Kitabı oku: «Im heiligen Lande», sayfa 2

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Da wurden die Tiere an Haken zwischen den Säulen aufgehängt und geschlachtet. Die Priester standen in einer langen Reihe quer über den Hof aufgestellt und reichten das Blut der Opfertiere in Schalen von Silber und Gold nach dem Brandaltar hinauf. Und so viel Blut wurde da vergossen, daß es den ganzen Hof überschwemmte. Die Priester mußten auf Schemeln stehen, damit nicht die Säume ihrer langen weißen Gewänder mit Blut getränkt wurden. Aber im selben Augenblick, als der Gekreuzigte auf Golgatha starb, wurde das große Opferfest im Tempel unterbrochen. Eine mächtige Finsternis senkte sich über das Heiligtum herab, das ganze Haus erzitterte unter dem Erdbeben, und der babylonische Vorhang zerriß von oben bis unten, als Zeichen, daß von dieser Stunde an die Macht und die Ehre und die Herrlichkeit von Moria auf Golgatha übergehen sollte.«

»Dieses Erdbeben erschütterte auch Golgatha«, fiel die alte Stimme ein. »Der ganze Berg zerbarst.«

»Ja, wahrlich«, erwiderte die Kirche in demselben tiefen, lobsingenden Tonfall. »Im Golgathaberge entstand eine tiefe Spalte, und, durch die hindurch floß das Blut des Kreuzes hinab bis an das Felsengrab in seinem Innern und verkündete dem ersten Sünder und dem ersten Höchstenpriester, daß die Versöhnung vollbracht sei.«

In diesem Augenblick ertönte ein starkes und anhaltendes Läuten von der Kirche her, und gleichzeitig stiegen von dem Minarett der Moschee die langgezogenen, klagenden Laute, die die Gläubigen zum Gebet rufen. Mrs. Gordon konnte hören, daß eine der heiligen Stunden der Nacht angebrochen war, aber dies traf so unmittelbar nach der Rede über die Kreuzigung ein, daß es auf sie wirkte, als hätten die beiden Alten die Gelegenheit ergriffen, um ihrem Stolz und ihrer Demütigung Luft zu machen.

Kaum war das starke Getöse verklungen, als die Moschee in einem feierlichen Ton begann: »Ich bin der große Fels, der ewig bestehende, was aber ist Golgatha? Ich bin der, der ich bin; niemand kann daran zweifeln, wo er mich zu suchen hat. Wo aber ist Golgatha? Wo ist der Berg, auf dem das Kreuz in den Felsgrund herabgesenkt wurde? Niemand weiß es. Wo ist das Grab, in das Christus gelegt wurde? Niemand kann mit Sicherheit die Stelle angeben.«

Sogleich ertönte die Antwort von Golgatha her: »Kommst auch du mit diesen Beschuldigungen? Du solltest es doch besser wissen, du, der du so alt bist, daß du dich entsinnen kannst, wo Golgatha gelegen hat. Du hast seit Jahrtausenden den Berg auf seinem Platz vor dem Tor der Gerechtigkeit gesehen.«

»Ach ja, wahrlich bin ich alt«, wiederholte die Moschee. »Aber du sagst ja, daß die Alten ein schlechtes Gedächtnis haben. Es lagen viele kahle Hügel vor Jerusalem, und es sind unendlich viele Gräber in den Felsen ausgehauen. Wie kann ich wissen, welches das rechte ist?«

Mrs. Gordon ward immer ungeduldiger. Sie empfand fast Lust, sich in die Unterhaltung einzumischen. Was war dies? Klangen ihr nur diese wunderlichen Stimmen ins Ohr, um ihr alte Geschichten zu erzählen, die sie schon längst gehört hatte? Sie hatte Lust, ihnen zuzurufen, daß sie ihr die tiefen Geheimnisse des Reiches Gottes offenbaren sollten, während die beiden Alten an nichts weiter dachten, als an eine elende Zänkerei darüber, wer am größten an Ehre und Macht sei.

