Kitabı oku: «Charlotte Löwensköld», sayfa 3
Die Werbung
Schagerström hat einen Heiratsantrag gemacht! Der reiche Schagerström auf Groß-Sjötorp.
Nein, ist's möglich, Schagerström war auf Freiersfüßen gegangen?
Ja, es ist wahrhaftig wahr, Schagerström hat um ein Mädchen geworben.
Aber wie in aller Welt ist das denn gekommen, daß Schagerström einem Mädchen einen Antrag gemacht hat?
Nun, die Sache ist die: In der Propstei von Korskyrka war ein junges Mädchen, namens Charlotte Löwensköld. Sie war etwas verwandt mit dem Propst und diente der Frau Propst als Gesellschafterin, und außerdem war sie mit dem Hilfsgeistlichen in der Propstei verlobt.
Aber was hat sie denn mit Schagerström zu tun?
Nun, Charlotte Löwensköld war ein frisches, frohes, offenherziges junges Mädchen, und in dem Augenblick, wo sie ihren Fuß auf die Schwelle der Propstei setzte, ging es wie ein frischer Hauch durchs ganze Haus. Der Propst und seine Frau waren alt und gleichsam zu ihren eigenen Schatten geworden; aber Charlotte flößte ihnen neues Leben ein. Der Vikar aber war dünn wie ein Zwirnsfaden und so fromm, daß er fast nicht zu essen und zu trinken wagte. Den Tag über versah er seinen Dienst, und nachts lag er vor seinem Bett auf den Knien und beweinte seine Sünden. Er zählte sich schon zu den Verlorenen; aber Charlotte Löwensköld hinderte ihn daran, sich vollends ganz aufzureiben.
Aber was hat dieses alles mit – -?
Man muß wissen, daß der Vikar, als er zum erstenmal in die Propstei von Korskyrka kam, ganz frisch ordiniert und mit allem, was zu seinem Dienst gehörte, noch ganz unbekannt war. Da half ihm Charlotte Löwensköld, sich zurechtzufinden. Sie hatte ihr Lebtag in einem Pfarrhause gewohnt und war mit allem in Betracht Kommenden auf dem laufenden; nun lehrte sie den Vikar sowohl Kinder taufen als auch im Kirchengemeinderat das Wort führen. Und dabei verliebten sie sich ineinander und waren nun schon fünf Jahre verlobt.
Aber auf diese Weise kommen wir ja ganz von Schagerström ab ...
Eine ganz hervorragende Eigenschaft von Charlotte Löwensköld war, daß sie für andere alles so gut einzurichten und anzuordnen verstand. Kaum war sie also mit dem Vikar verlobt, als sie auch schon heraushatte, daß seine Eltern mit der Wahl dieses Berufes gar nicht einverstanden waren. Sie hätten es viel lieber gesehen, wenn ihr Sohn sich den Magistertitel erworben hätte, um dann auf den Lizentiaten und Doktor der Philosophie zu studieren. Er war auch wirklich fünf Jahre in Upsala gewesen, hatte dann das Kandidatenexamen dort gemacht, und im siebenten Jahr wäre er Magister geworden – aber gerade da hatte er umgesattelt und das theologische Examen gemacht. Seine Eltern waren wohlhabend und ein wenig ehrgeizig. Es war ihnen nicht lieb, ihren Sohn eine so anspruchslose Laufbahn einschlagen zu sehen. Seit er Geistlicher geworden war, hatten sie ihn beständig mit Bitten bestürmt, doch noch weiter in Upsala zu studieren; aber dazu war er nicht zu bewegen gewesen. Charlotte Löwensköld sah wohl ein, daß er mit einem höheren Examen weit bessere Aussichten auf Beförderung haben würde, und so schickte sie ihn nach Upsala zurück. Und da er der ärgste Büffler war, den man sich vorstellen kann, so war er in vier Jahren fertig gewesen. In dieser Zeit hatte er nicht nur das Lizentiatenexamen gemacht, sondern auch seinen philosophischen Doktor.
Aber was in aller Welt hat Schagerström damit ...
