Kitabı oku: «Im heiligen Lande», sayfa 3

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Bo ging durch das Tor der Stadt, ging ein paar Straßen hinab, und gelangte an einen kleinen Marktplatz, der nach der See hinauslag. Hier konnte er die ganze Reede und das offene Meer übersehen. Die Meeresfläche lag silberblau und ganz blank da, nur um die beiden schwarzen Basaltklippen, die mitten in der Einfahrt des Hafens aufragten, erhob sich eine schwache Dünung. Es war ein schöner Tag, um die Seereise zu beginnen. Draußen auf der Reede lag ein großer europäischer Dampfer, der die deutsche Flagge führte. Bo hatte die Absicht gehabt, mit einem französischen Dampfer zu fahren, der noch an diesem Tage in Jaffa ankommen sollte, aber von dem sah er nichts. Er hatte sich wohl verspätet.

Der deutsche Dampfer mußte eben angekommen sein. Eine Schar Fährleute machte mit großer Eile ihre Boote los, um die Passagiere hereinzuholen. Sie wetteiferten miteinander, schrien und bedrohten sich gegenseitig mit den Rudern. Da fuhr auf einmal ein Dutzend Boote nach dem Dampfer hinaus. Die großen, kräftigen Bootführer erhoben sich und ruderten stehend, um schneller vorwärtszugelangen. Zu Anfang waren sie einigermaßen vorsichtig, aber als sie an den beiden gefährlichen Klippen vorübergekommen waren, begann ein eifriges Wettrudern. Bo konnte vom Ufer aus hören, wie sie lachten und einander durch Zurufe aufstachelten.

Da überkam ihn eine unwiderstehliche Lust, jetzt gleich abzureisen. Er konnte ja ebenso gut mit diesem Dampfer wie mit dem andern fahren. Das war ganz gleichgültig, wenn er nur nach Europa gelangte.

Und nun sah er, daß da noch ein Boot am Ufer lag. Der Mann, der es ruderte, war alt, so daß er vermutlich nicht so schnell hatte von dannen kommen können, wie die andern. Es war Bo, als habe sich dies Boot gerade seinetwegen verspäten müssen. Er sprang hinein, und sie stießen gleich vom Ufer ab.

Im ersten Augenblick meinte Bo, es sei gut so, daß nun alles entschieden war; aber ehe sie noch ein paar Ruderschläge vom Ufer entfernt waren, überkam ihn eine plötzliche Angst. Was sollte er seiner Mutter sagen, wenn er sie wiedersah? Konnte er ihr erzählen, daß er ihr Geschenk gebraucht hatte, um Schande und Entbehrung über sich zu bringen?

Bo sah das Gesicht seiner Mutter mit den vielen Falten und dem scharfen Zug nach dem Kinn hinauf vor sich. Sie war ein wenig kurzsichtig, daher kam sie in der Regel ganz dicht an die heran, mit denen sie sprach, und sah ihnen fest in die Augen. Wenn seine Mutter jetzt hier wäre, so würde sie ganz dicht an ihn herantreten und fragen: »Hast du versprochen, zu diesen Leuten zu halten, Bo, und ihnen bei ihrer guten Sache zu helfen?« »Ja, Mutter, das habe ich getan«, mußte Bo da antworten. – »Dann mußt du auch bei ihnen ausharren«, würde die Mutter sagen. »Wir haben genug an einem Wortbrüchigen in der Familie.«

Bo seufzte schwer auf, aber eins sah er doch klar ein, nämlich, daß er nicht mit Schmach beladen zu seiner Mutter heimkehren konnte. So blieb ihm nichts weiter übrig, als nach der Kolonie zurückzukehren.

Er befahl dem Fährmann umzukehren, aber der Mann verstand nicht, was er wollte, und fuhr fort, nach dem Dampfer hinauszurudern. Bo richtete sich im Boot auf und wollte ihm die Ruder wegnehmen. Der Mann verteidigte sich, und sie hätten fast das Boot umgeworfen, während sie um die Ruder kämpften. Bo sah gleich ein, daß ihm nichts weiter übrig blieb, als sitzen zu bleiben, und sich nach dem Schiff hinausfahren zu lassen. Aber gleichzeitig fürchtete er, daß der Augenblick, in dem er noch die Kraft besaß, umzuwenden, ihm entrinnen würde. »Komme ich erst an Bord des Schiffes,« dachte er, »dann gewinnt die Reiselust vielleicht Gewalt über mich.«

Aber nein – das durfte nicht geschehen: jetzt wollte er dieser Versuchung für immer ein Ende machen. Und er steckte die Hand in die Tasche, holte die blanken Goldstücke heraus und warf sie ins Meer.

