Kitabı oku: «Nur Ja! heißt ja», sayfa 3

1.3Sexuelle Orientierungen
Das Geschlecht einer Person hat nichts mit ihrer sexuellen Orientierung zu tun. Aber: sexuelle Orientierung ist ebenso wie die Geschlechter unendlich vielfältig. Sexuelle Orientierung beschreibt, wen/was wir begehren, wer/was uns anmacht oder anzieht. Manche Menschen wissen schon früh im Leben, was ihre sexuellen Vorlieben sind; andere brauchen Zeit und probieren sich aus. Manchmal denken wir, wir wüssten alles über Sexualität – und dann zieht uns eine neue Erfahrung plötzlich die Schuhe aus. Daher wird Sexualität als veränderlich und nicht als statisch verstanden.
Es gibt keine ›Standard-‹ oder ›normale‹ sexuelle Orientierung. Stattdessen bestehen Sexualität und sexuelle Orientierung aus einer Ansammlung von Fantasien, Handlungen, Körpern, Sinnesempfindungen und vielen weiteren Aspekten, die wir aus allen möglichen Orten aufnehmen und sie stetig weiter überarbeiten. Jede Person hat ihre eigene einzigartige Sexualität, die nur durch Erkundung freigelegt werden kann. Es macht Spaß und ist gesund, regelmäßig darin einzutauchen, wer und was unsere Säfte fließen lässt. Unsere sexuelle Orientierung gehört nur uns selbst. Es steht weder der Kirche, noch Freund*innen, Eltern, Pornos, Sozialen Medien oder sonst irgendwem zu, darüber zu entscheiden, wen und was eine Person wann und wo sexy findet. Wir sind ständig umgeben von Werbung, Filmen, Liedern und Popkultur, die eine sehr spezifische (und häufig sehr beschränkte) Vorstellung dessen in unsere Köpfe hämmert, was sexy ist. Wie sähen deine Fantasien aus, wenn sie nicht schon so lange diesem Lärm ausgesetzt wären? Je tiefer wir graben, um herauszufinden, was uns wirklich anmacht, desto erfüllter wird unser Sexleben sein.

Es folgt eine abgekürzte Liste sexueller Orientierungen (denke daran, die Möglichkeiten sind unendlich!). Diese Definitionen beruhen auf verschiedenen Quellen und sind weder vollständig noch ausschließlich. Wie die Sexualität jeder Person sind auch die Konzepte von Sexualität veränderlich und entwickeln sich schnell; während die Mainstream-Kultur sich langsam über die Zweigeschlechterlogik hinauswagt, kommen regelmäßig neue Welten der Geschlechter und Sexualitäten hinzu.
asexuellAsexualität bezeichnet ein breites Spektrum an Menschen, die nicht sexuell begehren. Manche asexuelle Menschen spüren etwa nur ein sehr geringes oder gar kein sexuelles Begehren; manche wünschen sich romantische – aber keine sexuellen – Beziehungen; manche möchten gar keine Beziehungen usw. Viele asexuelle Menschen haben eine zweite Orientierung, die ihre romantischen Interessen beschreibt. Es gibt auch asexuelle Personen, die dennoch eine starke Libido haben, die sich aber nicht unbedingt auf andere Menschen bezieht. Asexualität fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im A in LSBTIQA*.
bisexuellEine Person, die sowohl von Menschen ihres Geschlechts als auch von Menschen anderer Geschlechter angezogen wird, könnte sich als bisexuell bezeichnen. Bisexuelle Menschen müssen sich nicht unbedingt gleichermaßen zu allen Begehrten sexuell und/oder romantisch hingezogen fühlen (z.B. kann eine bisexuelle Person vornehmlich Männer attraktiv finden). Bisexualität fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im B in LSBTIQA*.
homosexuellEine Person, die (im Rahmen der männlich/weiblich-Zweiteilung) vornehmlich von ihrem eigenen Geschlecht angezogen wird, könnte sich als homosexuell bezeichnen. Schwule und Lesben sind Homosexuelle. Ein Mann, der von anderen Männern sexuell angezogen wird, kann sich als Homosexueller bezeichnen – oder als Schwuler, als Mann, der Sex mit Männern hat, und/oder als Mann, der Männer liebt. Eine Frau, die von anderen Frauen angezogen wird, kann sich als Homosexuelle definieren – oder als Lesbe, als Frau, die Sex mit Frauen hat, und/oder als Frau, die Frauen liebt. Das Wort homosexuell erscheint heute ein wenig formal und medizinisch. Homosexualität fällt unter den Überbegriff queer.
heterosexuellEine Person, die (im Rahmen der männlich/weiblich-Zweiteilung) vornehmlich vom anderen Geschlecht angezogen wird, kann sich als heterosexuell bezeichnen. Manche Leute sprechen im Plural auch von »Heten«.
