Kitabı oku: «Ivanhoe», sayfa 9

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»Ja,« entgegnete Isaak, »aber wenn der Tyrann nun Beschlag darauf legt, wie heute, und mich zwingt zu lächeln, indem er mich plündert! O, Tochter! enterbt und unstät wie wir sind, ist doch das größte Uebel, das unsern Stamm trifft, daß alle Welt uns auslacht, wenn wir gemißhandelt und geplündert werden; wir müssen unser erlittenes Unrecht verbeißen und geduldig lächeln, wo wir wünschten, uns muthig zu rächen.«

Während dieser Unterredung war es dunkel geworden, als ein jüdischer Diener ins Zimmer trat und zwei silberne Lampen mit wohlriechendem Oel auf den Tisch setzte. Die köstlichsten Weine und ausgesuchtesten Erfrischungen wurden zugleich von einem anderen Diener auf einen kleinen elfenbeinernen, mit Silber ausgelegten Tisch niedergesetzt, denn in ihren Häusern versagten sich die Juden keinen Aufwand. Der Diener meldete Isaak zugleich, daß ein Nazarener, so nannten die Juden die Christen unter sich, ihn zu sprechen wünsche. Wer vom Handel lebt, muß immer und für jeden zu sprechen sein, der Geschäfte mit ihm machen will. Isaak setzte daher den schon erhobenen Becher mit griechischem Weine wieder auf den Tisch, rief seiner Tochter zu: »Verschleiere Dich, Rebekka!« und ließ den Fremden eintreten.

Gerade als Rebekka einen Schleier von Silbergaze, der ihr bis zu den Füßen reichte, über ihr schönes Gesicht hatte fallen lassen, öffnete sich die Thüre, und Gurth trat herein, in seinen weiten normännischen Mantel gehüllt. Sein Aeußeres hatte eher etwas Verdächtiges als Einnehmendes, zumal da er die Mütze, statt sie abzunehmen, noch weiter ins Gesicht zog.

»Bist Du Isaak, der Jude von York?« fragte Gurth in sächsischer Sprache.

»Der bin ich,« erwiderte der Jude in derselben Sprache, denn sein Verkehr hatte ihm die damals in England geredeten Sprachen geläufig gemacht, »und wer bist Du?«

»Das geht Dich nichts an,« antwortete Gurth.

»Eben so viel als mein Name Dich angeht,« erwiderte Isaak, »denn wenn ich den Deinen nicht weiß, wie kann ich mit Dir Geschäfte machen?«

»Sehr leicht,« versetzte Gurth, »denn wenn ich Geld bezahlen will, muß ich die rechte Person kennen, der ichs ausliefere; Dir, der Du es empfängst, kann es ziemlich gleichgültig sein, wer Dir es zahlt.«

»Ei sieh doch!« sagte der Jude. »Du willst mir Geld bezahlen? Heiliger Vater Abraham! Das ändert die Sache. Und von wem bringst Du es denn?«

»Von dem enterbten Ritter,« sagte Gurth, »dem Sieger im heutigen Turniere. Es ist der Preis für die Rüstung, die ihm Kirjath Jairam von Leicester auf Deine Empfehlung geliehen. Der Zelter ist wieder in Deinem Stalle. Ich wünschte nun zu wissen, wie viel ich für die Rüstung zu zahlen habe?«

»Sagt ichs nicht, er sei ein guter Junge?« rief Isaak voller Freude. »Ein Becher Wein wird Dir nicht schaden,« setzte er hinzu und schenkte dem Schweinehirten einen volleren Becher ein als er selbst ihn vorher hatte trinken wollen. »Und wie viel hast Du denn mitgebracht?«

»Heilige Jungfrau!« sagte Gurth und setzte den Becher nieder, »welchen Nektar trinken die ungläubigen Hunde, indeß redliche Christenleute Gott danken, wenn sie so dickes und trübes Bier haben, wie das Spülicht, das die Schweine bekommen. Wie viel ich mitgebracht habe? Nun, es ist eben nicht viel; aber Du sollst doch etwas erhalten! Wie, Isaak, Du mußt doch auch ein Gewissen im Leibe haben, wenn es auch nur ein jüdisches ist?«

»Ja,« sagte der Jude, »aber Dein Herr hat ja treffliche Pferde und reiche Rüstungen mit der Stärke seiner Lanze und seiner Hand gewonnen; und er ist ein guter Mensch! Der Jude will diese an Zahlungs statt annehmen, und ihm den Ueberschuß herausgeben.«

»Mein Herr hat schon darüber verfügt,« sagte Gurth.