Kaum war das getan, als ihm eine brennende Reue durch das Herz zog. Ja, jetzt konnte er sagen, daß er das Glück von sich geworfen hatte, jetzt hatte er Gertrud für immer verloren. Er rang seine Hände in Verzweiflung.

Als sie noch ein paar Minuten gerudert waren, begegneten ihnen einige Boote, die von dem Dampfer zurückkamen, voll von Passagieren, die in Jaffa an Land gehen wollten. Bo rieb sich die Augen; er glaubte, ein Gesicht zu haben. Es war ganz so, als ein paar von den Kirchbooten, die am Sonntag daheim in den Fluß hinabkamen, jetzt auf dem sommerblanken Meer auf ihn zugerudert kamen.

Die Menschen, die in den langen Booten saßen, sahen ebenso feierlich und ernst aus, wie die Leute daheim im Kirchsprengel, wenn sie an der Landungsbrücke unter der Kirche anlegten.

Bo konnte sich im ersten Augenblick gar nicht erklären, was er da sah. Er kannte ja alle die Gesichter. »Ist das nicht Tims Halvor?« fragte er sich. »Ist das nicht Karin Ingmarstochter? Ist das nicht Birger Larsson, den ich oft in der Schmiede an der Landstraße habe stehen und Nägel schmieden sehen?«

Bo war so in seine eigenen Gedanken versunken gewesen, daß es eine Weile währte, bis er begriff, daß dies die Pilgrime von daheim aus Dalarne sein mußten, die ein paar Tage früher, als man sie erwartet hatte, angelangt waren.

Er erhob sich in seinem Boot, winkte mit der Hand und rief: »Guten Tag!« Die stillen Menschen in den Booten sahen auf, einer nach dem andern, und bewegten den Kopf ein wenig, um zu zeigen, daß sie ihn erkannt hatten. Bo begriff, daß er nicht recht getan hatte, indem er sie in diesem Augenblick störte. Es schickte sich nicht für sie, in diesem Moment an irgend etwas anderes zu denken, als an das Feierliche, daß sie jetzt den Fuß auf den Boden von Palästina setzten.

Nie aber hatte Bo etwas Schöneres gesehen, als diese steifen Gesichter. Er wurde so froh, und er wurde so betrübt. »Siehe, solche Menschen haben wir daheim«, dachte er, und er empfand eine solche Sehnsucht, daß er sich gern ins Meer gestürzt hätte, um die Goldstücke wieder herauszufischen.

Ganz hinten in dem Boot saß eine Frau, die das Kopftuch so tief in die Stirn gezogen hatte, daß Bo ihr Gesicht nicht sehen konnte. Aber gerade, als das Boot, vorüberglitt, schob sie das Tuch zurück und sah ihn an. Und Bo erkannte Gertrud.

Da zitterte Bo vom Scheitel bis zur Sohle in tiefer Erregung. Er setzte sich nieder und hielt sich an der Ruderbank fest. Er fürchtete, daß er sich ins Meer stürzen würde, nur um schneller zu Gertrud zu gelangen.

Tränen stürzten ihm aus den Augen, während er die Hände faltete und Gott dankte. Nein, niemals war ein Mensch mehr dafür belohnt worden, daß er von einer Sünde abgelassen hatte. Nie in der Welt war Gott so gut gegen jemand gewesen.

Der Kreuzträger

Während all der Jahre, die die Gordonisten in Jerusalem gewohnt hatten, war jeden Tag in der heiligen Stadt ein Mann erschienen, der ein schweres und plumpes hölzernes Kreuz schleppte. Er sprach mit niemand, und niemand sprach mit ihm. Niemand wußte, ob der Mann ein armer Wahnsinniger war, der sich einbildete, Christus zu sein, oder ob er ein armer Pilger war, der einen Bußgang ausführte.

Der arme Kreuzträger schlief des Nachts in einer Grotte draußen auf dem Ölberge. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, stieg er auf den Berg hinauf und sah hinab auf Jerusalem, das auf einem etwas niedrigeren Hügel ihm gerade gegenüber lag. Er sah über die ganze Stadt hinaus, wie jemand, der sucht, ließ die Augen von Haus zu Haus, von Kuppel zu Kuppel schweifen, eifrig forschend, als erwarte er, daß in der Nacht irgendeine große Veränderung eingetreten sei. Endlich, wenn es ihm klar wurde, daß noch alles war wie vorher, seufzte er tief auf. Er kehrte in seine Grotte zurück, hob das große Kreuz auf die Schultern und setzte sich einen Kranz, der aus stacheligen Dornenzweigen geflochten war, auf den Kopf.

