Kitabı oku: «Die Frage der Laienanalyse», sayfa 2

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»Und wenn ein so wichtiges seelisches Hinterland existiert, wie können Sie mir begreiflich machen, daß es bis zur Zeit der Analyse übersehen wurde?«

Damit sind wir zu einer Ihrer früheren Fragen zurückgekehrt. Die Psychologie hatte sich den Zugang zum Gebiet des Es versperrt, indem sie an einer Voraussetzung festhielt, die nahe genug liegt, aber doch nicht haltbar ist. [25]Nämlich, daß alle seelischen Akte uns bewußt sind, daß Bewußt-sein das Kennzeichen des Seelischen ist, und daß, wenn es nichtbewußte Vorgänge in unserem Gehirn gibt, diese nicht den Namen seelischer Akte verdienen und die Psychologie nichts angehen.

»Ich meine, das ist doch selbstverständlich.«

Ja, das meinen die Psychologen auch, aber es ist doch leicht zu zeigen, daß es falsch, das heißt: eine ganz unzweckmäßige Sonderung ist. Die bequemste Selbstbeobachtung lehrt, daß man Einfälle haben kann, die nicht ohne Vorbereitung zustande gekommen sein können. Aber von diesen Vorstufen Ihres Gedankens, die doch wirklich auch seelischer Natur gewesen sein müssen, erfahren Sie nichts, in Ihr Bewußtsein tritt nur das fertige Resultat. Gelegentlich können Sie sich nachträglich diese vorbereitenden Gedankenbildungen wie in einer Rekonstruktion bewußt machen.

»Wahrscheinlich war die Aufmerksamkeit abgelenkt, so daß man diese Vorbereitungen nicht bemerkt hat.«

Ausflüchte! Sie kommen so um die Tatsache nicht herum, daß in Ihnen Akte seelischer Natur, oft sehr komplizierte, vorgehen können, von denen Ihr Bewußtsein nichts erfährt, von denen Sie nichts wissen. Oder sind Sie zu der Annahme bereit, daß etwas mehr oder weniger von Ihrer »Aufmerksamkeit« hinreicht, um einen nicht seelischen Akt in einen seelischen zu verwandeln? Übrigens wozu der Streit? Es gibt hypnotische Experimente, in denen die Existenz solcher nicht bewußter Gedanken für jedermann, der lernen will, unwiderleglich demonstriert wird.

»Ich will nicht leugnen, aber ich glaube, ich verstehe Sie endlich. Was Sie Ich heißen, ist das Bewußtsein und Ihr Es [26]ist das sogenannte Unterbewußtsein, von dem jetzt so viel die Rede ist. Aber wozu die Maskerade durch die neuen Namen?«

Es ist keine Maskerade, diese anderen Namen sind unbrauchbar. Und versuchen Sie nicht, mir Literatur anstatt Wissenschaft zu geben. Wenn jemand vom Unterbewußtsein spricht, weiß ich nicht, meint er es topisch, etwas was in der Seele unterhalb des Bewußtseins liegt, oder qualitativ, ein anderes Bewußtsein, ein unterirdisches gleichsam. Wahrscheinlich macht er sich überhaupt nichts klar. Der einzig zulässige Gegensatz ist der zwischen bewußt und unbewußt. Aber es wäre ein folgenschwerer Irrtum zu glauben, dieser Gegensatz fiele mit der Scheidung von Ich und Es zusammen. Allerdings, es wäre wunderschön, wenn es so einfach wäre, unsere Theorie hätte dann ein leichtes Spiel, aber es ist nicht so einfach. Richtig ist nur, daß alles, was im Es vorgeht, unbewußt ist und bleibt, und daß die Vorgänge im Ich bewußt werden können, sie allein. Aber sie sind es nicht alle, nicht immer, nicht notwendig und große Anteile des Ichs können dauernd unbewußt bleiben.

Mit dem Bewußtwerden eines seelischen Vorgangs ist es eine komplizierte Sache. Ich kann es mir nicht versagen, Ihnen – wiederum dogmatisch – darzustellen, was wir darüber annehmen. Sie erinnern sich, das Ich ist die äußere, peripherische Schicht des Es. Nun glauben wir, an der äußersten Oberfläche dieses Ichs befinde sich eine besondere, der Außenwelt direkt zugewendete Instanz, ein System, ein Organ, durch dessen Erregung allein das Phänomen, das wir Bewußtsein heißen, zustande kommt. Dies Organ kann ebensowohl von außen erregt werden, nimmt also mit [27]Hilfe der Sinnesorgane die Reize der Außenwelt auf, wie auch von innen her, wo es zuerst die Sensationen im Es und dann auch die Vorgänge im Ich zur Kenntnis nehmen kann.