Charlotte hatte sich die Sache so ausgerechnet: Wenn ihr Verlobter nur erst promoviert hätte, dann würde er sich um eine Stelle als Lektor an einem Gymnasium bewerben, mit der ein so ansehnliches Gehalt verbunden wäre, auf das sie hätten heiraten können. Und sollte er unbedingt Pfarrer werden wollen, so konnte er nach einigen Jahren, wie es der Brauch war, auf ein großes Pastorat befördert werden. Dies war die Laufbahn des Propstes von Korskyrka und noch vieler anderer gewesen. In diesem Falle ging es jedoch nicht so, wie Charlotte sich's ausgedacht hatte, denn ihr Verlobter wollte sofort Geistlicher werden und die gewöhnliche Pfarrerlaufbahn einschlagen. Deshalb kehrte er noch einmal als Vikar nach Korskyrka zurück. Und obwohl er Doktor der Philosophie war, verdiente er noch nicht einmal so viel wie ein Stallknecht.
Ja, aber Schagerström ...
Es ist ja begreiflich, daß Charlotte Löwensköld, die nun schon fünf Jahre auf ihren Verlobten gewartet hatte, damit nicht zufrieden war. Doch freute sie sich, als er nach Korskyrka zurückgeschickt wurde. Er wohnte in der Propstei, so sah sie ihn täglich, auch war sie der Ansicht, sie werde ihn schon noch dazu bringen können, Lektor zu werden, wie sie ihn auch dazu gebracht hatte, seinen Doktor zu machen.
Aber bei dem allem hören wir ja gar nichts von Schagerström!
Nun ja, weder Charlotte Löwensköld noch ihr Bräutigam hatten das allermindeste mit Schagerström zu tun. Er gehörte einer ganz andern Art von Menschen an. Sein Vater war ein hoher Beamter in Stockholm, er selbst war reich und hatte dazu noch die Tochter eines värmländischen Hüttenbesitzers geheiratet, die Erbin von so vielen Bergwerken und Grubenfeldern, daß ihre Mitgift auf mehrere Millionen geschätzt werden konnte. Zuerst hatte Schagerström in Stockholm gewohnt und nur in den Sommermonaten die Bergwerke im Värmland besucht; aber nachdem seine Frau in den ersten Jahren im Wochenbett gestorben war, hatte er sich ganz nach Groß-Sjötorp bei Korskyrka zurückgezogen. Er betrauerte seine Frau aufs tiefste und vermißte sie überall und konnte es nicht ertragen, irgendwo zu wohnen, wo er mit ihr zusammengelebt hatte. Er zeigte sich auch kaum je bei einer Gesellschaft, aber, um die Zeit doch herumzubringen, übernahm er die Verwaltung der vielen Gruben; das Herrenhaus auf Groß-Sjötorp baute er um und verschönte es, so daß es der prächtigste Sitz im ganzen Kirchspiel wurde. Ganz einsam war er aber nicht; er hielt sich eine große Dienerschaft und lebte wie ein Grandseigneur; Charlotte Löwensköld wußte wohl, daß sie ebenso leicht das Siebengestirn vom Himmel herabholen und in ihren Brautkranz flechten könnte, als Schagerströms Frau werden.
Nun gehörte Charlotte Löwensköld zu den Menschen, die immer gleich sagen, was ihnen durch den Kopf geht. Und eines Tages bei einer Gesellschaft in der Propstei, wozu viele Gäste gebeten waren, wollte es der Zufall, daß Schagerström mit seinem prächtigen schwarzen Viererzug und dem betreßten Lakaien auf dem Bock neben dem Kutscher am Hause vorüberfuhr. Natürlich sprang alles an die Fenster, um Schagerström nachzusehen, solange noch ein Schimmer von ihm zu erhaschen war. Als er ganz verschwunden war, wandte sich Charlotte Löwensköld an ihren Verlobten, der weiter zurück im Zimmer stand, und rief so laut, daß alle Anwesenden es hören konnten: »Das sag' ich dir, Karl Artur, so lieb ich dich auch habe – wenn Schagerström um mich anhält, nehm' ich ihn!«
Jedermann wußte recht gut, daß Charlotte niemals Schagerström bekommen konnte, und so lachten alle herzlich. Und der Bräutigam lachte mit, denn das wußte er, Charlotte hatte diesen Ausspruch nur getan, um die Gäste zu belustigen. Sie selber sah aus, als ob sie über das, was ihr so herausgefahren war, bestürzt wäre; aber es war doch nicht ganz sicher, ob sie nicht einen kleinen Hintergedanken dabei gehabt hatte. Sie wollte vielleicht den guten Karl Artur ein wenig aufrütteln und ihm den Gedanken an das Lektorat nahelegen.
