Kitabı oku: «Das Haus der Masken», sayfa 2
MASTER ASH
Der Fahrer brachte sie schweigend aus der Gegend, wo die Schlote der Fabriken in den Himmel stachen, und bald konnte Kara Bäume schwarz im Mondlicht aufragen sehen. Es war eine Allee, links und rechts von weißen Villen gesäumt. Nach einigem Nachdenken vermutete sie, dass sie sich in Mashham befanden. Die Mash führte als träger Fluss durch dieses Viertel und mündete irgendwann in die Giffey, die wiederum zum Osthafen führte, wo man Miras Leiche gefunden hatte. Kara blieb merkwürdig ruhig bei dem Gedanken, dass ihr eigener, nackter Körper am nächsten Tag diesen Weg nehmen würde.
Wie von Geisterhand öffnete sich vor ihnen ein schmiedeeisernes Tor und der Wagen rollte über einen Kiesweg vor ein beeindruckendes Portal. Als der Fahrer den Wagen abstellte, wurde ihr erst bewusst, dass die Maschine eine ununterbrochene Folge von Puffen von sich gegeben hatte, während sie gefahren waren. Nun wirkte die Stille fast unheimlich.
Von den Gesprächen der Dienstmädchen auf dem Markt wusste Kara, dass Herrschaften von einer Untergebenen stillen Gehorsam erwarteten. Daher hatte sie beschlossen, auf Anweisungen zu warten. Eine Anweisung, wie das Öffnen der Autotür durch den Fahrer. Als er es tat, schob sie sich aus dem Wagen und warf einen bewundernden Blick auf das Haus.
Im Mondlicht leuchtete der Verputz weiß – oder war es tatsächlich Marmor, was sie hier sah? Die Säulen und der dreieckige Giebel des Portals ließen an einen antiken Tempel denken. Während sie noch staunte, schloss ihr Begleiter die Wagentür und ging ihr voran.
„Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Miss.“
Langsam stieg sie die Stufen hinauf, die Einzigartigkeit des Augenblickes genießend. Noch nie hatte sie ein Haus durch das Portal betreten.
Der Mann war noch dabei, die Tür mit einem Schlüssel zu öffnen. Offenbar gab es nicht viel Personal in diesem Haus. Die weißen Handschuhe und der Schlüssel ließen vermuten, dass er nicht nur Fahrer, sondern auch Butler war.
„Sie haben mich noch gar nicht nach meinem Namen gefragt“, sagte sie.
„Ihr Name ist nicht von Bedeutung“, erklärte er. „Wenn Master Ash Sie anzusprechen wünscht, wird er Ihnen einen Namen geben.“
Master Ash. Kara fragte sich, was sie hinter dieser Tür erwartete.
Es war eine dunkel getäfelte Halle. An den Wänden leuchteten Gaslampen und erfüllten den Raum mit warmem Licht. Ein geknüpfter Teppich deckte die Bodenfläche so perfekt ab, dass er vermutlich speziell für diesen Raum gefertigt worden war.
Auf einem Tisch sah Kara eine Skulptur, die zwei nackte, miteinander ringende Männer darstellte. Es waren wohlgestaltete Körper, prächtig die Darstellung der im Kampf angespannten Muskeln. Doch die Schönheit wurde dadurch gestört, dass der eine Kämpfer den Kopf eines Stieres besaß. Verwundert fragte sie sich, welche seltsame Geschichte hier erzählt wurde.
Weiter hinten führte eine breite Treppe in ein weiteres Stockwerk hinauf, doch ihr Begleiter steuerte eine Tür an, die links von der Halle abzweigte. „Erschrecken Sie nicht“, erklärte er, als er die Hand auf die Türklinke legte. „Er besitzt ein etwas ungewöhnliches Äußeres.“
Diese rätselhafte Bemerkung ließ alle möglichen Vorstellungen in Kara entstehen. War er verkrüppelt? Entstellt? Von fremdländischer Herkunft? Als der Diener die Tür öffnete, sah sie einen Mann in einem Sessel sitzen, der ihr den Rücken zuwandte. Über die kurze Rückenlehne ragten breite Schultern und schwarzes, glänzendes Haar, das glatt zurückgekämmt war.
„Hast du heute jemanden gefunden?“, fragte der Mann. Seine Stimme klang kraftvoll – und ein wenig traurig.