»Das wird immer ärger und entzieht sich immer mehr meinem Verständnis. Sie haben mich doch zu einer Unterredung über die Frage eingeladen, ob auch Laien = Nichtärzte analytische Behandlungen unternehmen sollen. Wozu dann diese Auseinandersetzungen über gewagte, dunkle Theorien, von deren Berechtigung Sie mich doch nicht überzeugen können?«

Ich weiß, daß ich Sie nicht überzeugen kann. Es liegt außerhalb jeder Möglichkeit und darum auch außerhalb meiner Absicht. Wenn wir unseren Schülern theoretischen Unterricht in der Psychoanalyse geben, so können wir beobachten, wie wenig Eindruck wir ihnen zunächst machen. Sie nehmen die analytischen Lehren mit derselben Kühle hin wie andere Abstraktionen, mit denen sie genährt wurden. Einige wollen vielleicht überzeugt werden, aber keine Spur davon, daß sie es sind. Nun verlangen wir auch, daß jeder, der die Analyse an anderen ausüben will, sich vorher selbst einer Analyse unterwerfe. Erst im Verlauf dieser »Selbstanalyse« (wie sie mißverständlich genannt wird), wenn sie die von der Analyse behaupteten Vorgänge am eigenen Leib – richtiger: an der eigenen Seele – tatsächlich erleben, erwerben sie sich die Überzeugungen, von denen sie später als Analytiker geleitet werden. Wie darf ich also erwarten, Sie, den Unparteiischen, von der Richtigkeit unserer Theorien zu überzeugen, dem ich nur eine unvollständige, verkürzte und darum undurchsichtige Darstellung derselben ohne Bekräftigung durch Ihre eigenen Erfahrungen vorlegen kann?

[28]Ich handle in anderer Absicht. Es ist zwischen uns gar nicht die Frage, ob die Analyse klug oder unsinnig ist, ob sie in ihren Aufstellungen recht hat oder in grobe Irrtümer verfällt. Ich rolle unsere Theorien vor Ihnen auf, weil ich Ihnen so am besten klarmachen kann, welchen Gedankeninhalt die Analyse hat, von welchen Voraussetzungen sie beim einzelnen Kranken ausgeht, und was sie mit ihm vornimmt. Dadurch wird dann ein ganz bestimmtes Licht auf die Frage der Laienanalyse geworfen werden. Seien Sie übrigens ruhig, Sie haben, wenn Sie mir soweit gefolgt sind, das Ärgste überstanden, alles Folgende wird Ihnen leichter werden. Jetzt aber lassen Sie mich eine Atempause machen.

[29]III

»Ich erwarte, daß Sie mir aus den Theorien der Psychoanalyse ableiten wollen, wie man sich die Entstehung eines nervösen Leidens vorstellen kann.«

Ich will es versuchen. Zu dem Zweck müssen wir aber unser Ich und unser Es von einem neuen Gesichtspunkt aus studieren, vom dynamischen, das heißt mit Rücksicht auf die Kräfte, die in und zwischen ihnen spielen. Vorhin hatten wir uns ja mit der Beschreibung des seelischen Apparats begnügt.

»Wenn es nur nicht wieder so unfaßbar wird!«

Ich hoffe, nicht. Sie werden sich bald zurechtfinden. Also wir nehmen an, daß die Kräfte, welche den seelischen Apparat zur Tätigkeit treiben, in den Organen des Körpers erzeugt werden als Ausdruck der großen Körperbedürfnisse. Sie erinnern sich an das Wort unseres Dichterphilosophen: Hunger und Liebe. Übrigens ein ganz respektables Kräftepaar! Wir heißen diese Körperbedürfnisse, insoferne sie Anreize für seelische Tätigkeit darstellen, Triebe, ein Wort, um das uns viele moderne Sprachen beneiden. Diese Triebe erfüllen nun das Es, alle Energie im Es, können wir abkürzend sagen, stammt von ihnen. Die Kräfte im Ich haben auch keine andere Herkunft, sie sind von denen im Es abgeleitet. Was wollen nun die Triebe? Befriedigung, das heißt die Herstellung solcher Situationen, in denen die Körperbedürfnisse erlöschen können. Das Herabsinken der Bedürfnisspannung wird von unserem Bewußtseinsorgan als lustvoll empfunden, eine Steigerung derselben bald als Unlust. Aus diesen Schwankungen entsteht die Reihe von Lust-Unlustempfindungen, nach der der ganze [30]seelische Apparat seine Tätigkeit reguliert. Wir sprechen da von einer »Herrschaft des Lustprinzips«.