Schagerström war noch tief in seine Trauer versenkt und dachte an keine zweite Ehe. Aber durch seine Arbeit, die ihn mit vielen Menschen in Verbindung brachte, bekam er bald allerlei Bekannte und Freunde, die ihm zuredeten, sich wieder zu verheiraten. Er lehnte es ab, da er viel zu unliebenswürdig und langweilig sei, als daß ihn irgendein Mädchen haben wollte, und legte den Versicherungen des Gegenteils auch keinen Wert bei. Eines Tages kam indes die Rede doch wieder auf diese Sache, und zwar bei einem großen geschäftlichen Mittagessen, woran Schagerström gezwungenerweise teilnahm, und als er in gewohnter Weise abwehrte, erzählte einer seiner Nachbarn aus Korskyrka von dem jungen Mädchen, die ihrem Verlobten den Laufpaß geben wolle, wenn Schagerström um sie werben würde. Es war eine sehr muntere Mittagsgesellschaft, man lachte herzlich über die Geschichte und behandelte sie als einen lustigen Scherz, genau wie in der Propstei.
Um die Wahrheit zu sagen, so hatte Schagerström schon oft die Schwierigkeit, ohne Hausfrau auszukommen, empfunden; aber er liebte die Verstorbene noch immer, und schon der Gedanke, ihren Platz von einer andern ausgefüllt zu sehen, flößte ihm Widerwillen ein.
Bisher hatte er sich immer eine Ehe nur mit einer Frau denken können, die genau so wäre wie seine Verstorbene. Aber nachdem er die Geschichte von Charlotte Löwensköld erfahren hatte, schlugen seine Gedanken eine andere Richtung ein. Wenn er z.B. eine Verstandesheirat einginge, wenn er sich mit einer einfachen Person verbände, die weder den Platz der Verstorbenen in seinem Herzen noch die hohe soziale Stellung, die er kraft seines Reichtums und seiner Familienverbindungen einnahm, beanspruchen würde – auf diese Weise wäre ihm eine neue Ehe als etwas Annehmbares erschienen. Damit würde der Heimgegangenen kein Abbruch geschehen.
Am folgenden Sonntag fuhr Schagerström zur Kirche und besah sich das junge Mädchen, das neben der Frau Propst in dem Kirchenstuhle saß. Sie war einfach und anspruchslos gekleidet und sah nicht viel gleich. Aber das machte nichts. Ganz im Gegenteil. Wäre sie eine blendende Schönheit gewesen, wäre es ihm nicht in den Sinn gekommen, sie zu heiraten. Die Tote sollte nicht glauben dürfen, die neue solle sie auf irgendeine Weise ersetzen können.
Während Schagerström nun in der Kirche saß und Charlotte Löwensköld betrachtete, malte er sich aus, wie sie sich wohl benehmen würde, falls er wirklich an der Propstei vorfahren und sie fragen würde, ob sie Herrin auf Groß-Sjötorp werden wolle. Sie hätte es sich ja niemals träumen lassen können, daß er um sie anhalten würde; aber gerade deshalb hätte er gern ihr Gesicht gesehen, wenn die Sache Ernst würde.
Auf der Heimfahrt malte er sich die Erscheinung Charlotte Löwenskölds in kostbare, schöne Gewänder gekleidet aus. Da wurde ihm plötzlich eines klar: In den Gedanken an eine zweite Ehe hatte sich etwas Verlockendes eingeschlichen. Es hatte etwas ungemein Romantisches, das ihn in keiner Weise unangenehm berührte; nämlich ein armes Mädchen, das ja an so etwas gar nicht denken konnte, mit Glück zu überschütten. Sobald sich aber Schagerström darüber klar war, machte er seine Gedanken von dieser Sache los und wies sie von sich wie eine Versuchung. Er hatte immer in der Vorstellung weitergelebt, seine Gattin sei nur für kurze Zeit von ihm gegangen, und er wollte ihr bis zu ihrer Wiederkehr treu bleiben.
In der Nacht sah Schagerström seine verstorbene Frau im Traum, und beim Erwachen war sein Herz ganz von der alten Liebe erfüllt. Die Erwägungen auf dem Heimweg von der Kirche erschienen ihm nun ganz und gar hinfällig. Seine Liebe lebte, und es war keine Gefahr, daß das einfache junge Mädchen, das er zu seinem Weibe zu machen geplant hatte, das Bild der Verstorbenen aus seinem Herzen verdrängen könnte. Er brauchte einen tüchtigen und klugen Kameraden zu seiner Gesellschaft und seinem Wohlbefinden. Bisher hatte er noch keine passende Haushälterin mieten können und auch in der Familie niemand gefunden, der sein Hauswesen geleitet hätte. So sah er keinen andern Ausweg als eine Heirat.
