Kitabı oku: «Syltwind», sayfa 4

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Kapitel 6

Am nächsten Vormittag erhielt ich überraschend einen Anruf von Arno Kelsterbach, dem Inhaber der Werbeagentur »A.K. Sea«, der mich um ein kurzfristiges Treffen bezüglich meiner Website bat, und machte mich umgehend auf den Weg nach Westerland. Als ich die Räumlichkeiten der Agentur betrat, wurde ich von seiner Sekretärin Dorit Hähnel bereits erwartet. Sie führte mich in eines der Büros, wo sie mich einer jungen, blonden Frau, die ich auf Anfang 20 schätzte, kurz vorstellte.

»Frau Scarren, das ist unsere Praktikantin Juna. Sie wird sich um Ihr Anliegen kümmern. Herr Kelsterbach hatte diesbezüglich im Vorfeld mit Ihnen gesprochen, wie er mir sagte. Sollten Sie Rückfragen haben, wissen Sie, wo Sie mich finden können.« Mit diesen Worten und einem freundlichen Lächeln drehte sie sich um und stöckelte zurück an ihren Arbeitsplatz.

»Nehmen Sie bitte Platz!«, forderte mich die junge Frau höflich auf. Sie wirkte ein wenig nervös. »Mein Chef hat mir gesagt, Sie benötigen einen neuen Internetauftritt, und mich mit dieser Aufgabe betraut. Ich studiere Sportmarketing und mache zurzeit ein Praktikum«, ergänzte sie und sah mich mit ihren großen, blauen Augen neugierig an.

»Das klingt interessant und abwechslungsreich.«

»Das ist es, allerdings bin ich noch nicht sehr lange dabei. Bislang macht es jedenfalls viel Spaß.«

»Allerdings hat meine Firma nichts mit Sport zu tun«, gab ich zu bedenken.

»Das macht nichts. Ich habe mir die Unterlagen angesehen, die Sie Herrn Kelsterbach gegeben haben.« Sie deutete auf eine Mappe auf dem Tisch. »Ich denke, ich kann Ihnen behilflich sein, beim Thema Webdesign kenne ich mich ganz gut aus und konnte bereits erste Erfahrungen sammeln. Da gibt es sehr schöne Tools, die einem die Arbeit erleichtern.«

»Auf dem Gebiet bin ich absoluter Laie. Konnten Sie mit meinen Vorschlägen etwas anfangen?« Ich war krampfhaft bemüht, mir meine Skepsis, ob mein Projekt bei der jungen Frau in den richtigen Händen war, nicht anmerken zu lassen. Jeder hat mal klein angefangen und eine Chance verdient, sagte ich mir. Mir war es anfangs nicht anders ergangen.

»Ihre Vorschläge gefallen mir grundsätzlich. Sicherlich kann man das eine oder andere noch optimieren. Ich habe auch schon eine Idee.« Sie griff nach dem Laptop, der aufgeklappt auf dem Tisch stand, und zog ihn dichter heran. Über einen Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand konnte ich gespannt verfolgen, wie sie sich durch die Seiten klickte.

»Was halten Sie davon? Das ist zunächst nur ein grober Vorschlag, wie die Seiten dargestellt und gegliedert werden könnten.« Erwartungsvoll sah sie mich an.

»Ja, das sieht auf den ersten Blick nicht schlecht aus«, bestätigte ich angenehm überrascht und schämte mich ein bisschen für meine anfängliche Skepsis. »Die Farben sind mir allerdings ein wenig zu schrill. Für ein Sportprodukt mag das eher passen als für einen Garten.«

Die Gesichtsfarbe der jungen Frau nahm augenblicklich eine leichte Rotfärbung an. »Stimmt, das hatte ich nicht bedacht. Das kann ich ändern«, war sie bemüht, mir entgegenzukommen.

»Das wäre schön, sonst gefällt es mir ganz gut. Die Menüleiste an der Seite ist schön übersichtlich.« Ich deutete auf den linken Bildrand.

»Das erleichtert das Navigieren durch die Seiten. In diesem Bereich könnten wir noch ein paar Verbesserungen vornehmen, das ist noch nicht optimal gelöst. Verstehen Sie, was ich meine?« Ich nickte. »Dazu benötige ich ein paar mehr Details von Ihnen. Und an dieser Stelle kann man ein zusätzliches Feature einbauen, mit dem sich der Kunde vorab ein Bild von seinem zukünftigen Garten machen kann. Wir geben ihm ein paar Wahlmöglichkeiten vor, quasi eine Art Stilrichtung, nach der Sie dann den fertigen Entwurf ausarbeiten können. Sehen Sie?« Ihre flinken Finger flogen über die Tastatur, und nach einigen Klicks öffnete sich ein neues Fenster, in dem eine Demoversion auf dem Bildschirm erschien.