Auch die Stimme der Glocke klang ungeduldig: »Es ist hart, wieder und wieder auf die Anschuldigung antworten zu müssen, daß ich nicht der bin, für den ich mich ausgebe. Du entsinnst dich doch, daß schon die ersten Christen mich zu besuchen pflegten, um die Erinnerung an die großen Begebenheiten aufzufrischen, die rings um Golgatha her stattgefunden hatten?«

»Ja,« antwortete die Moschee, »das alles mag ja wahr genug sein, aber ich bin fest überzeugt, daß du den Christen zwischen neuaufgeführten Straßen und Häuserreihen entschwunden bist, als sich die Stadt erweiterte und Herodes Antipas die neue Ringmauer erbaute.«

»Ich bin ihnen entschwunden,« erwiderte das heilige Grab, »sie scharten sich beständig um Golgatha, bis die Belagerung von Jerusalem begann, als sie die Stadt verließen.«

Hierauf erwiderte der heilige Fels nicht ein einziges Wort. Er schien überwältigt zu sein von den traurigen Erinnerungen, die hervorgerufen wurden.

»Denn der Tempel ward zerstört,« rief die Kirche, »der heilige Tempelgrund ward von Ruinen bedeckt, und Roms Kaiser befahl, daß diese Ruinen nicht fortgeschafft werden durften. Sechshundert Jahre lagst du, o Fels, unter Schutt und Asche begraben.«

»Was sind sechshundert Jahre für mich«, erwiderte der Fels erzürnt und stolz. »Niemand kann doch daran zweifeln, daß ich auf meinem Platz bin, aber um dich ist immer Streit gewesen.«

»Wie kann Streit um mich sein, der ich durch ein Wunder Gottes wiedergefunden wurde?« erwiderte die Kirche mit demütiger Freude. »Das war, als die Kaiserin Helena, die eine Christin und Heilige war, in einem Traum den Befehl von Gott erhielt, nach dem heiligen Lande zu ziehen und die Heiligtümer auf den erinnerungsreichen Stätten aufzubauen.«

»Ach ja, ich entsinne mich der Tage, als die Kaiserin nach Jerusalem kam. Ich entsinne mich ihres Gefolges von Fremden und gelehrten Männern. Ich entsinne mich, wie sie zu Anfang vergebens nach der Stätte spähten, wo das heilige Grab zu finden war.«

»Aber zu jener Zeit lag ungefähr mitten in der Stadt ein Venustempel, und die Kaiserin hörte, daß Kaiser Hadrian ihn an einem Ort hatte aufführen lassen, den einst die Christen heilig hielten. Sie ließ den Tempel abbrechen, und es zeigte sich, daß er über Golgatha erbaut war. Unter dem Tempelgrunde fand man, vollständig unbeschädigt und auf diese Weise der Nachwelt erhalten, sowohl das heilige Grab als auch den Felsen Golgatha mit dem Grabe Melchisedeks und die Spalte in dem Berge, aus der, wie man behauptete, noch Blut floß. Man fand auch den Salbungsstein– – –«

Jetzt unterbrach die Moschee die Rede mit einem lauten Hohngelächter. »Aber höre nun den letzten und wichtigsten Beweis,« fuhr die Kirche fort, ohne sich stören zu lassen.« Nichts wünschte die Kaiserin so sehr, als das heilige Grab wiederzufinden, aber das war vollständig verschwunden. Erst nach langem, vergeblichem Suchen kam ein alter, weiser Mann zu der Kaiserin und erzählte ihr, das Kreuz liege tief unter der Erde versteckt. Er beschrieb die Stelle, wo es zu suchen sei. Man müsse tief graben; denn die Soldaten hatten das Kreuz in einen der Wallgräben geworfen und ihn bis zum Rande mit Steinen und Erde angefüllt. Und ich kann noch die fromme Kaiserin sehen, wie sie dort am Rande des Wallgrabens saß und ihre Arbeiter ermunterte. Ich entsinne mich auch des Tages, als das heilige Kreuz auf dem Grunde des alten Grabens gefunden wurde.«

Die Kirche redete jetzt ganz allein. Sie ließ sich nicht dadurch stören, daß von der Moschee her höhnische Rufe und spöttisches Gelächter erklangen.

»Ich entsinne mich der Reihe von Wundern, die der Wiederauffindung des Kreuzes folgten. Ich glaube, selbst du wagst nicht, sie zu bestreiten. Auch du hast die Freudenrufe der Kranken gehört, die durch die heilige Reliquie geheilt wurden. Auch du entsinnst dich der Pilgrimzüge, die aus allen Ländern herbeiströmten. Du entsinnst dich der vielen frommen Männer, die sich in den Felsenschluchten Palästinas niederließen. Du entsinnst dich aller der Klöster und Kirchen, die aus der Erde emporschossen.

Oder hast du, o Fels, die herrlichen Gebäude vergessen, die Konstantin und seine Mutter über dem heiligen Grabe aufführen ließen? An der Stelle, wo das Kreuz gefunden wurde, ward eine Basilika erbaut, aber über der Felsengrotte des heiligen Grabes errichtete man eine schöne Rundkirche.