»Ach, das war Unrecht,« sagte der Jude, »das war ein thörichter Streich! Kein Christ kann doch so viel Rosse und Rüstungen bezahlen, auch kein Jude außer mir wird ihm die Hälfte des Werthes geben. Doch, Du hast gewiß hundert Zechinen da unten,« sagte der Jude und that einen Griff unter Gurths Mantel, »der Beutel ist schwer.«

»Ich habe Bolzenspitzen darin,« erwiderte Gurth sofort.

»Wenn ich sagte, ich wollte achtzig Zechinen für das gute Pferd und die reiche Rüstung annehmen, so hätte ich nicht einen Pfennig Profit. Habt Ihr wirklich Geld zu zahlen?«

»Zur Nothdurft,« sagte Gurth, obwohl die verlangte Summe billiger war, als er erwartet hatte, »aber dann wird mein Herr ganz und gar bloß. Ist es indeß Eure letzte Forderung, so muß ich zufrieden sein.«

»Schenke Dir noch ein Glas Wein ein,« sagte der Jude, »aber achtzig Zechinen sind doch zu wenig; da büße ich noch die Zinsen von dem Gelde ein; und überdies kann ja auch das Roß Schaden genommen haben. Es war ein gar zu hartes Zusammentreffen. Mann und Roß rannten ja wie wilde Stiere aufeinander los. Das Pferd muß Schaden genommen haben.«

»Und ich sage,« versetzte Gurth, »es ist gesund an Lunge und Gliedern, Du kannst es besehen im Stall. Auch sage ich noch, daß siebzig Zechinen genug sind für die Rüstung. Wollt Ihr siebzig nehmen? Wo nicht, so nehme ich den Beutel wieder mit zu meinem Herrn.« Bei diesen Worten schüttelte er denselben, daß der Inhalt klang.

»Nein, nein,« sagte der Jude, »lege nieder die Talente, die Seckel, die achtzig Zechinen, und Du sollst sehen, ich werde Dich freigebig bedenken.«

Gurth ließ sichs endlich gefallen, und indem er die achtzig Zechinen auf den Tisch zählte, stellte ihm der Jude eine Quittung über den Empfang der Zahlung aus. Seine Hand zitterte vor Freude, als er die ersten siebzig Goldstücke einstrich. Die letzten zehn überzählte er mit mehr Ueberlegung, er pausirte dabei und sprach etwas, sowie er jedes einzelne Stück vom Tische nahm und in seinen Beutel fallen ließ. Es schien, als ob sein Geiz mit seiner bessern Natur kämpfte und ihn antriebe, Zechine nach Zechine einzustreichen, während seine Großmuth ihn nöthigte, wenigstens etwas seinem Wohlthäter zurückzugeben.

Seine Worte lauteten ungefähr wie folgt: »Einundsiebzig – zweiundsiebzig – Dein Herr ist ein guter Junge – dreiundsiebzig – ein vortrefflicher Junge – vierundsiebzig – das Stück ist ein wenig beschnitten – fünfundsiebzig – und das scheint etwas zu leicht zu sein – sechsundsiebzig – wenn Dein Herr Geld bedarf, so mag er nur zum Isaak von York kommen – siebenundsiebzig – so viel muß ich selber dafür zahlen.« Hier machte er eine beträchtliche Pause, und Gurth hoffte, die drei letzten Stücke möchten dem Schicksal ihrer Kameraden entgehen, aber die Zählung wurde fortgesetzt. – »Achtundsiebzig – Du bist ein guter Kerl – neunundsiebzig – Du verdienst etwas für Deine Mühe.«

