Kitabı oku: «Schwingenfall», sayfa 2

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»Erstens tu ich eine gute Tat.« Holmar hob seinen Humpen. »Und zweitens sehe ich keinen meiner Ordensbrüder in der Nähe.«

Toryan lachte und stieß mit ihm an. Eine Weile gaben sie sich ganz dem Genuss der Speisen und Erinnerungen an ihre Jugendjahre hin. Erst als sie die letzten Reste mit Brot vom Teller gewischt und zwei weitere Krüge Bier bestellt hatten, berichtete Toryan, was in Dimmgrund geschehen war.

Holmars Augen weiteten sich, als wollten sie ihm aus dem Kopf springen. »Du hast Lurmenor gegenübergestanden? Ach, was wundert’s mich. Für weniger als den Gefallenen geht Toryan die Tatze ja nicht vor die Tür.«

Toryan kannte seinen alten Freund lang genug, um zu wissen, dass sich hinter dem Spott echte Sorge verbarg. »Wer ist diese Dämmer­geborene, von der er gesprochen hat?«

»Eine alte Legende.« Holmar rieb sich die Nase. »Es heißt, sie sei Nachfahrin eines Blutfürsten und einer Sterblichen. Ein Halbblut, das die Stärken beider Rassen in sich vereint.«

»Warum hab ich noch nie davon gehört?«

»Ich bin selbst nur durch Zufall während meiner Studien darauf gestoßen. In einer Schriftrolle aus der Zeit vor dem Kataklysmus, vergessen in den Tiefen der Archive. Wenn es andere Aufzeichnungen gab, wurden sie im Zuge der Entnachtung vernichtet.«

»Der was?« Toryan hob eine Braue.

»Du hast in der Akademie wirklich oft geschlafen«, tadelte Holmar. »So nennt man die Verbrennung der Bücher im Jahr nach Asgreals Ankunft. Es wurden alle Werke vernichtet, die die Menschen in die Fänge der Altnacht treiben oder den Glauben ins Wanken bringen könnten.«

»Richtig, richtig. Aber was kann an einem alten Märchen gefährlich sein?«

»Was es auch ist«, entgegnete Holmar lakonisch, »es lässt die Blutfürsten in den Krieg ziehen.«

Toryan leerte seinen Krug und winkte der Bedienung, zwei weitere zu bringen. War es die vierte Runde oder schon die fünfte? Na, solange er sich darüber noch Gedanken machen konnte, war es eine zu wenig.

»Wir werden ihren Ansturm abwehren«, meinte Holmar leicht lallend. »Denn wir kämpfen für Freiheit und Frieden.«

Toryan starrte auf den Grund seines Humpens. »Woher wissen wir, dass die Blutfürsten nicht auch glauben, sie seien im Recht?«

Holmar hob den Zeigefinger. »Wer zieht denn bitte schön in den Krieg, sie oder wir?«

Der Gedanke an die Spaltungskriege, die die Menschen nach dem Fall des Imperiums der Blutfürsten untereinander geführt hatten, huschte durch Toryans Kopf. Doch dann kam neues Bier, und er verbannte solche Grübeleien hinter einer Wolke aus Alkohol.

Als sie die Taverne schwankenden Schrittes Arm in Arm verließen, funkelte ein blutroter Stern einsam und kalt am Firmament.

3

Alte Schatten


Er war zurück. Der Albtraum, der Minn zuletzt als Kind geplagt hatte. Einer alten Abendsonne gleich war er im Lauf der Jahre verblasst, doch nun packte er sie erneut und zog sie in sich hinein …

Die werdende Mutter keuchte und stöhnte. Schweiß verklebte ihr Haar, durchtränkte ihr Leinengewand, troff auf die zerwühlten Laken.

»Weiterpressen, schön weiter.« Die Hebamme legte ihr die Hand auf den klitschnassen Arm. »Atmen. Pressen. Atmen. Pressen. Gut so.«

Irgendwo im Haus polterte etwas zu Boden. Die beiden Frauen nahmen es nur am Rande wahr.

Die Gebärende schrie auf. Ein Köpfchen erschien zwischen ihren Schenkeln.

