Kitabı oku: «Der Mensch und seine Grammatik», sayfa 5

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2 Leistungen und Grenzen der sprachlichen Eigenstruktur

[A] particular utterance can have many different meanings in different situations and one and the same impression can be produced by many different utterances. Nevertheless, the hearer has the feeling of being directly in the presence of anger or other feelings of [the] o[ther person], and it would be hard to find a difference between this feeling of presence and the feeling of being in the presence of directly, visually seen objects. There certainly does not have to intervene a ‘judgment’ or an ‘inference’ just because meanings are essential data in the perceptual process.

(Heider, The psychology of interpersonal relations, S. 47)

Das Ziel dieses Großkapitels wird es sein, nachzuweisen, dass Leserinnen unserer neutestamentlichen Kapitel es mit grammatisch mehrdeutigenmehrdeutig Sätzen zu tun bekommen. Und wenn wir verstehenverstehen möchten, wie mehrdeutige sprachliche Äußerungen verstanden werden können, müssen wir zunächst einmal klären, wie es dazu kommt, dass sprachliche Äußerungen für Leserinnen anscheinend eindeutigeindeutig sein können. Die Natur der Mittel, mit denen die Ausdeutbarkeit von sprachlichen Äußerungen eingeschränkt werden kann, ist das Thema von Abschnitt 2.1. Welche Mittel dies konkret sind und welche Leistungen sie für die Interpretation erbringen können, werde ich in Abschnitt 2.2 illustrieren. In Abschnitt 2.3 werden wir sehen, wie Mehrdeutigkeit daraus resultiert, dass diese Mittel in der Interpretation nicht zur Verfügung stehen oder nicht genutzt werden. In Abschnitt 2.4 wird es dann darum gehen, wie sich diese Mittel den Lehrmeinungen zufolge zueinander verhalten. Die Abschnitte 2.5 bis 2.7 werden dann die Korpusuntersuchung vorbereiten, indem sie die Fragen behandeln, wie wir mit den historisch bedingten unterschiedlichen Übersetzungsstilen umgehen werden, wie wir die Übersetzungen auf einen gemeinsamen erkenntnistheoretischen Nenner bringen können und welche Rolle eine möglicherweise stille ProsodieProsodie als weiteres sprachliches Mittel spielen könnte. Im letzten Abschnitt 2.8 folgt der Korpusanalyse erster Teil.

2.1 Sprachliche KonventionenKonvention und Verstehenverstehen
2.1.1 Vom Privaten zum Öffentlichen

Wir verwenden Sprache nicht nur, um uns gegenseitig das Neue Testament zu übersetzen, sondern auch dazu, einander über alles Mögliche zu informieren, einander aufzufordern, etwas zu tun, Gefühle und Einstellungen miteinander zu teilen, Kontakt untereinander zu organisieren, uns zu verfluchen, zu dichten, zu beten und zu beschwören. Einige Philosophen verstehen auch das Denken – hier zu unterscheiden vom WahrnehmenWahrnehmung, VorstellenVorstellung, Erinnern und Fühlen – als sprachliche Aktivität, also als so etwas wie simuliertes Sprechen. Die meisten dieser Aktivitäten sind solche, die zwischen zwei oder mehr Interaktionspartnern stattfinden. Selbst die Dichterin, Denkerin und Tagebuchschreiberin übernimmt mindestens zwei Rollen, die der Sprachproduzentin und die der Interpretin des eigenen (simulierten) Sprechens oder Schreibens. Sie kann sich sogar durch die Mehrdeutigkeit ihrer eigenen Äußerungen selbst täuschen oder an ihr Misserfolge erleben. Auch beim Beten und Beschwören wird ein Gegenüber, ob personhaft oder nicht, vorgestellt. Um diese interaktiven Funktionen zu erfüllen, müssen sprachliche Äußerungen eine wesentliche Eigenschaft aufweisen, die man als funktionales Universal bezeichnen könnte: Sie müssen regelmäßig erfolgreich interpretierbar hinsichtlich der Frage sein, was womit inWas steht womit in welcher Beziehung? welcher Beziehung steht. Dass dies keine triviale Leistung ist, soll einmal mehr an unserem Satz aus Johannes 19, 27 demonstriert werden, aber diesmal an der neuhochdeutschen Neuen Genfer Bibelübersetzung. Dort lautet er folgendermaßen:


Zu Illustrationszwecken möchte ich diesmal davon ausgehen, dass der Schreiber das Ereignis, das dieser Äußerung zugrunde liegt, selbst wahrgenommenWahrnehmung und als bestimmtes Ereignis erkannt habe und es ihm nicht bereits sprachlich vermittelt worden sei. Wir können dann sagen, dass der Schreiber in Bezug auf dieses Ereignis eine für ihn bestimmte, komplexe Vorstellung erwarb; bestimmt, was die Zeit des Ereignisses (Vergangenheit relativ zum Zeitpunkt der Niederschrift), den Beginn des Ereignisses (ab dem Zeitpunkt von Jesu Erklärung), den Jünger, Jesus, die Mutter und etwa die Heimstatt des Jüngers betrifft; bestimmt auch dahingehend, dass der Jünger der Nehmer und die Mutter die Genommene war und die Bewegung des Nehmens auf den Jünger (beziehungsweise seine Heimstatt) gerichtet war; bestimmt möglicherweise auch darin, wie es dort roch, wie sich die Beteiligten fühlten, wie Jesus litt, welche Farbe der Himmel hatte, welches Material die Kleider der Beteiligten hatten, welche Frisuren sie trugen, wie der Weg beschaffen war, auf welchem Weg sie zur Heimstatt des Jüngers gelangten und so weiter. Dabei ist zu beachten, dass dies bereits eine normenNorm-, konventionenKonvention- und durch die „-enz-enz-Faktoren“-Faktoren gefilterteFilter Deutung des Ereignisses ist. (Streng genommen bringt die Deutung das Ereignis als solches erst hervor.) Ihre Bestimmtheit in Bezug auf die darin vorkommenden Gegenstände, ihre Beziehungen zueinander, ihre phänomenalen QualitätenPhänomenqualitäten undPhänomenqualitätenBedeutsamkeit ihre Wirklichkeit besitzt sie auf Kosten anderer möglicher Bestimmungen. Auf die übergeordnete W-FrageW-Fragen WasWas kann ich tun? kann ich (jetzt) tun? mag eine spätere Antwort des Schreibers gewesen sein, denen davon berichten zu wollen, die es noch nicht erfahren haben.

VorstellungenVorstellung sind wie alle mentalen Vorgänge aber privat, das heißt nur derjenige, der sich etwas vorstellt, weiß auch, was er sich vorstellt. Daher war der Schreiber darauf angewiesen, seine Vorstellung auf irgendeine Art zugänglich zu machen. Kopieren und Einfügen waren und sind dabei auf absehbare Zeit keine realistischen Optionen. Der einzig mögliche Weg ist, etwas wahrnehmbarWahrnehmung zu machen, indem man es entäußert. Dadurch wird es öffentlich.

2.1.2 Öffentlichkeit und sprachliche Konventionen

Im ersten Kapitel hatten wir gesehen, dass unter Beachtung der Konventionen einer Sprache die Ausdeutbarkeit einer Äußerung engen Grenzen unterliegt und dass dies zu den Eigenschaften gehört, die Sprache zu einem praktisch erfolgreichen Kommunikationsmittel machen. Ich möchte nun die Frage diskutieren, wie wir dieses Konventionalisierte im Sprachgebrauch besser fassen können. Denn wenn unser Schreiber etwas von seiner Vorstellung dadurch kommunizieren möchte, dass er vokalisch, manuell oder graphisch Erzeugtes öffentlich wahrnehmbar macht, sind diese Erzeugnisse ohne Konventionen nahezu beliebig ausdeutbar, wie wir gesehen haben.