Hier machte der Jude wieder eine Pause und betrachtete die letzte Zechine, ohne Zweifel in der Absicht, sie Gurth zu schenken. Er wog sie auf der Spitze des Fingers und ließ sie auf dem Tische klingen. Hätte sie matt geklungen, oder wäre sie nur um ein Haar zu leicht ausgefallen, so hätte wahrscheinlich der Edelmuth gesiegt, aber unglücklicherweise für Gurth war der Klang voll und rein, die Zechine stark, von schönem Gepräge und hielt noch einen Gran übers Gewicht. Isaak vermochte sich daher nicht von ihr zu trennen und ließ sie in den Beutel fallen, wie in einer Art von Geistesabwesenheit, indem er sagte: »Achtzig macht die Zahl voll! Ich denke, Dein Herr wird Dich schon ansehnlich belohnen! Gewiß,« setzte er mit einem forschenden Blick auf den Beutel hinzu, »hast Du noch mehr Geld in diesem Beutel.«

Mit grinsendem Lächeln erwiderte Gurth: »Fast eben so viel, als Du jetzt so sorgfältig gezählt hast.« Dann legte er die Quittung zusammen, steckte sie unter seine Mütze, schenkte sich ungebeten noch einen dritten Becher Wein ein und verließ ohne Complimente das Zimmer.

»Rebekka,« sagte der Jude, »dieser Ismaelite hat mich doch überholt! Indeß, sein Herr ist dennoch ein guter Junge, und es ist mir lieb, daß er hat Seckel voll Gold und Seckel voll Silber gewonnen durch die Schnelligkeit seines Rosses und durch die Stärke seiner Lanze, die, wie Goliaths des Philisters, mit einem Weberbaum wetteifern könnte.«

Als er sich umwandte, Rebekkas Antwort zu vernehmen, bemerkte er, daß sie unterdeß das Zimmer verlassen hatte.

Inzwischen war Gurth die Treppe hinabgestiegen, und als er die dunkle Vorhalle erreicht hatte, tappte er umher, den Eingang zu suchen; da erblickte er beim Schein einer silbernen Lampe eine weiße Gestalt, die ihm nach einem Seitengemache winkte. Gurth trug Bedenken, der Einladung zu folgen. Ungestüm und rauh, wie ein wilder Eber, wenn er nur menschliche Kräfte zu fürchten hatte, war er doch, wie alle Sachsen, voll Furcht vor Gespenstern, Kobolden und weißen Frauen. Es fiel ihm ein, daß er im Hause eines Juden sei, und diese wurden zu jener Zeit für Schwarzkünstler und Zauberer gehalten. Trotzdem besann er sich doch nur einige Augenblicke und folgte der Gestalt wirklich in das Gemach.

»Mein Vater scherzte nur mit Dir, guter Mann,« sagte Rebekka, »er verdankt Deinem Herrn viel mehr, als diese Waffen und das Roß werth sind. Welche Summe hast Du jetzt meinem Vater gezahlt?«

»Achtzig Zechinen,« antwortete Gurth, erstaunt über diese Frage.

»In diesem Beutel wirst Du hundert finden,« sagte Rebekka. »Gib Deinem Herrn zurück, was sein ist, und behalte das übrige für Dich. Schnell fort! Keinen Dank! Und nimm Dich in Acht, daß Du glücklich durch die überfüllte Stadt kommst, wo Du leicht Deine Beutel und Dein Leben verlieren könntest. – Ruben,« setzte sie hinzu, indem sie in die Hände schlug, »leuchte dem Fremden und dann vergiß nicht, Schloß und Riegel hinter ihm zuzumachen.«

Ruben, ein schwarzäugiger und schwarzbärtiger Israelit, folgte dem Befehl mit einer Fackel in der Hand. Er öffnete die Hausthür, führte Gurth über einen gepflasterten Hofraum und wies ihn durch ein kleines Pförtchen im Thorwege, das er dann wieder hinter sich mit so starken Riegeln und Ketten verschloß, daß man den Ort für ein Gefängniß hätte halten können.