„Das habe ich, Master Ash.“
Der Mann stellte ein breites Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit ab und Kara sah, dass er einen Handschuh trug – ein ungewöhnliches Stück, über das sich metallene Verzierungen zogen.
„Wird sie mir gefallen?“, fragte er.
„Das nehme ich an, Master Ash.“
„Das wird umgekehrt sicher nicht der Fall sein.“
Der Mann erhob sich und wandte sich zu ihr um. Karas Augen weiteten sich vor Erstaunen.
Seine linke Gesichtshälfte war teilweise durch eine Maske verdeckt. Diese bestand aus Metall, glänzte silbern und golden und war zweiteilig gefertigt. Der untere Teil umhüllte den Unterkiefer und endete etwa drei Fingerbreit vor dem Kinn. Kara meinte, unter dem Metall das Ende einer Narbe hervorschauen zu sehen. Der obere Teil war mit dem unteren durch Zahnräder verbunden, die offenbar die Funktion des Kiefergelenkes übernehmen mussten. Das Metall zog sich modellierend über Wange und Jochbein und verdeckte sogar das Auge. Dort war in einem kreisrunden Rahmen ein dunkles Glas eingesetzt worden, doch Kara vermutete, dass darunter kein gesundes Auge verborgen lag. An verschiedenen Stellen erkannte sie Schrauben und fragte sich, woran diese wohl Halt fanden.
Erschrocken war sie über den Anblick nicht. Es waren selten die schönsten Männer, die Geld für Liebesdienste bezahlten. Armut, Krankheit und Schmutz formten hässlichere Gesichter, als die glatte Oberfläche von Kupfer und Bronze, die in diesem Fall noch mit feinen Ziselierungen versehen war, als sollte die Hässlichkeit der Verstümmelung durch die Schönheit der Protese überwunden werden.
Das rechte Auge war eindeutig gesund. Sie war sich nicht über die Farbe klar, nur dass die Iris hell war. Er musterte sie mit ruhiger Gelassenheit, stand hinter dem Sessel mit dem seidenglänzenden Bezug und ihr wurde verlegen bewusst, wie abgerissen und schmutzig ihre Kleidung war.
Er ließ sich Zeit, und das weckte eine gewisse Nervosität in ihr. Wie jede Hure war sie ungeduldig, wollte ‚es‘ hinter sich bringen. Normalerweise hätte sie eine schnippische Bemerkung gemacht, um das Geschehen voranzutreiben, doch die vornehme Würde dieses Hauses ließ sie stumm bleiben.
Es hatte keine Eile, sagte sie sich. Es gab keinen anderen Kunden nach ihm, kein Soll, dass sie in dieser Nacht erfüllen musste. Sie konnte ebenso gut entspannen und die Dinge nehmen, wie sie kamen. Mit diesem Gedanken fiel die Unruhe zu einer kleinen Flamme der Aufregung zusammen, am Brennen gehalten durch die Ungewissheit über ihr Schicksal und den ungewöhnlichen Mann, der vor ihr stand.
Jetzt erst gönnte sie sich einen richtigen Blick auf ihn selbst. Weil sein Gesicht nur teilweise zu sehen war, fiel es ihr schwer, sein Alter zu schätzen. Sie vermutete, dass er um die Dreißig sein musste. Der unbedeckte Teil des Gesichtes war durchaus attraktiv, die Knochenstruktur verriet Energie und Stärke. Ohne den martialischen Eindruck des Metalls hätten seine Züge sicher etwas Edles gehabt. Die Haare waren schwarz und voll. Die förmliche Kleidung – Hemd, Weste, Jacke – verriet nicht viel von seinem Körper, zeigte aber breite Schultern und eine schlanke Hüfte. Die Hände sprachen von Kraft.
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem verhaltenen Lächeln, das so schnell verschwand, wie es gekommen war.
„Zuerst einmal wirst du baden“, sagte er. Kara hatte nichts dagegen. Es war lange her, dass sie ihren Körper ganz hatte untertauchen können. In der kleinen Kammer, die sie sich mit Agnes teilte, stand ihr nur eine Waschschüssel zur Verfügung und ein Krug, mit dem sie das Wasser von der Pumpe in der Küche holen musste.
„Ich werde dir dabei zusehen“, erklärte er weiter. „Macht dir das etwas aus?“
Sie drehte verneinend den Kopf. „Sie haben bezahlt, Sir. Sie bestimmen, wofür.“

Die Wanne war ein bronzenes Becken, halb in den Boden eingelassen und groß genug, dass sie beide Platz darin gefunden hätten, doch ihr Gastgeber ließ sich in einem knisternden Korbsessel nieder, der schräg gegenüber der Wanne stand. Sein Auge musterte sie erwartungsvoll.
