ein lächelndes Auge schaut – genau hier, im Mondlicht.


Die Formeln der Physik können den Verstand durchaus in die Welt jenseits der Wahrnehmung hinausführen. Um allerdings die Majestät der himmlischen, ewigen und unsäglichen Weiten aufzuzeigen, braucht man die Ausdrucksmittel der Künstler und Dichter, die über den beschränkten Verstand hinausreichen. Solche Mittel sind die Poesie, das Filmemachen, die Kunst, die Mutterschaft und die Gartenarbeit. Oder einfach das Sich-selbst-Sein, sein eigenes wundervoll lächerliches Selbst. Der Traum geht weiter. Und du bist da, für immer.

KAPITEL 3

Das zweite Satori und sich selbst feiern lernen

Das zweite Satori

Als ich drei Jahre alt war, zog unsere Familie von Oxford in England nach Hawaii. Mein Vater trat eine Professorenstelle in Vergleichender Religionswissenschaft an, mit den Religionen Indiens als Spezialgebiet. Zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen gehören seine Vorlesungen, in die ich mitgehen durfte. Eines Morgens sprach er über den Taoismus und über Zen. Sein Thema war der chinesische Begriff des Wu Wei – Handeln, ohne etwas zu erzwingen. Das Wort »Wu« bedeutet»nicht« oder »ohne«, und »Wei« kann mit »handeln« oder »tun« übersetzt werden. Der Begriff bezieht sich also sowohl auf das Nichthandeln als auch auf das Handeln im Einklang mit der Natur, ohne jeden Zwang.

Stell dir vor, du hältst die Blüte einer Blume in der Hand. Wenn dein Griff zu leicht ist, fliegen die Blütenblätter davon. Wenn er zu fest ist, zerdrückst du sie. Wu Wei, Handeln ohne Zwang, ist ein Beispiel für Anmut. Es veranschaulicht außerdem ein Paradox, das eigentlich jeder Aktivität innewohnt. Wenn du dich in einer Beziehung nicht genug deinem Partner zuwendest, läuft sie Gefahr, schwächer zu werden und zu zerbrechen. Wenn du hingegen deinem Partner nicht genug Raum lässt und sie oder ihn erdrückst, auch dann zerstörst du die Beziehung. Das gilt auch für unwillkürliche und unbewusste alltägliche Handlungen, wie eine Unterschrift leisten, küssen, schlucken, atmen, sexuelle Erregung, jemanden zu grüßen oder sogar beim täglichen Stuhlgang. Wenn du willst, dass eine Katze zu dir kommt, musst du ihr schmeicheln und gut zureden.

Mein Vater wollte dieses Paradox in seiner Vorlesung vor etwa zweihundert Studenten demonstrieren. Er nahm dazu ein Blatt Papier und zerknüllte es. Dann erklärte er, dass er nun versuchen werde, es in den Papierkorb zu werfen, der sich am anderen Ende der Bühne des Auditoriums befand. Er zielte genau, warf das Knäuel in Richtung Papierkorb und verpasste ihn, wie nicht anders zu erwarten war, um einen oder zwei Meter. Er hob das Papier wieder auf, ging an seinen Ausgangspunkt zurück und sagte: »Jetzt versuche ich es noch einmal, aber diesmal im Sinne des Wu Wei. Das heißt, ich muss mich nur völlig entspannt auf den Moment einlassen und präsent sein. Ob ich treffe oder nicht, ist dabei belanglos.« Dann drehte er sich herum und sagte: »Natürlich wird es wahrscheinlich nicht klappen, aber …« Und wie absichtslos warf er das Papierknäuel über seinen Rücken in Richtung Papierkorb hoch durch die Luft.

Hast du jemals das Gefühl, dass ein gerade vergangenes Ereignis unbedingt genauso eintreten musste, wie es passiert ist, dass es aber, falls es sich eine Million Mal wiederholen würde, in Millionen Varianten dieses Universums, jedes Mal eine leicht veränderte Version des Geschehens geben würde, allerdings mit genau demselben Ergebnis? Ähnlich wie am Beispiel des Schicksals und der Hand, die sich dir entgegenstreckt, gelingt es auch hier der lebendigen Schöpferkraft, eine Furche der Schönheit in den Acker der Zeit zu graben. Das ist die Natur der Schöpferkraft. Sie kann sich beim Backen eines leckeren Kuchens ausdrücken oder in der anmutigen Landung eines Vogels auf einem Zweig. Mit ihrer Hilfe werden Babys gezeugt und sie ist der Prozess, durch den sich der universale Geist manifestiert, in dir und durch dich.