»Es kommt«, frohlockte die Hebamme. »Noch ein wenig mehr, dann ist es geschafft.«

Die junge Mutter nickte und krallte die Hände in die Holzplanken des Bettes, den Blick zur Decke gerichtet.

Ein Schatten flackerte an der Tür. Vom Kerzenlicht?

»Es ist fast so weit.« Die Hebamme beugte sich vor.

Es knackte, als trete ein Stiefel auf einen morschen Ast. Das Lächeln der Hebamme blieb, doch ihr Kopf stand auf einmal in einem unmöglichen Winkel ab. Ihr Blick wurde glasig und sie sackte zu Boden. Die junge Mutter schrie, als sie sah, was hinter der Helferin zum Vorschein kam.

Ihr Schrei wurde zum Gurgeln, als der Blutfürst seine Fänge in ihren Hals versenkte, sich an ihr betrank.

Und das Neugeborene, noch an der Nabelschnur, brüllte, während die Kreatur der Alten Nacht das Leben aus seiner Mutter saugte …

Minn schreckte schweißgebadet von ihrem Lager hoch. Sie musste geschrien haben, denn vor dem Fenster flatterte eine Nachtigall erschrocken davon.

Sternenlicht fiel in die Dachkammer, deren Schrägen Minn schon manche Beule beschert hatten. Doch es war ihre Kammer, und sie hätte sie gegen keines der pompösen Adelszimmer im Haupthaus von Gut Eulenstein getauscht. Na ja, zumindest wenn sie nicht das Gefühl hatte, dass ein Vampir in den Schatten lauerte.

Sie sah sich um. Nirgends fletschte jemand zu lange Eckzähne. Minn entkrampfte die Fäuste und ließ sich auf die Strohmatte zurücksinken. Von draußen drang das Zirpen der Grillen herein. Sonst war alles friedlich.

Minn griff sich die Holzfigur, die Chun ihr geschenkt hatte, als sie mit fünf als Waise nach Gut Eulenstein gekommen war. Sie hatte viel geweint und Angst im Dunkeln gehabt. Doch der Holzfäller hatte gelächelt, ihre Tränen weggewischt und ihr das Schnitzwerk in die Hand gedrückt. Es war kaum größer als eine Hand und zeigte einen bärtigen Mann mit Schlapphut und einem Amulett mit einer Waage darauf um den Hals, der sich auf einen Speer stützte. »Der passt ab jetzt auf dich auf«, hatte Chun erklärt. »Er ist ein Zauberer, weißt du. Solange er bei dir ist, traut sich nichts Böses an dich ran.«

An Zauberer glaubte Minn längst nicht mehr. Und einen anderen Mann in ihrem Bett wollte sie auch nicht, seit sie vergangenes Jahr den Grenzwächter Toryan kennengelernt hatte. Dennoch spendete es ihr stets Trost, die abgegriffene Figur in Händen zu halten. Abwesend streichelte sie das Holz. Allmählich beruhigte sich ihr hämmerndes Herz. Sie starrte zu den Deckenbalken. Wieso kroch dieser Albtraum gerade jetzt erneut durch all die Schichten hindurch, unter denen sie ihn begraben hatte? Und wieso wirkte er so real, als fräße er sich durch eine dünner werdende Barriere von der Fantasie in die Wirklichkeit?

Zumindest wusste sie, woher dieser Nachtmahr rührte. Von einem der Märchen, die Chun erzählt hatte, wenn die kleine Minn mal wieder so lange um eine Geschichte bettelte, bis ihr Geleier ihm zu den Ohren herausquoll und sie bekam, was sie wollte. Chun kannte viele Geschichten. Doch die mit dem Blutfürsten war die einzige gewesen, bei der am Ende kein Lächeln seine Züge umspielt hatte. Wenn Minn recht drüber nachdachte, hatte er überhaupt nur einmal damit herausgerückt, nachdem er sehr viel Wein getrunken hatte …

Jetzt hör auf zu grübeln, du Gewitterziege, schalt sie sich. Die Nacht ist zum Schlafen da. Morgen wird anstrengend genug, wenn ich Wäsche machen und Beete jäten muss.

Trotzig rammte sie ihren Kopf ins Kissen und befahl sich, wieder einzuschlafen. Zu ihrer Verblüffung klappte es tatsächlich, und als sie diesmal in die Traumwelt trudelte, warteten dort nur Tomaten und Kürbisse, die lachend davonkullerten, wann immer Minn sie in ihren Weidenkorb zu legen versuchte.