Das Becken hatte die Form eines Schwanes, hinten zu einer Rückenlehne hochgezogen mit den angedeuteten Umrissen von Federn. Der Hals war ein Rohr, das zu einem Wasserspeicher führte, unter dem eine Gasflamme brannte.
Der Chauffeur war tatsächlich zugleich Butler. Er betätigte einen Schieber und dampfendes Wasser lief in die Wanne. Aus einer Karaffe fügte er ein hellblaues Öl hinzu, dessen blumiger Duft sich sofort im ganzen Raum verbreitete.
Eine wohlige Gänsehaut überlief Kara bei dem Gedanken, sich ganz in das warme Wasser zu schmiegen. Sie erinnerte sich nicht, wann ihr dieser Luxus das letzte Mal vergönnt gewesen war. Sie musste noch ein Kind gewesen sein.
Unsicher, ob sie trotz des Dieners schon beginnen sollte, setzte sie sich auf den Wannenrand und ließ ihre Fingerspitzen durch das warme Wasser gleiten. Niemand nahm daran Anstoß. Als die Wanne voll war, drehte der Diener das Wasser ab und verließ das Bad.
Unsicher zog Kara die Finger aus dem Wasser.
Vier Gaslampen erhellten den Raum und beleuchteten ihren Körper warm und vollständig. Er würde ihr zusehen, nicht nur, wie sie sich völlig entkleidete, sondern auch, wie sie sich säuberte: ihre Brüste, ihre Schenkel – und dazwischen. Kaum zu zählen, wie viele Regeln der Wahren Gläubigen sie hier auf einmal verletzten, doch er schien sich so gar keine Gedanken darüber zu machen. In seiner Haltung war nichts von Verlegenheit zu spüren – aber auch nichts von der schmutzigen Gier, die sie in den Augen der Männer so oft gesehen hatte. Neugier lag in seinem Gesicht, Spannung, vor allem aber Genuss. Mit einem Mal erfüllte sie trotzige Selbstachtung, die ihre Verlegenheit auflöste.
Er hatte sie bezahlt, und nichts von dem, was sie hier taten, ging die Wahren Gläubigen etwas an, oder sonst jemanden auf der Welt. Langsam strich sie mit den Fingern über ihren Oberkörper, spürte der wachsenden Erregung in ihren Brustspitzen nach und begann dann, Knopf für Knopf ihre Weste zu öffnen. Sie ließ das Kleidungsstück über die Arme zu Boden gleiten und kehrte mit den Fingern zu ihren Brüsten zurück. Langsam zog sie den Ausschnitt ihrer Bluse auf.
Ihr Gastgeber zeigte keinerlei Regung, nur das Glitzern seines Auges folgte unverwandt jeder ihrer Bewegungen.
Sie befreite die Bluse aus dem Rockbund, fasste den Blusensaum mit überkreuzten Armen und zog das Kleidungsstück über den Kopf. Damit enthüllte sie das Mieder, das bei der Festigkeit ihrer Brüste eigentlich nicht nötig gewesen wäre, aber der Schicklichkeit geschuldet war. Sie ließ die Bluse zu Boden gleiten und erhob sich.
Der Rock war an der Seite verschlossen. Sie öffnete die Häkchen und raschelnd glitt das Kleidungsstück über den Unterrock zu Boden. Ihre Finger kehrten zur Hüfte zurück, fanden die Schnüre, lösten sie und dann enthüllte der Unterrock langsam die rüschenbesetzten Hosenbeine, die nackten Knie, die schwarzen Strümpfe. Sie stieg aus dem Reif aus Stoff und bückte sich, um die geschnürten Schuhe auszuziehen. Dabei gewährte sie ihm einen tiefen Einblick in ihren Ausschnitt. Sein Blick glitt über ihr Dekolleté und hinterließ eine Gänsehaut.
Kara setzte einen Fuß auf den Wannenrand, rollte aufreizend langsam den Strumpf ab. Den nackten Fuß setzte sie auf die kalten Kacheln zurück. Als sie das andere Bein hob, wurde sein Blick von dem Spalt in ihrer Hose angezogen, doch er blieb dort nicht. Vielmehr kehrte er zurück zu ihren Händen, die Stück für Stück mehr nackte Haut entblößten.