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass unter Konvention nicht eine Übereinkunft in dem Sinne verstanden werden kann, dass eine Gruppe von Menschen sich darüber einigt, welche Regeln künftig für ihr kommunikatives Miteinander gelten sollen, denn wie sollte man sich über etwas einigen, ohne dass bereits Konventionen bestünden, die eine solche Einigung ermöglichten? Plausibler erscheint, dass die Entstehung und Fortentwicklung des Kommunikationsmittels Sprache durch unzählige Zyklen aus Variation (vielfältiges Ausprobieren), Selektion (Weiterverwendung des Erfolgreichen) und Reproduktion (Weitergabe beziehungsweise Übernahme des Bewährten) zwischen Menschen innerhalb von Gruppen und zwischen Gruppen gekennzeichnet sind, die sich über Lebzeiten und Generationen hinweg erstrecken. Mit ihren jeweiligen kognitiven und physischen Fähigkeiten versuchen Menschen, auf vielfältige Weise mit bestimmten vokalischen oder manuellen Gesten ihre Vorstellungen zu gemeinsamen Vorstellungen zu machen.1 Sie verwenden solche Gesten weiter, die sich dabei in der gemeinsamen Praxis als erfolgreicher erweisen als andere, und geben sie im Rahmen der Kultur einander und an nachfolgende Generationen weiter. Diese wiederum übernehmen die bewährten sprachlichen Praktiken, verändern sie dabei aber, indem sie neue Gesten ausprobieren, praktisch bewährte auf Kosten anderer weiterverwenden, übernommene Gesten enger oder weiter gebrauchen, die Gestalt der Gesten verändern und so weiter.2 Aus diesem kumulativen Zyklus aus Versuch und (Miss-)Erfolg, aus dem immer Mittel weiterverwendet werden, die sich als praktisch erfolgreich erwiesen haben, kann durch zunehmende Ausdifferenzierung des Gesteninventars und ihrer Funktionen schließlich das entstehen, was wir heute als natürliche Sprachen kennen.3 Dafür ist keine metasprachliche Einigung darüber nötig, welche Ausdrucksmittel zu gebrauchen sind und welche nicht. Die Konventionen kommen mit dem Gebrauch. Sie beruhen wesentlich auf dem öffentlichen Charakter des Kommunikationsmittels und bilden sich in der Interaktion heraus. Dass alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft eine Konvention befolgen, ist dabei in der Regel nicht das geplante oder planbare Resultat der Sprecherin, die sie eingeführt hat, sondern meistens eine Folge davon, dass eine hinreichende Menge anderer Sprachbenutzerinnen sie, ob bewusst oder unbewusst, übernimmt. Konventionen sind nicht als Regelwerke verfügbar, in denen expliziert wäre, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Für unsere Interpretin haben sie den Charakter eines positiven Know-hows: Sie verfügt über die Fertigkeit, physische und kognitive Aktivitäten gelungen und erfolgreich ausführen, oft in routinisierterRoutine, Routinisierung oder gar automatisierterAutomatismus Weise. Dieses Know-howKnow-how ist scharf von einem Know-that zu unterscheiden, das ein explizierbares Wissen darüber umfasst, wie diese Aktivitäten analysierbar sind und wie nicht, und darüber, was die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für ihr Gelingen und ihren Erfolg sind.4 Für das Know-how, das unsere Interpretin bei ihren tagtäglichen Verrichtungen demonstriert, zu denen auch Sprechen, Schreiben, Hör- und Leseverstehen gehören, bedarf sie des Know-thats nicht. Das gilt es auch zu bedenken, wenn ich im Folgenden davon spreche, dass eine Interpretin Grammatisches „kennt“ oder „weiß“.