Es kommt zu unerträglichen Zuständen, wenn die Triebansprüche des Es keine Befriedigung finden. Die Erfahrung zeigt bald, daß solche Befriedigungssituationen nur mit Hilfe der Außenwelt hergestellt werden können. Damit tritt der der Außenwelt zugewendete Anteil des Es, das Ich, in Funktion. Wenn alle treibende Kraft, die das Fahrzeug von der Stelle bringt, vom Es aufgebracht wird, so übernimmt das Ich gleichsam die Steuerung, bei deren Ausfall ja ein Ziel nicht zu erreichen ist. Die Triebe im Es drängen auf sofortige, rücksichtslose Befriedigung, erreichen auf diese Weise nichts oder erzielen selbst fühlbare Schädigung. Es wird nun die Aufgabe des Ichs, diesen Mißerfolg zu verhüten, zwischen den Ansprüchen des Es und dem Einspruch der realen Außenwelt zu vermitteln. Es entfaltet seine Tätigkeit nun nach zwei Richtungen. Einerseits beobachtet es mit Hilfe seines Sinnesorgans, des Bewußtseinssystems, die Außenwelt, um den günstigen Moment für schadlose Befriedigung zu erhaschen, anderseits beeinflußt es das Es, zügelt dessen »Leidenschaften«, veranlaßt die Triebe, ihre Befriedigung aufzuschieben, ja, wenn es als notwendig erkannt wird, ihre Ziele zu modifizieren, oder sie gegen Entschädigung aufzugeben. Indem es die Regungen des Es in solcher Weise bändigt, ersetzt es das früher allein maßgebende Lustprinzip durch das sogenannte Realitätsprinzip, das zwar dieselben Endziele verfolgt, aber den von der realen Außenwelt gesetzten Bedingungen Rechnung trägt. Später lernt das Ich, daß es noch einen anderen Weg zur Versicherung der Befriedigung gibt als die beschriebene Anpassung an die [31]Außenwelt. Man kann auch verändernd in die Außenwelt eingreifen und in ihr absichtlich jene Bedingungen herstellen, welche die Befriedigung ermöglichen. Diese Tätigkeit wird dann zur höchsten Leistung des Ichs; die Entscheidungen, wann es zweckmäßiger ist, seine Leidenschaften zu beherrschen und sich vor der Realität zu beugen, oder ihre Partei zu ergreifen und sich gegen die Außenwelt zur Wehr zu setzen, sind das Um und Auf der Lebensklugheit.

»Und läßt sich das Es eine solche Beherrschung durch das Ich gefallen, wo es doch, wenn ich Sie recht verstehe, der stärkere Teil ist?«

Ja, es geht gut, wenn das Ich seine volle Organisation und Leistungsfähigkeit besitzt, zu allen Teilen des Es Zugang hat und seinen Einfluß auf sie üben kann. Es besteht ja keine natürliche Gegnerschaft zwischen Ich und Es, sie gehören zusammen und sind im Falle der Gesundheit praktisch nicht voneinander zu scheiden.

»Das läßt sich alles hören, aber ich sehe nicht, wo sich in diesem idealen Verhältnis ein Plätzchen für die Krankheitsstörung findet.«

Sie haben recht; solange das Ich und seine Beziehungen zum Es diese idealen Anforderungen erfüllen, gibt es auch keine nervöse Störung. Die Einbruchsstelle der Krankheit liegt an einem unerwarteten Ort, obwohl ein Kenner der allgemeinen Pathologie nicht überrascht sein wird, bestätigt zu finden, daß gerade die bedeutsamsten Entwicklungen und Differenzierungen den Keim zur Erkrankung, zum Versagen der Funktion, in sich tragen.

