Kitabı oku: «Mellow Tior», sayfa 2

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Mellow weihte Minja in seinen abenteuerlichen Plan ein.

Am Sonntagmorgen frühstückte Mellow mit Minja und Aurilia. Es gab als Hauptspeise leckeres Käsepopcorn und dazu cremiges Schokoladeneis als Nachtisch.

„Na was stellt ihr heute an?“, fragte Aurilia ganz nach ihrer großmütterlichen Art. Wie meist zuckten sie mit ihren Schultern. Schon längst hatten sie ihr neues Abenteuer ausgeheckt, aber es war besser Großmutter Aurilia nichts davon zu erzählen. Sie wäre vor schrecklicher Angst aus allen Wolken gefallen und hätte Mellow gnadenlos für eine sehr, sehr lange Zeit Hausarrest erteilt. Bloß die gigantische Show in der Stadt fand nur alle vier Jahre statt. Das wollte sich Mellow auf keinen Fall entgehen lassen. Wenn er sich etwas vornahm, dann zog er es durch. Und das um jeden Preis.

Die riesigen, runden Ballonhüllen waren schon von weitem auszumachen und das fröhliche Getöse der Besuchermassen war unüberhörbar. Mellow und Minja tauchten aufgeregt in den lebhaften Tumult ein. Die Luft roch nach süßer Zuckerwatte und warmer Schokolade. Bratwürste brutzelten auf den rauchenden Grills und die Pommes wurden goldgelb frittiert. Süßigkeiten aller Art lagen einladend in den Auslagen, lockten die Familien in langen Schlangen herbei, verführten sie zum Einkauf all der feilgebotenen Leckereien. Mellow kaufte cremige Schokoladenbonbons. Gierig schoben sie sich Minja und er die braunen Kugeln in die Mäuler, bis alle ratzeputz vertilgt waren. Sie holten sich noch weitere, doch dieses Mal mit Mintgeschmack.

„Komm Minja, lass uns die Ballons genau angucken. Es geht los.“

Minja stimmte nickend zu und so schritten sie mit ihrer zweiten Bonbontüte zwischen all den staunenden Leuten hindurch. Sie hielten Ausschau nach einem vertrauensseligen Ballonführer, und als sie endlich einen entdeckt hatten, gingen sie schnurstracks auf ihn zu. Sein feuerroter Ballon sah aus der Nähe betrachtet, ziemlich alt und notdürftig zusammengeflickt aus.

„Ich bin doch nicht lebensmüde! Das Ding bekommt er doch niemals in den Himmel.“ Mellow verdrehte ungläubig seine Augen. Aber er ließ sich nicht entmutigen und fragte den einen oder anderen Ballonfahrer, ob er ihn denn mitnehmen könnte. Seine Bemühungen blieben erfolglos, denn keiner wollte ihn mit zu den Wolken nehmen. Abermals fragte er einen Ballonfahrer. Der drehte geschäftig am Regler seines Gasbrenners, überprüfte durch das Ziehen der Kordeln, ob die Gondel fest am Ballon vertäut war. Das dicke Seil war mit einem schweren Eisenpflock in den Boden eingeschlagen und verankert, hielt den Korb sicher auf der Erde. Doch auch er schüttelte nur seinen Kopf. Aber Aufgeben, niemals, das entsprach nicht Mellows Wesen. Unterschiedliche Ballons bereiteten sich für ihren aufsehenerregenden Flug in den weiten Himmel vor. Blaue und grüne, rote und gelbe, alte und moderne. Das Surren der Aufrüstgebläse, die sommerlichen Ventilatoren ähnelten, presste kalte Luft in die Hüllen, bis sie zu einer stattlichen Größe anschwollen. Unzählige Besucher verfolgten neugierig die bombastische Show. Die ersten Ballons stiegen bereits auf. Am unteren Ende des weitläufigen Geländes befand sich eine steinige Schlucht, die einstmals einen tosenden Fluss mit sich geführt hatte, mittlerweile aber ausgetrocknet war. Die prall gefüllten Ballons erhoben sich in die Lüfte, flogen über dem gähnenden Abgrund, und die begeisterten Menschen jubelnden zu den Körben hoch.

„Gut, dann hilft nur noch Plan B.“, entschloss Mellow kurzerhand.

Minja stupste ihn aufgeregt in die Seite.

„Weißt du denn schon, welchen du nehmen willst?“

Mellow zeigte auf einen großen blütenweißen Ballon, auf dem das Bild eines fliegenden Engels prangte.

