Kitabı oku: «Mein Weg in die Freiheit», sayfa 2

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Auswirkungen

Die Amputation der Beine erfolgte im Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bochum. Amputation der Beine bedeutet auch genau das – die Beine, nicht das Becken. Damit erklären sich vielleicht einige Fragen bezüglich natürlicher körperlicher Bedürfnisse. Dieses Klinikum behandelte vorwiegend Männer, die Bergwerksunfälle erlitten hatten. Dort verbrachte ich, als einziges Kind, einige Wochen.

Von den anderen Patienten wurde ich sehr verwöhnt. Als ich von der Intensivstation auf die normale Station wechselte und wieder begann, selbstständig zu essen, hoben sie stets ihren Nachtisch für mich auf. Auch eine Zigarette durfte ich mit ihnen rauchen – das fand meine Mutter allerdings weniger lustig. Sie hatte sich während dieser Zeit eine kleine Wohnung in Bochum gemietet, um täglich bei mir sein zu können. Mein Vater kam immer sonntags, da das Geschäft weiterlaufen musste.

Mit der Zeit erfuhr ich, dass ich nach dem Unfall mit einem Hubschrauber in die Klinik geflogen worden war. Daran hätte ich mich zu gerne erinnert. Ich fliege so gerne. Natürlich nur an den Flug, die Schmerzen hätte mein Körper bei Bewusstsein wohl nicht ausgehalten.

Stets fragte ich nach meinem Hund Richie. In der ersten Zeit erzählte mir meine Mutter, dass es ihm gut ginge. Doch irgendwann (ich weiß nicht mehr genau, wann) teilte sie mir mit, dass Richie mich wohl schreien gehört hatte und wieder zurückgekommen war. Er wurde mit mir vom Zug überrollt und hat es nicht überlebt. Diese Nachricht traf mich tief. Tiefer als alles, was ich in diesen Wochen erlebte. Mein Versuch, ihn vor dem Überfahrenwerden zu retten, hatte ihn sein Leben gekostet. Ich war acht Jahre alt und ich verstand es nicht. Was mir half, mit der Traurigkeit umzugehen, war die Vorstellung, dass Richie jetzt im „Hundehimmel“ lebt und dort rumtollt.

Nachdem ich aus dem künstlichen Koma zurückgeholt worden war, fanden weitere Operationen statt. Da meine Beine nicht glatt abgetrennt, sondern herausgerissen worden waren (wäre es ein ICE und kein Güterzug gewesen, hätte das wahrscheinlich anders ausgesehen), waren einige Hauttransplantationen notwendig. Die Haut für diese Transplantationen spendete mein eigener Körper, vorwiegend beide Arme.

Nach dem Klinikaufenthalt in Bochum ging es in eine Klinik ins Sauerland. Dort saß ich sechs Wochen lang, Tag und Nacht, in einem Gipsbett. Dies sollte wohl meine Wirbelsäule stabilisieren und gerade halten. Genau weiß ich das nicht mehr. Dieser Klinikaufenthalt hat mir, aufgrund des Gipsbettes, am wenigsten gefallen.Im Anschluss ging es weiter in die medizinische Rehabilitation nach Münster. Das war kein richtiges Krankenhaus. Dort gab es keine Spritzen, keine Tabletten, keine Blutabnahme. Wurde eine medizinische Behandlung notwendig, besuchten wir ein anderes Krankenhaus.

In dieser Rehaklinik bekam ich vormittags Unterricht und nachmittags oft ein spezielles Training zur Stabilisierung der Wirbelsäule sowie Fortbewegung mit Prothesen.

Der Unterricht bezog sich vorwiegend auf die Hauptfächer, damit der Anschluss an den Wissensstand der Regelschule einfacher erreicht werden konnte. Auch hier erinnere ich mich kaum an den Inhalt des Unterrichts, nur eines hat sich stark eingeprägt: Wir hatten Musikunterricht und ich hörte zum ersten Mal in meinem Leben ein Violinkonzert. Das hat mich sehr berührt und bis heute begleitet mich die Faszination dieser Musik.