4

Die Audienz


Toryan wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als die Tür seines Zimmers aufgerissen wurde. Eins stand fest, es war definitiv nicht lang genug.

»Auf, auf, Schlafmütze«, rief Holmar unverschämt fröhlich. »Öffne die Fenster. Lass den Morgen Licht und Lebensfreude hinein senden.« Er zog die Vorhänge zur Seite und riss die Läden auf. Kühle Luft und viel zu viel Helligkeit machten sich breit.

Und jetzt pfiff der Unmensch noch dazu ein Liedchen!

Toryan zog sich das Kissen über den Kopf und stöhnte seine Frustration in die Daunen.

Die Zuflucht währte keine drei Atemzüge, da zog ihm Holmar die Decke weg. »Hopp, raus aus den Federn. Wer viel trinken kann, kann auch mit wenig Schlaf auskommen.«

»Du klingst wie mein Vater«, nuschelte Toryan. »Der hat auch in aller Früh so einen Schwachsinn verkündet.«

»Ich hab dir gesagt, trink für jedes Bier einen Becher Wasser. Aber Toryan die Tatze hat so was ja nicht nötig.«

Toryan wälzte sich herum, schleuderte das Kissen nach dem Adepten, verfehlte ihn und räumte stattdessen die Karaffe ab, die mit einem hellen Kling auf dem Steinfußboden zerbarst. »Bimbadims Bart«, fluchte er.

»Noch immer derselbe Morgenmuffel.« Holmar schüttelte den Kopf. »Zieh dich an und rasier die Stoppeln aus dem Gesicht. Der Purifikant will dich sehen.«


Holmar führte Toryan am Seitenschiff der Zitadelle vorbei über einen Innenhof im Schatten der Türme. »Hier geht’s zum inneren Dom«, erklärte der Adept. »Dieser Teil der Zitadelle wurde erst nach der Ankunft des Lichtbringers errichtet.«

»Danke für die Geschichtsstunde.« Toryan unterdrückte halb­herzig ein Gähnen. Sein Freund grinste sich eins.

Ein Paladin bewachte die Pforte nach drinnen. Seine blitzblanke Goldrüstung umhüllte Muskeln, auf die ein Ochse neidisch gewesen wäre. Bei Holmars Anblick gab er grußlos den Weg frei. Toryan salutierte, doch der Paladin hätte ebenso gut eine weitere Steinstatue sein können.

»Arroganter Schnösel«, entfuhr es Toryan. Nun würdigte der Muskelmann ihn doch eines Blickes – von der Art, die kleine Messer durch die Haut bohrte. Toryan unterdrückte das Verlangen, ihm die Zunge rauszustrecken.

»Nimm dich vor Paladin Jaldar in Acht«, raunte Holmar, als sie die Pforte passierten. »Der ist nachtragend. Einem jungen Wächter hat er mal das Bein gebrochen, nur weil der ihn bei einer Fechtübung an der Schulter erwischt hatte.«

»Und die Moral von der Geschicht? Wenn schon einen Paladin schlagen, dann so, dass er nicht mehr aufsteht.« Toryan tippte sich an die Schläfe. Holmar verdrehte die Augen.

Nach gut hundert Schritt erreichten sie eine Halle mit Marmor­boden. Holmar ging schnurstracks auf eine Tür aus milchigem Glas auf der gegenüberliegenden Seite zu. Hier gab es einen weiteren Wächter, doch nicht aus Fleisch und Blut.

Der mechanische Kugelkopf drehte sich in einem unmöglichen Winkel. Facettierte Juwelenaugen blitzten. »Was bei Bimbadims Bart ist das?«, staunte Toryan. »Etwa ein Golbot? Eine denkende Maschine?« Er hatte von diesen Wunderwerken gehört, gesehen hatte er jedoch noch keines. Die Form war vage menschenähnlich. Auf Brusthöhe drehten sich Zahnräder hinter einem Kristall­kasten. Die Arme bestanden aus mit Chrom und Metall verkleideten Schläuchen, die in Klauen mündeten. Nase und Ohren hatte der Golbot keine, dafür Löcher an den Schläfen, aus denen Dampf zischte. Toryan konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass der Maschinen­krieger in seiner Fremdartigkeit selbst aus der Altnacht hätte stammen können.