»Wow!«, stieß ich anerkennend hervor. »Etwas in der Art wäre tatsächlich ansprechend und hilfreich. Tolle Idee! Da waren Sie schon richtig kreativ! Kann ich meine eigenen Fotos von fertigen Gärten einbauen, sofern ich die Zustimmung der Eigentümer habe?«

»Natürlich, das wäre wünschenswert. Ich werde das berücksichtigen.« Sie machte sich in einer Kladde Notizen.

»Wie viel Zeit wird das ungefähr in Anspruch nehmen, bis die Seite fertiggestellt ist?«, erkundigte ich mich.

»Ich denke, dass ich ein paar Tage brauchen werde. Ende der Woche wäre realistisch, vorausgesetzt, Herr Kelsterbach hat nicht haufenweise andere Aufgaben für mich. Momentan steht der Kitesurf-Cup an oberster Stelle der Prioritätenliste. Da gibt es in der Agentur viel zu tun. Es müssen Flyer gestaltet, Pressemitteilungen verfasst und die Homepages der Sponsoren mit Bildern und Infos gefüttert werden.«

»Kann ich mir gut vorstellen. Ein Sportereignis dieses Ausmaßes erfordert eine Menge Vorbereitungszeit, und damit ist es vermutlich nicht allein getan. Bei mir kommt es auf ein paar Tage früher oder später nicht an, letztendlich zählt das Ergebnis. Bei Rückfragen können wir gern telefonieren oder mailen.«

»In Ordnung.«

Ich kramte eine Visitenkarte aus meiner Tasche, reichte sie Juna und verabschiedete mich von ihr.

Als ich am Büro von Arno Kelsterbach vorbeikam, vernahm ich lautstarke Stimmen. Es war nicht zu überhören, dass hinter der Tür eine heftige Debatte im Gang war.

»Da geht es ja hoch her«, bemerkte ich, an Kelsterbachs Sekretärin gewandt, die ebenfalls den Blick interessiert auf die Tür gerichtet hatte.

Doch Dorit Hähnel verzichtete auf einen Kommentar ihrerseits und schenkte mir lediglich ein hilfloses Lächeln, dann richtete sie ihren Blick wieder auf ihren Computerbildschirm.

Kapitel 7

»Der Bericht der Kriminaltechnik zum Einbruch am Brandenburger Strand liegt vor.« Nick ging um seinen Schreibtisch herum zu Uwe und reichte ihm einige bedruckte Seiten.

»Und? Irgendwelche neuen Aspekte oder Hinweise auf den oder die Täter?«

»Bedauerlicherweise nichts Konkretes. Verwertbare Fußabdrücke gab es nicht, sie wurden zum größten Teil durch den Wind oder andere Fußspuren zerstört. Das war leider zu erwarten. Unmittelbar daneben befindet sich der Ausstellerbereich, und bei den Besucherströmen, die sich dort täglich aufhalten, wird alles Brauchbare sofort zertrampelt. Die DNA-Spuren, die an der Tür sichergestellt wurden, sind allesamt nicht in der Datenbank registriert.«

»Wäre auch zu schön gewesen«, stieß Uwe einen lang gezogenen Seufzer aus und überflog die Seiten.

»Laut Kilian Börgholts Aussage wurde nichts entwendet oder beschädigt. Möglich, dass der Täter gestört wurde und ohne Beute abgezogen ist, um nicht erkannt zu werden«, vermutete Nick.

»Sehe ich genauso, alles andere ergibt wenig Sinn.« Uwe kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Mehr Bauchschmerzen habe ich wegen des Mordfalls am Hafen. Ich frage mich die ganze Zeit, wer ein Interesse daran hatte, Richard Münkel zu töten. Ist er zufällig in etwas hineingeraten? Handelt es sich womöglich um eine Verwechslung? Wo liegt das Motiv?«

»An Zufälle glaube ich bei einem Mord nicht. Wir müssen sein Umfeld näher unter die Lupe nehmen. Irgendetwas lässt sich sicher finden, auf das wir aufbauen können. Vielleicht hat er jemanden erpresst.«

Uwe runzelte die Stirn. »Erpresst? Womit? Wie kommst du darauf? Nach Aussage der Schröders war Richard Münkel im wahrsten Sinne des Wortes der Saubermann in Person.«