»Beim heiligen Dunstan!« sagte Gurth, als er in der dunklen Allee weiterstolperte, »das ist keine Jüdin, sondern ein Engel vom Himmel! Zehn Zechinen von meinem braven jungen Herrn, und zwanzig von dieser Perle Zions! O, häppig daeg! Glücklicher Tag! Noch ein solcher, Gurth, und Du kannst Dich frei machen von Deiner Hörigkeit so gut wie ein anderer. Dann aber lege ich das Horn und den Stab des Schweinehirten nieder, nehme wie ein freier Mann Schwert und Schild und folge meinem jungen Herrn bis in den Tod, ohne meinen Namen oder mein Gesicht zu verbergen.«

Kapitel XI

Erster Räuber. Steht, Herr, werft hin das, was Ihr bei Euch tragt,

Sonst setzen wir Euch hin, Euch auszuplündern.

Flink. Wir sind verloren, Herr! das sind die Schufte,

Vor denen alle Reisenden sich fürchten.

Valentin. Ihr, Freunde –

Erster Räuber. Das sind wir nicht, Herr; wir sind Eure Feinde.

Zweiter Räuber. Still, hört ihn an.

Dritter Räuber. Bei meinem Bart, das wollen wir;

Er ist ein feiner Mann.

Die beiden Veroneser.

(Grote'sche Shakespeare-Ausgabe Bd. V, S. 253.)

Die nächtlichen Abenteuer Gurths waren noch nicht zu Ende; und er selbst fing dies zu fühlen an, als er, nachdem er an einigen einsam stehenden Häusern außerhalb des Dorfes vorübergegangen war, sich in einem tiefen Hohlwege sah, der auf beiden Seiten mit niedrigem Gesträuch bewachsen war, während hier und da eine Zwergeiche ihre Aeste über den Weg streckte.

Von den vielen Wagen, die vor kurzem so mancherlei Gegenstände zum Turnier befördert hatten, war der Hohlweg ausgefahren, und es war dunkel, denn die Ränder und Büsche wehrten das Licht des Mondes ab.

Vom Dorfe her hörte man Getön von allerlei Lustbarkeiten, in das sich gelegentliches Gelächter mischte, oder das ab und zu von schrillem Jauchzen und wilden musikalischen Klängen unterbrochen war. All diese Töne, die den außergewöhnlichen Zustand des Ortes, der mit Edlingen und ihrem ausschweifenden Gefolge angefüllt war, bekundeten, verursachten unserm Gurth ein gewisses unbehagliches Gefühl. »Die Jüdin hatte Recht,« sagte er zu sich. »Beim Himmel und dem heiligen Dunstan! ich wollte, ich wäre glücklich mit meinem Reichthum am Ende meiner Reise. Da ist ein Haufe, ich will nicht sagen von Hauptspitzbuben, aber von Hauptleuten, Hauptcavalieren, Hauptmönchen, Hauptsängern, Hauptgauklern, Hauptnarren, daß ein einzelner Mann mit auch nur einer Mark in der Tasche in Angst sein könnte, geschweige denn ein armer Schweinehirt mit einem ganzen Beutel voll Zechinen.«

Demgemäß beschleunigte Gurth seine Schritte, so viel er konnte, um wenigstens in die offene Gegend hinauszukommen, zu welcher der Hohlweg führte. Doch er war nicht so glücklich, sein Ziel ungefährdet zu erreichen. Grade am obern Ende des Hohlwegs, wo das Gesträuch am dichtesten war, sprangen vier Männer auf ihn los und es packten ihn zwei von jeder Seite so gewaltsam, daß aller Widerstand vergeblich war. – »Gib her, was Du trägst,« sagte einer von ihnen, »wir sind Befreier zum allgemeinen Besten und entledigen jeden seiner Bürde.«

»Von meiner doch nicht so leicht,« murmelte Gurth, dessen knorrige Ehrlichkeit sich auch unter dem Drucke unmittelbarer Gewaltthat nicht beugte, »hätte ich nur die Möglichkeit, drei Streiche zu ihrer Vertheidigung zu führen.«

»Das werden wir gleich sehen,« sagte einer der Räuber, und zu seinen Gefährten gewendet, fügte er hinzu: »Nehmt den Schurken mit; ich sehe, er zieht es vor, sich den Hirnkasten einschlagen und seinen Beutel aufschneiden zu lassen, so daß er aus zwei Adern zugleich Blut hergibt.«