Dann begann er seine Wanderung den Berg hinab, schleppte seine schwere Last zwischen Weingärten und Olivenhainen dahin, bis er die hohe Mauer erreichte, die den Garten von Gethsemane umgab. Hier pflegte er vor einer niedrigen Pforte Halt zu machen, legte das Kreuz an die Erde und stützte sich gegen den Türpfosten, wie um zu warten.

Wieder und wieder beugte er sich hinab und legte sein Auge an das Schlüsselloch, um in den kleinen Garten hineinzusehen. Wenn er dann einen der Franziskaner, die die Obhut über Gethsemane führten, sich zwischen den alten Olivenhainen und Myrtenhecken bewegen sah, trat ein gespannter Ausdruck in sein Gesicht, und er lächelte wie in froher Erwartung. Aber gleich darauf schüttelte er den Kopf; er schien zu der Überzeugung gelangt zu sein, daß der, den er suchte, nicht kommen würde. Er nahm wieder das Kreuz und wanderte weiter.

Dann pflegte er die tieferliegenden Terrassen des Berges hinabzugehen, hinunter in das Tal Josaphat, mit dem großen jüdischen Kirchhof. Das schwere Kreuz schleppte hinter ihm drein, es rasselte über die großen Grabsteine und fegte die kleinen Kiesel, die darüber ausgestreut waren, zur Seite. Wieder und wieder blieb er stehen, wenn er die kleinen Kieselsteine rasseln hörte, und sah sich um, offenbar in dem Glauben, daß ihm jemand folge. Jedesmal, wenn er merkte, daß er sich geirrt hatte, seufzte er wieder tief auf und wanderte weiter.

Diese Seufzer wurden zu einem schweren Stöhnen, wenn er den Talgrund erreicht hatte, und ihm die Arbeit bevorstand, das mächtige Kreuz den westlichen Abhang, auf dessen obersten Gipfel Jerusalem liegt, hinabzuschleppen. Auf dieser Seite liegen die Gräber der mohammedanischen Bevölkerung, und hier sah er oft eine trauernde Frau in ihr weißes Überkleid gehüllt, auf einem der niedrigen, sargförmigen Grabdenkmäler sitzen. Er schwankte dann auf sie zu, bis sie, aufgeschreckt von dem Geräusch, den das Kreuz verursachte, indem es über die Grabsteine dahinschleifte, sich nach ihm umwandte. Ihr Antlitz war von einem dichten, schwarzen Schleier verhüllt und erweckte die Vorstellung, daß dahinter nichts weiter sei, als ein leeres, dunkles Loch. Da wandte er sich mit einem Schaudern ab und wanderte weiter.

Mit unaussprechlicher Mühe kletterte er ganz bis auf den Gipfel des Berges hinauf, dort, wo die Stadtmauer aufragt. Dann pflegte er auf einem schmalen Pfad innerhalb der Mauer nach dem Berge Zion auf der südlichen Seite des Berges zu wandern, und kam ganz hinauf bis zu der kleinen armenischen Kirche, die das Haus des Kaiphas genannt wird.

Hier legte er wieder das Kreuz an die Erde und lugte wieder durch das Schlüsselloch. Aber er begnügte sich nicht damit; er erfaßte den Glockenstrang und schellte. Wenn er eine Weile darauf ein Paar Pantoffel über die Steinfliesen klappern hörte, lächelte er und führte schon die Hände an die Dornenkrone, um sie vom Kopf' zu nehmen.

Aber sobald der Kirchendiener, der die Pforte öffnete, sah, wer es war, schüttelte er den Kopf.

Der Büßer beugte sich vor und sah in die halbgeöffnete Tür hinein. Er ließ seine Augen über den kleinen Hof hinschweifen, wo der Sage nach Petrus den Heiland verleumdet hatte, und vergewisserte sich, daß er ganz leer war. Da nahm sein Gesicht, den Ausdruck tiefen Grames an, er zog heftig die Pforte zu und wanderte weiter.