»Mag sein, dennoch glaube ich, dass mehr dahintersteckt. Beispielsweise lässt die beachtliche Summe Bargeld, die bei der Wohnungsdurchsuchung gefunden wurde, die Vermutung zu, dass das Geld aus einer Erpressung stammen könnte. Findest du nicht?«

»Hm. Das klingt einleuchtend und wäre immerhin ein starkes Motiv für einen Mord. Ich werde unsere Theorien mal an unserer Wandtafel festhalten«, schlug Nick vor und griff nach dem Whiteboardmarker. »Münkel könnte zu gierig geworden sein, daraufhin hat sein Opfer kurzen Prozess gemacht, um ihn ein für alle Mal loszuwerden. Da hat er sich offenbar mit den falschen Leuten angelegt. Doch wen sollte er überhaupt erpresst haben? Womöglich seine ehemaligen Arbeitgeber? Immerhin hatte er Einblick in ihre Privatsphäre wie niemand anderes.«

»Du meinst, er hat das Ehepaar Schröder erpresst?« Nick war seine Skepsis deutlich anzusehen.

»Vollkommen abwegig ist der Gedanke nicht, oder? Münkel hat lange für sie gearbeitet und hatte vermutlich Zugang zu diversen Unterlagen, ob nun legal oder illegal, such dir was aus.«

»Klingt einleuchtend, trotzdem widerstrebt mir die Vorstellung, ich weiß nicht, weshalb. Das sollten wir auf jeden Fall bei unserem nächsten Besuch bei den Schröders nicht außer Acht lassen. Ich hoffe sehr, dass die Kollegen uns bald etwas zu Münkels Laptop sagen können, der sich ebenfalls in der Wohnung befand. Unter Umständen lässt sich darauf etwas finden, das uns wichtige Anhaltspunkte liefert.«

»Ich rufe nachher an und frage, wie weit die Kollegen sind. Jetzt brauche ich aber dringend was in den Magen. Wie sieht’s aus mit Mittagessen, Nick?«

Nick sah auf die Uhr. »Sorry, Uwe, auf meine Gesellschaft musst du leider verzichten. Ich bin gleich mit Anna zum Essen verabredet.«

»Ich verzeihe dir, einer Frau wie Anna könnte ich auch nichts abschlagen«, zwinkerte er Nick zu. »Hau schon ab! Und schöne Grüße!«

Auf das weiße Geländer gestützt, ließ ich mir den Wind um die Nase wehen, während ich gleichzeitig das bunte Treiben um mich herum beobachtete. Pepper saß neben mir und hielt seine Schnauze ebenfalls in den Wind, seine Nasenlöcher blähten sich auf, als wittere er eine besondere Spur. Der Geruch des Meeres vermischte sich mit kulinarischen Düften aus den Imbissständen entlang der Promenade, worauf prompt mein Magen zu knurren begann. Überall waren Bierzeltgarnituren und Stehtische aufgestellt worden, an denen die Menschen saßen, sich die unterschiedlichsten Gerichte schmecken ließen, tranken und sich dabei angeregt unterhielten. Ich war mit Nick auf der Westerländer Promenade, auf der in Kürze der Kitesurf-Cup begann, zum Mittagessen verabredet und wartete auf ihn. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass er jeden Augenblick eintreffen müsste. Während ich meine Augen über den Horizont schweifen ließ, auf dem die bunten Segel der Kitesurfer in der Luft hingen, wurde mir bewusst, wie gut ich es hatte. Ich hatte meine kleine Familie, einen Job, den ich liebte, und durfte als Krönung jeden Tag meines Lebens auf dieser herrlichen Insel verbringen. Ein besseres Leben konnte ich mir momentan nicht wünschen. Plötzlich hörte ich eine weibliche Stimme neben mir und drehte mich überrascht um.

»Hallo, Frau Scarren!« Juna Skjellberg tauchte unerwartet vor mir auf. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt? Ich bin gerade vorbeigekommen und habe Sie zufällig stehen sehen.«

»Nein, nein. Ich habe mich nicht erschrocken, ich hatte nur nicht mit Ihnen gerechnet«, gab ich zurück.

»Einen hübschen Begleiter haben Sie dabei. Darf ich ihn streicheln?« Ich nickte, und sie kniete sich zu Pepper, der die Streicheleinheit deutlich genoss. »Interessieren Sie sich fürs Kitesurfen?«

»Nur am Rande. Ich bin verabredet und warte«, sagte ich. »Das ist übrigens Pepper.« Pepper legte den Kopf schief, als er seinen Name hörte.