Viele der Mitarbeiter der Klinik hatten ebenfalls eine Körperbehinderung. Ich habe damals viele Erwachsene und Kinder mit den unterschiedlichsten Formen von Körperbehinderungen kennengelernt, ausgelöst durch Unfälle oder auch von Geburt an. Untereinander haben wir uns wenig Gedanken gemacht, wer was hat. Wir fanden uns entweder nett oder eben auch nicht. Jedes Kind bekam eine Krankenschwester zugeteilt, die hauptsächlich für dieses Kind zuständig war. Meine hieß Schwester Maria. Sie hatte wunderschöne, lange, schwarze Haare und war mein Engel. Ohne sie hätte ich mich nirgendwohin bewegt. Sie hat aus diesem Grund sogar ihren Urlaub verschoben, da ich sonst nicht auf einen von der Klinik vorgesehenen Wochenendausflug mitgefahren wäre. Dafür bin ich ihr heute noch sehr dankbar.

In der Klinik gab es eine eigene Werkstatt. Dort wurde mir meine erste „Rutschhose“ angefertigt. Sie diente und dient heute noch als Schutz für mein Becken und ist eine Mischung aus Hose und Schuhe. Es wurden auch Prothesen hergestellt, mit denen ich laufen sollte. Diese waren aber so ungelenkig und ich war so langsam damit, dass ich sie nicht mochte. Mit der Rutschhose war ich wesentlich schneller und beweglicher. Dennoch musste ich immer wieder mit den Prothesen üben und üben und üben. Ansonsten gefiel es mir jedoch sehr gut dort.

Nach einiger Zeit in dieser Klinik durfte ich dann hin und wieder an den Wochenenden nach Hause. Bevor die Rutschhose in mein Leben kam, musste ich einen Liegerollstuhl nutzen. Unsere Wohnung befand sich im Dachgeschoss, was die Sache nicht gerade leicht machte. Doch meine Eltern ermöglichten es. Als ich dann gelernt hatte, mich mit der Rutschhose zu bewegen, ging vieles, auch für meine Eltern, leichter. Ich bewege mich heute noch so, indem ich mich mit den Händen fortbewege, also quasi „auf den Händen laufe“. So wie ich es damals gelernt habe. Das schenkt mir sehr viel Bewegungsfreiheit.

Während meines Aufenthaltes in der Rehaklinik wurde auch ein Fahrrad für mich angefertigt. Mit nach Hause nehmen durfte ich es jedoch nicht, da meine Eltern zu starke Bedenken hatten, dass ich damit umfalle oder herunterfalle und mir wieder etwas passieren könnte.

Nach einigen Monaten Klinikaufenthalt durfte ich ganz nach Hause. Mein Vater hatte dafür gesorgt, dass ich weiter die Grundschule besuchen konnte und nicht eine Schule für Körperbehinderte.

Meine Klassenkameraden nahmen mich neugierig wieder in ihre Gemeinschaft auf. Ziemlich schnell ließ ich immer öfter den Rollstuhl vor der Schule stehen und lief auf den Händen im Schulgebäude und auf dem Pausenhof umher. Die Pausen verbrachten wir oft mit gemeinsamen Spielen, wie Seilhüpfen, Gummitwist oder Ballspielen. Und auch hier beteiligte ich mich aktiv und ohne Rollstuhl.

Das Einzige, was mich in der Zeit gelegentlich traurig stimmte, war der Sportunterricht. Meine damalige Lehrerin erlaubte mir bei vielen Dingen nicht mitzumachen und ich rollte weinend mit meinem Rollstuhl nach Hause. Bis heute weiß ich nicht, warum sie sich dann doch entschloss, mir zu vertrauen. Ich denke, meine Eltern hatten ihre Finger im Spiel. Denn eines schönen Tages durfte ich selbst entscheiden, wobei und wie ich mitmache. Ich kletterte die Seile bis unter die Turnhallendecke hoch, übte mich am Reck und Barren, auch Bodenturnen bereitete mir eine Menge Freude. Mein liebstes Ballspiel war Völkerball. Bei diesem Spiel durfte ich auch an Turnieren teilnehmen. Fussballspielen hat mir weniger Freude bereitet – da sollte ich immer ins Tor.