Er fuhr also noch am gleichen Tag in großer Gala an der Propstei vor. Da er in all den Jahren ganz zurückgezogen gelebt hatte, war auch sein Besuch in der Propstei bisher unterblieben, und es brachte keine geringe Aufregung hervor, als der große Landauer mit dem schwarzen Gespann vorfuhr. Man führte Schagerström in die gute Stube, und da saß er nun und plauderte mit dem Propst und dessen Frau.
Charlotte Löwensköld hatte sich auf ihr Zimmer geschlichen; aber nach einer Weile erschien die Pröpstin bei ihr und bat sie, herunterzukommen, um ihnen Gesellschaft zu leisten. Herr Schagerström sei ja gekommen, und es sei langweilig für ihn, nur mit zwei so alten Leuten zu plaudern.
Die Frau Propst erschien etwas erhitzt und doch auch feierlich zugleich. Charlotte sah sie groß an, fragte aber nichts. Sie band ihre Schürze ab, wusch sich die Hände, strich ihr Haar glatt und legte einen reinen Kragen um. Dann folgte sie der Frau Propst; aber wie sie gerade im Begriff war, das Zimmer zu verlassen, wandte sie sich um und band sich die große Schürze wieder vor.
Kaum war sie in den Salon getreten und hatte Schagerström begrüßt, als sie auch schon gebeten wurde, sich zu setzen, worauf der Propst eine kleine Ansprache an sie richtete. Er machte viele Worte und sprach lange über die Freude und das Wohlbehagen, das sie in der Propstei um sich verbreitet habe. Sie sei ihm und seiner Frau eine liebe Tochter gewesen, und sie würden sich nur ungern von ihr trennen. Aber da nun ein solcher Mann wie der Herr Grubenbesitzer Gustav Schagerström sie zu seiner Frau begehre, dürften sie nicht an sich selber denken, sondern müßten ihr raten, ein solches Anerbieten, das besser sei als alles, was sie erwarten könne, nicht von sich zu weisen.
Der Propst erwähnte mit keinem Wort, daß sie schon mit dem Vikar verlobt war. Sowohl er als seine Frau waren schon lange gegen diese Verbindung und wünschten nichts sehnlicher, als sie aufgehoben zu sehen. Ein armes Mädchen wie Charlotte Löwensköld konnte sich doch nicht an einen Mann hängen, der es einfach ablehnte, sich einen anständigen Lebensunterhalt zu verschaffen.
Charlotte hatte zugehört, ohne sich zu rühren, und da der Propst ihr die Zeit zu einer passenden Antwort lassen wollte, begann er eine stattliche Rede an den Herrn Hüttenbesitzer Schagerström über seine prächtigen Güter, seine Tüchtigkeit, seinen ehrbaren Lebenswandel und sein Wohlwollen gegen seine Untergebenen.
Der Propst hatte schon so viel Gutes über Schagerström gehört, daß er ihn, obwohl er jetzt seinen ersten Besuch in der Propstei machte, bereits als Freund betrachtete und glücklich war, das Geschick seiner jungen Verwandten in dessen Hände zu legen.
Schagerström beobachtete die ganze Zeit über Charlotte Löwensköld, um zu sehen, welchen Eindruck seine Werbung auf sie machte. Er sah, wie ihr Rücken sich steifte und sie den Kopf zurückwarf. Dabei stieg Farbe in ihre Wangen, ihre Augen verdunkelten sich zu einem tiefen Blau. Dann zog sich ihre Oberlippe zu einem spöttischen Lächeln empor.
Schagerström war bestürzt: so, wie er Charlotte Löwensköld jetzt sah, war sie eine Schönheit, und zwar eine Schönheit, die weder bescheiden noch anspruchslos genannt werden konnte.
Seine Werbung hatte augenscheinlich einen tiefen Eindruck auf sie gemacht; ob sie aber glücklich oder mißvergnügt war, das wagte er nicht festzustellen.
Er brauchte indes nicht lange im Zweifel zu sein. Sobald der Propst mit seiner Rede fertig war, ergriff Charlotte das Wort.
»Ich möchte wissen, ob der Herr Hüttenbesitzer Schagerström gewußt haben, daß ich verlobt bin,« sagte sie.