»Soso, Pepper heißt du also. Ein wirklich schöner Hund.« Sie fuhr ihm mit der Hand über das glänzende Fell und richtete sich auf. »Ich bin mit meinem Chef gekommen. Er trifft sich dort drüben mit einigen seiner Kunden«, erklärte Juna und zeigte zu einem der weißen Zelte, auf dem in graffitiähnlichen Lettern das Logo der Firma »Kitetex« prangte. Davor erkannte ich Arno Kelsterbach im Gespräch mit einem fülligen Mann und einer blonden Frau, die ich allerdings nur von hinten sehen konnte. Scheinbar hatte der Agenturinhaber kurz nach mir das Büro verlassen und sich ebenfalls auf die Promenade begeben. Ob er sich das heftige Wortgefecht zuvor hinter verschlossener Bürotür mit seinem jetzigen Gesprächspartner geliefert hatte, vermochte ich nicht zu sagen. Momentan machten alle drei einen entspannten Eindruck, sofern ich das aus der Entfernung beurteilen konnte.

»Das ist ausgesprochen großzügig von Herrn Kelsterbach, dass er Sie mitnimmt und nicht im Büro mit irgendwelchen Arbeiten allein lässt.«

»Das stimmt, somit komme ich ein bisschen unter Leute, sehe etwas von der Insel und habe obendrein die Chance, den Kitesurf-Cup miterleben zu können. Das ist eine fantastische Atmosphäre, vor allem bei dem herrlichen Wetter. Meine Freunde zu Hause würden vor Neid erblassen, wenn sie mich sehen könnten«, kicherte sie. »Kitesurfen ist ein unglaublich faszinierender Sport. Ich würde es gerne selbst einmal ausprobieren. Bislang ergab sich leider nie die Gelegenheit. Meine Mutter findet außerdem, dass es für eine Frau zu gefährlich ist.« Sie verdrehte die Augen.

»Und Ihr Vater? Wie steht er dazu?«

»Mein Dad ist in der Beziehung wesentlich cooler. Er meint, eine Frau kann alles schaffen, was ein Mann auch kann. Er hat mir als Kind lieber Modellautos geschenkt statt Barbies. Einmal habe ich sogar einen Werkzeugkoffer zu Weihnachten bekommen, was meine Mutter unmöglich fand.« Sie schmunzelte bei dieser Erinnerung.

»Die Einstellung gefällt mir«, stimmte ich ihr zu.

»Ich freue mich schon auf morgen, da soll ich Interviews mit einigen der Teilnehmer machen, die werden auf der offiziellen Seite des Veranstalters ins Internet gestellt. Wahrscheinlich werde ich vor lauter Aufregung die ganze Nacht nicht schlafen können. Hoffentlich vermassel ich nicht alles, das wäre mir total peinlich.«

»Sie werden das hervorragend meistern, davon bin ich überzeugt«, versicherte ich mit einem zuversichtlichen Lächeln.

»Danke, dass Sie das sagen.« Sie wirkte eine Spur verlegen. »Mit Ihrer Homepage habe ich vorhin gleich weitergemacht. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass ich diese Aufgabe wegen des Surf-Cups vernachlässige.«

»Das tue ich ganz bestimmt nicht«, versicherte ich.

»Okay. Ich glaube, da kommt Ihre Verabredung«, sagte sie und deutete mit einer Kopfbewegung an mir vorbei.

»Nick!«

»Sweety!« Er gab mir einen Kuss und tätschelte Pepper den Kopf. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, aber es ging nicht eher.«

»Kein Problem, ich hatte derweil nette Gesellschaft. Nick, darf ich dir Juna Skjellberg vorstellen? Sie macht derzeit ein Praktikum bei der Werbeagentur ›A.K. Sea‹ und kümmert sich um meine neue Website.«

»Freut mich, Juna!«, begrüßte er sie und stutzte für einen Augenblick. »Juna Skjellberg? Dann bist du die Tochter von Generalstaatsanwalt Anders Skjellberg, oder?« Juna nickte, während ich meinen Mann verblüfft ansah. »Ich bin Uwe Wilmsens Kollege. Willkommen auf Sylt! Anna, ich habe dir doch von der jungen Frau erzählt, um die Uwe sich kümmert«, erklärte Nick mir zugewandt.

»Das nenne ich einen Zufall. Na, klar! Da habe ich ziemlich auf der Leitung gestanden, was? Bitte nenn mich Anna. Das Siezen sparen wir uns, damit fühle ich mich so alt«, gestand ich mit einem Augenzwinkern.