Es gibt darüber hinaus Abwandlungen von Heterosexualität: Eine Person, die (im Rahmen der männlich/weiblich-Zweiteilung) primär vom anderen Geschlecht angezogen wird, aber manchmal Sex mit Menschen des gleichen Geschlechts oder mit Menschen außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit hat, könnte sich auch als »heteroflexibel« oder »meistens hetero« bezeichnen.
queerQueer ist ein Sammelbegriff, der eine Bandbreite an Menschen bezeichnet, die nicht der heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Norm entsprechen. Eine Person kann sich als queer verorten oder queer leben. Das Wort wird auch verwendet, um alle aus der LSBTIQA*-Gemeinschaft als queere Community zu bezeichnen. Als sexuelle Orientierung wird queer gezielt offen definiert, um darin so beweglich wie möglich zu bleiben. Menschen, die sich mit keiner der anderen definierten sexuellen Orientierungen identifizieren, können mit dem Wort queer auf unspezifische Weise über ihre sexuelle Orientierung sprechen. Queer zeigt sich im Q in LSBTIQA*.
schwulEin Mann, der vornehmlich von Männern angezogen wird, könnte sich als schwul bezeichnen. Schwul fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im S in LSBTIQA*.
lesbischEine Frau, die vornehmlich von Frauen angezogen wird, könnte sich als lesbisch bezeichnen. Lesbisch fällt unter den Überbegriff queer und zeigt sich im L in LSBTIQA*.
pansexuellEine Person, die von allen möglichen Menschen sexuell angezogen wird, könnte sich als pansexuell bezeichnen. Das Begehren ist hier unabhängig von der Geschlechtsidentität oder dem geschlechtlichen Ausdruck der anderen Person, einschließlich solcher Menschen, die sich jenseits der Zweigeschlechtlichkeit bewegen oder androgyn sind. Pansexuelle Menschen können auch Menschen völlig unabhängig von deren Geschlecht attraktiv finden bzw. Geschlecht ist kein Faktor für ihr sexuelles Begehren. Pansexualität fällt unter den Überbegriff queer.
demisexuellEine Person, deren sexuelles Begehren darauf beruht, emotional mit der anderen Person verbunden zu sein, könnte sich als demisexuell bezeichnen. Üblicherweise ist für diese Menschen irgendeine Art der romantischen Beziehung erforderlich, um eine andere Person sexuell attraktiv zu finden.
questioning/wörtlich: (hinter)fragendEine Person, die sich über ihre sexuelle Orientierung nicht sicher ist und aktiv herauszufinden versucht, wo ihr Begehren liegt. Achtung: Das »(hinter)fragend« bezieht sich nicht darauf, eine Person über ihre sexuelle Orientierung zu befragen – das ist unangemessen. Questioning fällt unter den Überbegriff queer.
Der Satzteil »vornehmlich angezogen von« verdient besondere Aufmerksamkeit. Eine Person kann Sex mit Menschen eines Geschlechts haben, sich aber schließlich dazu entscheiden oder feststellen, dass diese Personen sie gar nicht anziehen, dass sie diese Personen nicht wirklich begehrt. Eine heterosexuelle Person, die gleichgeschlechtlichen Sex hatte, ist nicht automatisch homosexuell oder andersherum. Es ist ein übliches Vorgehen, etwas auszuprobieren, um herauszufinden, ob es etwas ist, das wir mögen oder nicht. Sex und/oder sexuelle Handlungen mit einer Person eines bestimmten Geschlechts auszuprobieren, bedeutet nicht, auf eine bestimmte sexuelle Orientierung festgelegt zu sein. Womöglich wird auch eine heterosexuelle Person von einem homosexuellen Porno angeregt; das macht sie nicht homosexuell – das Gleiche gilt andersherum. Auch innerhalb der beschränkenden Bezeichnungen der verschiedenen Sexualitäten gibt es viel Spielraum. Der allerwichtigste Punkt ist, dass jede Person selbst über ihre eigene sexuelle Orientierung entscheidet.