»Es gibt drei«, sagte Holmar. »Die anderen beiden bewachen das Heiligtum von Asgreal.«

»Womit werden sie angetrieben?«

»Das wissen nur die Engel. Und das ist in diesem Fall nicht nur so dahergesagt.«

Staunend trat Toryan näher. Der Maschinenwächter ließ zu, dass er ihn in Augenschein nahm. Doch als Toryan der Tür zu nahe kam, schoss ein Klauenarm vor und packte ihn am Handgelenk. Er schrie auf und zerrte, um sich zu befreien, doch ebenso gut hätte er versuchen können, einen Berg umzustoßen. Der Golbot drückte weiter zu. Es knirschte. Toryans Finger liefen bläulich an.

»Golbot«, donnerte Holmar. »Remithoi anstatim!«

Augenblicklich löste sich der Griff. Fluchend massierte Toryan sein Handgelenk. »Da sind ja die Paladine umgänglicher«, zeterte er.

»Golbots sind Wächter, keine Denker. Sie führen Befehle aus, und sie hören nur auf Angehörige des Klerus. So sind sie geschaffen. Letztlich ist eben nichts Weltliches perfekt.« Holmar seufzte. »Wie geht’s der Hand?«

»Geht schon. Wenigstens hast du das Ding zurückgepfiffen, bevor es sie brechen konnte.« Toryan funkelte den Golbot an. Die kalt gleißenden Facettenaugen erwiderten den Blick ohne Emotion.

»Dann komm. Der Purifikant ist es nicht gewohnt zu warten.«

»Bitte nach dir«, sagte Toryan sarkastisch.

»Ah, eins noch«, sagte Holmar. »Solche Sprüche aus der alten Zeit wie den von Bimbadims Bart behältst du besser für dich. Die hört er gar nicht gern.«

Toryan nahm sich fest vor, den Rat zu befolgen.

»Fosaperte«, intonierte Holmar. Metall ächzte, der Golbot bewegte sich zur Seite und die Tür verschwand wie von Geisterhand seitlich in der Wand.

»Was sind das für komische Worte?«, fragte Toryan.

»Die stammen aus den Erfinderschmieden von Servul. Lösen mechanische Funktionen aus. Hat mich einige Nächte gekostet, alle auswendig zu lernen. Und jetzt geh endlich rein!«

Toryan betrat einen ausladenden Raum. Der Duft von Zeder, Azalee und Weihrauch stieg ihm in die Nase, dazu weitere schwülstige Gerüche, die er nicht benennen konnte. Wände aus gehämmertem Kupfer reflektierten einen schwarzbepulverten Kronleuchter, der eine Gruppe Ledersessel beleuchtete. Toryans Gesicht spiegelte sich im Kupfer wider, unscharf wie ein Schatten in einem Traum.

Etwas gleißte vor ihm auf. Im ersten Moment glaubte er an einen weiteren künstlichen Wächter, doch es war niemand anderes als der Purifikant Damian selbst, der sich aus einem der Sessel erhob. Über der Robe trug er ein Amulett in Form einer Silbersonne, an der rechten Hand blitzte ein Siegelring mit einem Rubin. Trotz der schmächtigen Statur füllte seine Präsenz den Raum. Es sind die Augen, dachte Toryan. Schmal und tief liegend schienen sie mehr zu sehen als die eines gewöhnlichen Menschen. Der Purifikant musterte Toryan mit dem Blick eines Hirten, der ein verirrtes Lamm gefunden hat und auf Verletzungen inspiziert. »Du musst Toryan Dymedens sein. Der Grenzwächter.«

»Der bin ich. Äh. Euer Exzellenz.«

»Recht jung für diese Aufgabe, will mir scheinen. Aber wie mein guter General Nobu mir sagte, bist du ein aufgewecktes Bürschchen und geschickt mit den Waffen. Setz dich.«

Erst jetzt bemerkte Toryan den alten Recken in der Sesselgruppe. Nobu nickte ihm zu und zwirbelte sich den Schnauzbart. Toryan setzte sich neben ihn. Überrascht stellte er fest, dass sein Rücken sich angenehm entspannte – die Kupferwand hinter ihm gab Wärme ab wie ein Kaminofen.