„Ja klar. Jetzt geht es los. Das wird ein Spaß!“

Er grinste breit übers Gesicht, überreichte Minja die Bonbontüte und atmete tief durch, während er seine Beine und Arme zum Aufwärmen schüttelte. Das Luftgefährt war ganz in der Nähe und es dauerte nicht lange, da löste die Bodencrew das vertäute Seil vom Haken. In diesem Augenblick rannte Mellow los, geradewegs auf das herabstürzende Gefälle zu. Er preschte vor, mit all der Geschwindigkeit, die er aufbrachte, während der Ballon an Höhe gewann. Unausweichlich kreuzte der Abgrund seinen Weg, dennoch flitzte er zum baumelnden Seil. Der Ballonfahrer holte es Stück um Stück ein, bis es nur noch knapp über den Boden hing. Mellows Herz schlug wie verrückt. Er richtete seine Augen auf das untere Ende des Seils, dass die Schlucht nur noch wenige Meter entfernt vor ihm lag, nahm er kaum war. Beherzt griff er nach dem Seil, aber verpasste es um ein paar Zentimeter. Die Menschen wurden auf ihn aufmerksam und schrien hektisch los.

„Haltet den Jungen fest! Der ist doch verrückt. Gleich stürzt er in die Tiefe! Fangt ihn, sonst geschieht ein Unglück!“

Als Minja sah, dass Mellow dennoch unaufhaltsam weiter rannte, ließ sie die halbvolle Bonbontüte fallen und hielt vor Schreck die Augen zu. Im letzten Augenblick sprang er mit einem großen Satz vom sicheren Boden ab, die steinige Schlucht unter seinen wedelnden Beinen und streckte seine Arme aus, soweit er nur konnte. Er schnappte mit seiner Hand zu, erwischte mit aller Mühe das Seilende, und hielt sich am baumelnden Strang fest. Trotz des Schwungs schaffte er es, das Seil auch mit seiner zweiten Hand zu fassen. Mellow schaukelte unbeholfen in der Luft. Der Kapitän des Ballons wurde durch das Geschrei der vielen Leute neugierig und bemerkte, dass sein Korb wippte. Er blickte nach unten, sah Mellow hin und her pendeln und zog den Jungen mit den silbernen Haaren hastig nach oben. Als Mellow endlich im sicheren Korb war, schüttelte ihn der alte Mann kräftig durch.

„Mensch, Junge! Bist du denn komplett wahnsinnig? Was ist mit euch Kindern nur los.“, schrie er ihn an.

Mellow zuckte seine schmalen Schultern, war überglücklich, dass er mit seiner heilen Haut davonkam. Er stellte sich dem Ballonfahrer vor, doch der verstand aufgrund des tosenden Lärms kein einziges Wort. Mit Fingerzeichen machte er Mellow verständlich, dass sie jetzt unmöglich umkehren konnten. Das war ganz in Mellows Sinn, schließlich wollte er bis in die bauschigen Wolken fliegen und weit darüber hinaus. Der kalte Wind pfiff ihm gnadenlos um die Ohren. Das brennende Gas verursachte einen ohrenbetäubenden Krach, trotzdem genoss er den atemberaubenden Ausblick. Er ließ seine Sicht nach unten schweifen, wartete nervös auf seinen wichtigen Einsatz. Die Hügel, die Täler und die Berge waren aus der Höhe wunderschön anzusehen, und die Menschen wuselten wie kleinen Ameisen umher.