»Gern, Anna.« Juna schien es plötzlich eilig zu haben und schielte an uns vorbei. »Ich glaube, ich sollte schleunigst zurück zu meinem Chef, bevor er am Ende eine Vermisstenanzeige aufgibt. Wegen der Website melde mich bei dir, Anna! Tschüss ihr drei!« Im Laufschritt eilte sie in Richtung des weißen Zeltes.

»Sympathische junge Frau, findest du nicht?« Ich sah Nick abwartend an, doch er schien meine Frage nicht gehört zu haben. »Hallo, Nick? Alles in Ordnung?«

»Sorry, ich war in Gedanken.«

»Das war nicht zu übersehen. Du bist gedanklich bei dem Fall, habe ich recht? Seid ihr weitergekommen?«

»Nein, leider nicht, uns fehlt das Motiv, vom Täter ganz zu schweigen. Aber nun lass uns etwas essen gehen. Worauf hast du Lust? Fisch, Fleisch oder vegetarisch?«, erkundigte er sich, während wir zwischen den Buden und Zelten entlang marschierten. Kulinarisch blieben wirklich keine Wünsche offen, was die Entscheidung umso schwerer machte.

»Ich glaube, mir steht heute der Sinn nach Fisch«, entschied ich.

»Gute Wahl, da schließe ich mich gerne an. Mal sehen, was es Leckeres gibt«, erwiderte Nick.

Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, kontrollierte Nick sein Handy auf eventuell eingegangene Benachrichtigungen.

»Gute oder schlechte Nachrichten?«, versuchte ich seinen Gesichtsausdruck zu deuten.

»Weder noch«, murmelte er und ließ das Telefon in seiner Hosentasche verschwinden. »Wir kommen nicht richtig voran.«

»Habt ihr denn einen ersten Verdacht, warum der Mann umgebracht worden sein könnte?«

»Nein, wie ich bereits sagte, fehlt bislang ein klares Motiv, ebenso der Hinweis auf den möglichen Täter. Wie es scheint, hat der Tote sehr zurückgezogen ohne nennenswerte Sozialkontakte gelebt. Wir sind dabei, sein Umfeld zu durchleuchten. Strafrechtlich ist er nicht in Erscheinung getreten, noch nicht einmal ein Verkehrsdelikt hat er sich zuschulden kommen lassen. Wir konnten keine Freunde oder Verwandte ausfindig machen, die uns näher Auskunft über ihn geben könnten. Seine Eltern sind bereits verstorben. Es scheint, als wäre er tatsächlich ein absoluter Einzelgänger gewesen.«

»Gibt es denn überhaupt keinen einzigen Anhaltspunkt, an dem man ansetzen könnte?«

»In seiner Wohnung wurde eine größere Summe Bargeld gefunden, obwohl seine Konten ansonsten ziemlich leer sind. Das erscheint merkwürdig. Sein letzter Arbeitgeber hatte ihm vor einiger Zeit gekündigt, eine neue Stelle hatte er danach nicht, daher stellt sich uns die Frage, woher das Geld stammt«, fasste Nick zusammen.

»Er könnte sich das Geld von jemandem geliehen haben. Oder er hat etwas verkauft, das wertvoll war. Vielleicht hat er es aber auch gestohlen. Bei einem Bankraub beispielsweise?« Nick schüttelte den Kopf. »Eine weitere Möglichkeit wäre, er hat das Geld bloß für jemanden aufbewahrt, und es gehörte ihm gar nicht«, rätselte ich. Als ich Nicks skeptische Miene sah, fügte ich schnell hinzu: »Dann hat er das Geld eben gewonnen. Mehr Ideen habe ich auch nicht«, setzte ich an dieser Stelle meinen Spekulationen ein Ende.

»Gewonnen«, wiederholte Nick, und ich konnte beinahe sehen, wie es hinter seiner Stirn angestrengt arbeitete.

»Ja, das wäre immerhin eine Möglichkeit. Im Falle eines größeren Lottogewinns hätte er den Gewinn bestimmt nicht in bar erhalten. Ich glaube, ab einer bestimmten Summe bekommt man das Geld überwiesen, allerdings kenne ich mich diesbezüglich nicht aus, ich spiele kein Lotto.«

»Du hast mich gerade auf eine Idee gebracht, Anna! Ich muss los, Uwe wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf meine Rückkehr.« Er drückte mir einen Kuss auf die Wange, strich Pepper kurz über den Kopf und machte sich auf den Weg. »Wir sehen uns heute Abend!«

»Komm nicht so spät, ja?«, rief ich ihm nach.