»Gewiß, selbstverständlich,« entgegnete Schagerström; doch ehe er noch etwas hinzusetzen konnte, fuhr Charlotte fort:
»Wie können sich dann der Herr Hüttenbesitzer unterstehen, um mich anzuhalten?«
Gerade so sagte sie. Sie gebrauchte Worte wie »unterstehen«, obwohl sie zum reichsten Mann in Korskyrka sprach. Sie hatte ganz vergessen, daß sie nur eine arme Gesellschafterin war, und fühlte sich als das altadlige stolze Fräulein Löwensköld.
Der Propst und seine Frau fielen vor Entsetzen fast von ihren Stühlen, und auch Schagerström sah ganz verdutzt aus. Aber er war ein Mann von Welt und wußte sich in heikle Lagen zu finden.
Er trat auf Charlotte Löwensköld zu, nahm eine ihrer Hände zwischen die seinigen und drückte sie warm.
»Mein liebes Fräulein Löwensköld,« sagte er, »Ihre Antwort vermehrt nur die Verehrung, die ich für Sie empfinde.«
Dann verbeugte er sich vor dem Propst und seiner Frau und verhinderte sie durch seine Gebärde, etwas zu äußern und ihn an seinen Wagen zu begleiten. Sowohl sie wie Charlotte wunderten sich über die Würde, die über dem abgewiesenen Freier lag, während er das Gemach verließ.
Wünsche
Es ist wirklich ganz zwecklos, wenn ein Menschenkind sich hinsetzt und sich etwas wünscht.
Wenn es nicht das mindeste dazu tut, um dem Menschen, nach dem es sich sehnt, näher zu kommen – dann hat es doch wirklich gar keinen Zweck, nur stillzusitzen und zu wünschen.
Wenn ein Menschenkind weiß, daß es unbedeutend und häßlich und arm ist, und begreift, daß der, den es gewinnen möchte, mit keinem Gedanken an sie denkt, dann mag sie sich mit ihren Wünschen verlustieren, soviel ihr der Sinn danach steht.
Wenn dieses Menschenkind überdies verheiratet und eine ehrbare Frau ist, dazu einen kleinen Hang zum Pietismus hat und nichts in der Welt sie zum Unrecht zu verlocken vermag, so hat es gar nichts zu sagen, wenn sie allerlei Wünsche hegt.
Wenn sie zum Überfluß auch noch alt ist, ganze zweiunddreißig Jahre, und er, an den sie denkt, nicht mehr als neunundzwanzig, wenn sie ferner ungewandt und schüchtern ist und in Gesellschaft nichts aus sich zu machen versteht, wenn sie dazu die Frau des Organisten ist, dann mag sie von morgens bis abends hinsitzen und sich wünschen. Das kann ja keine Sünde sein, und es kann auch zu nichts führen.
Wenn sie auch denkt, die Wünsche anderer seien wie leichte Frühlingswinde, die ihrigen aber wie gewaltige Stürme, die Berge versetzen und die Erde aus ihrer Bahn werfen könnten, so weiß sie genau, daß dies nur Einbildungen sind. In Wirklichkeit vermögen die Wünsche nichts, weder jetzt noch in der Zukunft.
Sie muß zufrieden sein, daß sie in dem Kirchdorf wohnt, dicht am Wege, so daß sie ihn beinahe alle Tage an ihren Fenstern vorbeigehen sehen und ihn jeden Sonntag predigen hören kann, daß sie ferner ab und zu in die Propstei eingeladen wird und im gleichen Zimmer mit ihm sein darf, obwohl sie vor lauter Schüchternheit kein Wort an ihn zu richten wagt.
Sonderbarerweise besteht aber doch ein kleiner Zusammenhang zwischen ihm und ihr. Davon hat er indes wohl gar keine Ahnung, und sie hat auch nicht davon zu sprechen gewagt. Aber vorhanden ist dieser Zusammenhang jedenfalls.