Wie bei der perfekten Jeans kann es sein, dass du eine sexuelle Orientierung anprobiert hast und sofort klar war, dass sie passt. Vielleicht bist du auch experimentierfreudig und nimmst aus unterschiedlichen Momenten etwas mit und vermischst es. Am besten schaffst du deine eigene persönliche sexuelle Orientierung, die maßgeschneidert zu jeder Drehung und Wendung deines lebhaften Selbst passt. Ob du nun heterosexuell, asexuell, homosexuell oder als androgyn-queere Femme mit Doc Martens, Lippenstift und einem Faible für Beyoncé unterwegs bist: Deine sexuelle Orientierung ist perfekt, genau wie sie ist. Menschen nehmen oft an, dass andere Menschen automatisch heterosexuell sind, sofern sie sich nicht ausdrücklich ›outen‹. Diese Voreingenommenheit sowie die Diskriminierung anderer sexueller Orientierungen beruhen auf der Vorstellung, dass sexuelle Anziehung zum ›gegensätzlichen Geschlecht‹ die Norm ist, und werden Heterosexismus genannt. Ob wir unsere sexuelle Orientierung von den Dächern rufen oder sie für uns behalten, ist eine persönliche Entscheidung. Wie und wann wir entscheiden, anderen von unserer sexuellen Orientierung zu erzählen, liegt an uns – nur an uns. Es ist nie okay, eine andere Person zu ›outen‹, es kann tatsächlich gefährlich für sie sein.
Sexuelle Orientierung kann ein heikles Thema sein und sollte entsprechend vorsichtig behandelt werden. Anstatt eine Person über ihre sexuelle Orientierung zu befragen, ist es am besten, die Person selbst das Thema aufbringen zu lassen, wann immer es sich für sie gut anfühlt. Dabei ist es nie angemessen, die sexuelle Identität, die eine Person mitgeteilt hat, infrage zu stellen. Vielleicht ist die Person zwar in einer heterosexuellen Beziehung, identifiziert sich aber als queer; oder sie hatte Dates, sieht sich aber als asexuell; oder sie hatte früher heterosexuelle Begegnungen, ist aber homosexuell; usw. Wenn Menschen miteinander über ihre sexuelle Identität sprechen, ist das eine Gelegenheit, zuzuhören und etwas Intimes von einer anderen Person zu erfahren. Doch am Ende des Tages ist die sexuelle Orientierung nur ein kleiner Bestandteil dessen, was uns als einzigartige Individuen ausmacht. Sie muss nicht unbedingt andere Aspekte unserer Persönlichkeit bestimmen.


1.4Sex haben
Was ist Sex? Die Antwort auf diese Frage ist längst nicht so offensichtlich, wie es scheint. Sex ist jede konsensuelle – das heißt einvernehmliche, allseits gewollte – Handlung, den eine Person alleine oder mit anderen Menschen zusammen zur körperlichen und/oder emotionalen Lust und/oder Erregung durchführt. Richtig, jede konsensuelle Handlung. Sex ist nicht bloß Penis-in-Vagina-Penetration. Tatsächlich ist Sex überhaupt nicht auf Penetration beschränkt. Oralsex ist Sex und Sex allein oder gemeinsame Masturbation sind auch Sex. Einander anfassen, es in Klamotten treiben – alles Sex.