Sicherlich erinnerst du dich, o Fels, der griechischen Baumeister, die diese Gebäude mit ebenso großer Pracht aufführten, als seien es Gemächer in einem Kaiserschloß. Du entsinnst dich sicher der Karawanen, die über die Berge dahergezogen kamen, mit den kostbarsten Steinen und Gold beladen, die zu der Ausschmückung der Kirche erforderlich waren. Du erinnerst dich der Porphyrsäulen und der silbernen Kapitäle. Du entsinnst dich der Mosaikwölbung der Grabeskirche, du entsinnst dich der schmalen Fenster, durch die das Licht hineinfiel, das sich in Scheiben aus Alabaster und farbigem Glas brach, bis jeder Lichtstrahl blitzte, als ginge er von einem Diamanten aus. Du entsinnst dich des geschnitzten Gitterwerks um die Emporen, der doppelten Säulenreihe und der Kuppel, die stark und licht über dem Gebäude schwebte. Du entsinnst dich mitten in der Kirche der Grotte des heiligen Grabes, die ungeschmückt und unberührt in all dieser Pracht ruhte.

Und die Zeit nach der Errichtung dieser Gebäude! Du entsinnst dich wohl, daß alle Christen im Morgenlande Jerusalem als ihre heilige Stadt betrachteten, daß nicht nur schnell davonziehende Pilger allein sie besuchten. Entsinnst du dich nicht mehr, wie Bischöfe mit ihrem Gefolge von Priestern kamen und ihre Kirchen und Schlösser rings um die Grabeskirche bauten? Sahest du nicht den Patriarchen der Armenier ebenso wie den der Griechen und der Assyrer ihre Throne hier errichten? Und sahest du nicht Kopten aus dem alten Ägypten und Abessinier aus dem Herzen Afrikas kommen? Du sahest Jerusalem wieder aufgebaut, eine Stadt von Kirchen und Klöstern, von Gasthäusern und frommen Stiftungen. Du weißt, daß sein Glanz größer war denn je.

Aber dies alles war mein Werk, o Fels. Du lagest damals vergessen und unbeachtet auf dem Berge Moria. Du warst mit Ruinen bedeckt und unter einem Aschenhaufen verborgen, niemand erinnerte sich deines Daseins.«

Auf diese Herausforderung erwiderte die Felsenkirche:

»Was sind einige Jahre der Erniedrigung für mich?! Bin ich nicht beständig der, der ich bin? Es vergingen nur wenige Jahrhunderte, dann kam eines Nachts ein alter, ehrwürdiger Mann mit einem gestreiften Mantel eines Beduinen und dem Turban aus Kamelhaaren auf dem Kopfe zu mir. Dieser Mann war Mohammed, der Prophet Gottes. Er ward lebend in den Himmel aufgenommen, und sein Fuß ruhte auf meiner Stirn, als er von der Erde weggenommen wurde. Im selben Augenblick erhob ich mich durch eigene Kraft mehrere Fuß über der Erde, vor Sehnsucht, ihm folgen zu dürfen. Ich erhob mich aus Schutt und Asche, und ich bin der Ewige, der niemals vergehen kann.«

»Du ließest dein Volk im Stich, Verräter!« klagte die Kirche. »Du verhalfst den Gläubigen zur Macht.«

»Ich habe kein Volk, ich diene keinem, ich bin der ewige Fels. Der, der mich anbetet, den beschütze ich. Bald kam der Tag, da Omar seinen Einzug in Jerusalem hielt und der große Kalif den Tempelplatz reinigen ließ und selbst einen Korb voll Schutt auf seinen Kopf nahm und ihn forttrug. Und einige Jahre später führten Omars Anhänger auf mir das prächtigste Gebäude auf, das das Morgenland jemals gesehen hat.«

Hier unterbrach ihn die Glockenstimme mit ihrer ganzen Heftigkeit: »Ja, das Gebäude ist schön, aber weißt du nicht, woher es stammt? Meinst du, daß ich diese Mosaikgewölbe nicht kenne und diese herrliche Kuppel, diese Marmorwände, unter denen es in ungeschmückter Einfachheit ruht, wie einstmals das heilige Grab in der Rundkirche Helenas? Deine ganze Moschee ist nach dem Muster der ersten Grabeskirche gebaut.«

Mrs. Gordon wurde immer ungeduldiger. Der Streit der beiden Heiligtümer erschien ihr ärmlich und kleinlich. Nicht einen einzigen Gedanken hatten sie für die verschiedenen Religionen übrig, deren Abbild sie waren. Sie dachten nur daran, mit den Gebäuden zu prahlen, die sie bedeckten.