Ihre Mutter war ja doch jene Malwina Spaak, die früher Haushälterin auf Hedeby bei Baron Löwenskölds, seinen Großeltern mütterlicherseits, gewesen war. Als Malwina fünfunddreißig Jahr alt war, hatte sie sich mit einem armen Landwirt verheiratet und sich von da an in ihrem eigenen Hause mit Arbeiten und Weben geplagt, wie früher in fremden Häusern. Aber sie war immer in Verbindung mit den Löwenskölds geblieben. Diese waren zu ihr auf Besuch gekommen, und sie war oft zu langem Aufenthalt in Hedeby gewesen, um bei der Herbstbackerei und dem Frühjahrshausputz zu helfen, und das hatte einen Glanz auf ihr Leben geworfen. Ihrer Tochter hatte sie von klein auf die Zeit auf Hedeby aufs eingehendste geschildert, hatte ihr von dem verstorbenen General erzählt, der nun dort spukte, und von dem jungen Baron Adrian, der dem Ahnherrn zur Ruhe im Grabe hatte verhelfen wollen.
Die Tochter hatte wohl gemerkt, daß ihre Mutter in den jungen Baron verliebt gewesen war. Das war an der Art, wie sie von ihm sprach, leicht zu erkennen. Wie gut war er gewesen, und wie schön! Und seine Augen hatten einen gar träumerischen Ausdruck gehabt, und jede seiner Bewegungen war von unbeschreiblicher Anmut gewesen!
Wenn die Mutter Baron Adrian in dieser Weise schilderte, hatte die Tochter stets gedacht, sie übertreibe. Einen jungen Mann, wie die Mutter hier schilderte, gab es in der ganzen Welt nicht.
Aber jedenfalls hatte sie ihn nun gesehen. Kurz nach ihrer Verheiratung mit dem Organisten und ihrem Einzug in Korskyrka hatte sie ihn eines Sonntags die Kanzel besteigen sehen. Er war ja freilich kein Baron, nur der Vikar Ekenstedt, aber er war der Neffe des Baron Adrian, den Malwina Spaak geliebt hatte, und er war ebenso schön und knabenhaft weich und ebenso zart und fein wie jener. Sie erkannte die großen träumerischen Augen wieder, von denen die Mutter berichtet hatte, sowie auch das freundliche Lächeln.
Als sie ihn sah, war es ihr, als habe sie ihn durch ihre Wünsche herbeigezogen. Immer, immer hatte sie sich danach gesehnt, einmal einen Mann zu sehen, auf den die Beschreibung ihrer Mutter paßte, und nun hatte sie ihn vor Augen. Sie wußte wohl, daß Wünsche machtlos sind, aber sie fand es doch wunderbar, daß er gekommen war.
Er beachtete sie gar nicht, und am Ende des Sommers verlobte er sich mit der hochnäsigen Charlotte Löwensköld. Im Herbst kehrte er nach Upsala zurück, um seine Studien fortzusetzen. Ach, nun war er für immer aus ihrem Leben verschwunden! Sie konnte nicht anders denken. Wenn sie sich's auch noch so sehr wünschte, er würde doch nicht zurückkehren.
Aber nach fünf Jahren sah sie ihn an einem Sonntag abermals die Kanzel besteigen. Und abermals war es ihr, als habe sie ihn herbeigewünscht. Er aber gab ihr keinerlei Veranlassung zu solchen Gedanken. Wieder beachtete er sie in keiner Weise, und immer noch war er mit Charlotte Löwensköld verlobt.
Sie hatte Charlotte nie etwas Böses gewünscht, dafür konnte sie die Hand zum Schwur auf die Bibel legen, ab und zu aber hatte sie doch gehofft, Charlotte würde sich in einen andern verlieben, oder einer ihrer reichen Verwandten würde sie zu einer langen Reise ins Ausland einladen, wodurch sie auf eine angenehme Weise von dem jungen Ekenstedt getrennt würde.
Da sie als Frau des Organisten ab und zu in die Propstei eingeladen wurde, war sie zufällig auch an jenem Tage dort, als Schagerström vorbeifuhr und Charlotte sagte, sie würde ihn nehmen, wenn er um sie anhalte. Seitdem war ihr sehnlichster Wunsch gewesen, Schagerström möchte um Charlotte werben; und dieser Wunsch konnte doch nichts Unrechtes sein! Jedenfalls hatte er nicht das geringste zu bedeuten.
Denn wenn Wünsche eine Macht hätten, dann sähe es wohl etwas anders aus in dieser Welt. Man bedenke nur, was schon alles gewünscht worden ist! Was sich die Menschen schon Gutes gewünscht haben! Wie viele sich schon gewünscht haben, frei von Sünde und Krankheit zu sein! Wie viele gewünscht haben, dem Tode zu entgehen! Nein, das wußte sie wohl, wünschen konnte man unbeschränkt; Wünsche haben keine Macht.