Das schwere Kreuz klapperte über die Steine und die alten Mauerbrocken dahin,die den Boden von Zion bedeckten. Es wurde jetzt mit noch größerer Eile dahingeschleppt, als wenn eine ungeduldige Erwartung dem Träger mehr Kräfte verleihe. Er ging durch das Zionstor in die Stadt hinein, und ließ das Kreuz nicht zur Erde sinken, ehe er vor dem schwerfälligen, grauen Gebäude stand, das als Grab König Davids verehrt wird, von dem aber auch gesagt wird, daß es den Saal enthalte, in dem der Herr das heilige Abendmahl eingesetzt hat.

Hier pflegte der Alte das Kreuz draußen liegen zu lassen, während er selbst in das Haus hineinging. Wenn der mohammedanische Türhüter, der sonst allen Christen zornige Blicke nachwarf, ihn kommen sah, verbeugte er sich vor ihm, wie vor dem, dessen Verstand bei Gott ist, und küßte ihm die Hand. Jedesmal, wenn der Alte Gegenstand dieses ehrerbietigen Grußes war, sah er dem Türhüter erwartungsvoll in das Gesicht. Aber gleich darauf zog er seine Hand zurück, trocknete sie in seinem langen, groben Mantel ab, wandte sich um und trat wieder hinaus, wo er von neuem das Kreuz auf seine Schultern hob.

Darauf schleppte er sich mit unendlicher Langsamkeit nach dem nördlichen Teil der Stadt, wo Christi Leidensweg sich dunkel und schwer dahinzieht. Solange er sich in den menschenwimmelnden Straßen befand, sah er jedem ins Gesicht, blieb stehen, forschte, und wandte sich wieder um, in ewiger Enttäuschung. Gutmütige Wasserträger, die sahen, daß er unter seiner schweren Last schwankte, reichten ihm oft eine kleine, zinnerne Schale voll Wasser, und die Gemüsehändler pflegten ihm eine Handvoll Bohnen oder Pistazien zuzuwerfen. Wenn ihm diese Gaben geboten wurden, nahm er sie zuerst mit freudestrahlendem Antlitz an; dann aber wandte er sich ab, als habe er etwas ganz anderes und besseres erwartet,

Wenn er auf den Passionsweg kam, sah er hoffnungsvoller aus, als auf dem ersten Teil seines Weges. Er stöhnte nicht so tief unter der Last des Kreuzes, und er richtete den Rücken auf, und sah sich um, wie ein Gefangener, der jetzt seiner Befreiung sicher ist.

Er begann bei der ersten der vierzehn Stationen auf dem Leidenswege Christi, die die ganze Straße entlang durch kleine steinerne Tafeln bezeichnet sind. Aber er blieb nicht stehen, ehe er vor dem Kloster der Zionsschwestern in der Nähe des Ecce-Homo-Bogens stand, wo Pilatus Christus dem Volke vorführte. Hier warf er das Kreuz von seinen Schultern, wie eine Last, die er nicht mehr zu schleppen brauchte, und klopfte dann an die Klostertür mit drei starken, dröhnenden Schlägen. Noch ehe das Tor geöffnet wurde, hatte er die Dornenkrone vom Kopf genommen, ja, zuweilen war er seiner Sache so sicher, daß er sie einem der Hunde hinwarf, die ihren Schlafplatz in der Nähe des Klosters hatten.

Drinnen in dem Kloster kannte man dies Pochen. Eine von den frommen Schwestern öffnete die Türluke und steckte ihm ein kleines, rundes Brötchen hinaus.

Da geriet er außer sich vor Zorn. Er nahm das Brot nicht an, sondern ließ es zur Erde fallen; er stampfte mit den Füßen und stieß wilde Schreie der Verzweiflung aus. Lange Zeit blieb er vor dem Klostertor stehen. Endlich kehrte der gewohnte Ausdruck geduldigen Leidens in sein Gesicht zurück. Er beugte sich nieder, sammelte das Brot auf und verzehrte es mit Raubtierhunger. Er hob die Dornenkrone wieder auf, und nahm das Kreuz wieder auf seine Schultern.

Wenige Augenblicke darauf stand er in glückseliger Erwartung vor der kleinen Kapelle, die man das Haus der »heiligen Veronika« nennt, und von bitterer Enttäuschung niedergebeugt, wanderte er wieder von dannen. Er ging die ganze Straße hinauf, von Station zu Station, er erwartete mit Gewißheit seine Befreiung an der Kapelle, die die Stätte bezeichnet, wo das Tor der Gerechtigkeit stand, durch das Jesus zur Stadt hinauswanderte, sowie an der Stelle, wo der Erlöser zu den Frauen Jerusalems sprach.