Die Moschee fuhr fort: »Ich erinnere mich an gar manches, nicht aber, daß ich die schöne Grabeskirche gesehen habe, von der du sprichst.«

»Wahrlich ragte sie hier auf Golgatha auf, aber sie wurde bald von Feinden zerstört. Sie wurde wieder aufgebaut und abermals zerstört.«

»Dahingegen entsinne ich mich,« sagte die Felskirche, »daß auf Golgatha eine Menge kleiner und großer Gebäude standen, die für heilig gehalten wurden. Sie waren elend und verfallen, der Regen tropfte durch das Dach.«

»Ja, das ist wahr,« erwiderte die Kirche, »das war deine Zeit und die Zeit deiner Finsternis. Aber ich kann wie du sagen: Was haben einige Jahre der Erniedrigung zu bedeuten? Ich habe gesehen, wie sich das ganze Abendland erhob, um mir zu helfen. Ich habe gesehen, wie Jerusalem von vielen eisenbekleideten Männern aus Europa erobert wurde, die um meinetwillen ausgezogen waren. Ich habe deine Moschee in eine christliche Kirche verwandeln sehen, und die Kreuzfahrer haben auf dir, o Fels, einen Altar errichtet. Ich habe Kreuzritter ihre Pferde in die Gewölbe unter dem Tempelplatz ziehen sehen.«

Der alte Fels erhob seine Stimme und sang, wie ein Derwisch in der Wüste singen würde.

Die Kirche ließ sich aber nicht in ihrem Wortschwall unterbrechen: »Ich entsinne mich, wie die Ritter des Abendlandes ihre eisernen Rüstungen ablegten und zu Axt und Mauerkelle griffen, um die Kirche des heiligen Grabes wieder aufzubauen. Ich entsinne mich, daß sie das Gebäude so groß machten, daß es all die heiligen Stätten umfassen konnte. Ich entsinne mich, wie sie das graue Felsgrab mit weißem Marmor von außen wie von innen bekleideten.«

Die alte Stimme unterbrach: »Was nützt es dir, daß du von Kreuzfahrern erbaut bist, du bist ja doch verfallen!«

»Ich bin voll von Erinnerungen und heiligen Stätten«, rief die Grabeskirche in lautem Tone. »Innerhalb meiner Mauern kann ich auf den Ölberg zeigen, wo Abraham den Widder fand, und auf die Kapelle, wo Adams Schädel begraben wurde. Ich kann auf Golgatha zeigen, und auf das Grab und den Stein, wo der Engel saß, als die Frauen kamen, um über den Toten zu weinen. Innerhalb meiner Mauern liegt der Ort, wo die Kaiserin Helena umherzugehen und die Arbeiter zu ermuntern pflegte, und der Ort, an dem das Kreuz gefunden wurde. Ich besitze die Säule, an der der Gekreuzigte saß, als man ihn mit Dornen krönte, und den Salbungsstein und das Grab Melchisedeks. Ich besitze das Schwert Gottfried von Bouillons. Ich werde noch immer von Kopten und Abessiniern, von Armeniern und Jakobiten, von Griechen und Römern verehrt. In mir wimmelt es von Pilgern – – –«

Die alte Felskirche unterbrach sie: »Woran denkst du nur, du Felsblock, du Grab, dessen Stätten niemand kennt, willst du dich in bezug auf Bedeutung mit dem ewigen Felsen messen? Bin ich es nicht, auf den man Jehovas heiligen, unaussprechlichen Namen eingeschrieben hat, den kein anderer als Jesus hat deuten können? Soll nicht in meinen Tempelhof Mohammed am jüngsten Tage herabsteigen?«

Als der Streit zwischen den Kirchen so an Heftigkeit zunahm, erhob sich Mrs. Gordon. Sie vergaß, daß ihre Stimme nicht die Kraft besaß, sich zugleich mit den beiden mächtigen Stimmen Gehör zu verschaffen. »Wehe euch, wehe euch,« rief sie, »was seid ihr für Heiligtümer? Ihr streitet und zankt miteinander, und durch eure Uneinigkeit wird die Welt mit Unfrieden und Haß und Verfolgung erfüllt. Aber Gottes letztes Gebot heißt Einigkeit, hört das! Gottes letztes Gebot, das ich empfangen habe, heißt Einigkeit!«

Als diese Worte gesagt waren, schwieg sowohl das heilige Grab als auch der heilige Fels. Mrs. Gordon glaubte einen Augenblick fast, daß ihre Worte die Macht besessen hatten, den Streit zu unterbrechen. Da aber sah sie, daß alle Kreuze und Halbmonde, die sich über dem großen Kuppelgebäude der heiligen Stadt erhoben, nach und nach vergoldet wurden und schimmerten. Die Sonne ging über dem Ölberge auf, und alle Stimmen der Nacht mußten verstummen.