»Ich versuche es.«

Ich sah ihm nach, wie er mit großen Schritten davoneilte und alsbald von der dichten Menschenmenge verschluckt wurde.

»Gut, dass du kommst! Es gibt interessante Neuigkeiten«, wurde Nick aufgeregt von Uwe begrüßt, kaum hatte er die Bürotür geöffnet.

»Anna hat mich eben auf eine Idee gebracht, aber du zuerst. Was gibt es denn so Wichtiges? Du bist ja richtig aufgeregt.« Er lachte.

»Stell dir vor, die DNA-Spuren, die unter Richard Münkels Fingernägeln gefunden wurden, wurden ebenfalls am Container sichergestellt. Sie stammen von ein und derselben Person. Da bist du platt, was?« Gespannt wartete Uwe auf die Reaktion seines Gegenübers.

»Das nenne ich in der Tat eine Überraschung, zumal die beiden Tatorte Hörnum und Westerland räumlich enorm weit auseinanderliegen«, stimmte Nick verblüfft zu.

»Das beweist eindeutig, dass Richard Münkel am Container gewesen sein muss«, betonte Uwe.

»Da muss ich dir widersprechen, Uwe. Münkel kann sich dort aufgehalten oder den Einbrecher vom Container woanders getroffen haben, muss er aber nicht zwingend. Das Einzige, was sich daraus ableiten lässt, ist die Tatsache, dass er mit demjenigen in Kontakt gekommen ist, der am Container seine Spuren hinterlassen hat. Derjenige muss wiederum nicht zwangsläufig identisch mit seinem Mörder sein. Sie könnten ebenso auf anderem Wege in Kontakt gekommen sein.«

»Warum hatte Münkel dann aber seine DNA unter den Fingernägeln, frage ich dich. Dr. Luhrmaier hat außerdem Abwehrspuren bei Münkel gefunden. Nein, Nick, in diesem Fall glaube ich nicht an einen Zufall. Ich denke viel mehr, Münkel hat den Einbrecher auf frischer Tat ertappt, daraufhin eskalierte die Situation, es kam zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, infolgedessen Münkel zu Tode kam. Ob das nun vorsätzlich oder im Affekt geschah, muss abschließend geklärt werden«, beharrte Uwe auf seiner Theorie und begann als Erstes das Schokocroissant zu essen, das einem Rosinenbrötchen und einem Hefeteilchen mit Zuckerglasur aus der Tüte gefolgt war. Alle drei Gebäckstücke hatte er auf einen Teller gelegt. »Ich sagte doch, ich habe noch nicht gefrühstückt«, kommentierte er Nicks Blick.

»Ich sage doch gar nichts«, hob dieser abwehrend die Hände.

»Dein Blick genügt. Zurück zum Fall.« Uwe biss mit Appetit in das Croissant, wobei sich einige Krümel in seinem Bart verfingen.

»Deiner Ansicht nach hat der Täter das Opfer, nachdem er es getötet hat, meterweit mit sich geschleppt, in einen Wagen verfrachtet und anschließend nach Hörnum gefahren, um es ins Hafenbecken zu werfen? Sorry, Uwe, aber das ist viel zu umständlich, riskant und ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Zumal sich mir dann eine zweite Frage stellt: Weshalb haben wir Münkels Wagen mit steckendem Zündschlüssel auf dem Parkplatz in Hörnum gefunden? Wie soll das Auto dorthin gekommen sein, wenn er selbst zu diesem Zeitpunkt bereits tot war? Im Wageninneren befand sich keinerlei Fremd-DNA. Wäre Münkel tot in seinem eigenen Wagen transportiert worden, hätte die Kriminaltechnik etwas finden müssen. Jeder hinterlässt irgendwelche Spuren, das ist nicht neu.«

Uwe stieß einen tiefen Seufzer aus, widmete sich dem Rosinenbrötchen und steckte das Hefeteilchen für später zurück in die Papiertüte. »Okay, okay. Vielleicht hast du recht, zu viele Ungereimtheiten. Irgendeine Verbindung muss es trotzdem geben, oder glaubst du an puren Zufall? Das kann ich mir nun wieder nicht vorstellen.«

Nick schüttelte den Kopf. »Ich gehe ebenfalls nicht von einem Zufall aus. Möglicherweise war Münkel Zeuge, als in den Container eingebrochen wurde. Er ist dem Täter anschließend gefolgt, um ihn zur Rede zu stellen. Vielleicht hat er ihm mit der Polizei gedroht oder ihn tatsächlich mit seinem Wissen erpresst. Das ist jedoch alles reine Spekulation.«