Im Gespräch, und gewiss in jeder romantischen Komödie, wird immer wieder angenommen, das Wort »Sex« bezeichne das Eindringen eines Penis in eine Vagina. Dieses Modell von Sex ist cis- und heteronormativ, weil es die Lust von heterosexuellen cis Männern ins Zentrum stellt. Cis- und heteronormativer Sex wird üblicherweise als ein Sprint zur Ziellinie verstanden; die Ziellinie ist die Penetration und der Orgasmus des Mannes. Trotz seiner kulturellen Dominanz schränkt Penis-in-Vagina-Sex das Vergnügen und die Lust aller Beteiligten erheblich ein. Laut der Forschung von Elisabeth Lloyd für ihr Buch »The Case of the Female Orgasm: Bias in the Science of Evolution« (dt. etwa: Der Fall des weiblichen Orgasmus: Voreingenommenheit in der Evolutionswissenschaft) kommen nur 25 Prozent der Frauen konsequent durch vaginalen Verkehr zum Orgasmus. Bezüglich Penetration als »durchschnittliche(m) sexuellen Akt« stellt sie fest:
»Die Dauer eines durchschnittlichen sexuellen Akts ist 7,3 Minuten, doch ›erstaunliche‹ 43 Prozent solcher Akte sind nach 2 Minuten vorbei.«7
Glücklicherweise ist das bei Weitem nicht die einzige Möglichkeit, Sex zu haben. Zumal nicht alle einen Penis haben, ihren Penis benutzen möchten oder irgendwo in der Nähe eines Penis sein möchten.
Wie ist es dazu gekommen, dass sich die Mainstream-Sexkultur so stark auf die Lust von Männern fokussiert? Da wir in einem patriarchalen System leben – einem System, in dem Männer unverhältnismäßig viel Macht innehaben – verwundert es nicht, dass das auch beim Sex so ist. Dabei ist dieser Fokus auf die Penis-in-Vagina-Penetration auch für Männer nicht unbedingt von Vorteil. Tatsächlich nützt es Männern nichts, dass der ganze Leistungsdruck auf ihnen liegt, während Statistiken zu Penisgröße, Penetrationsdauer und dem Orgasmus von Frauen gegen sie sprechen. Sich aus den Beschränkungen der Penis-in-Vagina-Penetration zu lösen, eröffnet eine viel lustvollere Welt für alle.
Das Ziel von Sex ist immer, dass alle Beteiligten (eine Menge) Lust erfahren. Das muss nicht unbedingt ein Orgasmus sein. Egal welches Geschlecht die beteiligten Personen haben: die Lust einer Person sollte niemals über die Lust einer anderen gestellt werden. Sex ist nichts, was eine Person mit einer anderen Person macht, sondern eine Sammlung gemeinsamer Erfahrungen. Oralsex und andere Formen, die häufig als ›Vorspiel‹ gelten, sind keine Schritte auf dem Weg zur Penetration: sie sind selbst ganze Akte. Penetration und/oder Stoßbewegungen sind kein notwendiger Teil von Sex. Es ist ein lustvolles und lehrreiches Spiel, Penetration mal von der Speisekarte zu streichen und andere Möglichkeiten zu erkunden, einander Lust zu bereiten. Die Sexforscherin Shere Hite hat in ihrer bahnbrechenden Studie von 1976, dem »Hite Report«, Hunderte von cis Männern und Frauen zu ihrer Lust befragt und berichtet darüber, wie eine gleichberechtigte Penetrationserfahrung zwischen einem Mann und einer Frau aussehen würde:
»Stoßbewegungen würden nicht, wie derzeit, als nötig erachtet (…) Es könnte mehr wechselseitiges Miteinander-Liegen und Genießen geben, Penis in Vagina, Vagina umschließt Penis, wobei der weibliche Orgasmus einen großen Teil der Stimulierung bietet, die für den männlichen Orgasmus nötig ist.«8

Der Gebrauch von Händen, Armen, Mündern, Vibratoren, Strap-Ons und anderen Objekten kann eine viel andauerndere sexuelle Lust ermöglichen, ohne dass ein einziges Körperteil ins Zentrum der Erfahrung gerückt wird. Spielzeug einzubeziehen und unsere Körper (mit Strap-Ons usw.) zu erweitern – was auch immer sich gut anfühlt –, kann eine willkommene Ergänzung einer sexuellen Erfahrung sein und sagt nichts über die sexuelle Leistungsfähigkeit einer Person aus. Wenn eine Person beim Sex einen Vibrator benutzen möchte, bedeutet das nicht, dass ihre Partner*in/nen auf irgendeine Weise nicht ausreichen. Und nur weil eine Person ein bestimmtes Körperteil hat, bedeutet das nicht, dass sie es benutzen muss. Viele Menschen ziehen es vor, nicht in eine andere Person einzudringen, möchten nicht penetriert werden oder wollen an bestimmten Körperstellen nicht berührt werden o.ä.