Bo Ingmar Maansson.

Unter denen, die zu Hellgums Gemeinde ln Amerika gehört hatten, und mit ihm nach Jerusalem gezogen waren, befanden sich drei, die zu dem alten Ingmarsgeschlecht gehörten. Es waren die beiden Töchter des großen Ingmar, die bald nach dem Tode des Vaters nach Chicago gereist waren, sowie ihr Vetter Bo Ingmar Maansson, ein junger Mann, der sich nur zwei oder drei Jahre in den Vereinigten Staaten aufgehalten hatte.

Bo war gut gewachsen, hatte blondes Haar und blonde Augenbrauen, war rotwangig und von gutmütigem Aussehen. Es war nicht viel in seinen Zügen, das an das alte Geschlecht erinnerte, aber die Ähnlichkeit trat hervor, wenn er eine schwierige Arbeit vorhatte oder in Gemütserregung geriet.

Als Bo heranwuchs und in Storms Schule ging, war er ein träger, schlaffer Junge gewesen. Der Schulmeister hatte sich oft darüber gewundert, daß einem aus einer so klugen Familie das Lernen so schwer werden konnte. Aber die Schlaffheit verschwand indessen ganz, als Bo nach Amerika kam. Er war schnell und aufgeweckt geworden, im Rat wie in der Tat; aber er hatte in seiner Kindheit so oft hören müssen, daß er dumm war, und daher hatte er noch immer ein starkes Mißtrauen zu seinen eigenen Fähigkeiten.

Die Leute im Kirchsprengel waren nicht wenig überrascht, als Bo nach Amerika reiste. Die Eltern besaßen einen großen Hof und waren wohlhabende Leute. Sie hätten den Sohn gern zu Hause behalten.

Es ging zwar das Gerücht, daß Bo Schulmeisters Gertrud liebe, und daß er fortgereist sei, um sie zu vergessen, aber niemand wußte so recht Bescheid, wie sich die Sache verhielt. Bo hatte niemals einen anderen Vertrauten gehabt, als seine Mutter, und die war nicht umsonst die Schwester des großen Ingmar. Sie konnte man nicht dazu verleiten, mehr zu sagen, als sie Lust hatte.

An dem Tage, als Bo seine Heimat verließ, kam seine Mutter mit einem Gürtel zu ihm, den sie ihn bat, auf dem bloßen Leibe zu tragen. Als Bo ihn nahm, fühlte er, daß er schwer war; die Mutter hatte Geld hineingenäht. »Du mußt mir versprechen, daß du dich nur von diesem Gürtel trennst, wenn du in Not kommst«, sagte die Mutter; »es ist keine große Summe, nur so viel, daß du heimkehren kannst, falls es dir schlecht ergehen sollte.«

Bo versprach, das Geld nur in der größten Not aus dem Gürtel zu nehmen, und er hielt treulich dies Versprechen. Er war nun freilich noch nie sehr in Versuchung gekommen, es zu brechen, da es ihm in Amerika fast immer gut ergangen war; aber ein paarmal war er doch so arm gewesen, daß es ihm an Obdach und Essen gefehlt hatte. Trotzdem hatte er immer einen Ausweg gefunden, so daß er das Geschenk der Mutter nicht hatte in Anspruch zu nehmen brauchen.

Als Bo sich den Hellgumianern anschloß, war er erst ein wenig in Verlegenheit, was er mit dem Gürtel tun sollte. Seine neuen Kameraden bestrebten sich ja, den ersten Christen nachzueifern; sie teilten all ihr Hab und Gut untereinander, und gaben alles, was sie erwarben, in die gemeinsame Kasse. Bo gab auch alles, was er besaß, ausgenommen das, was im Gürtel war. Er konnte sich nicht recht klar darüber werden, was in diesem Fall Recht oder Unrecht war, aber er fühlte bei sich selbst, daß er dies Geld behalten müsse. Und er war ganz sicher, daß der liebe Gott wohl verstehen werde, daß er es nicht aus Geiz behielt, sondern, weil er das Versprechen halten wußte, das er seiner Mutter gegeben hatte.