Wenn er so Christi Leidensweg zurückgelegt hatte, begann er unruhig suchend die ganze Stadt zu durchwandern. In der engen, menschengefüllten Davidstraße war er ein ebenso großes Hindernis für den Verkehr, wie ein Kamel, das mit Reisigbündeln beladen ist, aber kein Mensch schalt ihn aus oder verunglimpfte ihn.

Es konnte wohl zuweilen geschehen, daß er auf seiner Wanderung in den engen Vorhof der heiligen Grabeskirche hineinkam. Aber hier legte der arme Kreuzträger seine Last nieder, hier riß er sich die Dornenkrone vom Kopf. Sobald sein Auge auf die graue, dunkle Mauer fiel, wandte er sich um und floh. Niemals sah man ihn dort bei einer der prachtvollen Prozessionen, nicht einmal bei dem großen Osterwunder. Der alte Büßer schien überzeugt zu sein, daß dies der einzige Ort sei, an dem er unmöglich das finden konnte, was er suchte.

Aber er sorgte immer dafür, daß er den Karawanen begegnete, die ihre Waren am Tor Jaffa abluden. Er saß dort und gab vor den Herbergen acht, und betrachtete alle Fremden mit forschenden Blicken. Nachdem die Eisenbahn zwischen Jaffa und Jerusalem eröffnet war, ging er fast jeden Tag auf den Bahnhof hinaus. Er suchte Patriarchen und Bischöfe in ihren Wohnungen auf, und jeden Freitag fand er sich auf den Plätzen vor der Klagemauer ein, wo die Juden sich an die kalten Steine schmiegen, und über den Palast weinen, der in Schutt versunken war, über die Propheten, die gestorben waren, über die Priester, die irre gegangen waren, über die Könige, die Jehova verachtet hatten.

An einem schönen, warmen Sommertag im August ging der Kreuzträger aus dem Damaskustor hinaus und wanderte auf den kahlen, einsamen Feldern, die die Gordonkolonie umgaben. Während er sich so mühselig dahinschleppte, erblickte er eine lange Reihe von Wagen, die vom Bahnhof kamen und nach der Kolonie hinauffuhren. Es waren Menschen mit barschen, ernsten Gesichtern, die in diesen Wagen saßen; viele von ihnen waren häßlich, hatten blondes Haar mit einem Stich ins Rötliche, schwere Augenlider und eine vorstehende Unterlippe.

Als diese Menschen an dem Kreuzträger vorübergekommen waren, tat er, was er immer zu tun pflegte, wenn er neue Pilgerscharen nach Jerusalem ziehen sah: Er lehnte das Kreuz gegen seine Schulter, sein Gesicht klärte sich auf, und er erhob die Arme gen Himmel.

Als die Vorüberfahrenden ihn sahen, wie er so mit seinem Kreuz dastand, zuckten sie zusammen, aber nicht vor Überraschung. Es war weit eher, als hätten sie erwartet, daß gerade das das erste sein müsse, was ihren Augen in Jerusalem begegnete.

Mehrere von ihnen erhoben sich in innigem Mitleid. Sie streckten die Arme aus; man konnte sehen, daß sie gerne vom Wagen gestiegen wären, um dem Alten seine Last tragen zu helfen.

Einige von den Kolonisten, die schon mit den Verhältnissen in Jerusalem bekannt waren, sagten zu den Neuangekommenen: »Das ist ein armer verrückter Mann, so geht er hier jeden Tag. Er glaubt, daß es Christi Kreuz ist, das er trägt, und daß er es tragen muß, bis er jemand findet, der das Kreuz für ihn tragen will.«

Die Vorüberfahrenden wandten sich um, und sahen dem armen Kreuzträger nach. Solange sie ihn sehen konnten, stand er am selben Fleck, die Arme gen Himmel erhoben, und mit einem Ausdruck der unbeschreiblichsten Verzückung.

Aber dies war das letztemal, daß man den armen Kreuzträger in Jerusalem sah. Die Aussätzigen, die vor den Toren gelagert liegen, warteten am nächsten Tag vergebens auf sein Kommen. Er störte nicht die Trauernden auf den Begräbnisplätzen, er bemühte die Wächter in Kaiphas' Hause nicht, die frommen Damen in Zion hatten keine Gelegenheit, das Brötchen darzureichen, das er sonst jeden Tag holte. Der türkische Türwächter wartete unwillkürlich darauf, ihn kommen und wieder entfliehen zu sehen. Die guten Wasserträger sahen vergeblich in den menschenwimmelnden Straßen nach ihm aus.