Die Papierkugel landete im Papierkorb. Von den Studenten war kein Ton zu hören. Es war, als sei der Wurf einer ewigen Schleife der Unvermeidlichkeit gefolgt. Mein Vater reagierte verwundert auf diese Ironie: »Mein Gott, es ist wirklich passiert.« Er und ich hatten für einen Moment Blickkontakt. Das war mein zweites Satori.

Satori ist ein buddhistischer Begriff, der aus dem japanischen Wort »satoru – verstehen« abgeleitet ist. Der Ausdruck bezieht sich auf einen Moment des Erwachens, eines plötzlichen und totalen Verständnisses. Wenn der Boden eines Eimers durchfällt, verliert der Eimer das ganze Wasser auf einmal. Plötzlich verstehst du, so wie dich die Pointe eines Witzes trifft. Du verstehst, ohne darüber nachdenken zu müssen. Alles wird klar in diesem Augenblick, wie in einem Aha-Erlebnis. Es kommt plötzlich und unerwartet. Es ist, als werde ein elektrischer Schaltkreis geschlossen.

Wenn sich dieser eine Augenblick in unzähligen Variationen und in einer unendlich großen Anzahl von möglichen Universen wiederholen würde, dann wäre Satori die sofortige und unmittelbare Erkenntnis der einen Wahrheit, die gleichzeitig in all diesen Varianten sichtbar wird. Äußerlich nehmen alle Varianten eine andere Form an. Das Erwachen jedoch, also der Prozess, durch den der Geist sich selbst anerkennt, klingt durch alle auf identische Weise hindurch. Diese Erkenntnis ist das Satori.

Sich selbst feiern lernen

In der Grundschule und dann auch später auf dem Gymnasium fühlte ich mich stark zum Theater hingezogen. Mir gefielen sowohl die Aufwärmübungen als auch das Theaterspielen selbst, da beides mir erlaubte, tiefere Muster des Werdens zu entdecken. Die Übungspraxis in der Theaterwerkstatt bot mir zum allerersten Mal die Gelegenheit, so etwas wie eine gemeinschaftliche Meditation zu erleben. Wenn die üblichen Schranken fallen – Alter, Klassenunterschiede, Geschlecht, Rasse, Religion und Nationalität –, dann kann man sich selbst in einer Atmosphäre größerer Freiheit besser kennenlernen und man braucht weniger Angst davor zu haben, dass man von anderen verurteilt wird.

Charakteristisch für diese Atmosphäre ist, dass man sich einander unvoreingenommen begegnen kann. Oft wissen die Teilnehmer am Anfang nichts übereinander und können daher vorurteilsfrei miteinander umgehen. Es ist, als sei man die unausgesprochene Vereinbarung eingegangen, zusammen einen Raum für freien Selbstausdruck und Selbsterforschung zu schaffen. Hier sind die Beziehungen zueinander dynamisch, humorvoll, authentisch, intim und somit förderlich für persönliches Wachstum. Jeder erlaubt dem anderen, sich frei auszudrücken, ohne von kulturbedingten Vorannahmen eingeschnürt zu sein. Es wird dann möglich, sich einander mit aufrichtiger Neugier zu begegnen. Wäre es nicht wundervoll, wenn wir Menschen im Allgemeinen in der Lage wären, so miteinander umzugehen? Eine derartig energische und gleichzeitig einfühlsame Haltung wäre eine Methode, die zur gegenseitigen Befreiung führt. Wie viele intime und intensive Beziehungen könntest du zu ganz verschiedenen Menschen haben, wenn es auch im alltäglichen Leben eine solche unausgesprochene Vereinbarung gäbe wie im Theater.