B« behielt auch den Gürtel, nachdem er sich den Gordonisten angeschlossen hatte. Da aber begann er eine gewisse Unruhe zu spüren, wenn er daran dachte. Er merkte bald, daß Mrs. Gordon und mehrere von ihren Anhängern hervorragende Persönlichkeiten waren, und er empfand eine tiefe Ehrfurcht vor ihnen. Es schauderte ihm davor, was diese fehlerlosen Menschen wohl von ihm denken würden, wenn es einmal entdeckt wurde, daß er verborgenes Geld bei sich trug, obwohl er heilig und teuer versichert hatte, daß er alles, was er besaß, der Gemeinde übergeben habe.

Hellgum und seine Gemeinde waren im Mai, gerade um dieselbe Zeit, als die Bauern daheim im Kirchsprengel Auktion über ihre Höfe hielten, nach Jerusalem gekommen. Im Juni kam ein Brief nach Jerusalem, der meldete, daß der Ingmarshof verkauft sei, und daß Ingmar Ingmarsson mit Gertrud gebrochen habe, um den Hof seines Vaters wiederzugewinnen.

Er hatte sich bis dahin wohl in Jerusalem gefühlt und oft davon geredet, wie froh er über die Umsiedlung sei. Aber von dem Tage an, als er hörte, daß Gertrud frei war, wurde er finster und wortkarg.

Niemand in der Kolonie konnte verstehen, was Bo so schwermütig machte. Mehrere versuchten, ihn zu veranlassen, ihnen seinen Kummer anzuvertrauen, aber Bo wollte ihnen nicht sagen, worüber er nachgrübelte. Er konnte nicht erwarten, daß die Kolonisten sonderliches Mitleid mit Herzenskummer haben würden. Sie predigten immer, daß es um der Einigkeit willen notwendig sei, nicht mehr von dem einen Menschen zu halten als von dem andern, und sie behaupteten, daß sie selber alle Menschen gleich innig liebten. Sie alle – auch Bo – hatten versprochen und geschworen, daß sie niemals in den Ehestand treten, sondern in Keuschheit wie die Mönche und Nonnen leben wollten.

Bo dachte nicht mehr eine Sekunde an das Gelübde, nachdem er erfahren hatte, daß Gertrud frei war. Er wollte sich sogleich von der Kolonie trennen, um heimzureisen und sie zu gewinnen. Jetzt war er sehr froh darüber, daß er den Gürtel behalten hatte und seiner Wege gehen konnte, sobald er Lust hatte.

Während der ersten Tage ging er umher wie in einem Rausch, und dachte nur daran, sich Bescheid darüber zu verschaffen, wann ein Schiff von Jaffa abgehe. Aber es ging in den Tagen gerade kein Schiff, und Bo fing bald an einzusehen, daß es besser aussehen würde, wenn er eine Zeitlang mit der Reise wartete. Kam er jetzt sogleich nach Hause, so würde das ganze Kirchspiel verstehen, daß er um Gertruds willen kam, und gelang es ihm dann nicht, sie zu gewinnen, so würde er von allen Menschen ausgelacht werden.

Bo hatte gerade zu dieser Zeit eine Arbeit für die Kolonie übernommen. Die alten Gordonisten hatten nämlich bisher in Jerusalem selbst gewohnt. Das große Haus vor dem Damaskustor hatten sie in Veranlassung der großen Zunahme der Kolonie durch die schwedischen Auswanderer gemietet, und sie waren jetzt eifrig damit beschäftigt, sich dort einzurichten. Man hatte es Bo übertragen, einen Backofen in dem neuen Hause aufzuführen; er beschloß, sich in Geduld zu fassen und nicht abzureisen, ehe er seine Arbeit ausgeführt hatte. Indessen sehnte er sich so heftig, daß ganz Jerusalem ihm nicht besser vorkam als ein Gefängnis. Des Nachts ließ er oft den Gürtel durch die Hände gleiten, und lag da, und befühlte die Münzen, die da hineingenäht waren. Er wurde ganz vergnügt, wenn er die kleinen, runden Gegenstände zwischen seinen Fingern fühlte. Er sah Gertrud vor sich, vergaß, daß sie nie etwas hatte von ihm wissen wollen, und war überzeugt, daß er nur nach Hause zu kommen brauchte, um sie zur Frau zu bekommen.