Als sie die Strümpfe weggelegt hatte, zögerte sie und schaute unsicher zu ihm hinüber. Er rührte sich nicht, saß abwartend da, die Hände entspannt auf den Armlehnen ruhend. Nur sein wacher Blick und die Wölbung seiner Hose verrieten seine innere Beteiligung.
Bisher hatte sie sich noch keinem Freier völlig nackt präsentiert. Die meisten waren auf eine schnelle Befriedigung aus, und jede Perversität erhöhte den Preis.
Als würde ihr Zögern ihn belustigen, sah sie so etwas wie Spott über sein Gesicht blitzen. Scham? Bei einer Hure? Sie reckte die Schultern.
Auch das Mieder war durch Häkchen auf dem Bauch verschlossen und sie löste sie, Öse für Öse, bis sie das sperrige Kleidungsstück aufklappen konnte. Sie drückte den Rücken durch, um ihm ihre Brüste auf beste Weise zu präsentieren, und wurde mit einem anerkennenden Heben seiner Braue belohnt.
Dieser Blick erfüllte sie mit absurdem Stolz. Er lobte sie für das, was sie war, was sie tat. Es störte ihn nicht im Geringsten, dass es sittenlos und unanständig war. Im Gegenteil, er erfreute sich daran und schien zu wollen, dass auch sie es genoss.
Erstaunlicherweise tat sie das. Diese Zurschaustellung ihrer Nacktheit vor einem völlig bekleideten Mann erregte sie. Das verwunderte sie, denn nach den Erfahrungen der letzten Jahre hatte sie nicht erwartet, dieses Gefühl jemals bei einem wildfremden Mann zu empfinden.
Welche geheimnisvolle Macht besaß er über sie?
Ihm zugewandt hob sie die Arme und zog die Haarnadeln eine nach der anderen aus der Frisur, bis ihre roten Locken sich üppig auf ihre Schultern legten. Zum ersten Mal seit Jahren wurde ihr wieder bewusst, wie weich und seidig sich das anfühlte. Es war, als würde allein sein Blick sie daran erinnern, wie wunderbar die Vereinigung zweier Körper sein konnte.
Ihre Finger glitten zum Bund ihrer Unterhose. Sie löste die Verschnürung und schob den Stoff über Hüfte und Knie zu Boden.
Als sie sich aufrichtete, hatte sich eine senkrechte Falte auf seiner Stirn gebildet. Er sah auf die blaugrünen Verfärbungen, die von Vince’s Schlägen herrührten, dann wanderte sein Blick zu ihrem Gesicht hinauf. Eine Frage lag in seinem Auge, doch er sagte nichts und sie schwieg ebenfalls.
Sie stieg in die Wanne und glitt in das warme Wasser hinein, das ihren Körper sofort umfing und eine wohlige Wärme tief in sie hinein schickte. Für einen Moment schloss sie genießend die Augen und seufzte leise.
Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie nicht zu ihrem eigenen Vergnügen hier war. Sie schaute zu ihrem Wohltäter hinüber. Der fing ihren Blick auf und nickte zu einer Schale an der Seite hin, in der ein Seifenstück lag.
Natürlich. Sie nahm das nach Rosen duftende Stück und begann sich einzuseifen. Es tat ihr unendlich wohl, und es war, als ob sie nicht nur den Schmutz abwusch, sondern auch die Erinnerung an Vince, an die schmutzige Straßenecke am Trevelyan Square, an Lilly. Sie reckte nacheinander ihre schlanken Beine aus dem Wasser, um sie ebenfalls einzuseifen, reinigte Gesicht, Brüste, Bauch und Schritt und vergaß auch die Haare nicht. Schließlich tauchte sie ganz unter, um den Schaum abzuwaschen. Mit einem zufriedenen Seufzen lehnte sie sich zurück, die Arme links und rechts auf das Metall der Wanne gelegt, und schaute ihn an.
Er machte keine Anstalten, ihr weitere Anweisungen zu geben, begnügte sich damit, sie zufrieden zu betrachten, wie ein Sammler ein neues Stück betrachten würde, das er sich geleistet hatte. Doch wenn sie ihn richtig einschätzte, würde es dabei nicht bleiben.
Schon längst hatte sie begonnen, dieses Spiel von schauen und zeigen zu genießen. Sie wusste nicht, wie bald nach dem Bad er ihre Dienste beanspruchen würde, darum war es sicher nicht falsch, sich für ihn bereit zu machen.