Dem Befehl gemäß wurde Gurth eiligst hinweggeschleppt, und nachdem man ihn unsanft über den Rand des Hohlwegs gezerrt, sah er sich plötzlich in einem einsamen Gebüsch, das zwischen dem Hohlwege und dem freien Felde lag. Dort ward er gezwungen, seinen rohen Führern bis zur Tiefe des Schlupfwinkels zu folgen, wo sie plötzlich an einem offenen unregelmäßigen Platze hielten, der ganz frei von Bäumen war, und auf welchen das volle Mondlicht herabfiel. Hier vereinigten sich mit der Bande noch zwei andre Spießgesellen. Sie trugen kurze Schwerter an der Seite, große Knüttel in den Händen, und Gurth konnte bemerken, daß sie alle sechs Visiere vorhatten, was ihn über ihr Gewerbe vollkommen aufklären konnte, wenn ihm dies ihr vorhergehendes Verfahren nicht schon sattsam erläutert hätte.

»Wie viel Geld hast Du?« fragte einer der Strauchdiebe.

»Dreißig Zechinen sind mein eigen,« antwortete Gurth mürrisch.

»Verwirkt, verwirkt!« schrieen die Räuber; »ein Sachse hat dreißig Zechinen und kommt nüchtern aus der Stadt! Ein unleugbarer Grund, warum alles an uns verwirkt ist, was er bei sich trägt.«

»Ich habe sie nur gespart, um mir die Freiheit zu kaufen,« sagte Gurth.

»Ein Esel bist Du,« erwiderte einer von den Räubern; »drei Quart Doppelbier hätten Dich so frei gemacht wie Deinen Herrn, und noch freier, wenn er ein Sachse ist wie Du.«

»Eine traurige Wahrheit,« versetzte Gurth; »doch wenn die dreißig Zechinen mir die Freiheit von euch erkaufen können, so laßt meine Hände los, ich will sie euch auszahlen.«

»Halt,« sagte der eine, der eine Art von Autorität über die andern auszuüben schien, »der Beutel, den Du trägst, enthält, wie ich durch Deinen Mantel fühle, mehr Geld, als Du uns gesagt hast.«

»Das gehört dem guten Ritter, meinem Herrn,« erwiderte Gurth, »und ich würde, seid versichert, kein Wort davon erwähnt haben, wäret ihr mit dem zufrieden gewesen, was ihr mir von meinem Eignen abnehmt.«

»Du bist ein ehrlicher Bursche,« versetzte der Räuber, »das ist ausgemacht, und wir verehren St. Nikolaus nicht so inbrünstig, daß wir Deine dreißig Zechinen nicht unangetastet ließen, wenn Du offen gegen uns bist. Einstweilen aber gib uns Dein anvertrautes Gut in Verwahrung.« Mit diesen Worten nahm er Gurth die große Ledertasche ab, in welcher sich der Beutel befand, den ihm Rebekka geschenkt hatte, sowie die übrigen Zechinen; dann fuhr er fort zu fragen: »Wer ist Dein Herr?«

»Der enterbte Ritter,« sagte Gurth.

»Dessen gute Lanze,« erwiderte der Räuber, »den Preis in dem heutigen Turniere gewann? – Welches ist sein Name und seine Herkunft?«

»Er wünscht, daß dies Geheimniß bleibe,« versetzte Gurth, »und von mir werdet Ihr nichts darüber erfahren.«

»Und welches ist Dein Name und Deine Abkunft.«

»Wenn ich das sagte, so könnte auch leicht mein Herr errathen werden,« gab Gurth zur Antwort.

»Du bist ein frecher Bursche,« sagte der Räuber; »aber davon nachher! Wie kommt Dein Herr zu dem Gelde? Ist es sein Erbtheil oder wie ist es ihm zugefallen?«

»Durch seine gute Lanze ist es erworben,« antwortete Gurth. »Diese Beutel enthalten das Lösegeld für vier gute Rosse und vier gute Rüstungen.«

»Wieviel ist darin?« fragte der Räuber.

»Zweihundert Zechinen.«

»Nur zweihundert Zechinen!« sagte der Bandit. »Dein Herr ist großmüthig mit den Besiegten verfahren und hat ihnen ein leichtes Lösegeld auferlegt. Nenne uns die, welche das Gold bezahlt haben.«

Gurth that es.