Der Purifikant wandte sich Holmar zu. »Oberster Adept, wärst du so freundlich, die Morgensegnung zu übernehmen? Komm danach in meine Gemächer. Wir müssen die Prioritäten während meiner kommenden Abwesenheit besprechen. Preis sei Asgreal.«

»Natürlich, Euer Exzellenz. Preis sei Asgreal.« Holmar verbeugte sich und zwinkerte Toryan beim Hinausgehen aufmunternd zu. Was nichts daran änderte, dass sich dessen Magen auf einmal anfühlte, als wäre er auf hoher See unterwegs. In einer Jolle. Während eines Taifuns.

»Also, Toryan.« Der Purifikant ließ sich in den Sessel ihm gegenüber sinken. »Du sagst, du bist Lurmenor begegnet. Warum sollte der Gefallene ausgerechnet dir erscheinen?«

»Das wüsste ich auch gern«, platzte Toryan heraus. »Vielleicht wollte er wissen, wo es in der Grenzregion das beste Bier gibt?«

Damian und Nobu starrten ihn an.

Nein, nein, nein, verfluchte Toryan sich innerlich. Bei allen Himmeln, nicht mal in Gegenwart des Purifikanten kann ich meine vorlaute Klappe halten!

Wenn er angespannt war, redete er flapsig daher, egal wo oder mit wem er sprach. Es war ein innerer Drang, der ihm oft genug Ärger eingebracht hatte und den er dennoch nicht beherrschen konnte.

»Wie war das, Sohn?« Damian lehnte sich vor und kniff die Augen zusammen.

Toryan hätte seinen Monatssold ohne zu zögern für einen Schluck Wasser getauscht, so ausgedörrt war seine Kehle. »Verzeiht«, krächzte er. »Ich … ich habe keine Ahnung, Euer Exzellenz. Schätze, es war einfach Pech, dass Lurmenor aufgetaucht ist, als ich gerade Patrouillen­dienst hatte.«

Damian drehte gedankenverloren an seinem Ring. »Was weißt du über ihn?«

»Nicht viel«, gestand Toryan. »Außer dass er Asgreal einst folgte und ihn dann zu stürzen versuchte.«

»Der Gefallene wollte sich über alles erheben, über die Sterne, sogar über Asgreal – Preis sei seinem Namen.« Damian spreizte die Finger zum Zeichen gegen das Böse. »Ehe sein Plan gelang, ergriffen die Engel Lurmenor und stießen ihn in den finstersten Abgrund. Seitdem sinnt sein verderbter Geist auf Rache. Er schwang sich zum Herrn der Altnacht auf, und sein innigster Wunsch ist das Ende all dessen, was hell und heilig ist.«

»Er sagte, dass es keinen Krieg geben wird, wenn die Dämmer­geborene zu ihm kommt«, brachte Toryan hervor.

»Lurmenor ist der Vater der Lüge. Er manipuliert und verführt, und wehe dem, den er mit seinem Trug umgarnt.«

»Glaubt Ihr, dass er die Lichtlande angreift?« Toryan tastete unwillkürlich nach seinem Glücksarmband.

Damian tastete nach der Silberkette auf seiner Brust. »Ich wünschte, es wäre nicht so. Doch die Zeichen sind eindeutig. Der Feuerstern, die Beobachtungen der Engel … deine Begegnung ist nur das jüngste in einer ganzen Reihe von Ereignissen, die keinen Zweifel daran lassen, dass die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse unmittelbar bevorsteht. Asgreal, Preis sei seinem Namen, wird bald stark genug sein, um stoffliche Gestalt anzunehmen und alle Schatten zu vertreiben. Das wollen Lurmenor und seine widernatürlichen Schergen um jeden Preis verhindern.«

»Was will er mit dieser Dämmergeborenen?«, fragte Toryan. »Wer ist sie?«

Damian vollführte eine Geste, als wollte er etwas abschneiden. »Derlei Wissen ist nicht für deinesgleichen bestimmt, junger Mann. Wer nicht durchflutet ist von der Kraft des Glaubens, dessen Seele wird davon verzehrt wie Laub vom Feuer.« Er zog die Stirn kraus. »Oder wohnt womöglich die Dunkelheit in dir? Hat sich der Gefallene von dir genährt?«

Toryan versteifte sich von Kopf bis Fuß. Da half alle Wärme von der Kupferwand nicht mehr. »Er hat mich nicht angerührt«, stieß er hervor.