Sex endet, wenn alle Beteiligten auf Grundlage ihrer eigenen, immer veränderlichen, Definition von Befriedigung und sexuellem Vergnügen erfüllt sind. Es gibt beim Sex keine Listen, die es abzuhaken gilt. Sex beginnt nicht an einem bestimmten Punkt und führt von dort linear zu einem anderen (wie langweilig wäre das denn?), um im Orgasmus zu enden. Während der Orgasmus ein toller Teil von Sex sein kann, ist er kein Höhepunkt, sondern die ganze Erfahrung ist köstlich. Ein Orgasmus kann Zeit erfordern, wiederholte Versuche, Experimentieren und Geduld. Vielleicht kommt ein Orgasmus schon nach 5 Sekunden, was nicht schlimm ist. Druck auf eine Person auszuüben, einen Orgasmus zu haben oder nicht zu haben, ist sicher kein Erfolgsrezept. Auch wenn Orgasmen nicht Teil deiner sexuellen Erfahrung sind, kann Sex voller wilder Lust sein. Diese Verantwortung, Lust zu schenken und zu empfangen, teilen alle Beteiligten miteinander – es gibt im Sex keinen passiven Part. Auch wenn es eine Person anmacht, sich zu unterwerfen, ist das eine aktiv getroffene Entscheidung.
Dieses einbeziehende queere Modell von Sex zeigt uns eine viel spannendere Ausgangslage von Sex als Ganzem. Sex beginnt bei Null, ohne Vorannahmen über irgendwelche Handlungen, die stattfinden werden. Jede Person bereist den einzigartigen Körper einer anderen auf der Grundlage von Fragen über deren persönliche Begehren und Wünsche und teilt zugleich die eigenen mit ihr. Es werden keine körperlichen oder emotionalen Vermutungen getroffen und nichts passiert, ohne dass die beteiligten Personen es wollen. Passiv zu sein oder etwas einfach geschehen – oder gar über sich ergehen – zu lassen, ist keine Option, weil es sich nicht gut anfühlt (außer in einer vereinbarten BDSM-Situation; BDSM ist die englische Abkürzung für »Bondage, Discipline, Dominance and Submission, Sadism and Masochism«, dt.: Fesseln, Disziplin, Dominanz und Unterwerfung, Sadismus und Masochismus).
Begehren ist eine aktive Erkundung; wechselseitige Lust wird Stück für Stück durch Austausch und gegenseitiges Fragen erreicht. Die Erfahrung endet, wenn die Lust und Befriedigung aller Beteiligten so erfüllt sind, wie sie es mögen und/oder eine Person keine Lust mehr empfindet und die Situation beenden möchte.


1.5Zusammenfassung
Um die Konzepte von Geschlecht und sexueller Orientierung einfach zusammenfassen: Sie sind bei Weitem nicht leicht zu verstehen. Im Verlauf der Geschichte haben wir Menschen immer wieder in Schubladen gesteckt, wobei sich zeigte, dass das nicht funktioniert. Keine zwei oder gar mehr Personen, egal wie ähnlich sie sich sein mögen, erleben eine Identität auf exakt gleiche Weise. Die Schubladen ganz loszuwerden, ermöglicht es, dass andere uns so kennenlernen und uns dafür feiern, wer wir sind; und nicht dafür, wer wir nach einschränkenden Vorgaben sein sollen. Dean Spade schreibt dazu in seinem Essay »More Gender, More of the Time« (dt. etwa: Öfter mehr Geschlechter) von 2002:
»Ich sehe mich nicht in einer der imaginären zwei Kategorien ›Mann/Frau‹ und ich begegne Menschen, mit denen ich Sex haben will, nicht mit diesen Kategorien im Kopf. Ich gebe mich einer Vorstellung von Geschlecht hin, in der es um immer veränderliche Schichten vergeschlechtlichter Eigenschaften und Wahrnehmungen geht, überhaupt nicht um zwei Pole, ein Kontinuum oder irgendwelche Schubladen. Versteht mich bitte nicht so, als würde ich fordern, es gäbe keine Bezeichnungen mehr. Ich liebe spezifische, genaue, anregende, erfinderische Verwendungen von Sprache, um Erfahrungen von Körpern und Sex stets neu zu beschreiben und neu zu bestimmen, anstelle von vereinfachten Begriffen, die Gespräche darüber beenden, wie heiß wir wirklich sind.«9
Es geht nicht darum, irgendetwas neu zu erfinden, sondern darum, unsere Sprache angemessener zu gebrauchen. Das heißt nicht, dass die Vorstellungen von ›Mann‹ und ›Frau‹ nicht existieren können, sondern dass jene, die sich von diesen Begriffen nicht vertreten fühlen, dieselbe Freiheit haben, sich mit ihren eigenen Worten zu definieren. Im Wesentlichen ist es eine Art: »Du machst deins und ich mache meins.« Denn das Geschlecht einer anderen Person hat mit niemandem etwas zu tun außer mit ihr. Auch Menschen, die sich selbst in den zwei Geschlechtern wiederfinden, können Menschen, die über die Zweigeschlechtlichkeit hinausweisen, unterstützen. Bei der Aktualisierung von Theorien und Einstellungen zu Geschlecht geht es nicht darum, irgendwem die Identität wegzunehmen, sondern darum, allen die Freiheit zu geben, ihr eigenes buntes Selbstporträt zu malen.