»Die Rüstung und das Roß des Templers Brian de Bois-Guilbert, wie hoch wurden die ausgelöst? – Du siehst, Du kannst mich nicht betrügen.«

»Mein Herr,« versetzte Gurth, »will von dem Templer nichts nehmen als sein Herzblut. Sie haben sich auf Leben und Tod gefordert und können unter sich keine Höflichkeiten wechseln.«

»Recht,« sagte der Räuber, und schwieg einen Augenblick. »Und was wolltest Du zu Ashby thun, mit diesem Schatze in Deinem Gewahrsam?«

»Ich wollte Isaak, dem Juden von York, den Preis für eine Rüstung überbringen, mit der er meinen Herrn für das Turnier versehen hat.«

»Und wie viel hast Du Isaak bezahlen müssen? Es dünkt mich, nach dem Gewicht zu urtheilen, da müßten immer noch zweihundert Zechinen im Beutel sein.«

»Ich zahlte an Isaak achtzig Zechinen,« sagte der Sachse; »und er hat mir statt dessen hundert zurückgegeben.«

»Wie? Was?« riefen alle Räuber aus einem Munde; »Du willst uns solche Lügen aufbinden?«

»Was ich euch sage, ist so wahr als der Mond am Himmel steht,« erwiderte Gurth. »Ihr werdet genau diese Summe in einem seidnen Geldbeutel und vom übrigen Golde abgesondert vorfinden.«

»Ueberleg Dir's, Mensch,« sagte der Häuptling. »Du sprichst von einem Juden, einem Hebräer, der eben so wenig Gold zurückzugeben im Stande ist, wie der trockne Wüstensand den Becher Wasser, den der Pilger darüber ausgießt.«

»Sie haben ja so wenig Mitleid,« sagte ein andrer von den Banditen, »als eines Landrichters Büttel, wenn er nicht bestochen ist.«

»Gleichwohl ist es, wie ich sage,« erwiderte Gurth fest.

»Schlag doch einer Licht an!« rief der Hauptmann; »ich will den besagten Beutel selbst untersuchen. Ist es, wie der Bursche sagt, so ist des Juden Freigebigkeit kein geringeres Wunder als der Wasserquell, der einst seine Väter in der Wüste tränkte.«

Es ward Licht gemacht, und der Räuber schickte sich an, den Beutel zu untersuchen. Die andern gruppirten sich um ihn her, und selbst die beiden, welche Gurth hielten, steckten ihre Köpfe vor, um der Untersuchung zu folgen.

Gurth benutzte diesen Augenblick der Unachtsamkeit, machte sich durch einen schnellen Ruck los und hätte entkommen können, wenn er seines Herrn Eigenthum hätte im Stiche lassen wollen.

Daran dachte er aber durchaus nicht. Er entriß vielmehr einem der Räuber seinen Knittel, schlug den Hauptmann nieder, der darauf nicht gefaßt war, und hätte sich beinahe der Tasche und seiner Schätze wieder bemächtigt. Allein die Räuber waren ihm doch zu behend, und so wurde denn der Beutel nebst dem treuen Gurth wieder fest gemacht.

»Schurke!« sagte der Häuptling, als er aufstand, »Du hast mir fast den Schädel zerschmettert, und dieser Frechheit wegen würdest Du bei andern Leuten unseres Schlages schlecht wegkommen. Aber Du sollst Dein Schicksal sogleich hören. Erst laß uns von Deinem Herrn sprechen. Die Gesetze des Ritterthums verlangen, daß des Ritters Sache der des Knappen vorausgehe. – Verhalte Dich inzwischen ruhig. Rührst Du Dich noch einmal, so wirst Du augenblicklich zur ewigen Ruhe gebracht. – Kameraden,« sagte er dann, sich zur Bande wendend »dieser Beutel ist mit hebräischen Buchstaben gestickt, und ich glaube, der Bursch hat uns doch die Wahrheit gesagt. Sein Herr, der irrende Ritter muß bei uns tax- und zollfrei ausgehn. Er hat zu viel Aehnlichkeit mit uns, als daß wir von ihm Beute machen sollten; Hunde sollten Hunde nicht zausen, so lange noch an Wölfen Ueberfluß ist.«