»Sie werden zu gelehrt, ich verstehe Sie nicht.«

Ich muß ein bißchen weiter ausholen. Nicht wahr, das kleine Lebewesen ist ein recht armseliges, ohnmächtiges [32]Ding gegen die übergewaltige Außenwelt, die voll ist von zerstörenden Einwirkungen. Ein primitives Lebewesen, das keine zureichende Ichorganisation entwickelt hat, ist all diesen »Traumen« ausgesetzt. Es lebt der »blinden« Befriedigung seiner Triebwünsche und geht so häufig an dieser zugrunde. Die Differenzierung eines Ichs ist vor allem ein Schritt zur Lebenserhaltung. Aus dem Untergang läßt sich zwar nichts lernen, aber wenn man ein Trauma glücklich bestanden hat, achtet man auf die Annäherung ähnlicher Situationen und signalisiert die Gefahr durch eine verkürzte Wiederholung der beim Trauma erlebten Eindrücke, durch einen Angstaffekt. Diese Reaktion auf die Wahrnehmung der Gefahr leitet nun den Fluchtversuch ein, der so lange lebensrettend wirkt, bis man genug erstarkt ist, um dem Gefährlichen in der Außenwelt in aktiverer Weise, vielleicht sogar durch Aggression zu begegnen.

»Das ist alles sehr weit weg von dem, was Sie versprochen haben.«

Sie ahnen nicht, wie nah ich der Erfüllung meines Versprechens gekommen bin. Auch bei den Lebewesen, die später eine leistungsfähige Ichorganisation haben, ist dieses Ich zuerst in den Jahren der Kindheit schwächlich und vom Es wenig differenziert. Nun stellen Sie sich vor, was geschehen wird, wenn dieses machtlose Ich einen Triebanspruch aus dem Es erlebt, dem es bereits widerstehen möchte, weil es errät, daß dessen Befriedigung gefährlich ist, eine traumatische Situation, einen Zusammenstoß mit der Außenwelt heraufbeschwören würde, den es aber nicht beherrschen kann, weil es die Kraft dazu noch nicht besitzt. Das Ich behandelt dann die Triebgefahr, als ob es eine äußere Gefahr wäre, es unternimmt einen Fluchtversuch, [33]zieht sich von diesem Anteil des Es zurück und überläßt ihn seinem Schicksal, nachdem es ihm alle Beiträge, die es sonst zu den Triebregungen stellt, verweigert hat. Wir sagen, das Ich nimmt eine Verdrängung dieser Triebregungen vor. Das hat für den Augenblick den Erfolg, die Gefahr abzuwehren, aber man verwechselt nicht ungestraft das Innen und das Außen. Man kann nicht vor sich selbst davonlaufen. Bei der Verdrängung folgt das Ich dem Lustprinzip, welches es sonst zu korrigieren pflegt, es hat dafür den Schaden zu tragen. Dieser besteht darin, daß das Ich nun seinen Machtbereich dauernd eingeschränkt hat. Die verdrängte Triebregung ist jetzt isoliert, sich selbst überlassen, unzugänglich, aber auch unbeeinflußbar. Sie geht ihren eigenen Weg. Das Ich kann zumeist auch später, wenn es erstarkt ist, die Verdrängung nicht mehr aufheben, seine Synthese ist gestört, ein Teil des Es bleibt für das Ich verbotener Grund. Die isolierte Triebregung bleibt aber auch nicht müßig, sie weiß sich dafür, daß ihr die normale Befriedigung versagt ist, zu entschädigen, erzeugt psychische Abkömmlinge, die sie vertreten, setzt sich mit anderen Vorgängen in Verknüpfung, die sie durch ihren Einfluß gleichfalls dem Ich entreißt, und bricht endlich in einer unkenntlich entstellten Ersatzbildung ins Ich und zum Bewußtsein durch, schafft das, was man ein Symptom nennt. Mit einem Male sehen wir den Sachverhalt einer nervösen Störung vor uns: ein Ich, das in seiner Synthese gehemmt ist, das auf Teile des Es keinen Einfluß hat, das auf manche seiner Tätigkeiten verzichten muß, um einen neuerlichen Zusammenstoß mit dem Verdrängten zu vermeiden, das sich in meist vergeblichen Abwehraktionen gegen die Symptome, die Abkömmlinge der verdrängten Regungen, [34]erschöpft, und ein Es, in dem sich einzelne Triebe selbständig gemacht haben, ohne Rücksicht auf die Interessen der Gesamtperson ihre Ziele verfolgen und nur mehr den Gesetzen der primitiven Psychologie gehorchen, die in den Tiefen des Es gebietet. Übersehen wir die ganze Situation, so erweist sich uns als einfache Formel für die Entstehung der Neurose, daß das Ich den Versuch gemacht hat, gewisse Anteile des Es in ungeeigneter Weise zu unterdrücken, daß dies mißlungen ist und das Es dafür seine Rache genommen hat. Die Neurose ist also die Folge eines Konflikts zwischen Ich und Es, in den das Ich eintritt, weil es, wie eingehende Untersuchung zeigt, durchaus an seiner Gefügigkeit gegen die reale Außenwelt festhalten will. Der Gegensatz läuft zwischen Außenwelt und Es, und weil das Ich, seinem innersten Wesen getreu, für die Außenwelt Partei nimmt, gerät es in Konflikt mit seinem Es. Beachten Sie aber wohl, nicht die Tatsache dieses Konflikts schafft die Bedingung des Krankseins, – denn solche Gegensätze zwischen Realität und Es sind unvermeidlich und das Ich führt unter seinen beständigen Aufgaben, in ihnen zu vermitteln, – sondern der Umstand, daß das Ich sich zur Erledigung des Konflikts des unzureichenden Mittels der Verdrängung bedient hat. Dies hat aber selbst seinen Grund darin, daß das Ich zur Zeit, als sich ihm die Aufgabe stellte, unentwickelt und ohnmächtig war. Die entscheidenden Verdrängungen fallen ja alle in früher Kindheit vor.