Der arme Alte ließ sich nie wieder in der heiligen Stadt blicken. Man wußte nicht, ob er tot in seiner Grotte auf dem Ölberge lag, oder ob er nach seinem Heim in dem fernen Lande zurückgekehrt war.

Das einzige, was man sicher von ihm wußte, war, daß er die schwere Last nicht mehr schleppte. Denn am Morgen nach der Ankunft der Bauern aus Dalarne fanden die Gordonisten das mächtige Kreuz: es lag auf der hohen Treppe vor dem Eingang zu ihrem Hause.

»Mauern aus lautrem Gold und Tore von reinem Kristall.«

Unter den Jerusalemfahrern war auch ein Schmied, der Birger Larsson hieß. Er war während der ganzen Zeit sehr froh über diese Reise gewesen. Niemand war es so leicht geworden, sich von der Heimat zu trennen, und niemand hatte sich so von Herzen darauf gefreut, die Herrlichkeit Jerusalems zu sehen.

Aber Birger erkrankte fast in demselben Augenblick, als er in Jaffa an Land ging. Er mußte mehrere Stunden in der Sonnenhitze am Bahnhof sitzen, ehe der Zug abging, und er wurde elender und elender. Als er in einen der heißen Eisenbahnwagen kam, fing ihm der Kopf so an zu schmerzen, als müsse er zerspringen. Und als sie Jerusalem erreichten, war er so matt, daß Tims Halvor und Ljung Björn ihn unter die Arme nehmen und ihn fast auf den Bahnsteig hinaustragen mußten.

Bo hatte nach Jerusalem telegraphiert, um die Kolonisten von der Ankunft der Darlekarlier zu benachrichtigen. Mehrere von den schwedischen Amerikanern waren am Bahnhof, um die Verwandten und Freunde zu begrüßen. Da hatte Birger so starkes Fieber, daß er seine alten Landsleute nicht wiedererkennen konnte, obwohl einige von ihnen seine nächsten Nachbarn gewesen waren. Soviel hatte er aber doch verstanden, daß er nach Jerusalem gekommen war, und er war nur von dem Gedanken erfüllt, daß er sich aufrecht halten müsse, bis er die heilige Stadt gesehen hatte.

Von dem Bahnhof aus, der eine gute Strecke außerhalb Jerusalems liegt, konnte Birger nichts von der Stadt sehen. Solange er da war, lag er ganz still, mit geschlossenen Augen. Aber endlich hatten alle Platz in den Wagen gefunden, die auf sie warteten. Sie fuhren durch das Tal Hinnom, und oben auf dem Bergrücken über ihnen gewahrten sie Jerusalem.

Birger hob die schweren Augenlider, und sah eine Stadt, die von einer hohen Mauer mit Zinnen und Türmen umgeben war. Hinter der Mauer ragten hohe, kuppelförmige Gebäude auf, und einige Palmen wogten im Bergwinde.

Aber es war gegen Abend, und die Sonne stand ganz unten am Rande der westlichen Hügel. Sie war sehr rot und groß, und warf einen starken Schein über den ganzen Himmel. Auch die Erde erstrahlte in roten und goldenen Farben. Für Birger aber war es, als ob der Glanz, der auf die Erde fiel, nicht von der Sonne komme, sondern von der Stadt dort oben über ihm. Er ging von ihren Mauern aus, die wie lauteres Gold schimmerten, und von ihren Türmen, die mit reinem Kristall gedeckt waren.

Birger Larsson lächelte darüber, daß er zwei Sonnen sah, eine im Himmel, und eine auf der Erde: Gottes Stadt, Jerusalem.

Einen Augenblick hatte Birger ein Gefühl, als habe ihm die Freude die Gesundheit zurückgegeben. Gleich darauf aber gewann das Fieber von neuem überhand, und auf dem ganzen Wege bis an das Haus der Kolonisten, das jenseits der Stadt lag, war er bewußtlos.