»So könnte es gewesen sein. Folglich denkst du, dass daher das Geld aus seiner Wohnung stammen könnte? So viel? Vergiss jedoch bitte nicht, dass nichts gestohlen wurde. Glaubst du ernsthaft, jemand zahlt derart viel Geld?«

»Ehrlich gesagt nicht, da der Faktor Zeit an dieser Stelle nicht passt. Der Einbruch und Münkels Tod liegen zu eng beieinander«, gab Nick zu und widerlegte gleichzeitig seine eigene Theorie. »Dass sich der Täter sofort auf die Erpressung eingelassen und Münkel umgehend das Geld ausgehändigt haben soll, ist äußerst unwahrscheinlich. Normalerweise läuft niemand mit 10.000 Euro in der Tasche herum.«

»Puh!« Uwe stieß lautstark die Luft aus. »Das wird immer komplizierter. Du hast vorhin erwähnt, dass Anna dich auf eine Idee gebracht hat. Was hat sie gesagt?«

»Anna erwähnte die Möglichkeit, Münkel könne das Geld genauso gut gewonnen haben.«

Uwe sah Nick überrascht an. »Ein interessanter Ansatz. Denkst du dabei an illegales Glücksspiel?«

»Nicht unbedingt. Unser Opfer kann eine Spielbank aufgesucht haben und das Geld auf vollkommen legalem Weg gewonnen haben. Ein Besuch in einer Spielbank ist nicht verboten. Der Zutritt steht jedem Erwachsenen frei«, hielt Nick dagegen.

»Spielbank ist ein gutes Stichwort. Das haben wir gleich.«

Uwe griff beherzt zum Hörer und stellte auf Lautsprecher, damit Nick mithören konnte.

»Deine Anna hat oft gute Ideen, wir sollten darüber nachdenken, sie mit ins Team zu holen.« Er lachte. »Und nun lass uns fahren, hoffentlich haben wir Erfolg.«

Ein kleiner, untersetzter Mann, der sich als Oskar Hönnberg vorstellte, führte Nick und Uwe in einen fensterlosen Raum.

»Was kann ich für Sie tun? Am Telefon sagten Sie, es wäre dringend, Herr Wilmsen«, erkundigte sich der Chef der Sylter Spielbank und bot seinen Gästen gleichzeitig einen Platz an.

»Wir benötigen lediglich eine Auskunft. Kennen Sie diesen Mann? Seine Name ist Richard Münkel.« Uwe reichte ihm ein Foto von Richard Münkel.

Der Blick des Mannes verharrte einige Sekunden auf dem Bild, bevor er den Kopf hob und die Beamten nacheinander ansah.

»Ich bedauere sehr, aber ich habe diesen Mann nie gesehen. Auch der Name sagt mir nichts«, erklärte er mit entschuldigender Miene.

»Sind Sie absolut sicher?«, vergewisserte sich Nick, der sich mehr von diesem Besuch erhofft hatte.

»Ja, das kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Sie müssen wissen, ich habe ein ausgesprochen ausgeprägtes Gedächtnis, was Gesichter angeht. Eine Gabe, die mir bei meinem Beruf sehr zugute kommt. Wenn dieser Mann jemals bei uns im Hause gewesen wäre, würde ich mich an ihn erinnern.« Er legte eine Pause ein, während Uwe das Foto zurück in seine Tasche steckte. »Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit Sie nach dem Mann fahnden? Handelt es sich um einen Betrüger?«

»Wir fahnden nicht nach ihm, wir ermitteln in einem Tötungsdelikt«, ließ Uwe ihn wissen.

»Oh, das ist schrecklich.« Seine Überraschung wirkte ehrlich. »Darf ich fragen, warum Sie in diesem Fall ausgerechnet zu mir kommen?«

»Ich bitte um Ihr Verständnis, aber dazu darf ich Ihnen aus ermittlungstechnischen Gründen leider keine Einzelheiten nennen.«

»Natürlich, das verstehe ich«, zeigte sich der Spielbankchef einsichtig und sah von weiteren Fragen ab.

»Gibt es eventuell Mitarbeiter, die den Mann gesehen haben könnten? Es besteht doch immerhin die Möglichkeit, dass Sie in irgendeiner Form – durch Urlaub, arbeitsfreie Tage oder Krankheit – abwesend waren und Ihnen Herr Münkel daher nicht im Gedächtnis geblieben ist«, war Uwe um eine vorsichtige Formulierung bemüht, um den Mann bei Laune zu halten, in der Hoffnung, doch noch etwas herausfinden zu können.