2.1.3 Die Zwänge der Öffentlichkeit: TreuTreue (vs. Sparsamkeit)e und SparsamkeitSparsamkeit (vs. Treue)

Von Anfang an begleitet diesen Zyklus aus Versuch und (Miss-)Erfolg aber auch ein Kompromiss aus dem Wünschenswerten und dem Machbaren. Wünschenswert wäre beispielsweise die Möglichkeit, bestimmte Vorstellungen – dieser konkrete Jünger, diese konkrete Frau, vielleicht auch das ganze konkrete Ereignis in seiner phänomenalen FülleWahrnehmungPhänomenqualitäten1 – mit bestimmten, nur für diese konkreten Gegenstände oder dieses Ereignis verwendbaren Gesten sozusagen vorstellungsgetreu auszudrücken und für andere konkrete Jünger, Frauen oder Ereignisse ebenso treu jeweils andere Ausdrücke zu verwenden. Obwohl dies nicht einmal der radikalste mögliche Wunsch im Sinne der Treue ist, mag selbst er, wenn überhaupt, nur so lange praktizierbar sein, wie die Miniaturwelt, in der so kommuniziert wird, klein genug ist und der Kreis, mit dem so kommuniziert wird, dieser Miniaturwelt angehört. Er wird sehr schnell an Grenzen stoßen. Diese Grenzen betreffen einerseits die geringen Erfolgsaussichten, die die verfügbaren Ausdrucksmittel besitzen, sobald nicht mehr alle Sprecher über den gleichen Erfahrungsschatz verfügen, und andererseits die kognitive Beherrschbarkeit der Ausdrucksmittel, sobald die Zahl der Gegenstände oder Ereignisse des gleichen Typs, aber auch unterschiedlichen Typs, zu hoch wird. Solche Erfordernisse der Sparsamkeit erzeugen bei Menschen einen Selektionsdruck auf solche Ausdrucksmittel, die in ihrer Bestimmtheit in gewissem Maße untreu gegenüber den bestimmten Vorstellungen sind, zu deren Ausdruck sie dienen, aber immer noch treu genug, um den Interaktionserfolg sicherzustellen.

Ein zentraler Aspekt dieser Untreue im Dienste der Sparsamkeit ist auch, für alle möglichen Beziehungen zwischen allen möglichen Dingen (WasWas steht womit in welcher Beziehung? steht womit in welcher Beziehung?) ein begrenztes Inventar an Ausdrucksmustern zu entwickeln. Gestern wies der Präsident alle Anschuldigungen von sich mag hinsichtlich des Vorstellungsinhalts wenig mit unserer Äußerung in (4) gemeinsam haben, aber die Ausdrucksmuster können als sehr ähnlich oder sogar identisch beschrieben werden, wenn wir von der jeweiligen Bestimmung des Was?, Womit? und Welche Beziehung? absehen. In dem langen Prozess der Konventionalisierung einer Sprache setzt die Herausbildung eines solchen begrenzten Inventars an routinisierten Ausdrucksmustern der Kreativität ihrer Sprecher zunehmend Grenzen. Dadurch entsteht in der Sprache so etwas wie eine Eigenstruktur in einem Bereich zwischen dem Privaten der individuellen Vorstellungswelt und dem Öffentlichen, Überindividuellen des Kommunikationsmittels Sprache.2 Die Eigenstruktur ist nämlich einerseits niemals völlig unabhängig vom VorstellungslebenVorstellungsleben der Sprecher. Die beiden Äußerungen weisen, wenn wir vom Konkreten der Vorstellungen absehen, jeweils eine AgensAgens-Handlung-PatiensPatiens-Pfad-LokationLokation-Konfiguration auf, was dem Treuezwang Genüge tut; andererseits kann nicht (mehr) jede Konfiguration von Vorstellungsinhalten so kreativ ausgedrückt werden, dass ständig neue Ausdrucksmuster entstünden, die zu RoutinenRoutine, Routinisierung neben anderen Routinen führen würden – jemanden zu sich zu nehmen und Vorwürfe von sich zu weisen unterscheiden sich in der Ausgestaltung der obigen Konfiguration nämlich recht stark. Die Sprecher einer Sprache sind stattdessen gezwungen, das meiste vorstellungsmäßig Neue analogisch mit einer geschlossenen Klasse an überkommenen Mitteln auszudrücken. Diese Konventionen erstrecken sich irgendwann auf die meisten Aspekte der Formgebung auf verschiedenen Ebenen der Sprache und sind so eng aneinandergeknüpft, dass jede Innovation, die dann doch einmal von anderen Sprechern übernommen wird, das strapazierte Gleichgewicht aus Treue und Sparsamkeit stören und Modifikationen in den überkommenen Mitteln erzwingen kann, damit dieses Gleichgewicht im Dienste der Funktionalität und Beherrschbarkeit der Sprache wieder hergestellt wird.