»Welch ein merkwürdiger Weg! Ich folge Ihrem Rat, nicht zu kritisieren, da Sie mir ja nur zeigen wollen, was die Psychoanalyse von der Entstehung der Neurose glaubt, um daran zu knüpfen, was sie zu ihrer Bekämpfung unternimmt. Ich hätte verschiedenes zu fragen, werde einiges [35]auch später vorbringen. Zunächst verspüre ich auch einmal die Versuchung, auf Grund Ihrer Gedankengänge weiter zu bauen und selbst eine Theorie zu wagen. Sie haben die Relation Außenwelt – Ich – Es entwickelt und als die Bedingung der Neurose hingestellt, daß das Ich in seiner Abhängigkeit von der Außenwelt das Es bekämpft. Ist nicht auch der andere Fall denkbar, daß das Ich in einem solchen Konflikt sich vom Es fortreißen läßt und seine Rücksicht auf die Außenwelt verleugnet? Was geschieht in einem solchen Falle? Nach meinen laienhaften Vorstellungen von der Natur einer Geisteskrankheit könnte diese Entscheidung des Ichs die Bedingung der Geisteskrankheit sein. Solch eine Abwendung von der Wirklichkeit scheint doch das Wesentliche an der Geisteskrankheit.«

Ja, daran habe ich selbst gedacht, und halte es sogar für zutreffend, wenngleich der Erweis dieser Vermutung eine Diskussion von recht komplizierten Verhältnissen erfordert. Neurose und Psychose sind offenbar innig verwandt und müssen sich doch in einem entscheidenden Punkt voneinander trennen. Dieser Punkt könnte wohl die Parteinahme des Ichs in einem solchen Konflikt sein. Das Es würde in beiden Fällen seinen Charakter von blinder Unnachgiebigkeit bewahren.

»Nun setzen Sie fort. Welche Winke gibt ihre Theorie für die Behandlung der neurotischen Erkrankungen?«

Unser therapeutisches Ziel ist jetzt leicht zu umschreiben. Wir wollen das Ich herstellen, es von seinen Einschränkungen befreien, ihm die Herrschaft über das Es wiedergeben, die es infolge seiner frühen Verdrängungen eingebüßt hat. Nur zu diesem Zweck machen wir die Analyse, unsere ganze Technik ist auf dieses Ziel gerichtet. Wir [36]haben die vorgefallenen Verdrängungen aufzusuchen und das Ich zu bewegen, sie nun mit unserer Hilfe zu korrigieren, die Konflikte besser als durch einen Fluchtversuch zu erledigen. Da diese Verdrängungen sehr frühen Kinderjahren angehören, führt uns auch die analytische Arbeit in diese Lebenszeit zurück. Den Weg zu den meist vergessenen Konfliktsituationen, die wir in der Erinnerung des Kranken wiederbeleben wollen, weisen uns die Symptome, Träume und freien Einfälle des Kranken, die wir allerdings erst deuten, übersetzen müssen, da sie unter dem Einfluß der Psychologie des Es für unser Verständnis fremdartige Ausdrucksformen angenommen haben. Von den Einfällen, Gedanken und Erinnerungen, die uns der Patient nicht ohne inneres Sträuben mitteilen kann, dürfen wir annehmen, daß sie irgendwie mit dem Verdrängten zusammenhängen oder Abkömmlinge desselben sind. Indem wir den Kranken dazu antreiben, sich über seine Widerstände bei der Mitteilung hinauszusetzen, erziehen wir sein Ich dazu, seine Neigung zu Fluchtversuchen zu überwinden und die Annäherung des Verdrängten zu vertragen. Am Ende, wenn es gelungen ist, die Situation der Verdrängung in seiner Erinnerung zu reproduzieren, wird seine Gefügigkeit glänzend belohnt. Der ganze Unterschied der Zeiten läuft zu seinen Gunsten, und das, wovor sein kindliches Ich erschreckt die Flucht ergriffen hatte, das erscheint dem erwachsenen und erstarkten Ich oft nur als Kinderspiel.