Sie begann die Fahrt ihrer Finger am Halsansatz, ließ sie zwischen ihren Brüsten hindurch gleiten und zielstrebig weiter nach unten. Während sie sich selbst berührte, wölbte sie ihren Oberkörper auf, so dass ihre Brüste sich aus dem warmen Wasser erhoben. In der Kühle der Luft verhärteten sich die Knospen sofort und standen wie lockende Beeren auf ihrer weißen Haut. Einen Moment lang hoffte sie, dass er kommen und sie berühren würde, doch er blieb sitzen, die Hände locker auf den Armlehnen, reglos beobachtend. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und ließ mit ihrer Linken warmes Wasser über ihre Haut träufeln, berührte selbst die erregten Höfe während ihre Rechte das Wasser weiter unten in sanfter Bewegung hielt.
„Das reicht.“ Seine Stimme klang heiser. „Dort drüben liegt ein Handtuch.“
Es lag weit genug entfernt, dass sie sich ihm noch einmal nackt präsentieren musste, doch das erregte sie sicher nicht weniger als ihn. Sein Blick folgte ihr unverwandt. Statt sich in das weiche Tuch zu hüllen, verwendete sie es lediglich, um das Wasser von ihrer Haut zu tupfen.
„Reib dich mit dem Öl ein!“, sagte er. Sie schaute sich nach der blauen Karaffe um. Behutsam entfernte sie den Glasverschluss, dann neigte sie das Gefäß und ließ reichlich Öl über ihre Brüste rinnen. Die Tropfen kitzelten über ihre Haut, während sie die Karaffe verschloss und wegstellte.
Es war ein gutes Öl, das beim Verteilen leise, schmatzende Geräusche erzeugte. Sorgfältig verrieb sie es über Bauch und Brüste, strich auch die Arme ein und merkte, dass es sogar noch für die Beine reichte. Aufreizend ließ sie ihre Finger über die Haut gleiten, bückte sich, um die Füße zu erreichen, fuhr beim Aufrichten mit der Hand über ihren Schenkel und ihren Hintern. Sie genoss seinen Blick, der jedes Detail ihres Körpers musterte.
„Komm her“, sagte er nach einer Weile.
Jetzt stellte sie sich vor ihn, das rechte Bein zwischen seinen Oberschenkeln. Sie hatte reichlich von dem duftenden Öl genommen und seine Hände glitten weich über ihre Haut.
Ihr wurde klar, dass er gar keinen Handschuh trug.
Seine Rechte war unregelmäßig vernarbt und die metallenen Verstrebungen und Aufsätze lagen direkt auf der Haut, durchdrangen sie und hatten wohl die Aufgabe, die Bewegungen seiner Finger zu dirigieren und zu unterstützen. Eigentlich, dachte Kara, besaß der Anblick eine ganz eigene Schönheit.
Die linke Hand hingegen war unversehrt.
Er nahm ihre Brust und drückte die Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen. Ein Stöhnen entfuhr ihr, während sie sich ihm entgegen bog. Er ließ sie los, strich über ihren Bauch, dann glitten seine Finger zwischen ihre Beine, als wolle er prüfen, wie bereit sie war. Die schmierige Feuchtigkeit dort war kein Öl.
„Dreh dich um“, verlangte er. Sie gehorchte, und während hinter ihr der Stoff seiner Kleidung raschelte, beugte sie sich vor, stütze sich auf dem Rand der Wanne ab und präsentierte ihm die Öffnung, über die er die Verfügungsgewalt gekauft hatte. Seine Hände glitten über ihren Hintern, die eine warm und weich, die andere kratzend mit kühlem Metall, verteilten das Öl weiter über ihren Po und zwischen den Backen, die er ein wenig nach oben zog, bevor er unvermittelt in sie eindrang. Sie keuchte auf, als sie die Größe seines Gliedes spürte, fühlte erregt die Dehnung und seufzte, als er sich sanft in ihr bewegte. Seine Hände lagen um ihre Hüfte, sodass er ihre Bewegung lenkte. Sie fand sich rasch in den stummen Rhythmus ein, stöhnte immer wieder genussvoll auf. Sie hatte schon unzählige Männer in sich gespürt, große und kleine, doch etwas war ungewöhnlich an seinem Glied. Es fühlte sich uneben an, unregelmäßig, und das machte seine Stöße noch erregender.