Von allen Kommunikationsformen, die wir kennen, ist Sprache in Bezug auf Treue und Sparsamkeit die effektivste, zu der Menschen fähig sind, und das heißt, diejenige mit dem besten realisierbaren Verhältnis von Anwendungsbreite, Aufwand (Sparsamkeit, Beherrschbarkeit), Eindeutigkeiteindeutig (Treue), Übertragungsrate und Erfolgsaussichten. Der Schreiber der Äußerung in (4) und seine RezipientinnenRezipientin (kommunikative Rolle) sind räumlich und zeitlich voneinander getrennt. Er kann daher nicht einfach auf das Ereignis zeigen, damit sie es ebenfalls in seiner phänomenalen Fülle wahrnehmenWahrnehmung und deuten können, was hinsichtlich des Aufwands, der Eindeutigkeit, Übertragungsrate und der Erfolgsaussichten vielleicht effektiver sein könnte – unter der Voraussetzung, dass die Rezipientinnen das Ereignis vor einem vergleichbaren Horizont von NormenNorm, KonventionenKonvention und PertinenzenPertinenz deuteten. Ohne diesen gemeinsamen Horizont hätte der Schreiber es mit der Zeigegeste den Rezipientinnen selbst überlassen, die pertinenten Aspekte der gesamten Szene auszusondern, was bei ihnen ziemlich sicher zu anderen Antworten auf ihre W-FragenW-Fragen geführt hätte als bei ihm. Er verwendete also den (geschriebenen) sprachlichen Ausdruck, dessen Anwendungsbreite auch die räumliche und zeitliche Trennung zwischen Schreiber und RezipientinnenRezipientin (kommunikative Rolle) überbrückt. Eine Konsequenz dieser Anwendungsbreite ist, dass die Übertragungsrate viel geringer ist. In derselben Zeit, die eine Zeigegeste benötigt, können viel weniger Vorstellungen mitsamt ihren phänomenalen QualitätenPhänomenqualitäten sprachlich kommuniziert werden. Dadurch war der Schreiber gezwungen, das vor seinem Deutungshorizont bereits gedeutete Ereignis zum Zweck der sprachlichen Kommunikation nochmals hinsichtlich seiner – nun kommunikativ – pertinenten Aspekte zu verschlanken, denn nicht alle Aspekte seiner Vorstellung waren ihm bei dem gebotenen Aufwand gleich mitteilenswert (und für die Rezipientinnen gleich bemerkenswert). So geht auf dem Weg von der privaten, aber bestimmten Vorstellung des Ereignisses mitsamt seiner phänomenalen Fülle zu der öffentlich wahrnehmbaren und deutbaren Äußerung in (4) vieles dieser Bestimmtheit mitsamt den phänomenalen Qualitäten verloren.