Wenn sich Ingmar so falsch erwiesen hatte, mußte Gertrud doch Bo endlich schätzen lernen, der sein ganzes Leben hindurch nur sie geliebt hatte.

Es ging indessen schrecklich langsam mit dem Bau des Backofens. Entweder war Bo kein tüchtiger Maurer, oder auch er hatte schlechtes Material bekommen. Schließlich war er nahe daran zu glauben, daß der Ofen niemals fertig werden würde. Einmal stürzte die Wölbung ein, und ein andermal war der Ofen so verkehrt gemauert, daß der Rauch in die Backstube hineinschlug.

Auf diese Weise schob sich Bos Abreise bis in den August hinaus. Währenddes sah er so viel von dem Leben der Gordonisten, daß es ihm besser und besser gefiel. Niemals hatte er Menschen auf diese Weise so ausschließlich dafür leben sehen, Kranken, Armen und Betrübten zu helfen. Und sie sehnten sich nicht wieder zurück in die Welt, obwohl einige von ihnen so reich an Gütern dieser Welt waren, daß sie sich alles hätten anschaffen können, was sie wünschten, und andere so reich an Kenntnissen waren, daß es nichts zwischen Himmel und Erde gab, worüber sie nicht Bescheid wußten. Jeden Tag hielten sie die schönsten Betstunden ab, in denen sie ihre Lehre den Neuangekommenen darlegten, und wenn Bo sie reden hörte, war es ihm, daß es etwas Großes sei, mit Teil daran zu haben, das wahre Christentum wieder aufzuerwecken, das an die zweitausend Jahre vergessen und begraben gelegen hatte, daß er sich fast nicht entschließen konnte, Jerusalem zu verlassen.

Aber in der Nacht nahm Bo den Gürtel zwischen die Hände, und wenn er das tat, traten ihm Tränen der Sehnsucht nach Gertrud in die Augen. Und wenn er daran dachte, daß er nun nicht teilhaben könne an der Wiedererweckung des einzig wahren Christentums, dann sagte er sich selbst, daß da so viele seien, die würdiger waren als er. Es würde wohl keinen großen Schaden tun, wenn so ein dummer und einfältiger armer Mensch, wie er, die Kolonie verließ.

Es graute Bo aber vor dem Augenblick, wo er in der Gemeinde aufstehen und sagen mußte, daß er heimreisen wolle. Es ging ein Schaudern durch seinen Korper, wenn er daran dachte, daß Mrs. Gordon und die alte Miß Hoggs und die schöne Miß Joung und Hellgum und die Kinder seiner Schwester – daß alle diese, die nur danach trachteten, Gottes Sache zu dienen – ihn als verloren betrachten würden.

Und was würde Gott selbst im Himmel zu seiner Flucht sagen? Wie, wenn Bo seine ewige Seligkeit verscherzte, indem er dieser großen Sache untreu wurde?

Mit jedem Tag, der hinging, wurde Bo unsicherer und ratloser. Er sah so deutlich ein, wie verkehrt er gehandelt hatte, als er das Geld der Mutter behielt. Hätte er diesen Gürtel nicht gehabt, so hätte er nicht die Mittel besessen, um fortzukommen, und dann hätte er diese schwere Versuchung ganz vermieden.

Die Kolonisten hatten gerade zu dieser Zeit große Ausgaben gehabt, teils infolge des Umzuges, teils infolge eines Prozesses, den sie drüben in Amerika führen mußten. Da waren auch eine Menge armer Leute in Jerusalem, die beständig Hilfe bei ihnen suchten. Da sie niemals Lohn für irgendeinen Dienst annahmen, den sie für andere ausführten, wegen des Streites und Zanks, dessen Ursache das Geld hier in dieser Welt ist, so war es kein Wunder, daß sie zuzeiten kaum ihr Auskommen hatten. Ein paarmal, als erwartete Geldsendungen aus Amerika nicht rechtzeitig angelangt waren, hatten sie kaum genug für das tägliche Brot. Die ganze Gemeinde lag oft auf den Knien und flehte zu Gott, daß er ihnen Hilfe senden möge.

Bei solchen Gelegenheiten war es Bo, als brenne ihn sein Gürtel, aber jetzt konnte er ihn doch nicht fortgeben, jetzt, wo seine Sehnsucht zu reisen so mächtig war. Er sagte auch zu sich selbst, daß es jetzt zu spät sei, jetzt war es unmöglich für ihn, aufzustehen und zu bekennen, daß er während dieser großen Not so viel Geld mit sich herumgetragen hatte.