1.6Körper und Privilegien
Denke mal über deinen Tag nach und darüber, wie sich dein Körper von einem Ort zum anderen bewegt hat. Denke an deine Interaktionen mit Menschen. Hat jemand kommentiert, wie du aussiehst? Dir gesagt, du solltest lächeln? Oder dich nach deinem Ausweis gefragt? Hat jemand angenommen, du hättest eine bestimmte Herkunft? Hat dir jemand das falsche Geschlecht zugeschrieben, falsche Pronomen verwendet? War es vielleicht aufgrund schlecht ausgebauter Infrastruktur unmöglich für dich, dahin zu kommen, wohin du musstest? Hast du dich in irgendeinem Moment nicht sicher gefühlt? Hattest du Schwierigkeiten, etwas Grundlegendes wie Wohnraum, Essen oder medizinische Versorgung zu bezahlen?
Wenn deine Antwort auf all diese Fragen Nein lautet, bewegst du dich wahrscheinlich recht leicht durch die Welt und erlebst nur wenige gesellschaftliche Einschränkungen. Wenn du nie anhalten und darüber nachdenken musstest, wie du und dein Körper sich durch die Welt, durch die Gesellschaft, bewegen, bist du wohl eine Person mit vielen Privilegien. Das Konzept des Privilegs wird nicht als persönlicher Angriff gegen irgendwen benutzt, sondern ist eine Möglichkeit, um Ungerechtigkeit zu verstehen.
Privilegien können als die Kehrseite von Unterdrückung verstanden werden. Oft ist es einfacher für Menschen, Unterdrückung zu erkennen als Privilegien. Unterdrückung kann als Kreislauf verstanden werden: Der Prozess beginnt mit verletzenden Vorstellungen (nämlich Stereotypen, Diskriminierung und Vorurteilen), die eine Gesellschaft von bestimmten Aspekten einer Person oder von bestimmten Identitäten von Menschen hat. Diese Vorstellungen schlagen sich dann in gesellschaftlichen Systemen nieder (nämlich in Institutionen), die sie ›rechtfertigen‹, reproduzieren und verfestigen. Diese Normalisierung führt nicht nur zur Akzeptanz jener verletzenden Vorstellungen, sondern befördert zugleich deren Aufrechterhaltung innerhalb der Gesellschaft. Dabei erfahren Menschen und ganze Bevölkerungsgruppen die Folgen von Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung auf eine Weise, die ihre Freiheit einschränkt. Umgekehrt werden Menschen aufgrund von Privilegien, die auf gesellschaftlich hergestellten Gruppierungen und/oder Identitäten basieren, mit bestimmten Rechten und Vorteilen ausgestattet. Das Konzept des Privilegs hat der nordamerikanische Soziologe und Historiker W.E.B. Du Bois bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erörtert. Ebenso wie Unterdrückung hängen die Privilegien einer Person davon ab, wie die Gesellschaft sie entlang von Rassifizierung, ethnisierter Herkunft, Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Religion, Befähigung und BeHinderung, Alter, Sprache oder Akzent, Klassenzugehörigkeit usw. eingruppiert. Diese Unterdrückungssysteme gewähren bestimmten gesellschaftlichen Positionen oder Identitäten bestimmte Freiheiten und Vorteile – Privilegien. In Abhängigkeit von ihren Identitäten erfährt jede Person ihre eigene Reihe von Privilegien – andere Privilegien fehlen ihr. Dabei geht es nicht um die Individuen selbst, sondern darum, wie sich Ungleichheitssysteme auf verschiedene Menschen und deren Identitäten unterschiedlich auswirken.