Aber eines schönen Sommersonntags sah sie tatsächlich Schagerström in die Kirche kommen, und siehe, er wählte auch seinen Platz so, daß er Charlotte, die im Pfarrstuhle saß, sehen konnte. Nun wünschte sie auch, Schagerström möge Charlotte schön und anziehend finden. Von ganzer Seele wünschte sie das. Es war doch kein Unrecht gegen Charlotte, wenn sie ihr einen reichen Mann wünschte!
Nachdem sie Schagerström in der Kirche gesehen hatte, wurde sie den ganzen Tag über das Gefühl von einem bevorstehenden Ereignis nicht los. In der Nacht lag sie wie im Fieber und wartete darauf, daß etwas geschehe. Und so war es auch am folgenden Vormittag. Sie saß am Fenster und konnte nicht arbeiten, sondern wartete nur mit gefalteten Händen auf das, was kommen würde.
Sie meinte, sie müsse Schagerström vorbeifahren sehen. Aber es begab sich etwas noch viel Wunderbareres. Mitten am Vormittag, so zwischen elf und zwölf Uhr, machte ihr Karl Artur einen Besuch.
Man versteht, daß sie selig und erschrocken, zugleich aber auch von Schüchternheit überwältigt war.
Sie wußte nicht, was sie gesagt hatte, um ihn zu grüßen und ins Zimmer hereinzubitten. Jedenfalls saß er bald in dem besten Lehnstuhl ihres kleinen Salons, und sie saß ihm gegenüber und starrte ihn an.
Sie hatte gar nicht gewußt, daß er so jung aussah, wie sie ihn nun in der Nähe fand. Sie wußte ja alles, was seine Familie betraf, ja sie wußte auch, daß er im Jahre 1806 geboren war und nun also neunundzwanzig Jahre alt sein mußte. Aber das sah ihm niemand an.
Nun berichtete er ihr in seiner entzückend einfachen, ernsthaften Weise, er habe erst kürzlich durch einen Brief seiner Mutter erfahren, daß sie Malwina Spaaks Tochter sei, die eine so gute Freundin und Gehilfin der ganzen Familie Löwensköld gewesen war. Er bedauerte, dies nicht früher gewußt zu haben, und sagte, sie hätte es ihm sagen sollen.
Sie war überglücklich, weil sie nun wußte, weshalb er sie früher gar nicht beachtet hatte. Aber sie konnte nichts sagen, nichts erklären. Sie murmelte nur ein paar dumme verworrene Worte, die er wahrscheinlich gar nicht verstand.
Er sah sie etwas verwundert an. Konnte ein erwachsener Mensch so schüchtern sein, daß er die Sprache verlor? Das war ihm unbegreiflich.
Wie um ihr Zeit zu lassen, sich zu fassen, begann er von Malwina Spaak und von Hedeby zu erzählen. Auch auf die Spukgeschichten und den unheimlichen Ring kam er zu sprechen.
Er sagte, er könne zwar alle die Einzelheiten nicht glauben, aber trotzdem liege für ihn ein tiefer Sinn darin. In dem Ring sehe er ein Symbol der Liebe zum Irdischen, die die Seele gefangenhält und sie ungeschickt zum Reiche Gottes macht.
Da saß er nun wirklich vor ihr und sah sie mit seinem einnehmenden Lächeln an, plauderte auch ganz vertraulich und unbefangen mit ihr, wie mit einem alten Freunde! Das Glück war zu groß, es drohte sie zu ersticken.
Er war vielleicht daran gewöhnt, keine Antwort zu erhalten, wenn er zu den Armen und Mühseligen kam, um sie zu trösten und aufzurichten. So redete er denn unverdrossen weiter.
Er berichtete ihr, er müsse immerfort an Jesu Wort zu dem reichen Jüngling denken, und er sei überzeugt, der Grund zu den vielen Leiden der Menschen liege vor allem darin, daß sie das Geschaffene mehr liebten als den Schöpfer.
Obwohl sie nichts sagte, lauschte sie doch offenbar seinen Worten auf eine Weise, die sein Zutrauen immer mehr hervorlockte. Er vertraute ihr an, daß er weder Propst noch Bischof werden wolle. Er wolle keine große Gemeinde, keinen großen Wohnsitz mit weiten Äckern und dicken Kirchenbüchern und vieler Arbeit. Nein, er wünsche sich ein kleines Dorf, in dem er sich ganz der Seelsorge widmen könne. Sein Pfarrhaus solle nur eine kleine graue Hütte sein, aber diese solle an einem Birkenwäldchen am Ufer eines Sees liegen. Und sein Gehalt sollte nur gerade zum Leben ausreichen.