Mellow griff angespannt in seine Brusttasche. Der neugierige Kapitän tippte wortlos auf Mellows Jacke und verzog grinsend seine Mundwinkel, als er bemerkte, dass sich darin etwas bewegte. Mellow holte BigBig hervor, hielt ihn fest an sich gedrückt, bis sich vor ihm endlich eine große weiße Wolke auftat. Dicht vor dem gewölbten Wolkenberg warf Mellow seinen Eisvogel kraftvoll, wie einen Tennisball, durch die Luft. Dem flatternden BigBig hing der blaue Brief am zarten Beinchen fest. Er winkte BigBig nach und wünschte ihm viel Erfolg. Der kleine Briefbote flatterte angestrengt auf die Wolke zu. Mellow verfolgte nervös den Flug. Mit aller Mühe kämpfte BigBig dagegen an, dass der Brief ihn nicht in die bedrohliche Tiefe zog. Als er endlich in die Wolke eintauchte, blähte diese sich auf, und ein grünliches Flimmern überzog die weiße Oberfläche. Der Pilot rieb sich ungläubig die Augen, schüttelte den Kopf und tat es als Sinnestäuschung ab. Nur Mellow allein wusste, dass dieses wundersame Schauspiel tatsächlich stattfand, so wie der grünliche Blitz, der den Pfeil getroffen hatte. Mellow jubelte und schrie freudig in den Himmel, seine Anspannung löste sich. Den Rest des Fluges kam er aus dem Staunen nicht mehr raus und fand es jammerschade, als sie nach zwei Stunden zur Landung ansetzten. Noch bevor der Korb die Erde berührte, sprang Mellow mit einem riesigen Satz heraus. Er spurtete davon, so schnell ihn die Beine trugen, schließlich wollte er keinen Ärger mit den Beamten der Flugsicherheit riskieren. Denn ihm war klar, dass seine Großmutter ihm für alle Zeiten Hausarrest geben würde, wenn sie das rausbekam. Noch bevor ihn einer ergriff, verschwand er in die schützende Menge der jubelnden Menschen. Er rannte schnurstracks zu seinem Versteck. Minja wartete, hielt die Ungewissheit kaum aus. Angespannt lief sie kleine Kreise im Unterschlupf, naschte zappelig von der Schokolade. Mellow sprang aufgeregt die Treppen hinunter und stürzte in den Kellerraum. Er war so unter Strom, dass er nicht wusste, wo er mit seiner Erzählung anfangen sollte. Also platzte er einfach heraus. „Geschrien haben sie, die Leute. Ich habe die Menge tosen gehört. Irre, sag ich dir. Das war ein Ritt durch die Wolken. Ich dreh durch, es hat geklappt.“

Minja schob sich den Riegel süßer Schokolade ganz in den Mund

und bot Mellow etwas von dem leckeren Naschwerk an.

„Hattest du keine Angst, als du am Seil hingst und der Wind dich hin und her schleuderte?“, fragte sie schmatzend nach.

„Oh, doch. Für einen kurzen Moment drehte es mir gewaltig den Magen um und mir wurde schlecht.“, erwiderte Mellow und kugelte dabei überzogen seine Augen. „Sehr schlecht.“ Minja prustete vor Lachen.

„Egal, es ist geschafft. Und das ist das Wichtigste. BigBig war spitze. Er flog furchtlos in die Wolke und diese antwortete prompt mit einem grünlichen Flimmern.“

Minja blickte ihn stutzig an, aber Mellow, zufrieden mit seiner waghalsigen Leistung, stopfte sich ebenfalls einen Riegel in seinen Mund.

„Ic hahe es atsächlich gesaft.“, fügte er mit vollem Mund hinzu und tanzte durch das Zimmer. Minja schlug ihm aufgeregt auf den Rücken.

„Mellow, du bist der Beste und ziemlich verrückt.“

In dieser Nacht des Triumphes fielen so unglaublich viele Sternschnuppen vom Himmel, dass Mellow das Zählen aufgab, da es unmöglich für ihn war, im glühenden Schnuppenregen den Überblick zu behalten. Es verschlug ihm die Sprache.

Am nächsten Tag, Aurilia war schon auf den Beinen, sie bereitete wie meist das Frühstück vor, bummelten Minja und Mellow müde aus dem Zimmer. Nachdem sie gegessen hatten, schlurfte Minja zum Zähneputzen ins Badezimmer. Mellow ging in den hinteren Garten, wo er freudig seinen mutigen Freund BigBig erwartete. Ein Schreck durchfuhr seine Knochen. Er schrie so laut er konnte nach Großmutter, die sofort zu ihm eilte. Sie stellte sich, nicht minder entsetzt, in den Türrahmen zum Garten.

„Es hat begonnen, was beginnen sollte. Die Erde wird brennen.

Laizif ist tatsächlich frei.“, flüsterte sie vor sich hin, als Mellow aufgeregt zu ihr rannte.

„Großmutter, sie mal, dass nimmt überhaupt kein Ende!“

Mit einem Fingerzeig deutete er in die wolkenlose Atmosphäre, die durchdrungen war von den unzählbaren Sternschnuppen.

„Ist da oben im Kosmos etwas kaputtgegangen?“, fragte er unsicher nach.

Aurilia drückte Mellow ganz nah an sich heran. Mellow verspürte das schuldige Gefühl, das es etwas mit seinem Brief zu tun hatte, deswegen verschwieg er sein Geheimnis, das nur er, Minja und BigBig kannten.