Nehmen wir etwa das Patriarchat. Es ist ein System, das so strukturiert ist, dass Männer im Vergleich zu Frauen und geschlechtlich nicht-konformen Menschen unverhältnismäßig viel Macht innehaben. Patriarchale Unterdrückung ist recht einfach zu erkennen: Ein patriarchales System gewährt allen, die kein Mann sind, vergleichsweise wenige gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Freiheiten. Im Gegensatz dazu genießen Menschen, die als Männer identifiziert werden, im patriarchalen System mehr Privilegien. [Diese Form der Privilegierung bzw. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bezeichnet man auch als Sexismus.]
Sogar, wenn ein Mann nicht zur Unterdrückung von Frauen beitragen will, tut er das dennoch, indem er sich in einem System bewegt, das einem Mann mehr Privilegien schenkt – er also auch ohne sein aktives Zutun von den Vorteilen des Patriarchats profitiert. Da es die eine Seite der Münze nicht ohne die andere gibt, besteht die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass wir Unterdrückungssysteme nicht verstärken darin, Privilegien anzuerkennen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen.
Das Patriarchat ist ein bekanntes – aber bei Weitem nicht das einzige – Unterdrückungssystem. Jede Gesellschaft umfasst ein komplexes Netz aus unterdrückenden Strukturen, die einander überlappen, überschneiden und miteinander verschränkt sind. Sie gewähren verschiedenen Positionen und Identitäten mehr oder weniger Privilegien. [Weitere Strukturen, die mit dem Patriarchat zusammenwirken, sind etwa der Kapitalismus, der Kolonialismus oder der Nationalismus.]

Lasst uns nun das vorherige Beispiel des Patriarchats genauer ansehen. Was geschieht, wenn wir die Kategorie ›Mann‹ genauer betrachten? Wie wirken sich Unterdrückungssysteme auf einen weißen Mann gegenüber einem nicht-weißen Mann aus? Oder auf einen trans Mann gegenüber einem cis Mann? Wir erkennen, dass weiße, heterosexuelle cis Männer die meisten Privilegien erhalten, weil sie am wenigsten Unterdrückung erfahren. Das bedeutet nicht, dass weiße heterosexuelle cis Männer nicht mit Herausforderungen konfrontiert sind; natürlich ist es möglich, diese Position oder Identität hinsichtlich BeHinderung, Klasse und Vorstellungen von ›richtiger‹ Männlichkeit usw. auseinanderzunehmen. Aber im Allgemeinen werden weiße, heterosexuelle cis Männer in fast jeder Situation, in der sie sich wiederfinden, als ›normal‹ erachtet. Wenn zum Beispiel jemand eine Person beschreibt, wird üblicherweise deren Rassifizierung, sexuelle Orientierung und Geschlechtsausdruck nicht erwähnt, sondern vorausgesetzt, wenn es sich um eine weiße, heterosexuelle cis Person handelt. Eine Person hingegen, die nicht in diese Identitätskategorien passt, wird üblicherweise zuerst anhand dieser Faktoren und den damit verbundenen Stereotypen beschrieben. Das liegt zum Teil daran, dass weiße, heterosexuelle cis Männer in Medien und Popkultur als ›Standard-‹ und ›normale‹ Person breit vertreten sind; wobei sie oft mit Macht verknüpft werden. Weil sie für den ›Standard‹ – für ›normal‹ – gehalten werden, erfahren weiße, heterosexuelle cis Männer viel weniger Diskriminierung oder Hinterfragung als andere Menschen. Alle außerhalb dieser begrenzten Identität werden als ›anders‹ von der Norm – als ›Andere‹ – betrachtet. Das Ergebnis dieses »Othering« – des ›zu Anderen gemacht werden‹ – all jener, die keine weißen, heterosexuellen cis Männer sind, zeigt sich in Statistiken zur Erwerbsarbeitsrate, zu Durchschnittseinkommen, Inhaftierung,10 allgemeinem Sicherheitsgefühl usw. Und wir kratzen hier nur an der Oberfläche des Problems.