2.1.4 Die Zwänge der Öffentlichkeit: symbolischeDependenzsymbolische Auslagerung Auslagerungensymbolische Auslagerung

Ich gehe aus methodischen Gründen davon aus, dass das, was die Interpretin zu ihrer interpretativen Aufgabe mitbringt, zunächst nicht mehr ist als ein genetisch ererbtesererbt (vs. erworben) und im Lebensvollzug ausgeprägteserworben (vs. ererbt) Know-howKnow-how zur Unterscheidung zwischen Dingen/Gegenständen auf der einen und Eventualitäten auf der anderen Seite. Eventualitäten sind Zustände wie das Blausein eines Buches, Prozesse wie das Erkalten des Bodens, Aktivitäten wie das Singen des Vaters oder das Lächeln der Mutter, oder Kombinationen aus diesen wie das Ereignis des Aufgießens von Earl Grey. Dieses beinhaltet beispielsweise die Aktivitäten des Hebens, Neigens, Gießens und den Prozess des Fließens. Bei dieser Charakterisierung von Eventualitäten ist bereits zu erkennen, dass Eventualitäten streng genommen nichts von den Dingen Unterschiedenes, nichts neben den Dingen sind, sondern diesen zugesprochen werden, um sie zu bestimmen. Die Interpretin kann aber weder auf das Blaue zeigen, ohne gleichzeitig auf das Buch zu zeigen, noch kann sie sich ein Singen vorstellenVorstellung, ohne sich jemanden vorzustellen, der singt. Das Blausein manifestiert sich für sie am Buch und das Singen am Vater, ohne etwas von dem jeweiligen Gegenstand Verschiedenes zu sein. Der Zustand des Blauseins und die Aktivität des Singens sind Bestimmungen, die sie an den Gegenständen vornimmt. Aus der übergeordneten Perspektive der Deutung von Eventualitäten hat unsere Interpretin, so wie wir alle, gute Karten, ihr Wohlergehen zu sichern, wenn sie beispielsweise in der Lage ist, Gegenstände als Steine zu erkennen und einen Prozess, in dem die Steine involviert sind, als ein auf-sie-zu-Fliegen.

Wenn der Schreiber nun auf konventionelle Weise spricht oder schreibt und dabei an die Eigenstruktur der Sprache gebunden ist, kann die Interpretin aber nicht davon ausgehen, dass diese Eigenstruktur in einem einfachen Verhältnis zu ihrem vorsprachlichen Umgang mit Dingen und Eventualitäten steht. Die sprachliche Eigenstruktur weist ihre eigenen Einteilungsschablonen auf, die sie den Vorstellungen bisweilen aufdrücken muss. Man sagt beispielsweise die Aufmerksamkeit auf etwas richten und die Aufmerksamkeit verlieren, als ob über einen Gegenstand geredet würde – die Aufmerksamkeit –, aber man käme sehr schnell in Verlegenheit, wenn man auf ihn zeigen sollte.

Der Schreiber von (4) hat zwei Gegenstände wahrgenommen und sie anschließend als Jünger beziehungsweise Mutter Jesu bestimmt, und er hat zwischen den beiden eine Eventualität des zu-sich-Nehmens erkannt. Aber diese vorsprachliche Tatsache hat zunächst keine zwingenden Konsequenzen für seine Äußerung. Sie zwingt ihn nicht, die als Jünger beziehungsweise Mutter bestimmten Gegenstände mit Substantiven und die Eventualität mit einem Verb und einer Präposition auszudrücken, wie deutsche Muttersprachlerinnen dies vielleicht als natürlich empfinden würden. Wir könnten uns nämlich sehr gut unabgeleitete Verben wie jüngern, muttern und jesussen oder unabgeleitete Adjektive wie jünger (hier nicht als komparativ zu jung), mutter und jesus vorstellen, die so etwas bedeuten würden wie ‚tun, was ein Jünger/eine Mutter/Jesus tut‘ beziehungsweise ‚jünger-/mutter-/jesushaft‘ und wir könnten uns ein unabgeleitetes Substantiv Nehm vorstellen, das ‚jemanden, der nimmt‘ bezeichnet. Nur gibt es diese Möglichkeiten im Dudendeutschen nicht. Das normierte Standarddeutsche weist hier lexikalische Lücken auf. Aber es könnte diese Möglichkeiten geben, wie es Spitze, spitzen und spitz gibt. Abseits vom Dudendeutschen wird beispielsweise tatsächlich das Verb muttern verwendet und in der Sprache der Yuma werden Verwandtschaftsbeziehungen generell durch Verben ausgedrückt.1