Mariana im Licht

Mellow saß mit seiner Großmutter Aurilia im lebhaften Stadtpark. Sie fütterten, wie jeden Sonntag, die quakenden Enten. Gurrende Tauben gesellten sich fröhlich dazu.

„Großmutter Auri, heute Nacht habe ich über 100 Schnupps am Himmel gezählt. Hast du auch welche gesehen?“

„Nein Mellow, nachts schlafe ich tief und fest. Und das solltest du auch tun. Du benötigst ausreichend Schlaf, schließlich bist du noch im Wachstum.“, tadelte ihn Aurilia und zog ihre schmalen Brauen nach oben. Sie warf den Enten die Brotkrumen vor die Schnäbel, die es sich hungrig schnappten, und atmete tief ein, denn das bereitete ihr wirklich Sorge. Die Sternschnuppen, das entging auch ihr nicht, leuchteten noch immer zuhauf am helllichten Tage. Ein deutliches Zeichen, das konnte sie nicht übersehen. Das Böse verfolgte bereits seine Beute, war auf der Jagd nach dem Junge mit silbernen Haaren.

Mellow stand auf, schlenderte zu den Enten hin und wartete einen kurzen Moment bevor er BigBlu zu sich lockte.

„Put, put, put. Komm BigBlu, hol dir dein Brötchen!”

Er streichelte dem Enterich über sein grünblaues Köpfchen.

„Großmutter, warum sehen denn die anderen die Schnupps nicht? Weder am Tag noch in der Nacht? Minja hat bisher noch keine einzige gesehen, während ich schon erstaunlich viele gezählt habe.“

Unvermittelt drehte Mellow sich zu seiner Großmutter um, sie erwiderte standhaft seinen fragenden Blick, hob abermals neckisch ihre dünnen Augenbrauen und lächelte ihn an.

„Ich glaube nicht, dass Minja die gesamte Nacht über aufbleibt und jede einzelne Sternschnuppe zählt. Viele Menschen nehmen sich überhaupt keine Zeit mehr, um den weiten Himmel zu bestaunen, geschweige denn eine prächtige Sternschnuppe zu bewundern. Also wundere dich nicht.“

Insgeheim hoffte Aurilia, dass Mellow sich mit dieser Antwort zufriedengeben würde. BigBig drehte ausgelassene Runden über den getrübten Entenweiher, stürzte sich aber nicht hinein, denn das Wasser war für seinen Geschmack zu schlammig. Er bevorzugte klares und frisches Wasser. Außerdem konnte er schmutzige Federn auf den Tod nicht ausstehen. Die leichte Brise trieb die herrlichen Wolken kaum voran und die Sonne zeigte sich in ihrem schönsten Gelb. Hie und da flackerte eine Schnuppe am Himmel auf. Die Menschen, die vorbeispazierten, besaßen tatsächlich keinen Blick für die wundersamen Dinge, die über ihren Köpfen geschahen. Sie schwatzten und lachten, sie aßen, sie nippten an ihren Flaschen, aber sie schauten nicht nach oben. Vielleicht hatte seine Großmutter ja doch recht.

Mellow verbrachte mit ihr den restlichen Nachmittag in dem wunderschönen und geruhsamen Park, bevor sie sich gemeinsam auf dem Nachhauseweg begaben. BigBig flog hungrig hinterher. Vor dem Haus umarmte Aurilia Mellow, bat ihn, sich in aller Seelenruhe um seinen gefiederten Freund zu kümmern, der es nicht mehr abwarten konnte, dass es endlich zum Fischen an den Bach ging. Der Türknauf knackte beim Drehen und die Türe ließ sich seltsamerweise schwer öffnen. Eine Hitzewelle schlug ihnen aus dem Flur entgegen. Mellow blickte Großmutter Aurilia verwundert an.

„Na, da ist wohl der Teufel los.“, scherzte Aurilia im unbekümmerten Ton, zwinkerte und lächelte.

„Geh schon, ich besuche das » Tor des Moooo «, solange ihr weg seid. Werde bald wieder da sein. Los, auf geht’s!“

Mellow tat wie ihm geheißen und er begleitete BigBig an den Bachlauf, der unweit des Hauses sein klares Wasser führte. Dort schwamm allerlei quirliger Fisch, BigBig freute sich über die riesige Auswahl. Er flog schnurstracks zu seinem Ausschauast, beobachtete das rauschende Wasser unter sich und behielt die schwimmende Beute fest im Blick. Blitzschnell stürzte er auf die Wasseroberfläche zu, tauchte ab, doch der Schnabel blieb leer. Der zweite Sturzflug blieb ebenfalls erfolglos. Erst bei seinem dritten Anlauf zappelte ein silbernes Fischlein im Schnabel, das er gierig verschlang. Bevor BigBig satt war, brauchte es noch einigen Jagderfolg. Mellow wartete derweil geduldig auf seinen blauen Saphir. Erst als BigBigs seinen Bauch restlos vollgeschlagen hatte, flog er Mellow zufrieden hinterher.