Auch von dem Empfang in der Kolonie wußte Birger so gut wie gar nichts. Er konnte sich ebensowenig über das große Haus freuen, wie über die weiße Marmortreppe oder die schöne Galerie, die rings um den Hof herumläuft. Er konnte nicht Mrs. Gordon schönes, kluges Gesicht sehen, als sie auf die Treppe hinauskam, um sie willkommen zu heißen. Oder die alte Miß Hogg mit den Eulenaugen, oder irgend jemand von diesen neuen Brüdern und Schwestern. Er wußte nicht einmal, daß er in ein großes, helles Zimmer geführt wurde, das von nun an das Heim für ihn und seine Familie sein sollte, und wo man sich beeilte, ihm ein Bett zu bereiten.

Am nächsten Tage war er noch ebenso krank, hin und wieder kehrte jedoch sein Bewußtsein zurück. Da war es sein großer Kummer, daß er sterben müsse, ohne in Jerusalem selbst hineingekommen zu sein und seine Herrlichkeiten in der Nähe gesehen zu haben.

»Wenn man sich denkt, daß ich so weit gelangt bin,« sagte er, »und daß ich jetzt sterben muß, ohne den Palast Jerusalems und seine Straßen von Gold gesehen zu haben, auf denen die Heiligen in langen, weißen Kleidern mit Palmen in den Händen wandeln.«

So lag er da und jammerte zwei Tage. Das Fieber nahm zu, aber selbst in den Phantasien trauerte er immer nur über das gleiche, daß er die goldenen Mauern und die strahlenden Türme nicht sehen sollte, die Gottes eigene Stadt umgaben.

Seine Verzweiflung hierüber war so groß, daß Ljung Björn und Tims Halvor sich seiner erbarmten und beschlossen, ihn zufrieden zu stellen. Sie glaubten, er würde genesen, wenn seine Sehnsucht gestillt ward. Sie zimmerten ihm eine Bahre, und eines Abends, als die Luft ein wenig kühler geworden war, trugen sie ihn nach Jerusalem hinein.

Sie führten ihn auf den gebahnten Wegen direkt in die Stadt, und Birger war bei vollem Bewußtsein und starrte die steinige Erde und die kahlen Hügel an. Als sie so weit gekommen waren, daß sie die Mauer der Stadt und das Damaskustor sehen konnten, setzten sie die Bahre nieder, damit sich der Kranke an dem Anblick dessen freuen sollte, wonach er sich so lange gesehnt hatte.

Birger sagte kein Wort; er lag da und beschattete die Augen mit der Hand, und strengte sich an, zu sehen.

Er sah nichts weiter, als eine graublaue Mauer, die aus Steinen und Lehm aufgeführt war, wie alle andern Mauern. Das große Tor erschien ihm so unheimlich mit dem niedrigen Eingang und der gezackten Mauerkrone.

Wie er so da lag, matt und schwach, bildete er sich ein, daß ihn die andern nicht nach dem richtigen Jerusalem geführt hätten. Er hatte ja vor ein paar Tagen ein anderes Jerusalem gesehen, das so strahlend war wie die Sonne selbst.

»Daß meine alten Freunde und Landsleute so schlecht an mir zu handeln wagen,« dachte der Kranke, »daß sie mir nicht gönnen, das wahre Jerusalem zu sehen!«

Die Freunde trugen ihn den steilen Abhang hinauf, der zu dem Tor führte. Virger war es, als trügen sie ihn in einen tiefen Abgrund hinab.

Als Birger durch die Torwölbung gekommen war, richtete er sich ein wenig auf. Jetzt wollte er doch sehen, ob sie ihn in die goldene Stadt getragen hätten.

Birger wurde wunderlich zumute, als er zu allen Seiten Häuser mit grauen, häßlichen Mauern sah, und noch unheimlicher ward ihm, als er die verkrüppelten Bettler erblickte, die am Tor saßen, und die mageren, schmutzigen Hunde, die zu vieren oder fünfen auf den großen Kehrichthaufen lagen.

Er sah auf die Pflastersteine hinab; sie waren von einer vertrockneten Schmutzschicht bedeckt. Er wunderte sich, über alle die Kohlblätter und Fruchtschalen und all den Kehricht, der überall auf der Straße umherlag.

»Ich kann wirklich nicht begreifen, wie Halvor auf den Gedanken kommt, mir diese elenden, armseligen Straßen zu zeigen«, murmelte er vor sich hin.

Die Männer trugen Birger jetzt schnell durch die Stadt; sie waren schon mehrmals dort gewesen, so daß sie dem Kranken von den bemerkenswerten Orten erzählen konnten, an denen sie vorüber kamen.