Der Schreiber war also nicht gezwungen, der Jünger … nahm zu schreiben, es wären auch der Nehmer jüngerte oder Ähnliches denkbar gewesen. Seine Sprache erlaubt ihm, eine Bestimmung des Gegenstandes (Jüngersein) in das Substantiv einzulagern (Jünger), eine andere in das Verb und die Präposition (nehmen … zu) und eine dritte in das Adjektiv auszulagern (zum Beispiel langfüßig). Bei aller hypothetischen Unbeschränktheit ist aber auffällig, dass die Sprachen der Welt nicht zufällig darin variieren, welche Bestimmungen von Gegenständen sie in welche Wortartensyntaktische KategorieWortartWortart ein- oder auslagern. Darin ähneln sie sich sogar weitgehend.2 Ich möchte jede einzelne dieser Bestimmungen als eine konventionalisierte AspektvereinseitigungAspektvereinseitigung des betreffenden Gegenstandes auf Kosten anderer möglicher Aspektvereinseitigungen charakterisieren. Ein Gegenstand, dem das Jüngersein zugesprochen wird, ist niemals nur ein Jünger und sonst nichts, und wenn ihm außerdem zugeschrieben wird, dass er etwas nimmt, tut er immer auch etwas anderes als zu nehmen. Wir können aber möglicherweise sagen, dass ihm das Jüngersein länger zukommt und für uns eher als ein konstantes Unterscheidungsmerkmal dienen kann als sein Nehmen. Raumzeitlich konstante Eigenschaften wie Menschsein, Steinsein, Baumsein, Telefonsein, Jüngersein, Muttersein oder Jesussein, die für uns pertinentePertinenz Kriterien für die Unterscheidbarkeit, Erkennbarkeit und Handhabbarkeit von Gegenständen sind, finden wir eher in (unabgeleitete) Substantive eingelagert, während wir dynamische, variable Bestimmungen, die einem Gegenstand bald zukommen, bald nicht zukommen, wie zu greifen, zuzuhören, betrunken zu sein oder etwas zu nehmen, eher in (unabgeleitete) Verben ausgelagert finden.

Der Begriff der Auslagerung bedarf vielleicht einer Erläuterung. Während in der bestimmten VorstellungVorstellung eine Eventualität nichts von dem Gegenstand Verschiedenes ist, an dem sie sich manifestiert, müssen im sprachlichen Ausdruck manche Eventualitäten symbolisch in den Gegenstand ein- beziehungsweise aus dem Gegenstand ausgelagert werden, so wie das Jüngersein im Substantiv eingelagert und das Nehmen in das Verb ausgelagert ist. Wir bekommen neben Jünger (und Mutter) auch noch nahm.

Diese Notwendigkeit zur symbolischen Auslagerung ist einer der Kompromisse aus TreueTreue (vs. Sparsamkeit) und SparsamkeitSparsamkeit (vs. Treue), die die menschliche Sprache kennzeichnen und die zu durchschauen zum grundlegendsten sprachlichen Know-howKnow-how gehört. Denn was wäre die Alternative zu einer solchen symbolischen Auslagerung? Wir bräuchten einen Ausdruck, der die Einheit aus Gegenstand und Eventualität treu abbildet, aber so, dass er von anderen Ausdrücken für andere Gegenstände und deren Eventualitäten unterscheidbar wäre. Mit anderen Worten, wir bräuchten einen holistischen, das heißt in seiner Binnenstruktur ungegliederten Ausdruck für einen springenden Jünger, einen (völlig) anderen Ausdruck für einen sich duckenden Jünger, wieder einen (völlig) anderen für einen nehmenden Jünger, ja sogar für einen die Mutter Jesu nehmenden Jünger und so weiter. Und der Ausdruck für eine springende Mutter wäre natürlich ein (völlig) anderer als der für einen springenden Jünger. Es ist leicht einzusehen, dass sich ein solches kommunikatives Verkehrsmittel niemals durchsetzen könnte, aus dem einfachen Grund, dass es angesichts der erforderlichen Anwendungsbreite für Menschen kaum lernbar sein dürfte. Was wir tatsächlich haben, ist ein kommunikatives Verkehrsmittel, in dem Aspekte von Vorstellungen aus diesen Vorstellungen symbolisch ausgelagert werden. Wir erhalten ein trennbares sprachliches Nebeneinander, wo wir ein untrennbares Ineinander in der Vorstellung haben. Das führt nun aber zu einer bedeutenden Asymmetrie im sprachlichen Ausdruck: Für die VorstellungVorstellung von Eventualitäten auf der Basis von sprachlichen Ausdrücken ist es nötig, sich die Dinge, an denen sie sich manifestieren, mit vorzustellen, während es umgekehrt möglich ist, sich Dinge in so etwas wie einer Null-Eventualität vorzustellen, die meistens dem Ruhezustand entspricht. Das heißt, die Leserin muss sich, um sich auf der Basis von nahm eine Beziehung des Nehmens vorstellen zu können, etwas vorstellen, an dem sich das Nehmen manifestiert. Dazu gehören ein Nehmer und ein Genommenes.