„Großmutter, wir sind zurück!“, rief Mellow laut durch das Haus, bekam aber keine Antwort.

„Wahrscheinlich ist sie noch hinter dem » Tor des Moooo «.“, dachte er sich mit rümpfender Nase, denn ein schwefeliger Geruch verpestete die warme Luft. Er zuckte seine Schultern und öffnete die Fenster bevor er in sein Zimmer verschwand. Vorsichtig tapste er über den Boden, blieb vor einem dicken farbigen Buch stehen, begutachtete es und hob es auf. Das Buch handelte von den mysteriösen schwarzen Löchern. Seit Mellow den geheimnisvollen Kosmos wahrnehmen konnte, fand er in spannend und rätselhaft zugleich. Es wunderte ihn, dass der Mensch mittlerweile so viele Rätsel enträtselt hatte. Er sog das Wissen der Bücher förmlich in sich auf, dennoch blieben unzählige Fragen ungeklärt. Während des vertieften Lesens und dem Angucken der farbigen Bilder, blickte er eher zufällig zur runden Monduhr, die über der Türe hing. Seit Stunden schon war seine Großmutter Aurilia verschwunden. Das war normalerweise nicht ihre Art, also begab er sich auf die Suche nach ihr.

„Großmutter, wo steckst du?“, rief er durch das Haus. Doch es blieb still. Zuerst durchforstete er ihr Schlafgemach. „Vielleicht ist sie eingeschlafen.“, dachte er sich. Danach suchte er sie in der Küche und im Keller, ging vor die Eingangstüre, läutete die Glocke und überprüfte die Garage. Doch sie war nirgends aufzufinden, das laute Rufen blieb vergebens.

Mellow wusste um diesen geheimnisvollen Eingang. Aurilia erzählte ihm schon von klein auf über das sagenumwobene » Tor des Moooo «. Nur dass es dieses unsichtbare Tor gab, aber nicht wie es zu finden war, oder was sich dahinter verbarg. An diesem Tage, so beschloss er eigensinnig, wollte er diesem Geheimnis auf dem Grund gehen. Er spähte hinter jede Türe des Obergeschosses, dessen Räume allesamt leer waren. Kein einziges Möbelstück war aufgestellt, keine Spinnenwebe klebte in einer der vielen Ecken. Nachdem Mellow Zimmer für Zimmer eingesehen hatte, setzte er sich erschöpft auf die Treppenstufen, verschränkte seine Arme und blies enttäuscht seine Backen auf.

„Wieso finde ich dieses verflixte » Tor des Moooo « nicht? Es aufzuspüren kann doch nicht so schwer sein.“

Während er über diese Frage grübelte, klingelte es. BigBig unterbrach das Putzen seines Gefieders und flatterte eifrig zur Türe. Mellow sprang mit einem wendigen Satz die Treppe herunter und riss die Türe auf. „Großmutter, endlich. Wo warst …“ Doch er verstummte sofort wieder.

„Hallo Mellow, siehst genervt aus.“, stellte Minja besorgt fest. „Was ist passiert?“

„Ach, ich sorge mich. Großmutter ist schon viel zu lange weg. Du kennst sie. Das ist ungewöhnlich.“

„Na, die wird schon wiederkommen. Schau mal, ich habe uns leckere Schokohasen mitgebracht.“

„Jetzt um diese Zeit? Ostern ist lange vorbei. Wo hast du die denn aufgetrieben?“, hakte Mellow erstaunt nach.

„Die hat mir Onkel Klaus aus China mitgebracht. Und das sind keine Osterhasen, sondern ausgefallene Schokohasen. „Fancy Hoppers. Wirst Augen machen.“

Minja griff in ihren vollen Rucksack, grub einen Hasen hervor, der mit seiner Schaufel und der grünen Mütze, das Aussehen eines fleißigen Gärtners besaß. Der zweite Hase, den sie heraus kramte, glich einem Astronauten, mit einem goldbeschichteten Helm über seinem Kopf. Mellow riss ihn sofort an sich, als sie ihm die Schokoüberraschung hinhielt.