Sie hätte sich noch lange weiter so von ihm verwöhnen lassen können, doch er kam viel zu früh. Ohne Rücksicht darauf, dass sie unerfüllt geblieben war, zog er sich aus ihr zurück. Wieder raschelten die Stoffe hinter ihr, als er die Hose schloss.
„Der Butler wird dir ein Kleid bringen“, sagte er trocken. „Zieh es an.“
„Nur das Kleid?“, fragte sie mit einem Blick auf ihre am Boden liegende Unterwäsche.
„Nur das Kleid.“
Damit ging er an ihr vorbei und verließ das Bad.

„Sie gehen wohl nie nach Hause, Mann!“
Blackwell schaute von den Ikonographien auf, die er über den leeren Seziertisch gebreitet hatte, und sah Hestridge in Hut und Mantel in der Tür stehen.
„Sie sind ja auch noch da“, gab er zurück.
„Aber ich geh jetzt heim zu Weib und Kind. Sie sollten sich auch eine Frau suchen, Simon. Das würde Sie ein bisschen ablenken von all dem hier.“ Hestridge machte eine diffuse Handbewegung, welche die gesamte Pathologie umfasste. Blackwell lächelte säuerlich. Wahrscheinlich hatte der DI sogar Recht.
Nichts zog Blackwell in die stille Wohnung, die er seit dem Tod seiner Mutter ganz allein bewohnte. Nach dem Schlaganfall hatte ihre Pflege seine freie Zeit vollständig beansprucht, doch seit sie fort war, gab es nicht mehr viel, was seine Abende füllte. Manchmal saß er einfach nur in einem Sessel, ein Glas Whiskey in der Hand, und starrte in die Dunkelheit.
„Grüßen Sie Ihre Frau“, sagte er und hoffte, dass Hestridge endlich ging, doch den Gefallen tat der DI ihm nicht.
„Ein paar der Jungs sind noch drüben im Pub“, sagte Hestridge stattdessen.
„Ich schau vielleicht später vorbei“, entgegnete Blackwell, obwohl er keinen Grund sah, sich an einem Gespräch über Belanglosigkeiten zu beteiligen, während um sie herum die Welt zum Teufel ging.
„Warten Sie nicht zu lange“, mahnte Hestridge, „die Meisten von denen haben auch ein Zuhause.“ Damit ließ er Blackwell endlich allein, und der wandte sich wieder den Bildern zu.
Es waren Ikonographien von Körperteilen. Massen davon. Dreizehn Frauenleichen hatten sie im Wald von Langford Greens gefunden, in allen Stadien der Verwesung. Die Ältesten waren bereits vollständig skelettiert. Selbst wenn man berücksichtigte, dass die Leichen ohne Särge und relativ oberflächlich vergraben worden waren, ließ das darauf schließen, dass der ‚Inquisitor‘ schon eine ganze Weile tätig war – seit mindestens sechs oder sieben Jahren. Das ergab einen Schnitt von zwei Morden pro Jahr.
Den Spitznamen ‚Inquisitor‘ hatte die Boulevardpresse dem Täter verpasst, als bekannt geworden war, dass er die Frauen offenbar nicht einfach ermordet, sondern zuvor perfiden Foltermethoden unterzogen hatte. Aufgrund der prä- und postmortal beigefügten Verstümmelungen war eine Identifizierung der Leichen kaum noch möglich. Einen ersten Namen hatten sie mehr durch Glück als durch das investigative Können der Kollegen erfahren: Tabby, ein Straßenmädchen aus dem über dreißig Meilen entfernten Gedford. Daraufhin hatten sie die Suche ausgeweitet und vier weitere Opfer identifiziert. Sie alle waren käufliche Mädchen aus entfernten Ortschaften gewesen. Der Täter war also nicht einfach Opfer seiner unkontrolliert aufflammenden Begierden. Er ging überlegt vor und verfügte über gewisse logistische Möglichkeiten.
Diese Beobachtung sprach dagegen, dass Mira zu seinen Opfern gehört hatte, denn Mira war aus Neventry. Falls das zutraf, hatten sie es also mit zwei verschiedenen Tätern zu tun – es sei denn, der „Inquisitor“ hätte seine Strategie geändert.
Blackwell starrte auf die Bilder, als läge dort irgendwo die Antwort verborgen, und wusste doch, dass er sie heute Abend nicht mehr finden würde. Heute nicht. Vielleicht niemals. Der Fund des Leichenfeldes, der Aufschrei in der Presse, all das hatte das Ungeheuer gewarnt. Es war gerissen. Sie hatten sieben Jahre lang nicht die kleinste Ahnung von seiner Existenz gehabt. Nun würde es sich noch tiefer in seine Höhle verkriechen und sich noch besser verbergen.