Lasst uns die Grundlagen des letzten Beispiels anschauen: Eine weiße cis Frau hat aufgrund von Unterdrückungssystemen durch ihr Geschlecht deutlich weniger Privilegien als ein weißer cis Mann. Von hier aus können wir auch erkennen, dass durch rassistische Unterdrückungssysteme weiße cis Frauen noch immer mehr Privilegien genießen und weniger Diskriminierung erfahren als nicht-weiße Frauen. Die nordamerikanische Feministin und Rassismuskritikerin Peggy McIntosh hat den Begriff der »weißen Privilegien« geprägt, um die spezifische Reihe an Bevorteilungen von Menschen zu bestimmen, die weiß positioniert sind. Reni Eddo-Lodge erklärt das Konzept in ihrem tollen Buch »Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche«:
»Wenn ich über White Privilege spreche, meine ich nicht, dass Weiße es einfach haben, dass sie nie kämpfen mussten oder dass sie nie in Armut leben. White Privilege ist die Tatsache, dass deine Hautfarbe, wenn du weiß bist, den Verlauf deines Lebens mit großer Sicherheit positiv beeinflussen wird.«11
Eddo-Lodge zeigt auf, wie wichtig es ist, die Verschränkung von Unterdrückungssystemen zu verstehen, in diesem Fall Rassismus und Kapitalismus. Die Rassifizierung – die Platzierung in der rassistischen Hierarchie – kann eine enorme Auswirkung auf die Klassenzugehörigkeit einer Person und/oder die ihr zugeschriebene Klassenzugehörigkeit haben.
Je mehr wir uns mit sozialen Konstruktionen beschäftigen, desto deutlicher erkennen wir, wie Unterdrückungssysteme auf mehreren Ebenen miteinander verschränkt sind. Entsprechend der verschiedenen zugeschriebenen oder tatsächlichen Identitäten einer Person, bestimmen die wirkenden Unterdrückungssysteme zugleich die Privilegien und Benachteiligungen anderer Menschen. Cis Frauen haben deutlich mehr Privilegien als trans Frauen.12 Trans Frauen of Color erfahren mehr – und häufiger tödliche – Gewalt und Diskriminierung als weiße trans Frauen.13 Dies hat einen erheblichen Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihre Lebenserwartung.14 Heterosexuelle Paare haben heterosexuelle Privilegien, weil sie weniger Diskriminierung erfahren und viel breiter repräsentiert sind als homosexuelle Paare. In vielen Ländern haben heterosexuelle Paare beispielsweise mehr Rechte bezüglich der Ehe und der Adoption von Kindern. In vielen Orten weltweit ist Homosexualität noch immer verboten. Verheiratete heterosexuelle Frauen haben mehr Privilegien als unverheiratete heterosexuelle Frauen, weil das Patriarchat Frauen aufwertet, die als ›ausgewählt‹ erachtet werden, und sie dafür belohnt, (zu) einem Mann (zu) gehören.
Einen Rollstuhl zu nutzen, blind oder gehörlos zu sein oder irgendeine andere Beeinträchtigung zu haben, macht es enorm schwierig, sich in der Welt zu bewegen, weil der Raum entlang der Bedürfnisse von Menschen ohne körperliche Einschränkungen gestaltet und gebaut ist. Im Englischen wird mit der Wendung »skinny privilege« noch auf die Vorteile schlanker Menschen hingewiesen; etwa steht ihnen mehr Mode zur Verfügung und sie werden als gesünder und attraktiver erachtet. Schönheitsprivilegien umfassen auf ähnliche Weise die Vorteile von Menschen, die anhand der sehr begrenzten patriarchalen Schönheitsideale als attraktiv gesehen werden. Und diese Liste kann immer weiter fortgeführt werden!
Wenn wir uns einmal bewusst sind, wie viele Privilegien es gibt, ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass sich nicht alle Privilegien gleichermaßen stark auswirken. Die Kategorien entlang von Rassismus und Kolonialismus, Kapitalismus und Migration, Armut und Geschlechtsidentität (hier besonders Menschen jenseits der Zweigeschlechternorm), sexuelle Orientierung und BeHinderung haben eine größere Auswirkung auf die Lebensqualität einer Person als beispielsweise die Privilegien der Ehe.
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