Der deutsche Psychologe Fritz Perls machte die sogenannte Gestalttherapie populär. Ziel dieser Therapie ist es, die Bewusstheit zu schärfen. Dazu gehört es, die eigenen Gefühle besser zu erkennen, Empfindungen in dem Moment wahrzunehmen, in dem sie auftauchen, und größere Aufmerksamkeit darauf zu richten, was im zwischenmenschlichen Umgang von Augenblick zu Augenblick emotional passiert. Perls Grundidee war, dass jeder Mensch untrennbar von seiner Umwelt ist. In diesem Sinne sind Selbsterkenntnis, das Verstehen der Mitmenschen und das Verstehen des Kontextes, sowohl innerlich als auch äußerlich, Aspekte ein und desselben Prozesses. Es ist nicht verwunderlich, dass Perls sich auch besonders für die Schauspielkunst interessierte. In der Theaterpraxis gibt es viele Übungen, durch die man seine Kommunikationsfähigkeit verbessern kann, besonders was Kreativität und Spontaneität betrifft.

Eine der Theaterübungen, die Perls an die Gestalttherapie angepasst hat, heißt »leerer Stuhl«. Ein Patient oder Klient sitzt einem unbesetzten Stuhl gegenüber. Er stellt sich vor, dass jemand auf diesem Stuhl sitzt – das kann eine andere Person sein oder aber auch ein Teilaspekt des eigenen Ich. Die Übung besteht darin, dass der Klient dann mit der in der Fantasie vorgestellten Person kommuniziert. Dadurch, dass die andere Person oder die personifizierten eigenen Gefühle und Gedanken auf den leeren Stuhl projiziert werden, können Dinge ausgedrückt und näher untersucht werden, die ansonsten unterdrückt blieben. Im zweiten Schritt kann sich dann der Klient auf den leeren Stuhl setzen und die Rolle des anderen spielen. Der Effekt dieser Übung kann es sein, dass man widersprüchliche Teilaspekte in sich selbst versöhnt oder dass man seine Perspektive in Hinsicht auf die Beziehung zu einem anderen erweitert. Dieselbe Übung gibt es in verschiedenen Varianten, mit oder ohne Stuhl oder mit anderen Requisiten. In jedem Fall geht es darum, eine Erfahrung ins Hier und Jetzt zu bringen, um sie dann untersuchen und verarbeiten zu können. Genau das ist auch die Aufgabe des Schauspielers, wenn er oder sie eine Rolle verkörpert. Es ist auch die Aufgabe eines Menschen, der sich vollständig auf das Leben einlassen will.

Als ich klein war, las ich oft Comics aus Indien, in denen zahlreiche Menschen, Götter, Göttinnen, Krieger, Dämonen, anthropomorphe Wesen und Tiere vorkamen. Viele der Geschichten aus der vedischen und hinduisti- schen Tradition hatten ein Thema gemeinsam: die Fluidität, mit der verschiedene Wesen sich zwischen allen Daseinsebenen ein- und ausbewegen. Die Schöpfungskraft des Lebens drückt sich auf unendlich vielfache, wild kreative Weise aus. Somit bist du ein Avatar Gottes, der ursprüngliche Ausdruck einer Stimme, die niemals wieder auf exakt dieselbe Weise wiedergegeben werden kann, genauso wie eine mythologische Figur in einem Theaterstück, dessen Autor du bist und in dem du selbst mitspielst, als Schauspieler, dessen Aufgabe es ist, den gegenwärtigen Augenblick hervorzubringen. Du bist beides, das Geschöpf und der Schöpfer, der unentbehrliche Mitarbeiter an der Erschaffung neuen Lebens.

In dem Augenblick, in dem es dir klar wird, dass genau das deine Rolle ist, wird das Leben zu einem großen Abenteuer. Das, was du als Beitrag bringst, kann von keinem anderen gebracht werden. Niemand kann dich kopieren. Diesen Beitrag zu bringen, ist also nichts weniger als eine göttliche Aufgabe.