Frisch gewaschen leuchtete Karas rote Mähne und ringelte sich zu anmutigen Locken. Kara zupfte sie vor dem Spiegel in Form. Als der Butler kam, empfing sie ihn in das weite Handtuch gehüllt. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er ihr auf einem Bügel das Kleid herein reichte, doch seine Stimme klang ein wenig freundlicher als zuvor.
„Kommen Sie einfach heraus, wenn Sie fertig sind“, sagte er. „Ich führe Sie dann zum Dinner.“
Es war ein schwarzes Kleid, das Oberteil figurbetont, der Rock weit und füllig. Als sie es übergezogen hatte, schmiegte es sich weich und nachgiebig an ihre Haut. Über die gesamte Länge des Oberkörpers ließ es sich vorne durch Schnüre anpassen, die über kleine, schwarze Häkchen liefen. Kara verengte es, bis es ihre Taille fest umschloss. Trotzdem blieb ein offener Spalt zurück, und man hätte darunter einen beigefarbenen Einsatz vermuten können. Tatsächlich aber war es ihre nackte Haut, die zwischen den Schnüren hervorschimmerte bis hinunter zum Bauchnabel. Diese Mischung aus Eleganz und Frivolität war erstaunlich und erregend.
Der Rock reichte bis zum Boden, verdeckte so ihre Beine und ihre nackten Füße. Wenn sie sich bewegte, kitzelte der Stoff ungewohnt über ihren nackten Hintern. Nur das Kleid, hatte er gesagt.
Ob er Kleider in allen Größen vorrätig hielt? Ob in diesem schon eine andere Frau einen wunderbaren Abend verbracht hatte, bevor er sie ermordet hatte?
Vor dem Spiegel hatte sie einige Schminkutensilien entdeckt. Sie verwendete sie sparsam aber wirkungsvoll. Die Qualität der Farben verriet ihr, dass es nicht das Eigentum der verschwundenen Dirnen war, das hier stand.
Als sie schließlich aus dem Bad trat, fühlte sie sich wie eine Königin. Eine verruchte Königin, weiblich und verführerisch und erregt bei dem Gedanken, zu ihrem schwarzen Ritter zu gehen. Der anerkennende Blick des Butlers gab ihr eine weitere Bestätigung, doch bevor der Diener zu der versteinerten Miene seines Berufsstandes zurück fand, meinte sie, so etwas wie Bedauern darin aufblitzen zu sehen. Vermutlich hielt er es für Verschwendung, dass sie am Ende dieser Nacht sterben würde.
Merkwürdigerweise empfand sie selbst es ganz anders. Bisher hatte dieser Abend alles übertroffen, was sie sich erträumt hatte. Einer solchen Perfektion konnte nur der Tod gerecht werden. Nach diesem Haus, diesem Kleid, diesem Mann würde sie niemals zurückkehren können an die Straßenecke.
Ihr kam der Gedanke, dass Mira möglicherweise gar nicht ermordet worden war. Vielleicht hatte sie sich selbst umgebracht, nachdem er sie fortgeschickt hatte. Doch dann erinnerte sie sich, dass Mira nackt gewesen war, und sich ohne Kleider ins Wasser zu stürzen, das traute Kara nicht einmal einer Hure zu. Im Esszimmer wartete der Mann, den Kara mangels anderer Möglichkeiten für sich nun ebenfalls Master Ash nannte. Ein Glas Whiskey in der Rechten, die andere in der Hosentasche, stand er am Fenster und schaute in die Nacht hinaus. Auch er hatte sich umgezogen, zeigte sich nun leger im Hemd, was ihm ausgesprochen gut stand. Die Ärmel hatte er ein wenig aufgerollt und an seinem linken Unterarm erkannte Kara Narben, wie Feuer sie hinterließen.
Er musterte sie mit einem Ausdruck zufriedenen Wohlwollens, als wäre sie eine Delikatesse, die er im Laufe des Abends zu genießen gedachte. Es störte sie nicht. Im Gegenteil. Seine Anerkennung gab ihr ein Gefühl von Würde.
Dann trat er an den Tisch und rückte einen Stuhl für sie zurecht. Es war ungewohnt, wie er den Stuhl unter sie schob. Machten vornehme Leute das so?