Die Kompromisslösung der symbolischen Auslagerung führt somit zu DependenzDependenz in der Sprache: Um sich auf Basis eines Ausdrucks, zum Beispiel nahm, etwas vorstellen zu können, ist es nötig, sich etwas anderes vorzustellen – den Nehmer und das Genommene. Es kann natürlich sein, dass der in diesem Verhältnis abhängige Ausdruck (nahm) in Relation zu einem dritten Ausdruck wiederum der unabhängigere Teil ist. Um sich nämlich auf der Basis von zu etwas Gerichtetes vorzustellen, muss die Interpretin sich das, woran es sich manifestiert, und die räumlichen Bezugspunkte vorstellen. Da Gerichtetheit wiederum nur einen Aspekt einer Eventualität und nicht die Eventualität selbst bezeichnet, muss die Interpretin sich also auch noch eine Eventualität vorstellen, von der Gerichtetheit einen Aspekt darstellt. Nahm drückt eine solche Eventualität aus, nahm und zu sind zwei Bestandteile der gleichen Äußerung und sie befinden sich bei der Interpretation der Äußerung in relativer räumlicher und zeitlicher Nähe zueinander. Es liegt dann für die Leserin nahe, anhand beider eine komplexe Vorstellung eines gerichteten Nehmens zu konstruieren.

Was nach einer recht statischen Kompositionsleistung klingt, ist in Wirklichkeit hochgradig dynamisch. Denn je nachdem, welche anderen Vorstellungen und Vorstellungsaspekte zur Vorstellungskonstruktion auf der Basis von zu oder nahm verwendet werden, ändert dies die gesamte komplexe Vorstellung der Aktivität des Nehmens. Nehmen ist beispielsweise einer der wenigen Eventualitätsausdrücke (im Deutschen), die nicht nur die Art und Weise einer Aktivität ausdrücken, sondern in den auch gleichzeitig der Aspekt der Gerichtetheit schon eingelagert ist. Ein Nehmen ist – zumindest in der entscheidenden Endphase – auf den Nehmer gerichtet. Andernfalls wäre es kein Nehmen. Insofern kann die Leserin erschließen, dass die zusätzliche Angabe einer Gerichtetheit durch zu eine Modifikation der Vorstellung des Nehmens erfordert, so dass das Nehmen nicht nur auf den Nehmer gerichtet ist, wofür nahm auch ohne zu gereicht hätte, sondern dass der Nehmer und das Genommene zusätzlich in einer mitgemeinten zweiten Eventualität, zum Beispiel einer des Gehens oder Bringens, auf etwas gerichtet sind. Da nahm der Jünger die Mutter Jesu zu sich … bedeutet dann so etwas wie ‚Da nahm der Jünger die Mutter Jesu und brachte sie zu sich nach Hause‘ oder ‚… und ging mit ihr zu sich nach Hause‘.

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