„Juhu, da vergeht mir schlagartig die schlechte Laune.“, jauchzte er. Mellow freute sich wahnsinnig über sein Geschenk. Er öffnete zaghaft die Verpackung und brach sich ein großes Stück der braunen Süßigkeit ab. Genüsslich drückte er sich die schmelzende Leckerei an den Gaumen, während er sich gierig das nächste Stück abbrach.

„Mmmmh, ich liebe Schokolade.“, schmatzte Mellow und das Verlangen stand ihm unverhohlen in den Augen. Plötzlich erschrak er. Mit offenen Mund und aufgerissenen Augen starrte er aus dem Fenster, japste nach Luft, wedelte mit den Armen.

„Pass auf! Minja, geh sofort in Deckung! Da draußen!“

Er ließ den Hasen auf den Boden fallen, zeigte hektisch in die Richtung des Fensters, schnappte geistesgegenwärtig Minjas Hand und zerrte sie kraftvoll zu Boden.

„Ja, spinnst du denn total?“, wetterte Minja los, während sie ihr Kleid von der zerbrochenen Schokolade säuberte.

„Guck doch!“, brüllte er. „Die Schnuppe, sie fliegt auf uns zu, gleich kracht sie ins Haus.“

Minja drehte sich hastig um, entdeckte aber nichts Auffälliges.

„Mellow ich sehe nichts. Soweit ich es beurteilen kann, ist alles beim Alten.“ Sie suchte vergebens die Seiten des Fensters ab. „Der Baum steht da, wo er sein soll, der Himmel hat sein übliches Blau, Wolken ziehen vorbei und die Sonne überstrahlt alles. Passt also. Die Welt ist in allerbester Ordnung.“

„Minja, rede keinen Unsinn!“

Mellow blieb beharrlich, deutete abermals raus.

Minja stand auf, schüttelte genervt ihren Kopf und biss die nächste Stelle des zerbrochenen Hasen an. „Ich bin doch nicht blind. Aber weiter als bis zum Himmel kann ich nicht gucken.“

Mellow duckte sich, denn die Sternschnuppe zersprang glühend im Vorgarten und ein Glutregen übergoss den Rasen. Doch, das Unglück blieb aus. Er sprang hoch, stierte raus in den Garten, doch es gab keinerlei Spuren eines Einschlags, noch nicht einmal verbrannte Grashalme. Nichts, absolut nichts war zu sehen. Mellow winkte wütend ab, verkroch sich ins Bad und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Nach der Erfrischung beruhigte er sich alsbald. Minja schlug ihm vor, sie in die Stadt Fow Fonk zu begleiten. Mellow willigte ein, denn im Moment war es unsinnig weiter nach Aurilia zu suchen. Wahrscheinlich befand sie sich noch immer hinter dem geheimnisvollen Tor. Mellow bat BigBig zuhause zu bleiben, jedoch die Eisvögel sind bekannt für ihren Dickkopf, also flog er mit. So begaben sie sich zu dritt auf den Weg in die Stadt. Die Fahrt dauerte eine gute Stunde. Sie vertrieben sich die Zeit und besprachen ihr nächstes Vorhaben. Da Mellow pleite war, schmiedeten sie den Plan, das Teleskop selbst zu bauen. Sie redeten sich heiß und verloren sich in ihren Fantasien. Doch, kaum erreichten sie die Stadt Fow Fonk, stellten sie entsetzt fest, dass die Menschen um sie herum eine feindselige Stimmung ausstrahlten. An jeder Ecke wurde gestritten. Die Hunde knurrten sich gegenseitig an, fletschten ihre Zähne und spielten nicht mehr miteinander, vielmehr gingen sich die Hundebesitzer lieber gleich aus dem Weg. Die Katzen jagten sich durch die Straßen, fuhren ihre Krallen aus und zerkratzen jeden, der ihnen in den Weg kam. Müll und zerbrochenes Glas lag auf der Straße, einige Haustüren waren eingetreten worden.

„Hier ist es gruselig. Mellow wir sollten vorsichtig sein. Die

Leute suchen Streit. Darauf habe ich überhaupt keine Lust.“, nörgelte Minja mit verkniffenen Augen.

Mellow pfiff BigBig sofort zu sich und packte ihn schützend unter sein Shirt. Die Jungen und Mädchen prügelten sich kreischend, zogen sich an den Haaren und spuckten umher. Die Autos hupten bei jeder Gelegenheit, fuhren auf oder zwängten sich mit aller Gewalt durch die engsten Stellen.