»Aehnlickeit mit uns?« fragte einer aus der Bande; »ich möchte doch hören, wie das zu erweisen ist.«

»Nun, Du Narr,« antwortete der Hauptmann, »ist er nicht arm und enterbt wie wir? Verdient er nicht, wie wir, seinen Unterhalt mit der Schärfe des Schwertes? Hat er nicht den Front de Boeuf geschlagen, wie wir ihn geschlagen haben würden, hätten wir gekonnt? Ist er nicht der Todfeind des Brian de Guilbert, den wir so viel Ursache zu fürchten und zu hassen haben? Und wäre das auch alles nicht, wolltest Du denn ein schlechterer Kerl sein als ein Ungläubiger, ein Hebräer und beschnittner Jude? Höre, Gesell,« fuhr er zu Gurth gewendet fort, »kannst Du denn einen Knittel führen, daß Du so rasch darauf losfuhrst?«

»Ich dächte,« sagte Gurth, »das müßtest Du am besten wissen.«

»Ja, wahrhaftig, Du gabst mir einen herzhaften Schlag,« sagte der Hauptmann, »versuch es mit dem hier auch, und Du sollst ungerupft loskommen; thust Du es nicht, so muß ich mich schon, da Du ein so strammer Kerl bist, dazu entschließen, Dein Lösegeld selbst zu bezahlen. Nimm Deinen Knittel, Müller,« fügte er zu einem vierschrötigen Kerl gewendet hinzu, »nimm aber Deinen Schädel in Acht. Ihr andern laßt mir den Burschen gehen, und gebt ihm einen Knittel, es ist hier hell genug, um gehörig aufzuschütten.«

Die beiden Kämpfer schritten, mit Kampfstöcken gleichmäßig bewaffnet, in die Mitte des offnen Platzes, um das volle Mondlicht zu benutzen. Die Räuber lachten unterdessen und riefen ihrem Kameraden zu: »Du, Müller, nimm Deine Mahlmetze in Acht!« Der Müller aber faßte seinen Knittel in der Mitte an, schwang ihn wirbelnd um seinen Kopf, in der Manier, die die Franzosen faire le moulinet nennen, und rief stolz: »Komm her, Du Flegel, wenn Du Dirs getraust, Du sollst die Kraft von einem Müllerdaumen verspüren.«

»Bist Du ein Müller,« antwortete Gurth unerschrocken, und ließ seine Waffe mit derselben Geschicklichkeit um seinen Kopf kreisen, »so bist Du ja ein zwiefacher Spitzbube, und als ehrlicher Mann biete ich Dir darum Trotz.«

Somit rückten die beiden Gegner dicht auf einander los und entwickelten einige Minuten lang ganz gleiche Stärke, gleichen Muth und gleiche Gewandtheit, indem jeder die Schläge seines Gegners mit äußerster Schnelligkeit zurückgab oder auffing. Wenn jemand von ferne gestanden und zugehört hätte, so würde er aus dem ununterbrochenen Klappern ihrer Waffen haben schließen müssen, daß wenigstens sechs Personen auf jeder Seite im Gefecht wären. Freilich ist der Stockkampf heut zu Tage gänzlich aus der Mode gekommen, dennoch mag der Hergang vielleicht manchen unserer Leser interessiren.

Die Kämpfer fochten lange mit ganz gleichem Erfolge, bis der Müller, da er sich mit einem so kräftigen Gegner engagirt sah, die Fassung zu verlieren begann, zumal da er hörte, wie seine Gefährten sich, wie bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich, seiner Bedrängniß freuten. Dieser Gemüthszustand war aber dem edlen Stockkampfe durchaus nicht günstig, da derselbe die größte Kaltblütigkeit erfordert. Gurths von Natur ruhiges Wesen verlieh ihm daher bald ein entschiedenes Uebergewicht, das er sich mit großer Schlauheit zu Nutzen machte.