Während er sich ihr schräg gegenüber setzte, betrachtete sie das dünnwandige Porzellan, das vor ihr stand, und das Besteck, das zweifellos aus Silber war, nicht aus gestanztem Blech. Es war eine kaum zu übersehende Menge an Besteck. Nicht zu glauben, dass sie jedes Teil davon während des Essens tatsächlich benötigen würden.
Der Butler servierte die Suppe und Kara schaute verstohlen, nach welchem der Löffel Master Ash griff, bevor sie es ihm gleich tat. Wie schwer der Löffel war!
Die Suppe schmeckte wunderbar. Das Aroma von Fleisch und Kräutern füllte ihren Mund und die Wärme der Suppe verbreitete sich wohlig in ihrem ganzen Körper. Sie bedauerte, dass nur wenige Löffel später dieser Genuss bereits endete und der Diener die Teller abräumte. Aber es folgten weitere Gänge, und Kara erkannte bald, dass nicht die Größe sondern die Vielfalt der Gerichte sie zur Sättigung führen würde.
Keiner von ihnen sprach während des Essens; nur der Butler nannte vor jedem Gang den Namen der aufgetischten Köstlichkeiten. Es war keine peinliche, keine gezwungene Stille. Kara hatte nicht das Bedürfnis zu reden. Worte hätten die angenehm ruhige Stimmung nur gestört, hätten abgelenkt vom Genuss, den jeder neue Bissen mit sich brachte. Karas Gastgeber schien ebenfalls mit der Stille zufrieden, genoss neben dem Essen ganz offensichtlich auch ihren Anblick und die Freude, die sich bei jedem Gang auf ihrem Gesicht zeigte.
Erst, als sie mit dem letzen auf dem Tisch liegenden Dessert-Löffel ein mit flüssiger Schokolade gefülltes Törtchen verzehrt hatten, brach Master Ash das Schweigen.
„Wo hast du gelernt, zu speisen?“
Sie schaute ihn unsicher an. „Hier“, antwortete sie. Jedes Mal hatte sie beobachtet, nach welchem Besteck ihr Gastgeber griff, wie er es hielt und verwendete. Sie hatte ihn imitiert so gut sie es konnte. Er musterte sie und sie sah nun, dass seine Iris grau war, von dunklen Linien durchzogen.
„Du bist anders als die anderen Mädchen“, stellte er fest.
Sie lachte leise. „Unsinn, das bin ich nicht.“
Eine unwillige Falte zeigte sich auf seiner Stirn. „Ich schätze es nicht, wenn man mir widerspricht.“
Sie lächelte verhalten. „Dann werde ich es nicht mehr tun.“
Er stützte die Arme auf und wieder ruhte sein Auge auf ihr, anders diesmal, neugierig und herausfordernd.
„Warum bist du eingestiegen?“
Es hatte viele Gründe gegeben, aber keiner davon passte in dieses Haus, an diesen Tisch. Darum antwortete Kara schlicht: „Wegen des Geldes.“
„Das dein Zuhälter jetzt verspielt.“
„Vermutlich.“ Sie musste lächeln bei dem Gedanken an Agnes. Gerne hätte sie die Freundin wissen lassen, wie wunderbar dieser Abend verlief.
Er deutete ihr Lächeln offenbar falsch, denn er fragte: „Liebst du ihn?“
„Wen? Vince? Nein!“ Ihre Entrüstung war echt.
„Warum gehst du dann immer wieder zurück zu ihm?“
Sie schaute ihn an. „Das tu ich ja jetzt nicht mehr.“
Der Satz ließ ihn reservierter werden und er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ohne den Blick von ihr zu wenden.
„Was erwartest du dir von diesem Abend?“, fragte er.
„Er hat schon alle meine Erwartungen übertroffen.“
„Und was glaubst du, wie es weitergeht? Glücklich vereint für den Rest deines Leben?“
Sie lächelte sachte. „In gewisser Weise. Da mein Leben nicht mehr lange dauern wird.“
Er zog fragend eine Braue hoch.
„Sie haben Miras Leiche am Osthafen gefunden“, erklärte Kara.
Der kurze Blick zwischen ihm und seinem Butler bestätigte ihr, dass die beiden Männer damit zu tun hatten.
„Und trotzdem bist du hier“, stellte er fest.
Sie antwortete darauf nur mit einem Lächeln und blieb stumm.