„Minja, hast du Angst? Du hast Recht. Die Stadtbewohner verhalten sich heute wirklich seltsamer als sonst.“

„Ja, ziemliche Angst. Normal ist das nicht. Die Leute benehmen sich bescheuert. Und nicht nur die Leute. Selbst die Tiere sind gemein zueinander.“

Eheleute gifteten sich missgelaunt an und das Pärchen, das genau vor ihnen stand, löste geradewegs ihre Verlobung auf. Wütend warf die hübsche Blondine den wertvollen Verlobungsring in den Gully und stapfte energisch davon. Ihr Ex-Verlobter beschimpfte sie wüst, während er die entgegengesetzte Richtung einschlug.

„Willst du zurückfahren? Wir können auch ein anderes Mal in Stadt.“, fragte Minja verunsichert nach.

„Nein, lass uns trotzdem das Zoogeschäft besuchen. Vielleicht finden wir dort eine niedliche Freundin für BigBig. Er soll schließlich nicht alleine bleiben.“

„Mellow, du bist ein echter Träumer. Hast kein Geld mehr auf Tasche, aber eine Freundin für BigBig haben wollen.“

Mellow hörte geschickt weg, und so liefen sie durch die lauten Straßen, gingen jeglichem Ärger aus dem Weg, und waren heilfroh, als sie unbeschadet vor dem Zoogeschäft standen. Sie schritten durch die verdunkelte Glastür, doch der Lärm, der ihnen entgegenschallte, war nicht auszuhalten, sie hielten sich postwendend die Ohren zu. Ein unerträglicher Mix aus Kreischen und Quieken erfüllte den Raum. Die Tiere waren außer Rand und Band. Sie sprangen gegen die metallenen Gitter ihrer Käfige, schmissen das Futter auf den Boden, oder randalierten sonst wie herum. Die Hunde bellten und knurrten. Die Vögel flatterten aufgeregt umher, hackten wild auf ihre Artgenossen ein, solange bis die Federn flogen. Mellow guckte Minja verdutzt an.

Er suchte sofort den gestressten Inhaber des Geschäftes auf, fragte lauthals, warum hier der Teufel los sei. Der Besitzer, ein untersetzter Mann mit schütteren Haaren, zuckte überfordert seine hängenden Schultern, rückte seine schmale Brille zurecht und hielt ihm das Schild „Geschlossen“ vor die Nase. Enttäuscht verließ Mellow mit Minja das Geschäft. BigBig drückte sich zitternd und verstört an Mellows Brust. Sie beeilten sich, wollten auf dem schnellsten Weg zurück zum Bus, der sie sicher aus der aufgehetzten Stadt bringen sollte. Sie warteten und warteten. Aber vergebens, es wurde bereits später Abend und die Sonne verschwand hinter dem Horizont, trotzdem fuhr kein Bus die Haltestelle an.

„Mellow, wahrscheinlich taucht der Bus nicht mehr auf. Willst du hier schlafen?“, fragte Minja genervt.

Mellow schüttelte seinen Kopf.

„Lass uns laufen. Im Bushäuschen schlafen, dazu habe ich keine Lust. Außerdem bekomme ich da kein Auge zu.“

Und so marschierten sie los, BigBig zog hungrig seine Kreise über ihre Köpfe hinweg. Der nachtschwarze Himmel war bewölkt und zeigte keinerlei Sterne und der kreisrunde Mond versteckte sich mit den Schnuppen ebenfalls hinter der dichten Wolkendecke. Die beiden Freunde unterhielten sich über das raue Benehmen der Stadtbewohner. Aber so sehr sie auch grübelten, sie fanden dafür keine einleuchtende Erklärung. Letztendlich einigten sie sich darauf, dass die Stadtbewohner allesamt bekloppt waren. Dieses Mal zwar mehr wie sonst, aber eben vielleicht doch nicht so außergewöhnlich.

„Das erklärt noch immer nicht das seltsame Verhalten der Tiere im Zoogeschäft.“, murmelte Minja vor sich hin, beließ es aber dabei und nahm die Hand von Mellow. Sogleich fühlte sie sich sicherer und marschierte wortlos neben ihm her.

Es dauerte knapp an die drei Stunden, bis sie endlich die Umrisse ihres Dorfes erkannten. Kaum bogen sie auf dem Weg zu Mellows Haus ein, erspähte Mellow die Kontur einer gebückten Gestalt, die vor dem Gartenzaun stand.