Als die Grundschulzeit zu Ende ging, wechselte ich auf die Hauptschule. Eigentlich wollte ich auf die Realschule, doch meine Eltern entschieden sich dagegen, da die Hauptschule für mich, mit dem Rollstuhl, einfacher zu erreichen war.

In der fünften Klasse erlebte ich das Phänomen des „Unglücksmontags“. In diesem Jahr fiel ich an einem Montag vom Pferd und bekam keine Luft mehr, an einem anderen Montag fiel ich vom Schlitten und prellte mir mein Becken, an einem weiteren Montag rutschte ich auf einer Plastiktüte eine Eisbahn hinab, wir nannten sie auch die „Todesbahn“, drehte mich, schlug mit dem Unterkiefer auf dem Eisboden auf und biss mir dabei die Zunge durch. Sie musste genäht werden und ich konnte zwei Wochen lang keine feste Nahrung zu mir nehmen. Da auch der Unfall, bei dem mein Hund gestorben war, an einem Montag geschehen war, beschloss ich, lieber montags nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Dies hielt ich eine ganze Weile durch – doch ich hatte gute Freunde: Sie kamen in dieser Zeit zu mir nach Hause.

Der Besuch der Regelschule hat, wie ich viele Jahre später erkennen konnte, wesentlich zu meiner persönlichen Wahrnehmung von „Behinderung“ beigetragen: Weder habe ich mich selbst als „behinderten“ Menschen gesehen, noch habe ich mich so gefühlt. Behinderung entsteht für mich persönlich dann, wenn wir das, was uns (scheinbar) fehlt, als Mangel oder Hindernis, im Sinne von: „Wenn das anders wäre, dann könnte ich …“, bewerten oder gegen eine bestehende Situation, innerlich oder auch offen, kämpfen: Sei es nun ein fehlendes Körperteil, eine Krankheit, zwischenmenschliche Beziehungen, die wir als unangenehm empfinden, Verluste jeglicher Art, finanzielle Engpässe …

Durch eine negative Beurteilung einer bereits existierenden Situation behindere ich mich selbst – und oftmals auch mein Umfeld.


DER WIRKLICHE UND WESENTLICHE UNTERSCHIED

Was die meisten Menschen auf den ersten Blick als Unterschied erkennen, ist die äußere Erscheinung meines Körpers, doch was sie wirklich irritiert, ist die Kombination der äußeren Erscheinung gepaart mit meiner Ausstrahlung von purer Lebensfreude, Kraft und innerer Gelassenheit.

Dass diese Qualitäten heute beständige Begleiter in meinem Leben sind, bedurfte anhaltender Entwicklung und Entwirrung. In einigen Bereichen meines Lebens ging diese Entwicklung leicht und einfach, in anderen wurde sie aus Komplexität und mit Schwere geboren.

Grenzen … und darüber hinaus

Es gibt natürliche Grenzen. Grenzen, die zurzeit noch für jeden Menschen gelten, so ist es nicht möglich, die Schwerkraft außer Kraft zu setzen, um mit unserem eigenen Körper, ohne Hilfsmittel, zu fliegen wie ein Vogel.

Darüber hinaus gibt es natürliche persönliche Grenzen. Diese sind bei jedem Menschen einzigartig. So werde ich wahrscheinlich kein mathematisches Genie werden oder eine berühmte Sängerin. Ich mag Zahlen und ich liebe Musik. Ich singe total gerne laut und begeistert – und manchmal treffe ich auch einen Ton. Der einzige Mensch, der mir verzückt und schmunzelnd lauscht, wenn ich im Auto bei einem Lied mitsinge, ist mein Mann – seine Wahrnehmung ist jedoch sehr, sehr subjektiv zu betrachten. Dass ich weder ein mathematisches Genie noch eine berühmte Sängerin werde, empfinde ich jedoch nicht als Grenze – und genau das ist der Punkt!