»Da siehst du das Haus des reichen Mannes«, sagte Halvor, und zeigte auf ein Gebäude, das Birger ganz baufällig erschien.

Sie bogen jetzt ab und gelangten in eine Straße, die Birger so dunkel erschien, als sei sie nie von einem Sonnenstrahl erhellt worden. Er lag da und starrte die Halbbögen an, die sich über die Straße hinweg von einem Haus zum andern zogen. »Das mag wohl nötig sein,« dachte er, »wenn diese elenden Hütten nicht ordentlich gestützt werden, würden sie bald einstürzen.«

»Dies ist Christi Leidensweg«, sagte Halvor zu Birger. »Hier ist Jesus gegangen und hat sein Kreuz getragen.«

Birger lag stumm und bleich da. Das Blut brauste nicht mehr durch die Adern, wie früh am Tage; es war, als stünde es ganz still. Er war kalt wie Eis.

Überall, wohin er kam, sah er nichts weiter als baufällige Mauern und hin und wieder ein niedriges Tor. Fenster sah er selten, und wenn da eins war, waren die Fensterscheiben alle zerbrochen, und es waren Lumpen in die Löcher hineingestopft.

Halvor machte Halt mit der Bahre. »Hier stand Pilatus' Palast,« sagte er, »hier haben sie Jesus dem Volke vorgeführt und zu ihm gesagt: .Sehet, welch ein Mensch!«'

Birger Larsson winkte Halvor zu sich heran und ergriff feierlich seine Hand. »Jetzt sollst du mir eine Frage aufrichtig beantworten, weil du mit mir verwandt bist«, sagte er. »Glaubst du, daß das, was du mir gezeigt hast, das rechte Jerusalem ist?«

»Ja, wahrlich, es ist das rechte Jerusalem«, antwortete Halvor.

»Ich bin krank, und ich kann morgen am Tage tot sein«, sagte Birger. »Da kannst du doch einsehen, daß du mich nicht belügen darfst.«

»Niemand denkt daran, dich zu belügen«, sagte Halvor.

Birger hatte so sicher gehofft, daß er Halvor dazu bringen würde, ihm die Wahrheit zu sagen. Und Tränen

traten ihm in die Augen, wenn er daran dachte, daß Halvor und die anderen sich so gegen ihn benehmen konnten.

Plötzlich kam ihm ein guter Gedanke. »Sie tun es nur, um mich desto mehr zu erfreuen, wenn ich durch die hohe Pforte zu der Stadt der Ehre und Herrlichkeit hineingeführt werde«, dachte er. »Jetzt lasse ich sie tun, was sie wollen. Sie meinen es sicher gut mit mir. Wir Hellgumianer haben ja gelobt, gegeneinander zu handeln als seien wir Brüder.«

Die Männer trugen ihn weiter durch die düsteren Straßen. Über einige davon waren große Teppiche ausgespannt, die voller Risse und Löcher waren. Wenn man unter diese Teppiche kam, konnte man es kaum aushalten vor Dunkelheit und Gestank und erstickender Hitze.

Das nächstemal machte die Bahre Halt auf dem Vorhof eines großen, grauen Gebäudes. Der offene Platz war von Bettlern und armen Krämern angefüllt, die Rosenkränze, kleine Bilder und dergleichen verkauften.

»Hier siehst du nun die Kirche, die über Christi Grab und Golgatha erbaut ist«, sagte Halvor.

Birger Larsson sah mit seinem matten Blick zu dem Gebäude empor. Es hatte freilich große Tore und breite Fenster, und ansehnlich hoch war es auch. Nie aber hatte Birger so eine Kirche zwischen andern Häusern eingeklemmt gesehen. Und er sah weder einen Chor noch eine Vorhalle. Niemand sollte ihm einbilden, daß dies ein Haus Gottes war. Und er konnte auch nicht glauben, daß so viele Kaufleute und Krämer in dem Vorhofe sein würden, wenn sich hier wirklich Christi Grab befände. Er wußte ja allerdings, wer die Taubenhändler aus dem Tempel getrieben und die Tische der Wechsler umgeworfen hatte.

»Ich sehe es, ich sehe es«, sagte Birger und nickte Halvor zu. Im stillen aber dachte er: »Was sie mir jetzt wohl weismachen werden?«

»Ich weiß nicht, ob du heute noch mehr vertragen kannst?« fragte Halvor.

»Ja, ich kann es wohl aushalten,« erwiderte der Kranke, »wenn ihr es nur könnt.«

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