[37]IV

»Alles, was Sie mir bisher erzählt haben, war Psychologie. Es klang oft befremdlich, spröde, dunkel, aber es war doch immer, wenn ich so sagen soll: reinlich. Nun habe ich zwar bisher sehr wenig von Ihrer Psychoanalyse gewußt, aber das Gerücht ist doch zu mir gedrungen, daß sie sich vorwiegend mit Dingen beschäftigt, die auf dieses Prädikat keinen Anspruch haben. Es macht mir den Eindruck einer beabsichtigten Zurückhaltung, daß Sie bisher nichts Ähnliches berührt haben. Auch kann ich einen anderen Zweifel nicht unterdrücken. Die Neurosen sind doch, wie Sie selbst sagen, Störungen des Seelenlebens. Und so wichtige Dinge wie unsere Ethik, unser Gewissen, unsere Ideale, sollten bei diesen tiefgreifenden Störungen gar keine Rolle spielen?«

Sie vermissen also in unseren bisherigen Besprechungen die Berücksichtigung des Niedrigsten wie des Höchsten. Das kommt aber daher, daß wir von den Inhalten des Seelenlebens überhaupt noch nicht gehandelt haben. Lassen Sie mich aber jetzt einmal selbst die Rolle des Unterbrechers spielen, der den Fortschritt der Unterredung aufhält. Ich habe Ihnen soviel Psychologie erzählt, weil ich wünschte, daß Sie den Eindruck empfangen, die analytische Arbeit sei ein Stück angewandter Psychologie, und zwar einer Psychologie, die außerhalb der Analyse nicht bekannt ist. Der Analytiker muß also vor allem diese Psychologie, die Tiefenpsychologie oder Psychologie des Unbewußten, gelernt haben, wenigstens soviel als heute davon bekannt ist. Wir werden das für unsere späteren Folgerungen brauchen. Aber jetzt, was meinten Sie mit der Anspielung auf die Reinlichkeit?

[38]»Nun, es wird allgemein erzählt, daß in den Analysen die intimsten – und garstigsten Angelegenheiten des Geschlechtslebens mit allen Details zur Sprache kommen. Wenn das so ist, – aus Ihren psychologischen Auseinandersetzungen habe ich nicht entnehmen können, daß es so sein muß, – so wäre es ein starkes Argument dafür, solche Behandlungen nur Ärzten zu gestatten. Wie kann man daran denken, anderen Personen, deren Diskretion man nicht sicher ist, für deren Charakter man keine Bürgschaft hat, so gefährliche Freiheiten einzuräumen?«

Es ist wahr, die Ärzte genießen auf sexuellem Gebiet gewisse Vorrechte; sie dürfen ja auch die Genitalien inspizieren. Obwohl sie es im Orient nicht durften; auch manche Idealreformer – Sie wissen, wen ich meine – haben diese Vorrechte bekämpft. Aber Sie wollen zunächst wissen, ob es in der Analyse so ist und warum es so sein muß? – Ja, es ist so.

Es muß aber so sein, erstens weil die Analyse überhaupt auf volle Aufrichtigkeit gebaut ist. Man behandelt in ihr z.B. Vermögensverhältnisse mit eben solcher Ausführlichkeit und Offenheit, sagt Dinge, die man jedem Mitbürger vorenthält, auch wenn er nicht Konkurrent oder Steuerbeamter ist. Daß diese Verpflichtung zur Aufrichtigkeit auch den Analytiker unter schwere moralische Verantwortlichkeit setzt, werde ich nicht bestreiten, sondern selbst energisch betonen. Zweitens muß es so sein, weil unter den Ursachen und Anlässen der nervösen Erkrankungen Momente des Geschlechtslebens eine überaus wichtige, eine überragende, vielleicht selbst eine spezifische Rolle spielen. Was kann die Analyse anderes tun, als sich ihrem Stoff, dem Material, das der Kranke bringt, anzuschmiegen? Der [39]Analytiker lockt den Patienten niemals auf das sexuelle Gebiet, er sagt ihm nicht voraus: es wird sich um die Intimitäten Ihres Geschlechtslebens handeln! Er läßt ihn seine Mitteilungen beginnen, wo es ihm beliebt, und wartet ruhig ab, bis der Patient selbst die geschlechtlichen Dinge anrührt. Ich pflegte meine Schüler immer zu mahnen: Unsere Gegner haben uns angekündigt, daß wir auf Fälle stoßen werden, bei denen das sexuelle Moment keine Rolle spielt; hüten wir uns davor, es in die Analyse einzuführen, verderben wir uns die Chance nicht, einen solchen Fall zu finden. Nun bis jetzt hat niemand von uns dieses Glück gehabt.