»Bist du sicher?« Der Purifikant legte die Hand auf Toryans Arm. Mitleid schwang in seiner Stimme mit. »Du willst doch nicht, dass der Hohe Seraph Bahrakel dich befragt? Es heißt, sein Blick gräbt sich einer Klaue gleich in den Verstand und zerrt alle Geheimnisse ans Licht. Kein Sünder kann seine Schuld vor ihm verbergen.«

Toryan krampfte seine Hände um seine Schenkel. Hatte er zu viel gesagt? Oder nicht genug? Sollte er von dem seltsamen Gefühl erzählen, das ihn nach der Predigt übermannt hatte? Vielleicht konnte der Purifikant ihm helfen, falls wirklich etwas Dunkles in ihm steckte.

Er öffnete eben den Mund, da ergriff zu seiner Verblüffung General Nobu das Wort. »Verzeiht sein plumpes Gebaren, Euer Exzellenz. Der Junge stammt aus einer ländlichen Gegend und hat erst in der Akademie Manieren beigebracht bekommen. Offenbar mit Nachholbedarf.« Er schlug Toryan mit der Hand auf den Hinterkopf. »Er ist noch grün hinter den Ohren, aber ein beherzter Kämpfer für die Sache des Lichts. Ganz sicher kein Freund der Dunkelheit. Wir haben ihn während seiner Bewusstlosigkeit genau beobachtet. Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass er gebissen oder in irgendeiner Form beeinflusst worden wäre.«

Der Purifikant schürzte die Lippen und tippte die Fingerspitzen aneinander. »Seid Ihr bereit, für ihn zu bürgen, Nobu?«

»Das bin ich. Mit allen Konsequenzen.«

Toryan starrte den General offenen Mundes an, doch der blickte strikt geradeaus.

»Dann soll er die Chance bekommen, zu beweisen, dass er ein treuer Diener Asgreals ist. Er wird mit Euch zusammen Teil meiner Eskorte zum Konklave nach Gut Eulenstein sein.« Damian strich sich das Gewand glatt. »Dank deinem General für diese Gunst, Toryan. Und vergiss nicht, dass dein Benehmen ab sofort auf ihn zurückfällt.«

»Ja, Euer Exzellenz. Ich meine, nein, ich werd’s nicht vergessen.« Toryan konnte sein doppeltes Glück kaum fassen. Er war einer Befragung durch den Richterengel von der Schippe gesprungen – und er würde nach Gut Eulenstein gehen. Minn wiedersehen …

»Gut. Ihr dürft gehen.« Der Purifikant streckte die Hand aus. Nobu erhob sich und küsste den Rubinring, ehe er sich rückwärts­gehend entfernte. Toryan tat es ihm gleich. Das Gleißen des Juwels biss ihm in den Augen.

Sie hatten den Innenhof bereits hinter sich gelassen, als Toryan sich zu sprechen traute. »General Nobu, wie kann ich Euch danken?«

»Indem du keine Schande über mich bringst«, brummte der alte Recke, ohne ihn anzusehen. »Außerdem brauchst du nicht denken, ich hätte dir einen Gefallen getan.«

»Habt Ihr nicht?«

»Beim Konklave kommen der Purifikant und die Kardinäle mit der Ratsherrin der Ketzer zusammen.« Der General schnaubte, dass sein Schnauzbart flatterte. »Falls sie sich zusammenraufen, statt einander die Köpfe einzuschlagen, werden wir von dort weiterziehen. Dann siehst du dein Zuhause so schnell nicht wieder.«

»Weiterziehen?«, sagte Toryan verblüfft. »Gut Eulenstein liegt unweit der Nordgrenze. Wo sollten wir von dort aus hin?«

Der General blieb stehen, legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihn voll Mitleid aus eisgrauen Augen an. »In den Krieg, mein Junge. Wir ziehen in den Krieg.«

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