»Selbstverständlich steht es Ihnen frei, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu befragen. Wenn ich Sie um einen Augenblick Geduld bitten dürfte, ich bin sofort zurück.« Oskar Hönnberg setzte ein höfliches Lächeln auf und ließ die beiden Beamten allein.

Keine fünf Minuten später kehrte er mit einem halben Dutzend Angestellter zurück. Nachdem Nick und Uwe alle Personen befragt hatten, kehrten sie gleichermaßen resigniert wie erschöpft ins Polizeirevier zurück.

»Niemand will Richard Münkel dort gesehen haben, es ist zum Haareraufen«, beklagte sich Uwe und fuhr sich automatisch mit der Hand über den Kopf.

»Was daran liegen könnte, dass Münkel tatsächlich nie einen Fuß in diese Spielbank gesetzt hat«, baute Nick seine Ausführungen aus. »Er könnte dennoch überall woanders gespielt haben.«

»Er hat in Westerland gewohnt. Die Möglichkeit zu spielen, liegt direkt vor seiner Haustür«, widersprach Uwe.

»Eben.«

»Eben?«

»Überleg doch mal, Uwe! Münkel ist von Beruf Butler und in der guten Gesellschaft der Insel bekannt. Die Wahrscheinlichkeit, jemandem am Spieltisch zu begegnen, ist äußerst hoch. Wie würde es aussehen, wenn jemand von seiner Spielleidenschaft erfährt? Wirkt das nicht unseriös? Höchstwahrscheinlich war Münkel um seinen Ruf besorgt«, gab Nick zu bedenken.

»Oder wollte seine Arbeitgeber schützen«, ergänzte Uwe.

»Glaubst du, seine Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber ging so weit?« Nick runzelte die Stirn.

Uwe zuckte mit den Achseln. »Und was jetzt? Sollen wir etwa alle Spielbanken in ganz Deutschland abklappern? Damit werden wir nie fertig!«

»Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben. Du fängst in Bayern an«, erwiderte Nick mit todernster Miene.

»Oh, Nick, das ist nicht dein Ernst!«, stöhnte Uwe gequält. »Wir können unmöglich alle Casinos im ganzen Land überprüfen.«

Nick musste grinsen. »Ich glaube nicht, dass das notwendig sein wird. Wir konzentrieren uns vorerst auf die in Schleswig-Holstein.«

»Und wenn er in irgendeiner kleinen Klitsche gespielt hat oder in einem Hinterhof, womöglich illegal, dann bekommen wir das nie heraus«, klagte Uwe.

»Schritt für Schritt. Irgendwo müssen wir ja ansetzen.« Nick setzte sich an seinen Rechner und begann auf der Tastatur zu tippen. »Hier: Spielbanken gibt es außer auf Sylt in Schenefeld, Lübeck, Kiel und Flensburg. Ich schlage vor, wir schicken Münkels Foto an die Kollegen vor Ort mit der Bitte, sich zunächst in den Casinos umzuhören. Meiner Meinung nach sollten wir Hamburg nicht außer Acht lassen. Wenn Münkel gespielt hat, wäre es denkbar, dass er dort gewesen sein könnte. In einer Großstadt konnte er sich unauffälliger bewegen als in der Provinz. Insa Schröder hat erwähnt, dass er sie zum Flughafen gefahren hat. Dies wäre eine Gelegenheit für ihn gewesen, seinen Aufenthalt dort mit einem Abstecher in die Spielbank zu verbinden.«

»Das klingt nachvollziehbar. Wie wir aufgrund der Laptopauswertung mit Gewissheit sagen können, hat Münkel im Netz gepokert. Was ist, wenn er ausschließlich auf diesem Weg seiner Spielleidenschaft nachgegangen ist? In Zeiten des Internets hätte er sich somit den umständlichen Weg in eine Spielbank auf dem Festland problemlos sparen können.«

»Dann wäre der Gewinn auf seinem Konto gelandet und nicht in großen Scheinen in seiner Wohnung«, erinnerte ihn Nick.

»Da ist was dran. Warten wir ab, was die Anfragen ergeben.«

»Ich rufe zunächst den Kollegen Martin Wiessmann in Hamburg an. Ich habe ihn letztes Jahr auf einer Schulung kennengelernt und bin überzeugt, er wird uns helfen«, sagte Nick und wischte über das Display seines Handys auf der Suche nach dem entsprechenden Kontakteintrag. Uwe stieß einen tiefen Seufzer aus. »Soll ich ihn nicht anrufen?« Er sah seinen Freund und Kollegen verwirrt an.

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
26 mayıs 2021
Hacim:
284 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9783839266045
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