Martin Buber stellte die Teilnahme am Leben in den Kontext der Beziehung zwischen dem Ich und dem Du. Das Du ist dabei das Auge Gottes, der Puls allen Seins, die Heiligkeit der Schöpfung. So wie du der Chefkoch bist, der ein göttliches Mahl kocht, bist du das süße Salz, welches die Essenz des Mahles ausmacht. Und ebenso bist du der Dirigent des Symphonieorchesters und gleichzeitig der Musiker, der die erste Geige spielt. Und genau jetzt, in dem Augenblick, in dem du diese Worte liest, bist du das Christuskind, das im Begriff ist, geboren zu werden, und du bist auch die Hebamme, die bei seiner Geburt assistiert. Wenn du im Wald stehst, kannst du die Rinde eines Baumes bewundern, dem Wind zuhören, wie er die Äste verbiegt, die kühle Brise auf deiner Haut spüren und den Duft verborgener Blumen sanft und sacht in deine Nasenlöcher einlassen. Du spürst und empfängst und nimmst diesen Wald in dich auf und genauso spürt und empfängt und nimmt er dich auch in sich auf. Ihr kommt beide von demselben Nichts und bewegt euch durch dasselbe All. Du bist ich und du bist du, du bist verschieden und doch gleichzeitig ein und dasselbe.

An einem Sonntagabend, als ich ungefähr sieben Jahre alt war, veranstalteten mein Vater, mein Bruder und ich eine kleine Feier zu Hause in Hawaii. Die Orte, an denen mein Vater wohnte, waren immer durch einen bestimmten Geruch charakterisiert und mit einem speziellen Gefühl verbunden. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass er in den Siebziger- und Achtzigerjahren so stark unter dem Einfluss von Indien stand, aber auf jeden Fall gab es immer brennende Räucherstäbchen, deren Geruch sich mit dem von Marihuana und Haschisch vermischte. Dazu indische Musik im Hintergrund, mit exotischen Akkorden, Trommeln, melodischen Gesängen. Gläser rochen nach Gin, Limonen, Tonic und Rotwein, Rasierwasser und Feuerzeugbenzin. Gerösteter Knoblauch, angebrannter Curry, Holzschnitzereien und ganze Stapel alter Bücher – alles Gegenstände, die seit Jahren von diesen Gerüchen durchtränkt worden waren.

An diesem Abend war es schon sehr spät, deutlich nach Mitternacht, und am nächsten Tag mussten wir früh aufstehen, um mit meinem Vater zur Uni zu fahren. Wir hatten den ganzen Abend Karten gespielt und schließlich schlug mein Vater vor, albern und verspielt wie immer, auf die Straße zu gehen, um den Planeten Mars am Himmel zu suchen. Gerade als wir den roten Planeten durch die nebligen Wolken scheinen sahen, fing ein tropischer Regen an. Wir rannten zum Haus zurück und als wir an der Tür ankamen, hörten wir das rhythmische Klopfen der schweren Regentropfen auf dem Dach unseres einstöckigen Hauses.

Natürlich hatte mein Vater wieder den Schlüssel vergessen und wir waren aus dem Haus ausgeschlossen. Das war nicht das erste Mal, aber vorher war ich immer klein genug gewesen, um durch die Hundetür ins Haus hineinzukriechen und die Haustür von innen zu öffnen. Jetzt war ich aber nicht mehr fünf, sondern sieben, und ich passte nicht mehr durch die enge Öffnung hindurch. Daher versuchte mein Vater, das Schloss mit seiner Kreditkarte aufzumachen. Der einzige Erfolg war, dass die Alarmanlage losdröhnte.

»Es darf doch nicht wahr sein, du machst wohl Witze!«, rief mein Vater. Das »du«, zu dem er sprach, war wohl er selbst, und das »es« war das »es« in »es regnet«. Der Regen stürzte weiter herab und wir waren schon völlig durchnässt. So standen wir vor unserem Haus, um ein Uhr nachts. Der Alarm war so laut, dass wir auf die Straße zurückgingen, bis an die Ecke des Nachbargrundstücks. Der Regen wurde noch stärker, fast wie ein Monsun. Mein Bruder, der ein paar Jahre älter war als ich, fragte: »Was machen wir denn jetzt?« Mein Vater war völlig wach und gegenwärtig und hatte keine Ahnung, was zu tun war. Plötzlich rief er: »Okay, jan ken po«, was so viel bedeutete wie »Spielen wir eine Runde Schere, Stein, Papier«. »Ich verstehe nicht«, sagte ich, als mein Bruder und er tatsächlich anfingen, zu spielen. »Komm, Sebastian, spiel mit, einfach nur so«, sagte mein Bruder. Und diese Begründung ist so gut wie jede andere.

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