Der Müller drang nun wüthend auf Gurth ein, theilte mit beiden Enden des Stockes Schläge aus und versuchte sich auf halbe Entfernung zu nähern. Gurth dagegen schützte Kopf und Leib auf das geschickteste, indem er seinen Stock abwechselnd mit der einen und der andern Hand schwang. Endlich bemerkte er, daß seinem Gegner der Athem ausging; sofort schwang er den Stock mit der linken Hand nach des Müllers Gesicht, und als dieser den Schlag zu pariren suchte, hatte er die Waffe schon wieder in der Rechten und traf ihn dergestalt an den Schädel, daß er der Länge nach den grünen Boden maß.

»Gut, und wie ein Hauptkerl gefochten!« schrieen nun die Räuber einstimmig; »ehrlich Gefecht – und Alt-England auf ewig! Der Sachse hat Beutel und Haut gerettet, der Müller hat seinen Mann gefunden.«

»Du kannst nun Deiner Wege gehn, Freund,« sagte der Hauptmann zu Gurth mit Einstimmung aller; »zwei von meinen Leuten sollen Dich den besten Weg zu Deines Herrn Zelte führen, und Dich vor Nachtwandlern schützen, die nicht so gewissenhaft sein möchten wie wir. Aber hüte Dich,« fügte er streng hinzu, »danach zu forschen, wer oder was wir sind, und bedenke, daß Du uns Deinen Namen auch nicht gesagt hast. Machst Du einen solchen Versuch, so wird er Dir sicher schlecht bekommen.«

Gurth dankte dem Hauptmann für seine Höflichkeit und versprach seinen Rath zu beherzigen. Zwei von den Geächteten ergriffen nun ihre Stöcke und hießen Gurth ihnen in nächster Nähe folgen. Sie führten ihn durch das Dickicht, bis sie zu einer Stelle kamen, wo sie von zwei Männern angehalten wurden. Diesen flüsterte einer von Gurths Führern ein paar Worte zu, worauf sie sich ins Gehölz wandten und die andern unbeanstandet ziehen ließen. Aus diesem Umstande schloß Gurth, daß die Bande zahlreich sein müsse, da sie so reguläre Wachtposten rings um ihr Versteck aufgestellt hatte.

Als sie endlich an eine offne Stelle gelangten, und Gurth trotzdem den rechten Weg selbst zu finden Mühe hatte, führten ihn die Begleiter vorwärts auf einen Hügel, von wo aus er im Mondlichte deutlich die Schranken des Turnierplatzes und die schimmernden Zelte am Ende desselben unterscheiden konnte, deren Fähnlein im Mondlichte flatterten. In der Ferne vernahm er deutlich das Gesumm der Lieder, mit denen die Nachtwachen sich die Langeweile vertrieben.

Hier hielten die Räuber an.

»Weitergehn wir nicht,« sagten sie; »es ist nicht sicher für uns. Denke an die erhaltene Warnung, halte reinen Mund über das, was Dir die Nacht begegnet ist, es soll Dich nicht gereuen. Wenn nicht, so wird Dich auch der Tower in London nicht vor unsrer Rache schützen.«

»Gute Nacht, euch Herren!« sagte Gurth; »ich will eurer Befehle eingedenk sein, und glaubt mir nur, ich meins gut, wenn ich euch ein sichereres und ehrlicheres Gewerbe wünsche.«

Somit schieden sie, und Gurth schritt auf das Zelt seines Herrn zu, dem er trotz der empfangenen Warnung sein nächtliches Abenteuer vollständig mittheilte.

Der enterbte Ritter staunte nicht minder über Rebekkas Geschenk, das er nicht anzunehmen beschloß, als über den Edelmuth der Räuber, von deren Denkart und Gewerbe ein solches Benehmen weit ab zu liegen schien. Doch wurden seine Gedanken über diese wunderlichen Vorgänge bald gebannt, da sich das Bedürfniß, der Ruhe zu pflegen, das die Anstrengungen des vorhergehenden Tages und die Vorbereitungen auf den folgenden unabweislich machten, bei ihm einstellte.

Er ließ sich daher auf eins der weichen Polster nieder, mit denen das Zelt versehen war, und der treue Gurth streckte seine müden Glieder auf eine der Bärenhäute, die im Zelt eine Art Fußteppich bildeten, und lagerte sich quer vor dem Eingang, so daß niemand herein konnte, ohne ihn aufzuwecken.

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