Und sie verstand ihn. Er wollte damit den Menschen den rechten Weg zum wahren Glück zeigen. Eine tiefe Andacht erfüllte ihre Seele. Noch niemals war ihr etwas so Junges und Reines vorgekommen. Ach, wie würden alle Menschen ihn lieben!
Aber dann fiel ihr ein, wie sehr seine Worte im Widerspruch standen zu dem, was sie kürzlich hatte sagen hören, und darüber wollte sie sich Klarheit verschaffen.
Sie fragte, ob sie falsch gehört habe, aber als sie neulich in der Propstei war, habe seine Braut gesagt, er sei im Begriff, sich um ein Lektorat an einem Gymnasium zu bewerben.
Da sprang Karl Artur vom Stuhle auf und begann in der kleinen Stube hin und her zu gehen.
Sollte Charlotte das gesagt haben! Sei sie ganz sicher, daß Charlotte das gesagt hatte? Bei dieser Frage, die er in ganz ungestümer Weise hervorsprudelte, wurde ihr angst; aber in aller Demut entgegnete sie, soweit sie sich erinnern könne, habe Charlotte tatsächlich so gesagt.
Das Blut stieg ihm in den Kopf. Er sah immer ärgerlicher aus. Sie war ganz entsetzt. Fast wäre sie vor ihm niedergefallen und hätte ihn um Verzeihung gebeten. Nie hätte sie gedacht, daß das, was sie von Charlotte berichtet hatte, ihn so verletzen würde. Was sollte sie sagen, das ihn wieder gut stimmen könnte? Was konnte sie tun, ihn zu beruhigen?
Während dieser Aufregung hörte sie Wagengerassel, und aus alter Gewohnheit sah sie aus dem Fenster. Schagerström fuhr vorbei; da sie aber so sehr mit Karl Artur beschäftigt war, fragte sie sich nicht einmal, wohin er wohl fahre. Karl Artur hatte den Vorbeifahrenden gar nicht bemerkt. Er schritt noch immer mit grimmiger Miene in dem Stübchen auf und ab.
Dann trat er auf sie zu und streckte ihr die Hand zum Abschied entgegen. Welch eine schreckliche Enttäuschung, daß er so bald wieder ging! Sie hätte sich die Zunge abbeißen mögen, weil sie die paar Worte gesagt hatte, die schuld an seiner Verstimmung waren.
Aber da war nichts mehr zu machen. Sie mußte auch ihre Hand ausstrecken und die seinige ergreifen. Sie mußte schweigen und ihn gehen lassen.
Doch in ihrem tiefen Elend und ihrer Verzweiflung neigte sie sich über seine Hand und küßte sie.
Hastig zog er seine Hand zurück. Dann blieb er stehen und schaute sie an.
»Ich wollte nur um Verzeihung bitten,« stammelte sie.
Er sah Tränen in ihren Augen, was ihn bewog, ihr eine Art Erklärung zu geben.
»Nehmen Sie an, Frau Sundler, Sie hätten sich aus irgendeinem Anlaß eine Binde um die Augen gelegt, so daß sie nichts mehr sehen könnten, und Sie hätten sich ganz in die Hände eines andern Menschen gegeben, der Ihr Führer sein sollte – was würden Sie sagen, wenn die Binde plötzlich abfiele und Sie erkennen müßten, daß dieser andere, Ihr Freund, Ihr Führer, auf den Sie sich mehr als auf sich selbst verlassen hatten, Sie an den Rand eines Abgrunds geführt hatte, wo Sie beim nächsten Schritt in die Tiefe gestürzt wären? Würde Ihnen solches keine Höllenqualen bereiten?«
Er sprach hastig und leidenschaftlich und eilte, ohne auf Antwort zu warten, durch die Tür in den Flur hinaus.
Thea Sundler glaubte zu hören, daß Karl Artur in dem kleinen Vorgarten stehenblieb. Sie konnte nicht wissen, warum. Vielleicht überdachte er, wie fröhlich und sorglos er vor einer kleinen Weile in ihr Haus eingetreten war, das er jetzt wütend und verzweifelt verließ. Jedenfalls eilte sie hinaus, und da stand er wirklich noch.