Wir empfinden etwas als Grenze, als rote Linie oder Hürde, wenn wir etwas haben wollen, etwas ändern möchten oder irgendwo hingelangen wollen und (noch) nicht wissen, wie wir dieses Etwas bekommen oder verändern oder wie wir dort hingelangen können.

Und sicher gibt es Dinge, die ich selbst nur noch in meiner Erinnerung erleben kann: barfuss durch regennasse Wiesen laufen, Sand unter meinen Füßen fühlen, rennen und dabei die Kraft der Beine zu spüren.

Hier habe ich die Wahl: Ich kann all dem nachtrauern und mich fragen: „Wieso gerade ich?“ und meine Lebenszeit damit verschwenden oder ich kann zu neuen Abenteuern aufbrechen.

Ich bin für neue Abenteuer, wie du dir vielleicht denken kannst.

In meiner Erinnerung ist es möglich, all diese Dinge zu erleben. Das ist nichts Neues. Auch du tust das ständig, wenn du dich an Situationen und Erlebnisse der Vergangenheit erinnerst. Unser Gehirn ist ein faszinierendes Organ. Mit Unterstützung unseres Gehirns können wir in die Vergangenheit eintauchen, uns Zukünftiges vorstellen, unterschiedliche Perspektiven einnehmen und wir empfinden hier und jetzt, in der Gegenwart, all die Vielfalt an Emotionen, die unsere Erinnerungen, Vorstellungen und Blickwinkel hervorrufen. Wir können uns in Situationen hineinversetzen oder sie als Beobachter anschauen. Unser Geist ist also frei – und jetzt dürfen wir diese Freiheit unseren Körper lehren und in Worten und Handlungen ausdrücken.

Rebellenjahre – wild, verrückt und experimentierfreudig

Die Pubertät – nicht wirklich Realität. Ein paar Jahre werden dir gegeben, um die Rebellion zu leben.

Silke Naun-Bates

Irgendwie hatte ich ja gehofft, dass es meiner Verlegerin nicht auffallen würde, wenn ich dieses Kapitel einfach „vergessen“ würde. Doch, wie du siehst: Es ist ihr aufgefallen.

Also gut: Drugs & Rock`n Roll. Reicht dir das? Dann spring einfach zum nächsten Kapitel.

Aha, du möchtest doch mehr erfahren …

Mit meinem dreizehnten Lebensjahr wurden die „Rebellenjahre“ eingeläutet. Schule interessierte mich immer weniger. Weit mehr interessierte mich die Welt, von der sich meine Eltern und sicher viele andere Eltern wünschen, dass wir uns von ihr fernhalten.

Wir haben so ziemlich jedes Wochenende Alkohol getrunken, und das nicht wenig. Da kaum jemand in unserer Clique das Alter von sechzehn Jahren hatte, waren wir sehr kreativ, was die Beschaffung des Alkohols anging – und wenn uns nichts einfiel, klauten wir ihn auch mal. Im Alter von fünfzehn Jahren begann ich, so wie einige andere aus unserer Clique, zu kiffen. Irgendwann erhielt mein Vater einen Hinweis von einem Bekannten. Ich werde nie vergessen, wie er und meine Mutter auf diese Nachricht reagierten. Mein Vater versuchte zwei Tage lang, aus mir herauszubekommen, wer noch Haschisch rauchte und wo wir es herbekamen, während meine Mutter mich bereits mit der Nadel im Arm irgendwo tot liegen sah. Ich sagte nichts. Am dritten Tag kam mein Vater in mein Zimmer und unterbreitete mir einen „Deal“: „Du informierst alle, die daran beteiligt sind. Im Gegenzug informiere ich keinen der Eltern, gehe jedoch mit euch allen zur Drogenberatungsstelle und informiere den Direktor der Schule, damit er ein Auge auf euch hat.“ Auf diesen Deal ließen wir uns ein. Mein Vater ging mit uns zur Drogenberatungsstelle. Wir saßen im Kreis und ein Mitarbeiter klärte uns über die Gefahren von Drogen auf. Es war die Zeit, in der das Buch „Christiane F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ erschienen war, welches sicher zur Abschreckung dienen sollte, doch wir fanden es einfach nur cool. Du kannst dir sicher vorstellen, wie der Besuch in der Drogenberatungsstelle auf uns gewirkt hatte: Wir nahmen ihn nicht ernst. Auf einer Klassenfahrt nach Berlin wandelten wir auf den Spuren von Christiane F., fragten Passanten „Haste mal `ne Mark“ und suchten die Nähe von Punks. Bei dem „Haste mal `ne Mark“-Spiel habe ich übrigens eine Menge „Kohle“ zusammenbekommen. Woran das wohl gelegen hatte?