Ich weiß natürlich, daß unsere Anerkennung der Sexualität – eingestandener oder uneingestandener Maßen – das stärkste Motiv für die Feindseligkeit der Anderen gegen die Analyse geworden ist. Kann uns das irre machen? Es zeigt uns nur, wie neurotisch unser ganzes Kulturleben ist, da sich die angeblich Normalen nicht viel anders benehmen als die Nervösen. Zur Zeit als in gelehrten Gesellschaften Deutschlands feierlich Gericht über die Psychoanalyse gehalten wurde, – heute ist es wesentlich stiller geworden, – beanspruchte ein Redner besondere Autorität, weil er nach seiner Mitteilung auch die Kranken sich äußern lasse. Offenbar in diagnostischer Absicht und um die Behauptungen der Analytiker zu prüfen. Aber, setzte er hinzu, wenn sie anfangen von sexuellen Dingen zu reden, dann verschließe ich ihnen den Mund. Was denken Sie von einem solchen Beweisverfahren? Die gelehrte Gesellschaft jubelte dem Redner Beifall zu, anstatt sich gebührender Weise für ihn zu schämen. Nur die triumphierende Sicherheit, welche das Bewußtsein gemeinsamer Vorurteile verleiht, [40]kann die logische Sorglosigkeit dieses Redners erklären. Jahre später haben einige meiner damaligen Schüler dem Bedürfnis nachgegeben, die menschliche Gesellschaft vom Joch der Sexualität, das ihr die Psychoanalyse auferlegen will, zu befreien. Der eine hat erklärt, das Sexuelle bedeute gar nicht die Sexualität, sondern etwas anderes, Abstraktes, Mystisches; ein zweiter gar, das Sexualleben sei nur eines der Gebiete, auf dem der Mensch das ihn treibende Bedürfnis nach Macht und Herrschaft betätigen wolle. Sie haben sehr viel Beifall gefunden, für die nächste Zeit wenigstens.

»Da getraue ich mich aber doch einmal Partei zu nehmen. Es scheint mir sehr gewagt, zu behaupten, daß die Sexualität kein natürliches, ursprüngliches Bedürfnis der lebenden Wesen ist, sondern der Ausdruck für etwas anderes. Man braucht sich da nur an das Beispiel der Tiere zu halten.«

Das macht nichts. Es gibt keine, noch so absurde Mixtur, die die Gesellschaft nicht bereitwillig schlucken würde, wenn sie nur als Gegenmittel gegen die gefürchtete Übermacht der Sexualität ausgerufen wird.

Ich gestehe Ihnen übrigens, daß mir die Abneigung, die Sie selbst verraten haben, dem sexuellen Moment eine so große Rolle in der Verursachung der Neurosen einzuräumen, mit Ihrer Aufgabe als Unparteiischer nicht gut verträglich scheint. Fürchten Sie nicht, daß Sie durch solche Antipathie in der Fällung eines gerechten Urteils gestört sein werden?

»Es tut mir leid, daß Sie das sagen. Ihr Vertrauen zu mir scheint erschüttert. Warum haben Sie dann nicht einen anderen zum Unparteiischen gewählt?«

[41]Weil dieser andere auch nicht anders gedacht hätte als Sie. Wenn er aber von vorneherein bereit gewesen wäre, die Bedeutung des Geschlechtslebens anzuerkennen, so hätte alle Welt gerufen: Das ist ja kein Unparteiischer, das ist ja ein Anhänger von Ihnen. Nein, ich gebe die Erwartung keineswegs auf, Einfluß auf Ihre Meinungen zu gewinnen. Ich bekenne aber, dieser Fall liegt für mich anders als der vorhin behandelte. Bei den psychologischen Erörterungen mußte es mir gleich gelten, ob Sie mir Glauben schenken oder nicht, wenn Sie nur den Eindruck bekommen, es handle sich um rein psychologische Probleme. Diesmal, bei der Frage der Sexualität, möchte ich doch, daß Sie der Einsicht zugänglich werden, Ihr stärkstes Motiv zum Widerspruch sei eben die mitgebrachte Feindseligkeit, die Sie mit so vielen anderen teilen.