Im August wurde Bo endlich mit dem Ofen fertig, Und nun wollte er mit dem ersten Dampfschiff reisen, Eines Tages ging er zur Stadt hinaus. Er suchte einen einsamen Ort auf; dort setzte er sich hin, trennte den Gürtel auf und nahm das Geld heraus. Er saß mit den kleinen Goldstücken in der Hand da, und kam sich vor wie ein Dieb: »Ach, Herr, mein Gott, verzeihe mir!« rief er aus. »Wie ich in die Gemeinde eintrat, wußte ich ja nicht, daß Gertrud frei werden würde. Um nichts anderes in der Welt würde ich die Kolonie verlassen haben.«

Als Bo nach Jerusalem zurückkehrte, schlich er mit unsicheren Schritten dahin, und mit einem Gefühl, als gehe jemand hinter ihm drein und beobachtete ihn. Als er ein paar von den Goldstücken auf einen der Wechslertische in der Davidstraße legte, sah er so aus, daß der Armenier, der sein Geld wog, glaubte, er sei ein Dieb, und ihn um die Hälfte des Betrages betrog. Am nächsten Tage war Bo früh am Morgen aus der Kolonie fort. Er ging gen Osten in der Richtung des Ölberges, damit kein Mensch Verdacht fassen solle, wohin er sich begeben wollte, und machte einen großen Umweg, um an den Bahnhof zu gelangen.

Er kam trotzdem noch eine ganze Stunde zu früh, und er litt große Qualen, während er wartete. Er zuckte jedesmal zusammen, wenn jemand hinüberging, und suchte sich vergebens zu überzeugen, daß er nichts Böses tat, daß er ein freier Mann war, daß er gehen konnte, wohin er wollte. Er sah ein, daß es besser gewesen wäre, wenn er offen mit den Freunden geredet und sich nicht von ihnen fortgestohlen hätte, und er fühlte sich so gequält von seiner Angst, gesehen und erkannt zu werden, daß er kurz davor war, wieder umzukehren.

Trotzdem kam Bo mit dem Zuge fort. Alle Wagen waren überfüllt, aber er sah nicht einen einzigen, den er kannte. Er saß da und dachte an die Briefe, die er an Mrs. Gordon und Hellgum schreiben wollte. Er stellte sich vor, wie sie nach dem Morgengebet vor der ganzen Gemeinde vorgelesen würden, und er konnte die Verachtung sehen, die sich auf allen ihren Gesichtern abspiegeln würde. »Ich begehe heute gewiß eine schändliche Sünde«, dachte er, und es war ihm, als besudele er sich heute mit einem Fleck, der nie wieder abgewaschen werden könne. Es kam ihm immer erbärmlicher vor, daß er sich von dannen geschlichen hatte. Er empfand Ekel vor sich selbst, er kam sich vor wie ein elender Lump.

Er gelangte nach Jaffa und stieg aus dem Zug. Als er auf den sonnenheißen Platz vor dem Bahnhof kam, sah er dort eine Schar armer, rumänischer Pilger. Er blieb stehen und betrachtete sie, da erzählte ihm ein syrischer Dragoman, daß die Pilger krank von dem Dampfer gekommen seien, der sie nach Jaffa gebracht hatte. Es sei ihre Absicht gewesen, zu Fuß nach Jerusalem zu wandern, aber sie seien nicht dazu imstande. Hier hatten sie nun den ganzen Tag am Bahnhof gelegen. Niemand nahm sich ihrer an, sie hatten kein Geld, sie würden wohl sterben, so wie sie da in der Sonnenhitze lagen.

Bo wandte sich ab und verließ schnell den Bahnhof. Er konnte diese Menschen mit den fieberheißen Gesichtern gar nicht wieder vergessen. Einige von ihnen lagen ganz hilflos da und konnten nicht einmal die Fliegen verscheuchen, die ihnen in die Augen krochen. Es war ihm klar, daß Gott diese Armen auf seinen Weg gesandt habe, daß er ihnen helfen sollte. Bo fühlte, daß kein anderer von den Kolonisten an einer solchen Schar von Unglücklichen hätte vorübergehen können, ohne den Versuch zu machen, ihnen zu helfen. Er würde sich ihrer auch angenommen haben, wenn er nicht ein schlechter Mensch geworden wäre. Er wollte seinem Nächsten wohl nicht mehr helfen, weil er Geld hatte und nach Hause reisen konnte.

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