„Großmutter! Großmutter Auri, bist du es?“, schrie Mellow gespannt in die Nacht und rannte los. Minja blieb angewurzelt stehen. Die unbekannte Gestalt drehte sich um, humpelte ein paar Meter vom Tor weg und löste sich in grauen Rauch auf. Mellow erschrak fürchterlich, stolperte rückwärts bis er wieder auf der Höhe von Minja war.

„Hast du das gesehen?“ Mellow packte Minja an den Armen und rüttelte sie mit vorstechenden Augen. Minja erwiderte nichts, schüttelte verneinend ihren Kopf. Mellow zerrte sie ins Haus.

„Ich schaue mich um, Minja. Vielleicht ist Großmutter hier.“

„Warte, ich helfe dir! Dich kann ich nicht alleine lassen.“

Sie entdeckten kein Lebenszeichen. Mellow versank in großen Kummer. Unfassbar, dass Aurilia sang und klanglos verschwunden war, ohne einen Brief oder sonst eine Nachricht zu hinterlassen. Minja tat alles Mögliche, um Mellow geschickt abzulenken. Sie bot ihm Schokolade an, die ihr Freund aber ablehnte. Sie begann eine Unterhaltung über das schwarze Loch. Auch dazu hatte Mellow keine Lust. Erst als sie die Zeichnungen für das Teleskop hervorkramte, war Mellow bei der Sache. Und so zeichneten und tüftelten sie die gesamte verbleibende Nacht bis in den frühen Morgenstunden hinein. Sie überlegten den Aufbau des Rohrs, studierten die Glasstärken und den notwendigen Schliff der Lupen, solange bis ihnen beiden vor Müdigkeit die Augen zufielen.

Abermals erwachte Mellow am goldenen See, obwohl er zuvor keine Sternschnuppen am Himmel gesichtet hatte. Die Helligkeit brannte in seinen Augen, er kniff sie zu und blinzelte durch die zitternden Wimpern. Nach einer geraumen Zeit beobachtete er erneut das Flirren über der glatten Oberfläche des Sees. Auch dieses Mal sah er von den vorbeihuschenden Wesen nur unscharfe Konturen, so sehr er sich auch bemühte, sich zu konzentrieren. Plötzlich erschrak er. Eine Silhouette zeichnete sich ab. Sie war zwar undeutlich zu sehen, aber mit der notwendigen Anstrengung auszumachen. Der Umriss glich dem einer menschlichen Figur.

„Etwas größer vielleicht als ein durchschnittlicher Mensch.“, flüsterte er gespannt.

Die flirrende Gestalt schwebte schnurstracks auf Mellow zu, stoppte vor ihm. Er hielt erstaunt die Luft an, blieb regungslos, denn damit hätte er niemals gerechnet. Aufmerksam richtete er seinen Blick auf die Figur. Er sah, wie sich der Körper von dem goldenen, lichtbeherrschenden Hintergrund abzeichnete. Ein weibliches Wesen stand vor ihm. Ihr langes Haar umwallte ihr durchscheinendes Gesicht. Es schien fast so, als ob sie ein Kleid aus Federn trug und zwei Flügel auf dem Rücken hatte. Zumindest schirmte sie das unermesslich helle Licht ab, und Mellow konnte seine Augen einen Moment lang entspannen. Je länger er seinen Blick auf diese Erscheinung richtete, desto mehr erahnte er von ihrem Aussehen.

„Hallo, Mellow.“, begrüßte ihn die weibliche Erscheinung.

„Ich heiße Mariana.“

Mello schluckte verblüfft, es verschlug im die Sprache.

„Ha-, Hallo.“, stotterte er los. „Wo-, Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er verunsichert nach.

„Das ist eine lange Geschichte. Im Moment zählt nur, dass wir uns endlich treffen. Die Welt, wie du sie kennst, wird sich bald schon wandeln. Du bist in großer Gefahr.“

Doch ehe er sich versah, wachte er verwirrt bei sich zuhause auf. Das war eindeutig zu viel für ihn. Sofort weckte er Minja, um ihr von seinem sonderbaren Erlebnis zu erzählen. Minja knurrte patzig, als Mellow sie aus ihrem tiefen Schlaf riss, fand die Geschichte dann aber doch spannend, so dass sie mit großen Ohren hinhörte.

„Mariana, sagst du? Ist auf jeden Fall ein weiblicher Name. Aber Kleidung aus Federn? Und Flügel? Bist du dir da sicher?“

„Ja, wenn ich es dir doch sage. Auch wenn ich nur wenig gesehen habe. Sie trug übergroße Vogelfedern am Körper.“

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