»Es fehlt mir doch die Erfahrung, welche Ihnen eine so unerschütterliche Sicherheit geschaffen hat.«

Gut, ich darf jetzt in meiner Darstellung fortfahren. Das Geschlechtsleben ist nicht nur eine Pikanterie, sondern auch ein ernsthaftes wissenschaftliches Problem. Es gab da viel Neues zu erfahren, viel Sonderbares zu erklären. Ich sagte Ihnen schon, daß die Analyse bis in die frühen Kindheitsjahre des Patienten zurückgehen mußte, weil in diesen Zeiten und während der Schwäche des Ichs die entscheidenden Verdrängungen vorgefallen sind. In der Kindheit gibt es aber doch gewiß kein Geschlechtsleben, das hebt erst mit der Pubertätszeit an? Im Gegenteile, wir hatten die Entdeckung zu machen, daß die sexuellen Triebregungen das Leben von der Geburt an begleiten, und daß es gerade diese Triebe sind, zu deren Abwehr das infantile Ich die Verdrängungen vornimmt. Ein merkwürdiges [42]Zusammentreffen, nicht wahr, daß schon das kleine Kind sich gegen die Macht der Sexualität sträubt, wie später der Redner in der gelehrten Gesellschaft und noch später meine Schüler, die ihre eigenen Theorien aufstellen? Wie das zugeht? Die allgemeinste Auskunft wäre, daß unsere Kultur überhaupt auf Kosten der Sexualität aufgebaut wird, aber es ist viel anderes darüber zu sagen.

Die Entdeckung der kindlichen Sexualität gehört zu jenen Funden, deren man sich zu schämen hat. Einige Kinderärzte haben immer darum gewußt, wie es scheint, auch einige Kinderpflegerinnen. Geistreiche Männer, die sich Kinderpsychologen heißen, haben dann in vorwurfsvollem Ton von einer »Entharmlosung der Kindheit« gesprochen. Immer wieder Sentimente an Stelle von Argumenten! In unseren politischen Körperschaften sind solche Vorkommnisse alltäglich. Irgendwer von der Opposition steht auf und denunziert eine Mißwirtschaft in der Verwaltung, Armee, Justiz und dergleichen. Darauf erklärt ein anderer, am liebsten einer von der Regierung, solche Konstatierungen beleidigen das staatliche, militärische, dynastische oder gar das nationale Ehrgefühl. Sie seien also so gut wie nicht wahr. Diese Gefühle vertragen keine Beleidigung.

Das Geschlechtsleben des Kindes ist natürlich ein anderes als das des Erwachsenen. Die Sexualfunktion macht von ihren Anfängen bis zu der uns so vertrauten Endgestaltung eine komplizierte Entwicklung durch. Sie wächst aus zahlreichen Partialtrieben mit besonderen Zielen zusammen, durchläuft mehrere Phasen der Organisation, bis sie sich endlich in den Dienst der Fortpflanzung stellt. Von den einzelnen Partialtrieben sind nicht alle für den [43]Endausgang gleich brauchbar, sie müssen abgelenkt, umgemodelt, zum Teil unterdrückt werden. Eine so weitläufige Entwicklung wird nicht immer tadellos durchgemacht, es kommt zu Entwicklungshemmungen, partiellen Fixierungen auf frühen Entwicklungsstufen; wo sich später der Ausübung der Sexualfunktion Hindernisse entgegenstellen, weicht das sexuelle Streben – die Libido, wie wir sagen – gern auf solche frühere Fixierungsstellen zurück. Das Studium der kindlichen Sexualität und ihrer Umwandlungen bis zur Reife hat uns auch den Schlüssel zum Verständnis der sogenannten sexuellen Perversionen gegeben, die man immer mit allen geforderten Anzeichen des Abscheus zu beschreiben pflegte, deren Entstehung man aber nicht aufklären konnte. Das ganze Gebiet ist ungemein interessant, es hat nur für die Zwecke unserer Unterredungen nicht viel Sinn, wenn ich Ihnen mehr davon erzähle. Man braucht, um sich hier zurechtzufinden, natürlich anatomische und physiologische Kenntnisse, die leider nicht sämtlich in der medizinischen Schule zu erwerben sind, aber eine Vertrautheit mit Kulturgeschichte und Mythologie ist ebenso unerläßlich.

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