Meine erste „Drogenkarriere“ endete mit unserem Umzug nach Bayern 1984 für kurze Zeit, dann nahm ich sie wieder auf, bis ich merkte, dass es nicht mehr den gewünschten Effekt brachte. Ich bewegte mich stets im Bereich der weichen Drogen, bis auf zwei Ausnahmen, in denen ich psychedelische Drogen ausprobierte. Beide Male waren die Erfahrungen intensiv, doch sie verführten mich nicht dazu, weiterzumachen. Es waren meist Neugier und Lust auf Abenteuer, die mich antrieben.

Immer wieder kamen wir auch in Konflikte mit der Polizei. Oft regelte mein Vater die Dinge, sodass wir mit einem „blauen“ Auge davonkamen.

Die Musik, die wir hörten, spiegelte unsere Sehnsüchte, Wünsche und Gedanken wider: Marius Müller Westernhagen, Hammerfest, Straßenjungs, Jimi Hendrix, Sex Pistols, Metallica, ACDC, Nirwana und wie sie alle hießen begleiteten uns.

Diese Zeit hat meinen Horizont, mein Verständnis für meine Kinder und junge Menschen insgesamt wesentlich erweitert. Meine Jugenderfahrungen dienen mir heute oft in der Begleitung junger Menschen, da sie mich vom Urteilen abhalten und mich eine Perspektive einnehmen lassen, in der Raum für Offenheit und Ehrlichkeit entsteht.

Manches Mal frage ich mich, wie es möglich ist, dass Menschen, denen alles zur Verfügung steht, es schaffen, sich selber so zu behindern. Natürlich weiß ich, wie das möglich ist, und dennoch: Es bleibt für mich ein Phänomen.

Silke Naun-Bates

Alltag und Mobilität

Nach dem Unfall war es mir sehr wichtig, wieder selbstständig zu sein. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich gelernt hatte, mich auf meinen Händen flink und wendig fortzubewegen, gab es in diesem Bereich kaum noch Grenzen.

Das Zeichen für die Behinderung war mein Rollstuhl, nicht das Fehlen meiner Beine. Also nutzte ich diesen so wenig als möglich. An Mut hat es mir selten gefehlt, eher war ich manches Mal zu risikofreudig. Ich fuhr auf den Gepäckträgern von Fahrrädern mit oder auch auf der Stange bei Herrenfahrrädern. Als ich das Alter erreicht hatte, ab dem man Mofa fahren durfte, erwarb ich den Führerschein. Da ich kein eigenes Mofa bekam, fuhr ich bei den anderen mit. Ich kletterte nach wie vor auf Bäume, sprang von Mauern, turnte auf der Küchenarbeitsplatte herum, um die oberen Schränke zu erreichen, lief auf Händen lange Strecken und Treppen rauf und runter. Bei Bordsteinkanten, die mit dem Rollstuhl alleine nicht zu bewältigen waren, stieg ich aus dem Rollstuhl aus und zog ihn drüber. So bewältigte ich kleinere Anzahlen von Stufen – hinauf oder hinunter. An dieser Art der (Fort-)Bewegung hat sich bis heute nicht viel geändert. Etwas langsamer bin ich, meinem Empfinden nach, geworden. Wenn wir (meine Freunde und ich) unterwegs waren und ich sicher war, dass ich meinen Rollstuhl benötigen würde, zogen mich die anderen mit ihrem Fahrrad oder ihrer Mofa.

Mit 19 Jahren erwarb ich den Führerschein und das schenkte mir ein weiteres Stück Freiheit. Die Autos, die ich fahre, sind mit einem Automatikgetriebe und Handgasbetrieb ausgestattet. Meinen Rollstuhl hebe ich in den Kofferraum. Vor dem Erwerb des Führerscheins war ich mit Bus und Bahn unterwegs oder auch mal per Anhalter. Was oft sehr lustig war, da wir von Menschen mitgenommen wurden, die normalerweise keine Anhalter mitnehmen. Doch mit mir hatten sie „Erbarmen“.

Nach 1984 habe ich in keiner behindertengerechte Wohnung gelebt. Dies war und ist auch nicht notwendig. Weder beim Duschen oder Baden und der gesamten Körperpflege, noch bei der Erledigung natürlicher körperlicher Bedürfnisse, wie beim Toilettengang, brauche ich Unterstützung. Auch nicht beim Reinigen der Wohnung. Staubsaugen, Fegen oder Wischen erledige ich vom Boden aus – ähnlich, wie es früher gehandhabt wurde, als es noch keine Schrubber gab. Fegen meist mit einem Kehrblech. Für draußen habe ich einen Kinderbesen. Der passt gut von der Länge.

Doch jetzt fällt mir etwas ein: Bei allem, was sehr hoch ist, wie zum Beispiel beim Fensterputzen, brauche ich Unterstützung. Da komme ich meistens nicht bis an das obere Ende und die Stufen einer Leiter sind zu schmal, als dass ich sie hochklettern könnte. Eine Extraanfertigung war mir das jedoch nicht wert. Entweder wird eben nur zu drei Viertel geputzt oder ich lasse putzen. Doch das ist ja keine Auswirkung meiner fehlenden Beine. Es gibt viele Menschen, deren Körpergröße dafür nicht ausreicht und die Schwierigkeiten haben, eine Leiter zu besteigen.

Und noch eine Tätigkeit fällt mir ein: Bügeln. Das könnte ich zwar, doch habe ich dazu überhaupt keine Lust. Insgesamt bin ich kein großer Fan von klassischen Hausfrauentätigkeiten: Frag mal meine Kinder und meinen Partner.

Einkaufen kann ich selbstständig, genieße es jedoch sehr, dies jetzt entweder zusammen mit meinem Partner zu erledigen oder es ihm ganz zu überlassen.

Es ist möglich, zwei Sprudelkisten auf meinem Rollstuhl zu transportieren. Mehr geht nicht, da ich dann nicht mehr sehe, wo ich hinrolle. Die Einkaufstüten habe ich oft mit meinen Zähnen in die Wohnung getragen. Als ich mit meiner damals zweijährigen Tochter in einer Wohnung im 2. Stock wohnte, hatten wir beide einen Rucksack, in dem wir die Einkäufe nach oben transportierten.

Auch Schneeräumen musste ich in Mietwohnungen immer wieder einmal. Das habe ich dann mit einem Kehrblech erledigt. Das hat zwar meist einige Zeit in Anspruch genommen, doch es hat Spaß gemacht.

In manchen Mietwohnungen, in denen ich gewohnt habe, gab es keinen Waschmaschinenanschluss in der Wohnung, sondern in dafür vorgesehenen Kellerräumen. Das bedeutete, dass ich die Wäsche samt Wäschekorb Stufe für Stufe in den Keller transportierte – und auch wieder hoch. Es ist weit mehr möglich, als wir oft zu denken imstande sind …

Wenn ich an irgendwelchen Events teilnehmen möchte, seien es Konzerte, Seminare oder sonstige Veranstaltungen, buche ich einfach, ohne mich zu „outen“. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich im Vorfeld mitteile, dass ich einen Rollstuhl zur Fortbewegung nutze, von der anderen Seite oft der Einwand kommt, dass es dann leider nicht gehe oder schwierig sei, weil … Ich höre dann die etwas eingeschränkten Überzeugungen anderer Menschen. Also lass ich das in der Regel. Sollten es wirklich Gegebenheiten sein, die ich nicht alleine bewältigen kann, ergeben sich vor Ort immer Wege und Lösungen.

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